Danke schön, Herr Dr. Vetter, Sie haben um eine Minute überzogen. Als nächste Rednerin hat nun Frau Christa Stewens das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzte Stufe der Gesundheitsreform, wie sie am 01.01.2009 umgesetzt worden ist, war ein schwieriger Kompromiss innerhalb der Großen Koalition. Das ist überhaupt keine Frage. Wir werden uns gemeinsam und insbesondere die Christlich Soziale Union die Auswirkungen in Bayern ansehen; denn wir haben in der neuen Koalition in Bayern im Koalitionsvertrag vereinbart, dass, wenn die Auswirkungen der Gesundheitsreform, die ursprünglich prophezeit wurden, nicht eintreten, diese dann grundsätzlich infrage gestellt wird. Vor diesem Hintergrund ist ihr Antrag, Herr Dr. Vetter, sehr wichtig. Wir haben uns bereits in der letzten Sitzung des Gesundheitsausschusses unterhalten.
Ich denke, dass wir uns über die Zukunft der niedergelassenen Ärzte, seien es Haus- oder Fachärzte, gemeinsam intensiv Gedanken machen müssen.
Die aktuelle Situation muss man sich genau ansehen, weil sie sich durchaus differenziert darstellt. Zwei Drittel unserer Zulassungsbezirke in Bayern sind nach wie vor für Neuzulassungen gesperrt. Zusätzlich haben wir Probleme mit der demografischen Entwicklung aber
auch Nachwuchsprobleme. Wer wählt denn noch den Beruf niedergelassener Arzt? Da muss man sich genau anschauen, wo die Probleme liegen. Wir haben auf der einen Seite eine überbordende Bürokratie, sowohl im stationären wie auch im ambulanten Bereich. Jedes Kostendämpfungsgesetz hat noch einmal zusätzliche Bürokratie in die Praxen und in die Kliniken gebracht. Darunter leidet natürlich die Attraktivität des Berufes Arzt generell. Professor Steiner hat einmal gesagt, er kenne keinen anderen freien Beruf - der Arzt ist ja ein Freiberufler -, der so stark reglementiert ist wie der des Arztes, des Mediziners in Deutschland. Das Expertenforum wurde unter Leitung von Professor Steiner, dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter, der übrigens Berichterstatter für das SGB V war, einberufen, um sich über die Zukunft des niedergelassenen Arztes in Bayern Gedanken zu machen und entsprechende Lösungsansätze zu entwickeln. Die Ergebnisse werden wir vom Minister im Ausschuss relativ bald vorgestellt bekommen.
Zum Thema Bürokratie könnte einem vieles einfallen; darüber könnte man lange sprechen, seien es die Morbi-RSA oder die Disease-Management-Programme, seien es die Positivliste oder die Arzneimittelrabatte. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen.
Der zweite Bereich ist der gesamte Honorarbereich. Wir in Deutschland befinden uns in einem neuen Honorarzeitalter. Gleichzeitig möchte ich sagen, dass die Honorarreform gemeinsam mit den ärztlichen Vertretern und den Krankenkassen auf den Weg gebracht worden ist. Grundlage dieser neuen Bewertung sind Europauschalen mit Zusatzvergütungen. Die Vertreter der ärztlichen Fachverbände und des Hausarztverbandes waren immer mit am Tisch, als darüber verhandelt wurde. Gerade auch von Bayern aus haben wir uns intensiv dafür eingesetzt, dass das Honorarvolumen unserer niedergelassenen Ärzte nicht absinkt und dass die Ärzte etwas mehr bekommen. Insgesamt wurde das Honorarvolumen deutschlandweit um 2,7 Milliarden angehoben. Das war für die Christlich-Soziale Union ein ganz, ganz wichtiges Anliegen, aber auch seitens der Bayerischen Staatsregierung und des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der sich in Berlin sehr intensiv dafür eingesetzt hat. Das haben wir erfolgreich durchgesetzt.
In dem gemeinsamen Bewertungsausschuss sind die Honorare der einzelnen Facharztgruppen völlig neu bewertet worden. Da gibt es natürlich durchaus Verwerfungen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Selbstverwaltung noch einmal genau drüberschauen muss, wo die Verwerfungen sind und wo man größere regionale Spielräume benötigt, um in Bayern und in den einzelnen Regionen gegensteuern zu können.
Die SPD hat mir ja immer wieder vorgeworfen, ich hätte mich als Ministerin nicht für regionale Spielräume eingesetzt. Die regionalen Spielräume sind übrigens in die Grundsätze der Gesundheitsreform mit aufgenommen worden. Die haben wir damals in Berlin mit hineinverhandelt. Daher ist es meine Bitte an die SPD, sich an die Bundesgesundheitsministerin zu wenden und ihr zu sagen, dass die regionalen Spielräume vor Ort endlich durchgesetzt werden müssen. Wir brauchen sie dringend. Denn diese Handlungs- und Verhandlungsspielräume brauchen die bayerischen Krankenkassen, braucht aber auch die Bayerische Kassenärztliche Vereinigung. Wir hier in Bayern haben unsere Aufgabe erfüllt.
Wir haben gesagt, wir brauchen ein größeres Honorarvolumen. Jetzt ist es wichtig, dass diese Honorare durch neue Verteilungsmaßstäbe auch vor Ort in unseren Praxen wirklich ankommen.
Dann gibt es noch ein drittes Problem. Das ist auch von Ihnen, Herr Dr. Vetter, angesprochen worden; es wird zurzeit immer wieder in den Zeitungen thematisiert. Ich meine das Problem, dass wir zurzeit in Bayern und in Deutschland einen Verdrängungswettbewerb haben. Medizinische Versorgungszentren gründen sich und verdrängen den Freiberufler, den niedergelassenen Arzt.
- Ja Herr Beyer, Sie können ganz sicher sein: Ich habe in Berlin immer für den Vorrang des Freiberuflers gekämpft. Wir auf bayerischer Seite haben im Bundesrat auch schwerwiegende Bedenken gegen die Medizinischen Versorgungszentren vorgebracht.
Wir von Bayern aus, auch die CSU-Fraktion, werden uns intensiv darum bemühen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Medizinischen Versorgungszentren entsprechend zu ändern - unter dem Schlagwort: Vorfahrt für niedergelassene Ärzte. Das halte ich für sehr wichtig.
(Dr. Thomas Beyer (SPD): Dazu wollte ich Sie etwas fragen; schade, dass Sie die Frage nicht zugelassen haben!)
Dazu möchte ich noch Folgendes sagen: Gerade in dieser schwierigen Situation ist es dem Gesundheitsminister Markus Söder in nicht ganz einfachen Verhandlungen - ich weiß, wovon ich spreche - gelungen, die Härtefallklausel zu verbessern. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Honorarvolumina nicht stärker als 15 % pro Facharzt abfallen dürfen. Dieses Maß wurde auf 5 % reduziert. Dafür steht dann die Kassenärztliche Vereinigung, aber auch die Krankenkassen gerade, dass die Honorarvolumina nicht mehr abfallen dürfen als 5 %. Das, denke ich, ist ein wichtiger und guter Verhandlungserfolg.
Wir als CSU-Fraktion - das möchte ich klar sagen, und das ist für uns wichtig - stehen für eine freie Arztwahl. Zur freien Arztwahl gehört für uns auch, dass die doppelte Facharztschiene erhalten bleibt. Dabei geht es um die fachärztliche Versorgung in einem Flächenstaat wie Bayern. Es geht darum, dass wir eine gute Versorgung mit Hausärzten haben, die sozusagen die ersten Anlaufstellen für die Patientinnen und Patienten sind. Es geht aber auch darum, dass wir die Fachärzte in Bayern in der Fläche erhalten wollen.
Daher stellen wir uns ganz klar hinter den niedergelassenen Arzt als Freiberufler, der nach meiner festen Überzeugung hier in Bayern bislang eine hervorragende medizinische Versorgung unserer Patientinnen und Patienten garantiert. Wir müssen nur gleichzeitig darauf achten, dass sich die Situation vor Ort zum einen im Hinblick auf den Nachwuchsmangel, zum anderen im Hinblick auf die Überalterung und zum Dritten bei den Honoraren nicht verschlechtert. Da tragen wir, denke ich, durchaus ein Stück weit Verantwortung. Aber gemeinsam können wir dies in Bayern mit Sicherheit schaffen.
Danke schön, Frau Kollegin Stewens. Nur zur Information: In der Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfrage, Herr Dr. Beyer. Als nächste Rednerin ist Frau Kollegin Kathrin Sonnenholzner dran. Bitte schön, Frau Sonnenholzner.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt etwas erstaunt, denn der Titel der heutigen Aktuellen Stunde heißt "Flächendeckende Versorgung mit Haus- und Fachärzten", nicht "Flächendeckende Vergütung".
Darauf bezieht sich auch mein Redebeitrag. Einige Kommentare zum Beitrag meiner Vorrednerin kann ich mir aber nicht ersparen. Frau Stewens, wir haben nicht wegen der regionalen Spielräume immer wieder ver
sucht, Sie auf das richtige Gleis zu bringen, sondern weil Sie uns im August 2006 nachweislich Panikmache und Unverständnis für das Gesundheitssystem vorgeworfen haben. Damals haben wir als SPD-Fraktion gesagt, dass der Fonds zu massiven finanziellen Verwerfungen führen würde. Das haben wir Ihnen immer wieder vorgeworfen, wohl zu Recht. Es geht bei Ihnen immer nach dem gleichen Prinzip: Wenn es schief läuft, brauchen Sie uns, wenn es gut läuft, waren Sie es selber. Ihr Ministerpräsident hat deutlich bessere Kontakte zur Bundesgesundheitsministerin. Er hat nämlich schon Nächte mit ihr verbracht, gute Nächte -
- Die schönsten Nächte sogar, wie man an der einen oder anderen Stelle lesen kann. Ich habe bisher mit ihr nur Vormittage oder Nachmittage verbracht. Deshalb schlage ich Ihnen vor: Machen Sie es auf dem kleinen Dienstweg, und das soll dann der Herr Ministerpräsident machen.
Herr Kollege Vetter, Sie haben mit harten Begriffen um sich geworfen. Sie haben vom Gesundheitsfonds und vom Sozialismus gesprochen. Die SPD im Bayerischen Landtag braucht sich tatsächlich nicht vorwerfen zu lassen, dass sie nicht versucht habe, den Gesundheitsfonds von vornherein und ganz massiv zu verhindern. Leider hat die Bayerische Staatsregierung dem zulasten der Menschen in Bayern zugestimmt.
Herr Kollege Vetter, Sie haben auch die Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten angesprochen. Auch das ist ein wichtiges Thema. Die Rechnungen für die Patientinnen und Patienten sind allerdings im Gesetz, im GMG, geregelt. Die Patientinnen und Patienten haben den Anspruch, bei Verlassen der Praxis eine Patientenquittung zu bekommen. Die könnten Sie den Patienten durchaus ausstellen. Wir wollen nur nicht, dass Kassenpatienten selbst zahlen müssen und deswegen gar nicht erst zum Arzt gehen, weil sie zu wenig Einkommen haben. Das ist nicht die Art von Eigenverantwortung, die wir uns für die Menschen wünschen.
Ich glaube auch nicht, dass wir gut beraten sind, hier im Bayerischen Landtag über die Honorarreform zu diskutieren. Wir beschließen sie nämlich nicht. Wir werden darüber ebenso wenig entscheiden wie über die Frage der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Das ist definitiv nicht unser Thema. Dazu ließe sich viel sagen, im Wesentlichen aber ist diese Forderung populistisch.
Eine kleine Frage kann ich Ihnen aber nicht ersparen. Wie würde Ihr Kollege Krombholz, der während des
Wahlkampfs wenigstens in Oberbayern die Gesundheitspolitik der Freien Wähler dargestellt hat, zu Ihren Ausführungen stehen? Da kann ich nämlich relativ große Diskrepanzen erkennen.
Zurück zum eigentlichen Thema, zur haus- und fachärztlichen Versorgung in Bayern. Wir haben darüber am letzten Donnerstag aufgrund unseres Antrags im Ausschuss diskutiert. Ich finde es gut, dass wir auch im Plenum darüber diskutieren, denn man kann in der Tat nicht oft genug darüber diskutieren. Bei diesem Thema geht es tatsächlich darum, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen.
Frau Kollegin Stewens hat gesagt, dass wir bei den Hausärzten noch eine ausreichende Versorgung haben, wenngleich in Unterfranken, im Landkreis Schweinfurt, jetzt schon eine Unterversorgung droht. Auch gibt es innerhalb der einzelnen Versorgungsbereiche Verwerfungen, weil die Bereiche nicht fachgerecht berechnet sind. Ein Versorgungsgrad von 140 % in einer Stadt nützt mir nichts, wenn ich im angrenzenden Landkreis nur einen Versorgungsgrad von 60 % habe. Im Schnitt komme ich zwar auf 100 %, aber für die Menschen auf dem Land ist doch kein Hausarzt da. Auch damit sollten wir uns einmal vertieft beschäftigen.
Wir werden bei den Hausärzten noch schneller als bei den Fachärzten Probleme bekommen, wenn es uns nicht gelingt, den Nachwuchs für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Dazu muss man erst einmal die Zulassungskriterien verändern. Nicht jeder, der einen Abiturdurchschnitt von 1,0 hat, ist ein guter Hausarzt oder Facharzt. Ich habe nicht mit diesem Schnitt Medizin studiert. Ich weiß nicht, wer von den Kollegen in der Schule so gescheit war. Für die Zulassung gäbe es auch andere Kriterien. Bei den Lehrern - so war es in der Zeitung zu lesen - wird schon über Eignungstests nachgedacht, weil die Schulnote kein adäquater Parameter ist.
Auch wenn wir jetzt viele Studienanfänger haben, brauchen wir eine Nachwuchsoffensive, denn 60 % der Studierenden brechen das Medizinstudium ab. Ganz viele ergreifen gar keine medizinischen Berufe, wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben. Das können und müssen wir in Bayern regeln. Da müssen wir nicht auf die Bundespolitik schielen. Wir müssen über Stipendien reden, weil das Medizinstudium lang und relativ verschult ist. Beim Medizinstudium gibt es nicht unbedingt viele Möglichkeiten, nebenbei etwas zu verdienen. Dass die Studiengebühren auch an dieser Stelle schädlich sind, muss ich hier nicht extra erwähnen. Dagegen finde ich aber auch in Ihrer neuen Koalition keine Verbündeten.
Die Allgemeinmedizin muss auch in der universitären Ausbildung aufgewertet werden. Ich habe es letzte Woche schon gesagt. Bayern hat bisher keinen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Jetzt wird es einen Stiftungslehrstuhl geben. In Nordrhein-Westfalen haben von sechs medizinischen Hochschulen immerhin drei einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Aber auch dort meint man, dass es noch zu wenig sei. Bayern hinkt hier dramatisch nach. Auch das wäre ein Betätigungsfeld.
- Das ist alles recht und schön, aber wenn nichts passiert, muss sich die Politik etwas vertiefter einmischen.
Eine finanzielle Unterstützung braucht die Allgemeinmedizin selbstverständlich auch. Wir brauchen sowohl für die Ausbilder als auch für die Mediziner, die sich in Allgemeinmedizin weiterbilden, eine finanzielle Unterstützung, wenngleich sich zeigt, dass finanzielle Anreize, wie es sie in den neuen Ländern schon gibt, allein nicht genügen. Wir brauchen zusätzlich auch die passenden Rahmenbedingungen, und die bestimmen wir hier im Land. Ich meine damit die Infrastruktur im ländlichen Raum. Sie werden doch nicht glauben, dass junge Ärztinnen und Ärzte in Gegenden gehen, wo es keine Kinderkrippen gibt, wo der nächste Kindergarten 15 Kilometer weit weg ist und wo es auch kein ausreichendes Schulangebot gibt. Sie werden nicht in Gegenden gehen, wo es keinen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr und kein kulturelles Angebot gibt. Alles das sind die Rahmenbedingungen, die man in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen darf. Das zu regeln, ist einzig und allein Aufgabe des Landes Bayern.
Die fachärztliche Versorgung ist aufgrund der Altersstruktur noch nicht so bedroht wie die hausärztliche. Das wird aber auch noch kommen. Uns ist es wichtig, dass Fachärzte und Hausärzte nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir sind nicht gegen die Fachärzte, weil wir uns für die Hausärzte eingesetzt haben, und wir vergessen auch die Hausärzte nicht, wenn wir die Probleme der Fachärztinnen und Fachärzte erkennen. Nur so kann uns etwas insgesamt gelingen.
Das ärztliche Handeln muss nicht nur im freien Arztberuf, sondern auch in der Hand der Ärzte bleiben. Gemeindeschwestern können eine hervorragende Ergänzung des medizinischen Angebots sein. Sie müssen
aber eine Ergänzung sein und dürfen nicht dort, wo die ärztliche Versorgung bereits weggebrochen ist, ein Ersatz sein.