Protokoll der Sitzung vom 19.06.2012

(Zurufe)

Da sehe ich nichts. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Bayerischen Kinderbildungsund -betreuungsgesetzes (Drs. 16/12782) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vom Vertreter der Staatsregierung begründet. Das ist Frau Staatsministerin Haderthauer. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz ist bundesweit ein Erfolgsmodell. Gerade deshalb wollen wir es ein Stückchen weiterentwickeln, fortschreiben und an die immer wieder neu entstehenden Herausforderungen gezielt anpassen.

Warum sage ich, es ist ein Erfolgsmodell? Weil der Ausbau der Kinderbetreuung in Bayern nur durch die kindbezogene Förderung, flankiert von den Bundesmitteln, so dynamisch vorangebracht werden konnte wie sonst nirgends. Bayern hat als eines der wenigen Bundesländer die Bundesmittel vollständig an die Kommunen durchgereicht. Das darf man ruhig immer wieder einmal hervorheben. Gleichzeitig haben wir im Rahmen der Investitionskostenförderung Landesmittel in Höhe von 600 Millionen Euro draufgelegt. Mit dieser Förderung haben es unsere Kommunen inzwischen geschafft, bei den Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren eine durchschnittliche Ausbauquote von 30 % zu realisieren. Wir fördern dabei jeden Platz, egal ob er von Memmingen, Hof oder München beantragt wird.

Es ist das einzige Förderprogramm, das ohne Deckelung zur Verfügung steht, eine Tatsache, die dem Herrn Finanzminister manchmal Kopfzerbrechen bereitet, aber gleichzeitig auch eine Tatsache, die unsere Kommunen in die Lage versetzt - so sie es wollen und so sie sich verantwortungsvoll verhalten -, den Rechtsanspruch nächstes Jahr zu erfüllen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir haben die Qualität in den Einrichtungen verbessert und vor allem dem Thema Inklusion eine hervorragende Bedeutung verschafft. Wir haben die Zahl der Kinder mit bestehender oder drohender Behinderung in der Kinderbetreuung und der Tagespflege in Bayern seit Einführung des BayKiBiG um 76 % erhöhen können. Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in bayerischer Kinderbetreuung haben wir allein in den letzten drei Jahren um fast 30 % erhöhen können.

Das liegt auch daran, dass wir die Inklusion ganz gezielt über den Basiswert, den Gewichtungsfaktor und die entsprechenden Förderregelungen voranbringen

und diese Kinder mit einem entsprechenden Förderanteil unterstützen.

Dementsprechend haben sich unsere Haushaltsansätze seit Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes beinahe verdoppelt, und zwar bei der Betriebskostenförderung von 564 Millionen Euro im Jahr 2005 auf jetzt über eine Milliarde Euro im Jahr. Damit liegt der Anteil der staatlichen Grundkosten, der im Jahre 2005 bei 39,7 % lag, heute bei 44,3 %. Das ist etwas, was wir den Kommunen abgenommen haben. Nach der Verbesserung durch diese Gesetzesnovelle werden wir in diesem Jahr bei einem Staatsanteil von circa 46 % in der Kinderbetreuung liegen und im nächsten Jahr bei 47,5 %.

Die Änderungen im BayKiBiG, die dieser Antrag enthält, werden den Freistaat zusätzlich 185 Millionen Euro pro Jahr kosten. Die Schwerpunkte der Weiterentwicklung liegen vor allen Dingen in der Qualitätsverbesserung, insbesondere in der weiteren Absenkung des Mindestanstellungsschlüssels, der jetzt neu auf 1 : 11,0 gesenkt wird. Das ermöglicht kleinere Gruppen und bringt mit der Förderung des Freistaates, der hier den kommunalen Anteil der Kosten entsprechend übernimmt, dem Träger noch bessere Möglichkeiten, den empfohlenen Anstellungsschlüssel von 1 : 10 zu verwirklichen und sich diesem noch stärker anzunähern.

Wir bezuschussen außerdem zu Beginn des neuen Kindergartenjahres den Elternbeitrag für das letzte Kindergartenjahr mit 50 € pro Monat und ab dem nächsten Kindergartenjahr mit 100 € pro Monat. Das sind zunächst 60 Millionen Euro und im folgenden Jahr 125 Millionen Euro.

(Beifall bei der CSU)

Wir erhöhen die Attraktivität der Tagespflege als Alternative zur Krippe, indem wir Regelungen eingezogen haben, die dafür sorgen, dass sich der Elternbeitrag für die Tagesmütter nicht zu sehr von den Beiträgen für die Krippe nach oben entfernt. Außerdem wird das Förderverfahren vereinfacht und die Großtagespflegestellen werden einrichtungsähnlich gefördert.

Persönlich wichtig ist mir auch der Schwerpunkt, die Hortförderrichtlinien durch eine Veränderung der Mindestbuchungszeiten so anzupassen, dass sie sich noch besser mit dem Ganztagsschulbetrieb kombinieren lassen. Damit bekommen wir eine Verbesserung für die Schulkinder bei den Rand- und Ferienzeiten. Ich denke, dass der Schulkindnachmittag in einer Zeit, in der der Krippenausbau politisch so sehr im Vordergrund steht, zu Unrecht etwas in den Hintergrund gerückt ist. Ich möchte deshalb auch diese Verbesse

rung ganz gezielt ansprechen, weil wir hier die meisten Probleme für die Familien dann haben, wenn der Schulkindnachmittag nicht ordentlich organisiert werden kann.

Mir war auch wichtig, die Pflicht zu verankern, dass Schule und Jugendhilfe in Zukunft die Betreuungssituation gemeinsam planen müssen. Wir müssen hier sozusagen vom Kind her ganzheitlich denken.

Ein letzter Punkt ist für mich die Verbesserung der Landkindergartenregelung. Dort soll der Anwendungsbereich von 22 auf 25 Kinder erhöht werden. Das kommt unseren demografischen Anforderungen entgegen. Denn wir sagen "kurze Beine, kurze Wege".

(Beifall bei der CSU - Joachim Unterländer (CSU): Sehr, sehr gut! Echte Betreuungsleistung!)

Das soll sowohl für die Schulpolitik als auch für die Kinderbetreuung gelten. Die Anwendungsfälle werden sich dadurch um 15 % erhöhen. Das heißt, viele werden davon Gebrauch machen können.

Die Gesetzesänderungen entsprechen auch dem, was wir in der Praxis immer wieder aufgenommen haben. Ich glaube, sie sind tauglich, um die Erfolgsgeschichte des BayKiBiG fortzuschreiben. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der CSU)

Vielen herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. Wir kommen zum ersten Debattenredner. Für die SPD-Fraktion darf ich Kollegen Pfaffmann das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war schon immer eine Stärke der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung, Themen schönzureden und mit schönen Worten eine Situation zu zeichnen, die in keinem Falle der Realität an den bayerischen Einrichtungen entspricht. Frau Ministerin Haderthauer, Sie sagen, das BayKiBiG sei ein Erfolgsmodell.

(Joachim Unterländer (CSU): Stimmt!)

Sie erwecken den Eindruck, dass es das Beste wäre für die Kindergärten. Sie verkennen die Realität komplett. Sie verkennen, dass die Gruppen zu groß sind und dass wir keine Fachkräfte mehr bekommen. Alleine in München fehlen 50 Erzieherinnen und Erzieher. Diese Stellen können nicht mehr besetzt werden.

(Joachim Unterländer (CSU): Das ist Sache der Stadt und da fehlen auch die Krippenplätze!)

Kein Ton zu diesem Problem.

(Joachim Unterländer (CSU): Das sind alles Probleme der Stadt!)

Wir werden im Ausschuss genügend Gelegenheit haben, die einzelnen Bestandteile dieser Novelle zu besprechen. Deswegen will ich mich auf ein paar Grundsätze konzentrieren. Es wird der Eindruck erweckt, als wäre eine Qualitätsverbesserung die Folge dieser Novellierung des BayKiBiG. Mitnichten wird es ein Mehr an Qualität geben!

Ich darf vielleicht kurz an die Grundlage zur Einführung des Gesetzes erinnern. Der Einführung lag das pädagogische Konzept des Bayerischen Erziehungsund Bildungsplanes zugrunde. Darauf sollte sozusagen das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz abgestellt werden. Schon damals war im Bildungs- und Erziehungsplan ein Anrechnungsschlüssel von 1 : 8 von Ihren eigenen Behörden vorgeschlagen worden. Das können Sie im damaligen Kapitel 3 nachträglich nachlesen. Sie haben auf einen Schlag das Kapitel 3 gestrichen und somit den Mindestanstellungsschlüssel deutlich erhöht. Angesichts einer Reduzierung von 1 : 11,5 auf 1 : 11,0 nunmehr von "Qualitätsverbesserung" zu sprechen, obwohl man einen Schlüssel von 1 : 8 bräuchte, halte ich schon für ein starkes Stück. Insgesamt wird es jedenfalls keine Qualitätsverbesserung geben.

Wir haben von Ihnen keinen Ton zu der Situation der U-3-Kinder gehört. Was sagen Sie denn dazu? Es gibt keine Veränderung der U-3-Gruppengröße; diese liegt bei 12 bis 13 Kindern, und das bei den Kleinsten! Da Sie daran nichts ändern, wird es auch insoweit keine Qualitätsverbesserung geben.

Sie haben so leicht dahingesagt: Wir reduzieren den Mindestanstellungsschlüssel und schaffen 260 zusätzliche Stellen in den Kinderbetreuungseinrichtungen. - Die Wahrheit ist: Sie können diese 260 Stellen überhaupt nicht besetzen, weil der Markt leergefegt ist. Alle Anträge und sonstigen Versuche mit dem Ziel, diesen Beruf attraktiver zu machen, wurden von Ihnen abgelehnt.

Ich will weiter die Statistik bemühen. Sie blenden in Ihren Wortmeldungen immer wieder aus, dass Bayern bei der Qualität der Kinderbetreuung bundesweit seit Jahren an letzter Stelle steht - von wegen Qualitätsverbesserung! Bayern wird hinsichtlich der Qualität der Kinderbetreuung schlechter beurteilt als alle anderen Bundesländer. Das müssen Sie trotz Ihres so hoch gelobten Erfolgsmodells BayKiBiG einmal zur Kenntnis nehmen.

Ich will einen Satz zu den Elternzuschüssen sagen. Sie behaupten, Sie würden den Einstieg in das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr ermöglichen. Sie beantworten aber keine einzige Frage dazu, wie es dann weitergehen soll. Was ist mit dem zweiten, was mit dem dritten Jahr? Nichts! Sie verteilen Geschenke ohne Konzept. Das ist die Grundlage Ihrer Novellierung.

Ferner behaupten Sie, Verwaltungsverfahren würden vereinfacht. Das Gegenteil ist der Fall. Beispiel Inklusion: Bisher reichte ein Attest der Ärzte für die Gewährung des Gewichtungsfaktors 4,5. Künftig werden die Dinge erschwert. Das Attest reicht nicht mehr, sondern es müssen weitere Kriterien erfüllt werden, und die Eltern müssen das alles organisieren. Mit der Novelle vereinfachen Sie Verwaltungsabläufe nicht, sondern Sie erschweren sie, liebe Frau Ministerin.

Kurz und gut: Diese Novellierung des BayKiBiG ist eine bittere Enttäuschung - sowohl für die Eltern als auch für die Träger als auch für die Kinder. Von Qualitätsverbesserung kann überhaupt keine Rede sein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die CSU-Fraktion darf ich nunmehr das Wort an Kollegen Joachim Unterländer weiterreichen. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie nicht erkennen, dass in den Kinderbetreuungseinrichtungen - Kindertagesstätten und Krippen - im Freistaat Bayern hervorragende Arbeit geleistet wird. Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei den Erzieherinnen und den Trägern bedanken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU - Lebhafte Zurufe von der SPD)

- Ihre Reaktion zeigt mir, dass das ein Treffer war.

(Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsi- denten)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes vor sechs Jahren hat zwei wichtige Ergebnisse gebracht: Auf der einen Seite wurden die Finanzierungsgrundlagen stabilisiert; das war die Absicht des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes, um dem Bedarf, der jetzt kommunal ermittelt wird, zielgenauer und damit besser entsprechen zu können. Auf der anderen Seite gab es eine qualitative Weiterentwicklung, was die Verknüpfung

des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes mit dem Bildungs- und Erziehungsplan anbelangt. Sie werden in der Bundesrepublik Deutschland kaum ein Gesetz zur Kinderförderung finden, das eine so enge Verknüpfung zwischen dem Förderrecht und dem inhaltlichen Aspekt, dem Bildungs- und Erziehungsplan, herstellt. Das zeigt, dass die qualitativen Komponenten in der bayerischen Kinderbildung- und betreuung eine entscheidende Rolle spielen.

Meine Damen und Herren! Seit Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes hat sich die Situation nachhaltig weiterentwickelt und verbessert. Wir haben entsprechende Angebote massiv ausgebaut, um dem Bedarf gerecht werden zu können. Das war möglich, weil dieses Gesetz die Grundlage für eine Förderung aller Betreuungseinrichtungen vom frühkindlichen Bereich bis hin zu Horten geliefert hat. Vor Einführung des BayKiBiG hatten wir eine ganz andere Situation.

Die Einführung von Gewichtungsfaktoren ermöglicht eine zielgenaue Förderung. Wir, die Koalition aus CSU und FDP, haben zu Beginn der Legislaturperiode die Zusage gegeben, das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz weiterzuentwickeln. Dieser Zusage kommen wir klar erkennbar nach. Das gilt auch für die Verbesserung der Rahmenbedingungen, die für die CSU-Landtagsfraktion eindeutig Priorität hat. Wir sagen: Wir befinden uns auf einem Weg, sind aber noch nicht an dessen Ende. Beim Anstellungsschlüssel und auch beim Basiswert muss es zu weiteren Verbesserungen kommen.