Namentliche Abstimmung ist beantragt. Ich bitte darum, dies bekannt zu geben. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte gerne die Frau Ministerin begrüßt, aber sie ist leider nicht da. Das ist sehr schade; denn wenn man solche Vorschläge macht, sollte man sich auch der Diskussion über diese Vorschläge stellen und nicht einfach gehen.
Herr Kollege Maget, bis zu diesem Moment wusste ich noch nicht, dass sich Herr Seehofer so geäußert hat. Ich begrüße das ausdrücklich, zeigt es doch, dass es auch in der CSU Personen gibt, die eine solidarische Pflegeversicherung vorantreiben. Wir dürfen guter Hoffnung sein, dass sich die sozial denkenden Menschen in dieser Fraktion der Meinung von Herrn Seehofer anschließen und sich diesem Vorschlag einer Kopfpauschale, der schon einmal bei der Krankenversicherung baden gegangen ist, nicht annähern wollen. Dieser Vorschlag ist unsolidarisch, er ist unsozial und er bringt überhaupt nichts für den Aufbau eines finanziellen Grundstocks, der später eingesetzt werden könnte. Dies ist ein hilfloser Versuch. Die Ministerin wäre gut beraten, wenn sie diesen Versuch besser heute statt morgen wieder zurückzöge. Vielleicht wird sie das tun. Vielleicht ist sie gerade deshalb heute gegangen. Es besteht die Hoffnung, dass sich bei ihr die Einsicht durchgesetzt hat.
Die Ministerin sollte sich statt über die Kopfpauschale lieber den Kopf darüber zerbrechen, wie die Pflegeversicherung in Zukunft gestaltet werden sollte. Darauf sollte sie ihre Bundesratsinitiativen richten. Sie hätte genug Möglichkeiten, sich hier effektiv zu engagieren. Sie könnte sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass an Demenz Erkrankte künftig in die Pflegeversicherung aufgenommen werden oder dass künftig Prävention und Rehabilitation belohnt werden. Die Frau Ministerin hat außerdem vorgeschlagen, dass die Pflegestufe 3 belohnt werden sollte. Das würde bedeuten, dass die schlechte und uneffektive Pflege belohnt würde. Das kann es doch nicht sein.
Die Pflegestufen haben sich im Übrigen selbst überlebt. Die Erfahrung zeigt, dass wir von diesen starren Pflegestufen weg müssen. Sie führen nur zu Ungerechtigkeiten und zu einem Druck auf das Pflegepersonal. Dieser Punkt muss bei einer neuen Pflegeversicherung bedacht werden. Herr Kollege Maget, Sie haben völlig recht: Wir können heute nicht über die Pflegeversicherung in allen ihren Ausprägungen diskutieren. Die Priorität muss aber sein, dass die alten Menschen künftig die Sicherheit haben, richtig und gut gepflegt zu werden. Dabei müssen alle Gruppen von alten Menschen mitbedacht werden. Das sind die Voraussetzungen. Eine Kopfpauschale trägt dazu überhaupt nicht bei. Deshalb noch einmal mein Appell an die nicht anwesende Ministerin: Überdenken Sie diese Vorschläge und rücken Sie davon ab. Schließen
Sie sich Ihrem Parteikollegen an und fordern Sie eine Pflege-Bürgerversicherung. Das ist wesentlich sinnvoller.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass Frau Staatsministerin Stewens nach meiner Kenntnis einen dringenden Termin in Nürnberg wahrzunehmen hat. Der Herr Staatssekretär kann selbstverständlich in die Diskussion eingreifen.
Erstens. Wir benötigen eine andere Diskussionsqualität bei der Reform der Pflegeversicherung, als es bei der zurückliegenden Gesundheitsreform der Fall war. Ich bedauere zutiefst, dass bei der Gesundheitsreform wesentliche strukturelle und inhaltliche Fragen an einem Schützengraben-Denken zwischen den zwei Finanzierungskonzepten „Bürgerversicherung“ auf der einen Seite und „Gesundheitsprämie“ auf der anderen Seite gescheitert sind.
Die jetzige Situation birgt eine große Chance in sich. Zur Erarbeitung von Eckpunkten wurde eine Arbeitsgruppe unter Federführung von drei Bundesministern, nämlich Ursula von der Leyen, Ulla Schmidt und Horst Seehofer eingesetzt.
Für uns muss es ganz entscheidend sein, dass Finanzierungsfragen und inhaltliche Fragen gleichzeitig und miteinander beraten werden und dass nicht wieder, wie manche es wollen, die Schwarz-Weiß-Diskussion über die Pauschale auf der einen Seite und die Bürgerversicherung auf der anderen Seite geführt wird. Das bringt uns überhaupt nicht weiter. Staatsministerin Christa Stewens hat bei der Pressekonferenz, auf die Sie sich beziehen, Herr Kollege Maget, ein mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung – MDK – abgestimmtes verändertes Bewertungssystem vorgestellt, das uns bei der Definition des Pflegebegriffs sehr viel weiter bringen würde als das gegenwärtige System. Als zweiten Punkt hat sie dann den Koalitionsvertrag angesprochen. Dieser Koalitionsvertrag, zu dem Ihre Partei genauso wie die Unionsparteien steht, sieht bekanntlich vor, dass eine Reform der Pflegeversicherung erfolgen muss, um das System nicht an die Wand zu fahren.
Bei Betrachtung der demografischen Entwicklung – das sage ich Ihnen ganz ehrlich, das sind objektive Zahlen – werden wir an einer grundlegenden Reform, die auch zur Bildung eines Kapitalstocks führt, nicht vorbei kommen. Dazu gibt es drei verschiedene Wege.
die Pauschale mit einem bestimmten Betrag, der aus meiner Sicht und auch nach dem ursprünglichen Vorschlag der CSU durchaus mit einer einkommensbezogenen und einer altersbezogenen Komponente versehen werden kann.
Der zweite Weg ist eine Erweiterung des Kreises der Bezieher von Leistungen aus der Pflegeversicherung und damit der Beitragspflichtigen in Form einer Bürgerversicherung. Der dritte Weg, der möglicherweise mit dem ersten oder mit dem zweiten Weg gepaart werden kann, ist eine maßvolle Anhebung der Beiträge. Das sind die drei Perspektiven.
Die junge Generation muss heute definitiv davon ausgehen, dass sie aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in 20 oder 30 Jahren keine Leistungen bekommen wird, wenn wir nichts daran ändern und dieses System an die Wand fahren. Für diese Generation brauchen wir eine Antwort, und darüber sollten wir uns alle wirklich im Klaren sein.
Die Antwort kann die Bildung des Kapitalstocks in Form einer Pauschale sein. Die zweite Alternative ist für mich eine maßvolle Beitragssatzerhöhung.
Vor dem Hintergrund, dass wir im Moment noch am Anfang der Beratungen stehen, halte ich es für völlig falsch, einen Weg von vornherein auszuschließen. Damit stellen Sie sich, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mit Ihrem Dringlichkeitsantrag auch ausdrücklich gegen die Koalitionsvereinbarung. Wenn Sie das tun, ist das Ihre Sache, wir tun es jedenfalls nicht. Wir wollen, dass die Pflegeversicherung insgesamt für die Zukunft sicher wird. Wir wollen, dass die Pflegeversicherung als solche auch erhalten bleibt. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.
Wir wollen auch eine inhaltliche Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Das gilt vor allem für die Definition des Pflegebegriffs und für die Einbeziehung von an Demenz Erkrankten. Das gilt auch für eine stärkere Förderung für Formen des betreuten Wohnens. Wir müssen die Geburtsfehler der Pflegeversicherung, wie etwa die Zeiteinheiten oder die Schnittstellenproblematik beseitigen. Das gilt auch für die Tatsache, die Frau Kollegin Ackermann völlig zu Recht angesprochen hat, dass die Pflegestufe 3 nicht dazu angetan ist, Rehabilitation zu
Vor dem Hintergrund dieses Spektrums eine der Alternativen auszuschließen, wäre der völlig falsche Weg, zumal wir diesen Kapitalstock benötigen, wie Staatsministerin Christa Stewens völlig zu Recht gesagt hat. Meines Wissens distanziert sich davon auch Horst Seehofer nicht. Für uns ist es deshalb völlig klar, dass wir diesem Antrag der SPD-Fraktion nicht zustimmen können.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal finde ich Ihren Vorwurf nicht sehr nett, Herr Kollege Maget. – Ich dachte mir, wir telefonieren hier im Saal nicht mehr.
Wenn ich ihn anspreche, wäre es schon wichtig, dass er mir zuhört. Denn er hat behauptet, die Ministerin fehle heute unentschuldigt. Das ist nicht richtig. Sie ist auf dem Weg nach Nürnberg, wo heute eine Ärztediskussion stattfindet. Ich glaube, es ist auch im Interesse des politischen Friedens, dass dort miteinander und nicht übereinander gesprochen wird. Deswegen ist die Ministerin heute frühzeitig von hier abgereist.
Meine Damen und Herren Kollegen, Herr Maget hat es vorhin vorgetragen, und Kollege Dürr hat jetzt mehrfach in verschiedenen Sprachen – er scheint ein Sprachgenie zu sein – nachgefragt, was wir denn wollen. Diese Frage, Kollege Maget und Kollege Dürr, gebe ich Ihnen gerne zurück. Was wollen Sie denn? Mit Sicherheit ist es überhaupt keine Lösung, nur zu sagen, ich will etwas gar nicht. Tatsache ist, dass wir nicht einfach Nein sagen können, sondern wir müssen der Demografie Rechnung tragen. Wir müssen all dem Rechnung tragen, was vor uns im Raume steht.
Einmal wissen wir, dass ein Kapitalstock notwendig ist. Einen Kapitalstock brauchen wir, um die Demografiereserve aufzubauen. Wir brauchen einen Ausgleich zwischen den Generationen. Herr Kollege, uns beide trifft es vielleicht auch einmal. Natürlich brauchen wir auch eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Generationen, wie sie im Übrigen im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Das sollte man auch nicht vergessen, Herr Kollege. Das ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Diskussion.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass der sozialpolitische Ausschuss in der letzten Woche einen Antrag der SPD-Fraktion beraten hat, in dem wir genau formuliert haben, was wir in Sachen Finanzierung der Pflegeversicherung wollen?
Ich werde darauf zurückkommen. Natürlich weiß ich, was Sie darin gefordert haben. Ich habe vorhin sehr genau dem Kollegen Unterländer zugehört, der auch ausdrücklich gesagt hat,
wir sind bereit, zu diskutieren. Das sollten wir tun. Wir sollten uns nicht gegenseitig „What do you want?“ zurufen, Herr Kollege Dürr. Der Kapitalstock muss gesichert sein. Das ist richtig. Der Kapitalstock muss natürlich auch davor gesichert sein, dass irgendjemand anderer darauf zurückgreift. Wir werden mit dem kapitalgedeckten Versicherungsanteil dafür sogen, dass wir den Menschen in Zukunft wirklich die notwendige Hilfe geben können. Wir hielten es für politisch verantwortungslos, das Umlageverfahren einfach so weiterzuführen. Wir wissen alle genau, dass wir dann eine Beitragssatzsteigerung um drei bis vier Prozent hätten, die mit Sicherheit eine unzumutbare Belastung wäre.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wahnschaffe, lassen Sie sich doch einmal von Ihren eigenen Genossen belehren, die etwas davon verstehen. Das werden Sie dem Herrn Rürup sicher zubilligen. Er hat ausdrücklich gesagt, dass nur der Weg über eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung richtig ist und dass wir deshalb diesen Weg gehen müssen, damit wir in Zukunft unsere Bürger schützen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, wenn wir das Umlageverfahren so weiterführen, wie wir es bisher haben, haben wir eine Sackgasse vor uns. Damit werden wir der demografischen Entwicklung nicht Rechnung tragen können.
Wir werden die unbestreitbar zu erwartenden massiven Steigerungen der Pflegeversicherungskosten so nicht lösen können. Es ist auch, entgegen der Diskussion, Herr Kollege Maget, keine solidarische Finanzierung gewesen, die eingerichtet worden ist. Denken Sie bitte daran, es war die Aufhebung des Buß- und Bettages, die nur den Arbeitgebern zugutekam. Damit wurde die Pflegeversicherung finanziert.
Das war der Punkt, der dafür gegeben wurde. Wenn wir jetzt etwas Neues machen, müssten wir, wenn wir Ihren Lösungsvorschlägen nachgingen, wieder auf die Halbierung gehen. Das wird nicht der Sinn der Sache sein. Es geht nicht um denjenigen, der 800 oder 10 000 Euro verdient, sondern es geht um den Durchschnitt, der weiß Gott schon genügend zur Kasse gebeten wird.
Meine Damen und Herren, ich kenne im Moment nur die Möglichkeit, jede Belastung auf ihre Zumutbarkeit hin überprüfen zu müssen. Bei dem Vorschlag geht es um 6 Euro. Das sind die berühmte Schachtel Zigaretten, die wir bald nicht mehr rauchen, ein Kinobesuch oder zwei Bier. Die Altersvorsorge ist dies ganz sicher wert. Über eines sind wir uns einig, das habe ich aus allen Wortmeldungen entnommen. Es geht auch darum, die Demenzkranken einzubeziehen. Das kostet Geld. Wir müssen die Eigenverantwortung der Einzelnen einbeziehen.