Protokoll der Sitzung vom 26.06.2007

Zum dritten Antrag, zum Antrag der CSU, die VOB weiter zu fl exibilisieren, kann ich feststellen: Wir sind für eine Entbürokratisierung und für eine Verschlankung. Dies ist auch der Grund, warum wir die VOB weiter fl exibilisieren wollen, und dafür bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt darf ich noch Herrn Dr. Beyer das Wort erteilen, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird nicht sehr lange dauern, die Stimme ist ohnehin schon trocken.

Es kommt selten vor, dass ich dem Kollegen Dr. Runge nahezu ausschließlich zustimmen kann. Aber heute kann ich es jedenfalls tun, was die Anträge der GRÜNEN angeht. Wir freuen uns – wir haben das auch schon im

Ausschuss gesagt, das ist wortwörtlich zu nehmen –, dass in dieser Legislaturperiode die GRÜNEN das aufnehmen, was wir als SPD in diesem Haus schon lange versuchen, nämlich eine ordentliche Tariftreue.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜNE))

Wenn Herr Schieder da ist, wird er Ihnen gleich erzählen, wie das mit dem Gesetzentwurf war, Herr Runge. Vorsicht, sonst sind wir wieder nicht beieinander. Sie nehmen das auf, was wir in diesem Haus schon lange versuchen, nämlich die Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Bayern zur Standardpfl icht zu machen.

Sie fordern mit dem ersten Antrag die Ausdehnung der Tariftreue-Regelung auf weitere Branchen. Im Moment haben wir eine Anwendung auf den Hochbau erreicht. Ich bin sehr überrascht, dass Sie bei der CSU sagen, es gebe für weitere Branchen keinen Bedarf. Andererseits haben Sie heute vor einer Stunde die Hand dafür gehoben, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung in den Ausschuss verwiesen wird, in dem die Ausdehnung auf den Tiefbau geregelt wird. Auch die CSU-Fraktion sollte da in sich logisch bleiben. Wir wollen allerdings nicht die Variante, die Minister Dr. Beckstein vorschlägt, der bei der Ausdehnung auf den Tiefbau ein bloßes Wahlrecht anstrebt. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Wenn es in Bayern wirklich gerecht zugehen soll, muss es einen gerechten Lohn für gute Arbeit geben, und zwar in allen Branchen.

Die CSU-Fraktion fordert in dem heute in der Ersten Lesung überwiesenen Gesetzentwurf, bei Tiefbauten ein Wahlrecht einzuräumen. Da kann ich nur sagen: Das ist der falsche Weg. Es gibt kein Wahlrecht, Menschen in diesem Land zu Armutslöhnen zu beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Dafür gibt es kein Wahlrecht. Keiner hat das Recht, andere ausbeuterisch zu beschäftigen. Keiner hat dieses Recht, weder aus moralischen Gründen noch aus wirtschaftspolitischen Gründen, weil gute Arbeit ordentlich bezahlt werden muss, damit hinterher eine Binnennachfrage entstehen kann. Wem all das Vernünftige nicht reicht, der soll in die Bayerische Verfassung schauen, da fi ndet er die einschlägigen Bestimmungen.

Eine gerechte Entlohnung für gute Arbeit – das ist unser Weg. Kolleginnen und Kollegen der CSU, wir fordern Sie auf: Stellen Sie sich dem nicht länger in den Weg.

(Beifall bei der SPD)

Wir können also dem Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 15/7226 zustimmen. Der Bausektor ist in der Tat erst der Anfang. Er kann nicht das Ende der Verpfl ichtung zur Tariftreueerklärung sein.

Noch interessanter ist die Diskussion über den zweiten Antrag. Darin fordern die GRÜNEN – sie machen sich dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu eigen –, dass bei Ausschreibungen künftig nicht nur das

wirtschaftlichste Angebot gilt, sondern dass auch andere, insbesondere soziale und umweltbezogene Kriterien einbezogen werden können. Manche in der CSU lehnen dieses Begehren ab: Herr Kollege Richter hat es abgelehnt, Herr Kollege Pschierer hat es mit einer sehr bemerkenswerten, kalten und zynischen Begründung getan; Herr Kollege Runge hat es bereits zitiert. Es war dann Herrn Pschierer selbst peinlich, und er hat im Nachhinein versucht, das verbal ein bisschen zu kaschieren.

Auch die erste Inkonsequenz hat Herr Kollege Runge schon benannt. Sie haben – das hat Gott sei Dank geklappt – nicht nur einen eigenen Antrag eingebracht, sondern auch bei der fraktionsübergreifenden Initiative mitgemacht, dass in Bayern öffentliche Auftraggeber keine Produkte aus Kinderarbeit mehr beziehen sollen. Das hielten Sie für richtig, und das ist auch richtig. Aber das darf nicht nur dazu dienen, dass man als Gutmensch dasteht, sondern das muss man dann in allen Bereichen auch wirklich durchsetzen wollen. Deshalb gibt es für diese Initiative der GRÜNEN sehr wohl einen Grund. Wie nötig sie ist, Herr Weidenbusch, haben wir auch im Ausschuss gesehen. Herr Kollege Spitzner hört jetzt sicher sehr interessiert zu, weil das ein Strauß ist, den wir schon miteinander gebunden haben – und nicht nur einmal.

Wie Sie wissen, rühmt sich der Freistaat Bayern seines Bayerntaktes im Schienenpersonennahverkehr. Das soll er ruhig tun. Aber wir sagen: Erstens kann man den noch verbessern, zweitens geht es um Geld des Bundes; Bayern gibt hier Regionalisierungsmittel des Bundes in Milliardenhöhe aus.

Herr Kollege Schuster hat vor geraumer Zeit eine Initiative ergriffen und die Staatsregierung aufgefordert, bei der Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen in Zukunft auch die Ausbildungstätigkeit – jetzt sind wir nicht mehr beim Maybach, sondern bei anderen Dingen –, also Ausbildungsleistungen der Verkehrsunternehmen zu berücksichtigen, weil wir alle wissen, dass die Deutsche Bahn AG zum Beispiel in Franken noch im dreistelligen Bereich ausbildet, aber andere Betriebe nicht ausbilden, dass aber die Ausbildungsleistung, wenn Sie nur auf den Kilometerpreis schauen, keine Rolle spielt.

Herr Kollege Schuster hat das damals zu Recht angemahnt. Herr Staatssekretär, Sie haben geantwortet: Ich würde es ja gerne, aber ich darf es nicht berücksichtigen. Ich habe dann – ich glaube, es war in einer der letzten Sitzungen im alten Plenarsaal – die Frage an Sie gestellt, warum Sie das nicht machen; ob Sie gedenken, das in Zukunft zu tun. Sie haben damals eine große Betroffenheit signalisiert, haben gesagt, dass Sie das gerne tun würden, dass es Ihnen aber aus rechtlichen Gründen verwehrt sei. Herr Richter, Sie erinnern sich, ich habe das schon im Ausschuss gesagt. Die Staatsregierung erklärte, das sei nicht rechtens. Wie wir jetzt wissen, war dies schon damals eine falsche Rechtsauffassung, denn mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht genau das für verfassungs- und EU-rechtlich zulässig erklärt, Herr Spitzner, genau das, sowohl die Kriterien allgemein als auch für die Ausbildungsleistungen.

(Zuruf von der CSU: Kriterien ja, aber den kon- kreten Fall: nein!)

Nein, aber die Kriterien. Ich habe gesagt, die Rechtsauffassung war schon damals falsch. Sie hat sich aber jetzt als falsch erwiesen. Jetzt stehen wir vor einer Divergenz: Kollege Richter sagt, der richtigen Rechtsauffassung folgend, das darf ich jetzt schon machen, das Bundesverfassungsgericht bestätigt das. Die Staatsregierung hat dagegen auf mündliche Anfragen hin zu dem konkreten Beispielsfall „Ausbildungsleistungen beim Schienenpersonennahverkehr – SPNV –“ mehrfach erklärt, wir dürften das nicht. Wir haben also festzuhalten, dass die Staatsregierung sagt, wir dürften es nicht, obwohl es das Bundesverfassungsgericht mittlerweile gestattet. Allein diese Divergenz zwingt uns natürlich als das Organ, das die Staatsregierung zu kritisieren und zu kontrollieren hat, dazu, dass wir das beschließen müssen, wenn es die Staatsregierung von sich aus nicht tun will. Deshalb werden wir auch diesem zweiten Antrag zustimmen.

Was den dritten Antrag, den man seitens der CSU in dieses Paket eingebunden hat, damit man auch etwas sagen kann, betrifft, bleibt es dabei: Herr Kollege Runge hat insofern zumindest die richtige Einstiegsbewertung gefunden. Wir wissen nicht, was die Formulierung bedeutet: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, beim Bund weiter auf die Verschlankung und Vereinfachung des Vergaberechts hinzuwirken.“ Soll das die Kaskadentechnik abschaffen? – Aber das müsste man in Brüssel klären. Sind da Schwellenwerte gemeint? – Darüber kann man gut und gerne reden. Wir wissen es wirklich nicht. Herr Pschierer hat ein bisschen etwas erklärt. Wenn das so ist, könnte man das vielleicht nachvollziehen, aber es hätte auch drinstehen können, was gemeint ist. Das ist ein Musterbeispiel für einen schlampigen Antrag, der zudem nicht begründet ist. Deshalb kann man nicht wissen, worum es geht. Das passiert normalerweise nicht, wenn die Anträge der CSU aus den Ministerien kommen. Dieser Antrag ist offensichtlich im Arbeitskreis selber und unter Zeitdruck entstanden, weil er unklar ist. Aber weil wir Christenmenschen sind und Ihnen das Beste unterstellen, bleibt es bei unserer Haltung: Es hilft nichts, schadet aber auch nichts. Wir enthalten uns deshalb.

Wenn Sie uns erklären, was Sie mit dem Antrag genau wollen, können wir irgendwann in einer weiteren Runde eine dezidierte Stellungnahme dazu abgeben. Also: zweimal Zustimmung, bei diesem Antrag Enthaltung.

Kolleginnen und Kollegen der CSU, das Ganze ist keine Sternstunde.

Wir müssen das Thema Tariftreue ernst nehmen. Die Staatsregierung beginnt jetzt mit der Ausdehnung auf den Tiefbau, einen halbherzigen Schritt zu gehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Aber immerhin!)

Wir werden das diskutieren.

Ich sage es noch mal: Es gibt kein Recht, und es gibt kein Wahlrecht, Menschen nicht zu gerechten Löhnen zu beschäftigen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Deshalb ist Ihre heutige Ablehnung auf Sand gebaut.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Um im Baujargon zu bleiben!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Herr Kollege Dr. Runge noch einmal ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank! Noch zwei, drei Sätze zu dem Antrag betreffend Rechtsgrundlagen für andere Kriterien. Herr Pschierer, seines Zeichens Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, CSU-Mitglied, sagt: Das wollen wir nicht, weil wir bloß den Preis und die Eignungskriterien wollen. Hier hören wir seitens der CSU: Das brauchen wir nicht, weil das längst geht.

Die dritte Position der CSU, nämlich die im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, dem ich vorsitzen darf – der Ausschuss hat in der Abstimmung diesen Antrag angenommen, auch das bitte ich zu berücksichtigen, Herr Kollege Richter, wir haben anders abgestimmt als der federführende Ausschuss –, lautete: Das ist richtig und wichtig. Aber nach dem, was wir in dem anderen Antrag drin haben – ich bitte Sie, den Punkt 5 im gemeinsamen Antrag anzuschauen –, brauchen wir es nicht in einem weiteren Antrag, wobei dieser weitere Antrag etwas anderes sagt, grundsätzlicher ist und auch früher kam.

Was zählt denn jetzt? Entweder: Wir wollen es nicht. Oder: Wir brauchen es nicht, oder – die dritte Meinung Ihrer Fraktion –: Wir brauchen es zwar schon, aber wir wollen es über einen anderen Antrag einführen, das zur Klarstellung.

Damit bin ich wieder bei dem Verfassungsgerichtsurteil. Vorher gab es ja Urteile des Berliner Kammergerichts und des BGH. Das Verfassungsgericht hat, widersprechend den vorherigen Urteilen, vor allem vom BGH, gesagt: Erstens: Eine solche Regelung ist materiell-rechtlich zulässig. Sie haben sich auf die Grundlage bezogen, nicht auf die Ausführung. Zweitens: Eine solche Regelung darf auch durch das Land Berlin geschaffen werden, weil der Bund das nicht hinreichend gemacht hat. Drittens – das ist die Conclusio daraus –: Es gibt weder auf Bundes- noch auf Landesebene – damit meine ich jetzt den Freistaat Bayern – bisher eine hinreichende Rechtsgrundlage. Wir wollen genauso wie Sie mit dem gemeinsamen Antrag, dass diese Rechtsgrundlage geschaffen wird.

Deshalb bitte ich Sie noch einmal, sich unserem Begehren anzuschließen, welches dann auch das Votum des Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der jeweils federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie empfi ehlt, die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN abzulehnen und dem Antrag von Abgeordneten der CSU-Fraktion zuzustimmen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, besteht damit Einverständnis, dass wir über die drei Anträge eine Gesamtabstimmung durchführen?

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Nein!)

Was heißt jetzt „nein“? Ihre Fraktionsgeschäftsführerin hat uns etwas anderes signalisiert. Da müssen Sie sich schon einig werden.

Frau Kollegin Scharfenberg, könnten Sie uns jetzt bitte mitteilen, ob Ihr Wort gilt? Oder wie ist das? Jetzt bin ich es wieder, die Durcheinander reinbringt. Das ist immer so bei Ihnen.

(Eike Hallitzky (GRÜNE): Oh, oh! – Zuruf: Ganz langsam!)

Was heißt hier „ganz langsam“?

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Herr Runge möchte eine Einzelabstimmung!)

Ja, gut. Aber das bitte ich in Zukunft vorher abzuklären. Sie hatten es uns anders signalisiert.