Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

Meine Damen und Herren, ich kenne im Moment nur die Möglichkeit, jede Belastung auf ihre Zumutbarkeit hin überprüfen zu müssen. Bei dem Vorschlag geht es um 6 Euro. Das sind die berühmte Schachtel Zigaretten, die wir bald nicht mehr rauchen, ein Kinobesuch oder zwei Bier. Die Altersvorsorge ist dies ganz sicher wert. Über eines sind wir uns einig, das habe ich aus allen Wortmeldungen entnommen. Es geht auch darum, die Demenzkranken einzubeziehen. Das kostet Geld. Wir müssen die Eigenverantwortung der Einzelnen einbeziehen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Die Belastungen von Sozialleistungsempfängern abzumildern, ist eine richtige Absicht. Darüber kann man sich unterhalten. Es gibt die Möglichkeit, zum Beispiel für einkommensschwache Personen einen Zuschuss aus staatlichen Mitteln zu nehmen, ähnlich der Riester-Förderung. Oder man kann in der Diskussion versuchen, den Stein der Weisen zu finden – Kollege Unterländer hat es vorhin für die CSU-Fraktion deutlich gesagt. Sie ist durchaus bereit, mit Ihnen zu diskutieren und einen guten Weg zu finden.

(Susann Biedefeld (SPD): Seehofer oder Stewens?)

Niemand hat etwas davon, wenn wir uns mit Neiddebatten auseinandersetzen. Wir müssen den richtigen Weg finden. Wir wollen gerne zusammenarbeiten. Ich hoffe, wir werden es schaffen.

(Beifall bei der CSU)

Für den weiteren Ablauf stelle ich fest, dass die Staatsregierung 2 Minuten 57 Sekunden über die Zeit gesprochen hat. Das sind rund drei Minuten und bedeutet, für jede Fraktion verlängert sich die Redezeit um drei Minuten. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wahnschaffe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir eben erlebt haben, war für die Staatsregierung äußerst blamabel.

(Beifall bei der SPD)

Wir erleben nicht zum ersten, sondern zum zweiten Mal eine neue Qualität der Politik der Staatsregierung. Die CSU-Fraktion mit Ihrer Zweidrittelmehrheit und die von ihr getragene Staatsregierung sind nicht in der Lage, in einer wichtigen Frage mit einer Stimme zu sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Das konnten Sie schon nicht beim Ladenschluss. Bei einer so wichtigen Veranstaltung des größten Sozialverbandes Bayerns, dem VdK, der mehr Mitglieder hat als alle Parteien in Bayern, treten zwei Repräsentanten auf, die nicht nur der CSU, sondern auch der Staatsregierung und der Bundesregierung angehören, und legen kontroverse Ansichten zur Finanzierung der Pflegeversicherung vor. Dazu sagen Sie, Herr Staatssekretär, „What do you

want?“ Wunderbar. Das möchten wir Sie fragen. Wir wollen die Haltung der CSU wissen.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Maget hat es beschrieben. Sie entwickeln sich immer weiter weg von einer sozialen Partei hin zu einer neoliberalen Partei. Das drücken Sie bei diesem Thema deutlich aus.

Herr Kollege Unterländer, ich bewundere schon, wie Sie es in fünf oder noch mehr Minuten nicht geschafft haben, klar zu sagen, wofür Sie eigentlich stehen.

Herr Kollege Wahnschaffe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Unterländer?

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Ja gerne, vielleicht sagt er etwas Klares!)

Herr Kollege Wahnschaffe, ist Ihnen bekannt, dass es eine Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und der CDU/CSU gibt, die ausdrücklich für die Pflegeversicherung feststellt, dass es eine Lösung geben soll, die die Zukunftsorientierung in Form eines Kapitalstocks vorsieht, – –?

Herr Kollege Unterländer, entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber das geht von meiner Zeit ab.

Mir ist wie Ihnen bekannt, dass es eine Koalitionsvereinbarung gibt. Ich will Ihnen etwas zu dem Vorschlag von Frau Stewens sagen, die heute nicht anwesend sein kann. Ich habe dafür Verständnis, denn die Situation in Nürnberg ist schwierig genug.

(Joachim Unterländer (CSU): Frage!)

Natürlich gibt es eine Festlegung. Von der haben Sie sich mit Ihrer Vorfestlegung auf 6 Euro als Beitrag, den alleine die Versicherten zu zahlen haben, nämlich der Kopfpauschale, meilenweit entfernt.

(Beifall bei der SPD)

Nicht nur das, meine Damen und Herren. Man muss genauer hinsehen. Was Frau Stewens vorgeschlagen hat, entfernt sich von der Kopfpauschale, die noch Vorschlag der Union zur Krankenversicherung war. Dort gab es einen sozialen Ausgleich. Jetzt fordert Frau Stewens 6 Euro vom Millionär und auch 6 Euro von der Reinemachefrau. Nach Ihrem früheren Modell hätte die Reinemachefrau mit geringem Einkommen einen steuerlichen Ausgleich bekommen. Das Modell von Frau Stewens sieht das nicht vor. Es gibt keinen sozialen Ausgleich. Das ist im höchsten Maße unsozial.

Herr Kollege Wahnschaffe, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Unterländer?

Nein, ich habe leider wenig Redezeit.

Ihre Lösung zielt darauf ab, die Arbeitgeber außen vor zu halten. Es soll nicht nur erreicht werden, dass die Kopfpauschale eingeführt wird, sondern dass die Arbeitgeber von weiteren Erhöhungen verschont bleiben. Das würde die einseitige Belastung der Versicherten bedeuten. Schließlich lehnen Sie mit diesem Modell den Ausgleich zwischen der privaten und der gesetzlichen Pflegeversicherung ab, wie er im Koalitionsvertrag steht. Auch das ist im höchsten Maße unsolidarisch.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir können zu diesem Zeitpunkt festhalten, dass die CSU im Unterschied zur Mehrheit der Union in der Bundesregierung eine Lösung favorisiert, die sie bei der Krankenversicherung noch lauthals abgelehnt hat. Jetzt plötzlich ist sie für die pure Lösung der Kopfpauschale. Meine Damen und Herren, damit ist die CSU in einer Situation, wo sie sich fragen muss, ob sie überhaupt noch das Wort „sozial“ im Namen führen kann.

(Beifall bei der SPD)

Das alleine ist es aber nicht. Hinzu kommt die Infamie, dass einerseits Herr Seehofer sagt, er sei gegen die Kopfpauschale, wohl wissend, dass er die CSU nicht hinter sich hat, und andererseits Frau Stewens die Kopfpauschale fordert, wohl wissend, dass diese in der Koalition nicht durchzusetzen ist. Das ist Populismus in Reinkultur. Meine Damen und Herren, das werden wir nicht mitmachen, und wir hoffen, dass sich die Ehrlichen unter Ihnen bei der namentlichen Abstimmung ebenfalls gegen eine solche Lösung aussprechen werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Wahnschaffe, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile Herrn Kollegen Unterländer das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Wahnschaffe, Sie haben davon gesprochen, dass sich die CSU aufgrund des Vorschlags von Staatsministerin Stewens von der Koalitionsvereinbarung entfernt habe.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das sehen wir so!)

In der vergangenen Woche haben Sie einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, mit dem Sie die Einführung der Bürgerversicherung für die Pflegeversicherung gefordert haben. Das ist keineswegs durch die Koalitionsvereinbarung abgedeckt. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Ihren Antrag? –

Aus unserer Sicht ist dies eine eklatante Abweichung von der Koalitionsvereinbarung.

Herr Kollege Wahnschaffe, wollen Sie darauf antworten?

Herr Kollege Unterländer, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie diese Frage

gestellt haben. Das gibt mir Gelegenheit, darauf zurückzukommen, worauf es eigentlich ankommt. Wir alle miteinander wollen – ich glaube, das ist eine Gemeinsamkeit –, dass die Pflegeversicherung ausgebaut wird, dass die Pflegeversicherung wirklich denen zugutekommt, die sie dringend brauchen, weil sie einen entsprechenden pflegerischen Bedarf haben. Das ist durch die gegenwärtigen Leistungen nicht gesichert.

Sie wissen auch, dass bei Einführung der Pflegeversicherung die damalige konservativ-liberale Regierung dafür gesorgt hat, dass eine Dynamisierung der Pflegeversicherung ausgeschlossen bleibt. Deswegen haben wir bis heute hinsichtlich Beiträgen und Pflegeleistung das Niveau von damals. Wir müssen zu einem anderen Ergebnis kommen.

Wir meinen, dass das System einer Bürgerversicherung, das verschiedene Einkunftsarten mit einbezieht, das gerechteste wäre, weil damit das Prinzip der Solidarität nicht nur nicht verletzt, sondern gestärkt würde. Das ist mit Ihrem Modell nicht der Fall. Deswegen ist es durchaus erlaubt, solche Dinge, die Ihnen nicht unbekannt sind, in die Debatte zu werfen, wohl wissend, dass sie in dieser Koalition nicht zu verwirklichen sind.

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu trenne ich die beiden Anträge wieder und lasse zuerst über den Antrag abstimmen, zu dem keine namentliche Abstimmung beantragt worden ist – das ist der Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/8045 der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/8037, Antrag der SPD-Fraktion. Die Urnen sind aufgestellt. Das Verfahren ist bekannt. Vier Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 17.02 bis 17.06 Uhr)

Die Zeit ist abgelaufen. Ich bitte, die Urnen zur Auszählung mitzunehmen. Ich gebe das Ergebnis später bekannt.

Ich rufe auf

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Keine Steuergeschenke für Großunternehmen; Unternehmenssteuerreform vollständig gegenfinanzieren – Interessen des Mittelstands berücksichtigen (Drs. 15/8038)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Mütze.