Protokoll der Sitzung vom 19.06.2012

(Harald Güller (SPD): Von den Vereinen!)

Mehr Geld wird nicht automatisch weniger Gewalt generieren.

Es ist insgesamt zu überlegen - wir sind da in der Gesellschaft bei einem breiten Konsens auf einem recht guten Weg -, wie gegen Gewalt vorzugehen ist.

Herr Pohl hat gerade von seiner Studentenzeit gesprochen. Ich war zu dieser Zeit, Anfang der Achtzigerjahre, selbst bei Fußballeinsätzen im Nürnberger Stadion zugange. Seitdem hat sich in unseren Stadien sehr viel verändert - von der baulichen Seite her, von der Verantwortungsübernahme durch Vereine, von den Ordnern. Diese und viele andere Dinge sind in den letzten Jahren entstanden, und wir sprechen mit Recht davon, dass in den letzten Jahren positive Entwicklungen stattgefunden haben. Aber - das betone ich ausdrücklich - sie müssen fortgesetzt werden.

Man sollte natürlich, wenn man zu den Stehplätzen spricht, wenn man sich die Vereine ansieht, durchaus auch sagen: Lieber Verein XY, wenn es bei dir nicht besser wird,

(Harald Güller (SPD): So ist es!)

dann werden wir deine Stehränge schließen. Man kann dann nicht einfach mal ein paar Sitzle drauflegen, auf die man sich trotzdem stellen kann, sondern schließt einfach einmal die Stehränge für ein oder

zwei Spiele. Auch das muss vielleicht überlegt werden, sich punktuell hier mit den Vereinen zu unterhalten.

Die heutige Diskussion hat die Wertigkeit des Themas verdeutlicht. Für die Gesellschaft ist wichtig - Herr Güller, Sie haben es dankenswerterweise auch angesprochen: Wir haben weitaus größere Probleme als die Stehplätze in Stadien -, dass wir uns als Landtag insgesamt einmütig dazu bekennen, dass wir die Zuschauer in den Stadien gegen Gewalt in der Gesellschaft, gegen Gewalt in Fußballstadien sind, aber natürlich auch den Sport schützen wollen, dass wir insgesamt hinter dem Sport in unserer Gesellschaft stehen, aber auch hinter der Fankultur.

Wir erleben es in diesen Tagen bei der Fußball-Europameisterschaft wieder: Wir haben eine wunderbare Fankultur. Über Überzieher an Seitenspiegeln der Autos kann man streiten, aber die Begeisterung allgemein ist schön für unsere Gesellschaft und ist auch richtig und wichtig für unser Land.

Wenn die heutige Diskussion dahin führt, dass wir uns als demokratische Parteien in diesem Haus einig sind, dass wir weiterhin zum Sport stehen, aber intensiv, massiv, punktuell und durchaus auch unterschiedlich, wo gerade Bedarf besteht, gegen Gewalt vorgehen wollen, dann ist das richtig und wichtig.

Freuen wir uns daher, dass der Sport in unserer Gesellschaft so einen großen Stellenwert hat. Freuen wir uns auf weitere großartige Sportereignisse weltweit und natürlich auch hier bei uns in Deutschland. Danken wir unseren Sicherheitskräften, die bereitstehen. Und, Kollege Schneider, wenn man Einsatzhundertschaften in der Bereitschaftspolizei hat, dann sind die natürlich auch da, um Einsätze durchzuführen. Freuen wir uns, danken wir diesen Einsatzkräften und stehen insgesamt als Demokraten gegen Gewalt, für unseren Sport und natürlich auch für die Freude, die mit diesem Sport verbunden ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Ländner. Als Letzter hat nun Herr Staatsminister Joachim Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Ausschreitungen bei den Relegationsspielen in Düsseldorf und Karlsruhe haben das Thema Fußball und Gewalt erneut in den Blickpunkt öffentlicher Diskussion gerückt. Die Thematik wurde daraufhin auch im Rahmen unserer letzten Innenministerkonferenz in Mecklenburg-Vorpommern am

1. Juni intensiv diskutiert. Nächste Woche werde ich mit den sieben bayerischen Vereinen der ersten und der zweiten Bundesliga, mit den Vertretern der betroffenen Städte und dem Bayerischen Fußballverband das Thema Sicherheit in den Stadien besprechen.

Wir haben in der neuen Saison die besonders positive Situation, vier bayerische Vereine in der ersten Bundesliga, dazu dann noch drei bayerische Vereine in der zweiten Bundesliga zu haben. Wir werden allein schon dadurch in der ersten Bundesliga natürlich deutlich mehr innerbayerische Derbys haben und insgesamt auch mehr Spiele, die insofern auch von der bayerischen Polizei betreut werden müssen.

Mein Anliegen ist es, vor Beginn der kommenden Bundesligasaison die Gelegenheit zu nutzen, für mehr Sicherheit und gegen Gewalt in unseren Fußballstadien zu werben und dabei insbesondere die Vereine noch stärker in die Pflicht zu nehmen, aber das in einem partnerschaftlichen Sinn.

Ich denke, es ist unser aller Interesse auch sowohl der Vereine und Verbände wie auch der Sicherheitsbehörden und der Polizei, dass es weder vor noch während noch nach den Spielen zu Randalen oder Ausschreitungen kommt. Bilder, wie wir sie von Düsseldorf und Karlsruhe geliefert bekamen, schaden dem Ansehen des Fußballs, und ich denke, wir wollen alle gemeinsam alles dafür tun, dass uns solche Bilder in Bayern erspart bleiben.

(Harald Güller (SPD): Werden Sie zu den Gesprächen zumindest teilweise die Fan-Szene und -Projekte mit einladen?)

- Ich sage dazu gleich noch etwas, Herr Kollege Güller.

Lassen Sie mich zu der Entwicklung in der nun zurückliegenden Saison ein paar Zahlen nennen. Wir hatten insgesamt in der ersten, zweiten und dritten Liga, im DFB-Pokal dieser Vereine sowie der UEFAWettbewerbe auf diesem Niveau im vergangenen Jahr in Bayern 181 Spiele. Dabei kam es zu 832 Strafanzeigen. Es wurden bei immerhin 132 dieser 181 Spiele Störungen festgestellt. Dabei wurden 64 Polizeibeamte verletzt, und bei 25 dieser 181 Begegnungen wurden auch rechtsmotivierte Straftaten beobachtet bzw. bekannt.

Insgesamt macht mir durchaus Sorge, dass es eine zunehmende Aggressivität auch gegenüber Polizeibeamten gibt. Wir rechnen bundesweit rund 12.000 Personen der Problemfanszene zu. Davon wohnen etwa 1.100 in Bayern. Der harte Kern, im polizeilichen Sprachgebrauch die sogenannten Hooligans, die Personen, die der Kategorie C zugerechnet werden, um

fasst bundesweit etwa 3.000 Personen, davon 150 in Bayern.

Diese Zahlen machen zweierlei deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Im Hinblick auf die insgesamt Hunderttausende, man kann sagen Millionen von Besuchern von Fußballspielen in Deutschland, ist das eine verschwindend kleine Minderheit, und wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als ob jeder Fußballspielbesucher potenziell ein Gewalttäter sei. Davon sind wir Gott sei Dank weit entfernt.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

Aber auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch sehen: Es sind leider mehr gewaltbereite Menschen, als uns bei unseren Fußballspielen gut tut, und die wenigen, die Krawall machen, sind leider in der Lage, ein insgesamt schlechtes Bild zu verbreiten. Wir erleben das aktuell bei den Bildern von der Fußballeuropameisterschaft in Polen und der Ukraine. Es können ganz wenige sein, die ganz plötzlich Feuerwerkskörper mitten auf der Tribüne entzünden, aber sie entfachen ein unschönes Bild und bringen vor allem andere Besucher in Gefahr; denn wenn jemand plötzlich in der Situation ist, dass neben ihm ein Feuerwerkskörper brennt - wir haben in anderen Situationen, auch in deutschen Stadien, schon erlebt, dass Körperverletzungen auch bei völlig unbeteiligten Besuchern entstehen können -, dann ist das ein Problem, das wir ernst nehmen müssen.

Deshalb arbeiten wir schon seit Jahren daran, gerade diesen aggressiven und gewalttätigen Besuchern möglichst konsequent zu begegnen. Ich möchte mich an dieser Stelle vor allem bei den szenekundigen Beamten in Bayern herzlich für ihren engagierten Einsatz bedanken, ebenso natürlich bei allen anderen Tausenden Polizeibeamten, die in der letzten Saison wieder im Einsatz waren. Aber die szenekundigen Beamten tragen ganz wesentlich dazu bei, dass wir Probleme frühzeitig erkennen und sie dadurch bereits im Keim ersticken können, sodass viele Dinge schon präventiv aus dem Weg geräumt werden und es nicht zu Eskalationen im Stadion kommt.

Grundlage für eine vernünftige und vor allem auch präventive Arbeit ist für uns der mit dem DFB und der DFL erarbeitete Zehn-Punkte-Plan für mehr Sicherheit im Fußball. Erklärtes Ziel ist es insbesondere, den offenen Dialog zwischen DFB, DFL, der Polizei, den Verantwortlichen in der Politik und nicht zuletzt den Faninitiativen zu fördern und weiter auszubauen. Natürlich beziehen wir die Faninitiativen insgesamt in unsere Sicherheitsarbeit ein. Darum will ich die Plakataktionen nicht überbewerten, lieber Herr Kollege

Schneider. Es ist eine Aktion, ein Teilbereich dessen, was auf Bundesebene von DFB und DFL vereinbart worden ist. Alle Vereine der ersten und zweiten Liga beteiligen sich daran, und es ist ein Signal in diese Richtung, wie ich auch Ihren Zwischenruf verstanden habe, Herr Kollege Güller. Auf jedem dieser Plakate, an denen sich alle Vereine bundesweit beteiligen, sind immer ein prominenter Spieler, ein Polizeibeamter oder eine Polizeibeamtin sowie ein Vertreter der Fanclubs, und das soll vermitteln, dass wir zusammen für die Sicherheit arbeiten. Außerdem soll es die Anhänger der jeweiligen Clubs ein wenig emotional ansprechen und bewirken, dass sie die Polizeibeamten nicht als Gegner, sondern als Partner in Sachen Sicherheit ansehen. Gerade durch die Vertreter der Fanclubs auf den Plakaten soll signalisiert werden: Wir, die Fans, sind dabei, und wir wollen es partnerschaftlich angehen. Es ist ein gemeinsames Interesse, uns um bestmögliche Sicherheit in den Stadien zu bemühen.

(Harald Güller (SPD): Können Sie sie zu einem Teil der Gespräche mit einladen?)

- Ich werde das gern aufgreifen. Wir werden in den Gesprächen in der nächsten Woche auch mit den Vereinspräsidenten, die teilnehmen, und den Städtevertretern diskutieren, wie wir die Fanclubvertreter noch stärker einbeziehen können. Mir ist das ein sehr wichtiges Anliegen, denn wir haben in der Innenministerkonferenz darüber gesprochen, wie wir konkrete Maßnahmen weiter verstärken und verbessern können.

Dazu gehören die Verbesserung der Videotechnik in den Stadien, eine bessere Qualifizierung der Ordnungskräfte, eine Intensivierung der Einlasskontrollen und die konsequente Durchsetzung von Stadionverboten. All das ist mir wichtig. Aber es ist mir auch wichtig, dass die Vereine ihre Fans stärker in die Verantwortung nehmen und gewalttätige Personen sowie solche, die in den Stadien Pyrotechnik abbrennen, unter Ausschöpfung aller rechtlicher Möglichkeiten zeitnah und konsequent bestrafen - bestrafen nicht im strafrechtlichen Sinne, sondern mit den Möglichkeiten, die den Vereinen zur Verfügung stehen, zum Beispiel Stadionverboten usw.

Wenn gewährte Freiräume von Fangruppen missbraucht werden, dann muss das Konsequenzen haben. Der Verein muss dies auch nach außen im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit offensiv vertreten, und ich werbe dafür, dass die Vereine noch etwas mehr Geld aufwenden und der DFB insgesamt mit gutem Beispiel vorangeht.

Man konnte den Medien entnehmen, dass der DFB aufgrund der neuen Verträge über die Fußballübertragungsrechte insgesamt 628 Millionen Euro jährlich einnimmt - ich beziehe mich auf die Medienberichte -, und ich meine: Wenn der DFB nur ein Prozent dieser zusätzlichen Einnahmen dafür verwenden würde, die Fanarbeit gezielt zu unterstützen, dann wäre dies schon eine Verdreifachung dessen, was bisher aufgewendet wird. Ich denke, der DFB sollte zusammen mit den beteiligten Vereinen auch einmal eigene Initiativen entfalten.

(Beifall der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜ- NE))

Es ist wichtig, dass wir die Fanarbeit entsprechend unterstützen und mit einer engagierten Fanarbeit für eine friedliche Teilnahme an Fußballspielen geworben wird.

(Harald Güller (SPD): Können wir vorher schauen, dass die 156.000 Euro etwas erhöht werden? - Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜ- NE))

- Ich werde auch dies innerhalb der Staatsregierung gerne zur Sprache bringen, Herr Kollege. Sie wissen, dass die Mittel beim Kultusministerium als dem für den Sport verantwortlichen Staatsministerium veranschlagt sind, aber wir werden gern nochmals darüber sprechen. Wir müssen dabei alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

(Beifall des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Ich möchte ausdrücklich sagen und habe es in den letzten zwei Wochen wiederholt betont, dass es in der Innenministerkonferenz einige Kollegen gab, die zum Beispiel das Stehplatzverbot gefordert haben. Das ist nicht meine Meinung, und ich halte es für völlig überzogen.

(Beifall bei der CSU, der SPD und den GRÜNEN)

Ich denke, wir müssen dies vernünftig im Dialog gestalten. Im Übrigen haben wir es bereits bei manchen anderen Spielen auch im Ausland erlebt, wo es teilweise Stehplatzverbote gibt. Auch dort, wo es nur Sitzplätze gibt, können Sie nicht verhindern, dass gewalttätige Fans aufstehen und dann randalieren. Ich bin von der Wirksamkeit einer solchen Maßnahme nicht überzeugt und halte sie in den allermeisten Fällen für völlig überzogen. Ich habe vorgestern wieder einmal ein Fußballspiel meines Jüngsten entsprechend verfolgt

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und habe über die gesamte Spielzeit als Stehplatzbenutzer dort gestanden, ohne Gefahr zu laufen, einer Randale zu verfallen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Wir sollten im wahrsten Sinne des Wortes die Kirche im Dorf lassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass trotz der allgegenwärtigen Medienberichterstattung über gewalttätige Ausschreitungen bei Fußballspielen die überwältigende Mehrheit der deutschen Fußballfans ausschließlich an den Fußballspielen interessiert ist, die besondere Atmosphäre der Spiele genießen und die eigene Mannschaft anfeuern und mit Begeisterung begleiten möchte. Das gehört zu einem guten Fußballspiel dazu, und es gibt keinen Anlass, alle Fußballfans in Deutschland zu problematisieren. Davon sind wir weit entfernt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir in Bayern auch die Vereine und Fanclubs stärker einbeziehen können. Lassen Sie uns im engen Schulterschluss weiterhin alles tun, damit Bayerns Stadien sicher bleiben! Ich denke, wir können den guten Weg, den wir eingeschlagen haben, kontinuierlich fortsetzen. Wir wollen, dass zum Beispiel auch Familien mit Kindern weiterhin unbeschwert ein Fußballspiel besuchen können, dass jemand, der ein Stadion in Bayern besucht, keine Angst haben muss, in eine Schlägerei oder ein Feuerwerksabbrennen usw. verwickelt zu werden, sondern dass er unbefangen das Spiel verfolgen und friedliche, fröhliche und begeisternde Spiele erleben kann. Das ist, soweit ich es heute verfolgen kann, das gemeinsame Anliegen des gesamten Hohen Hauses. Ich freue mich, wenn wir zusammen mit unseren bayerischen Kommunen, die auch eine große Mitverantwortung tragen, diesen Weg in der neuen Saison fortsetzen können.

(Beifall bei der CSU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Wir haben eine ausführliche Debatte geführt. Die Argumente wurden ausgetauscht. Ich weise allerdings darauf hin, dass der Herr Minister in der Hitze des Gefechtes seine Redezeit etwas überzogen hat. Wird vonseiten der Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht?

(Zurufe)