Protokoll der Sitzung vom 19.06.2012

Die Einführung von Gewichtungsfaktoren ermöglicht eine zielgenaue Förderung. Wir, die Koalition aus CSU und FDP, haben zu Beginn der Legislaturperiode die Zusage gegeben, das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz weiterzuentwickeln. Dieser Zusage kommen wir klar erkennbar nach. Das gilt auch für die Verbesserung der Rahmenbedingungen, die für die CSU-Landtagsfraktion eindeutig Priorität hat. Wir sagen: Wir befinden uns auf einem Weg, sind aber noch nicht an dessen Ende. Beim Anstellungsschlüssel und auch beim Basiswert muss es zu weiteren Verbesserungen kommen.

Herr Kollege Pfaffmann, Sie haben vorhin von einem Schlüssel von 1 : 8 gesprochen. Versichern Sie sich einmal der aktuellen Situation! Im Freistaat Bayern gibt es schon zahlreiche Einrichtungen, die das Kriterium eines Anstellungsschlüssels von deutlich unter 1 : 10 erfüllen. Wir haben also durchaus schon die entsprechende Qualität. Wir brauchen aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen. Dass der Mindestanstellungsschlüssel weiter auf 1 : 11,0 verbessert wird, ist ein großer Erfolg, der dieser Koalition zugute zu halten ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir gewähren einen Zuschuss als Einstieg in das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr. In der Konsequenz werden die Elternbeiträge erheblich reduziert. Die jährliche Entlastung beträgt zunächst einmal 600 Euro.

Die Frau Staatsministerin ist auf weitere Eckpunkte der Novellierung eingegangen. Es ist besonders wichtig, dass die Landkindergartenregelung im Interesse der Einrichtungen in kleinen Kommunen verbessert

wird. Ferner ist uns wichtig, dass die Gastkinderregelung und die Verwaltungsbedingungen verbessert werden; insoweit gibt es Handlungsbedarf. Wir sind zuversichtlich, dass wir im Dialog mit den Einrichtungen und Trägern - Frau Franke von der Caritas und Herr Feichtl von der AWO sind hier vertreten - weiter vorankommen werden. Wir sind stolz auf unsere Trägervielfalt. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren müssen wir beraten, wie wir dieses Gesetz konstruktiv im Sinne der Kinder, der Eltern, der Erzieherinnen und der Träger weiterentwickeln können. Ich freue mich auf das Gesetzgebungsverfahren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Bitte bleiben Sie noch! Es gibt eine Zwischenbemerkung des Kollegen Güller. Bitte schön.

Herr Kollege Unterländer, wäre es zu viel von Ihnen verlangt, endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause die Arbeit aller in der Kinderbetreuung Tätigen sehr, sehr hoch einschätzt, dass wir sie wertschätzen? Das Problem ist, dass die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Ihre schlechten Gesetze sehr ungünstig sind und die Einrichtungen finanziell schlecht ausgestattet sind.

(Beifall bei der SPD)

Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass der Betreuungsschlüssel so schlecht ist und trotzdem hervorragende Arbeit geleistet wird. Unser Anliegen ist, die Arbeit aller Beteiligten besser und noch effektiver zu machen, und zwar durch Ablehnung Ihres Gesetzesvorschlages und durch weitergehende Verbesserungen sowie dadurch, dass wir mehr Geld in das System hineingeben, anstatt ein unsinniges Betreuungsgeld wie eine Monstranz vor uns herzutragen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Unterländer, zur Erwiderung, bitte.

Dann müssen Sie es anders formulieren, als Sie es vorhin getan haben. Sie reden ständig die Rahmenbedingungen schlecht, anstatt konstruktiv an einer Weiterentwicklung mitzuarbeiten.

(Harald Güller (SPD): Die Rahmenbedingungen sind schlecht! Die Arbeit der Leute ist gut!)

Das ist nicht im Sinne der Kinderbetreuungslandschaft im Freistaat Bayern, die wir konstruktiv weiter

entwickeln wollen. Tun Sie das mit uns, dann leisten Sie eine gute Arbeit.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Tanja Schweiger für die FREIEN WÄHLER.

(Von der Red- nerin nicht autorisiert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist kaum zu glauben, dass man an diesem Plenartag am Abend noch so hitzige Diskussionen führen kann. Das zeigt aber, dass das Thema für alle sehr wichtig und bewegend ist.

Wir haben über ein Jahr auf die Novellierung gewartet. Letzte Woche hat es uns etwas verwundert, dass es dann doch so schnell gehen musste. Erst am Donnerstag haben wird den Gesetzentwurf bekommen, und diese Woche hätte er schon im Ausschuss beraten werden sollen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Frau Meyer bedanken, die diesen Punkt auf der Tagesordnung letztlich um zwei Wochen verschoben hat, um noch ein wenig Luft zur Vorbereitung zu lassen. Es ist schade, dass nicht genügend Zeit ist, um alles in Ruhe mit den Verbänden zu diskutieren. Die Verbände haben im letzten Jahr bei der Anhörung einen großen Katalog vorgelegt. Unserer Meinung nach ist davon nicht viel umgesetzt worden.

Ich schließe mich sehr gerne der Ministerin an, die zu Beginn ihrer Rede gesagt hat, das BayKiBiG sei ein Stückchen weiterentwickelt worden. Ich kann dazu sagen, es ist ein wenig mit eingeflossen. Ein großer Wurf ist jedoch noch nicht zu erkennen. Positiv herausstellen wollen wir die Landkindergartenregelung, mit der für kleine Kindergärten im strukturschwachen oder dünn besiedelten Raum etwas getan worden ist. Positiv war auch die Einführung des Basiswertes plus. Auch wenn das im Moment nicht viel ist, ist es doch eine Abkehr vom bisherigen System. Man hat gesagt, man müsse eine zusätzliche Schraube einführen, um die Qualität verbessern zu können. Das ist im Moment noch nicht allzu viel, aber zumindest haben wir von der Systematik eine Grundlage, um darauf aufbauen können, nachdem wir uns alle einig sind, wie wichtig die frühkindliche Bindung ist.

Ich möchte mich der Auffassung anschließen, dass die Förderung vonseiten des Staates in Bezug auf Investitionen - alles, was die Neubauten angeht - sehr gut war. Die Förderung war vorhanden, aber die Umsetzung wurde nur deshalb positiv vorgenommen, weil die Kommunen eine hervorragende Arbeit geleistet haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Gerade die kleineren Gemeinden haben ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht. Eines jedoch fehlt noch die Kollegen haben es vorhin Qualität genannt -: Unter dem Strich geht es um noch mehr Zeit für die Kinder, die für uns alle im Mittelpunkt stehen sollten. Es liegt daran, dass zu wenig Geld im System ist, auch wenn in den letzten Jahren deutliche Mehrausgaben festzustellen waren. Das gilt auch für Ausgaben vonseiten des Staates; von der Ministerin wurde das entsprechend vorgetragen.

Man darf jedoch nicht vernachlässigen, dass auch die Kommunen seit Einführung des BayKiBiG in etwa 500 Millionen Mehrausgaben zu verzeichnen hatten. Da die Aufgabe gesamtgesellschaftlich anerkannt ist, müssen wir an allen Schrauben drehen und mehr Geld in das System bringen. Deshalb möchte ich eine deutliche Anpassung des Basiswertes kritisch anmahnen. Der Basiswert ist niedrig. Egal, mit wem man spricht, jeder sagt, es gibt zu wenig Verfügungszeit, es gibt zu wenig Zeit für Elterngespräche oder es ist zu wenig Zeit für Leitung. Hier muss auf jeden Fall nachgebessert werden. Sie haben vorhin von Inklusion gesprochen, Frau Ministerin. Es sind aber nicht die Risikokinder berücksichtigt, für die es im Moment Jugendhilfe gibt. Es sind viele ADHS-Kinder betroffen, die in keiner Weise berücksichtigt sind, obgleich die Problematik mittlerweile nicht mehr zu vernachlässigen ist.

Es fehlt auch ein Konzept der Staatsregierung zur Gewinnung von Fachkräften. Wir wissen alle, dass ein riesiger Fachkräftemangel besteht und die Situation von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Daher wird man unabhängig vom BayKiBiG in diesem Zusammenhang Anstrengungen unternehmen müssen.

Lassen Sie mich auf einen gewissen Systembruch hinweisen. Sie haben vorhin von einem empfohlenen Faktor von 1 : 10 gesprochen. Herr Kollege Unterländer sagt, in vielen Kindergärten hätten wir schon einen Faktor von 1 : 8. Das liegt aber nicht daran, dass der Staat so tolle Unterstützung leisten würde, sondern daran, dass die Kommunen und Träger den Großteil leisten. Ich möchte das gesagt haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bei der Erstattung des kostenfreien Kindergartenjahres ist es wichtig, eine Pauschalabrechnung vorzunehmen. Es kann nicht sein, dass die Kommunen und Träger zusätzlich geleistetes Geld zurücküberweisen müssen, wenn am Schluss 3,50 Euro übrig bleiben. Das wäre ein wahnsinniger Bürokratieaufwand.

Abschließend: Nachdem Sie gesagt haben, Sie empfinden den "Basiswert plus" als Abkehr vom System, den wir als zusätzliche Stellschraube im System toll finden, sind wir auch der Meinung, dass zusätzlich eine pauschale Sockelfinanzierung notwendig ist, die die Vorteile, die die kindbezogene Förderung hat, aber auch die Nachteile ausgleicht. Es geht um die Randzeiten, die Leitungszeiten, die Elterngespräche und um die Belastung der Mitarbeiter, die aufgrund der Flexibilität, die zu begrüßen ist, monatlich eine Veränderung ihrer Arbeitszeit hinnehmen müssen. Das trägt nicht zur Attraktivität des Berufes bei. Es ist für uns ein Grund zu sagen: Wir brauchen unabhängig von dem, was kindbezogen ist, eine pauschale Grundausstattung für die Einrichtungen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich hätte noch mehr zu sagen gehabt, aber ich wollte die Geduld des Präsidiums nicht überstrapazieren. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Ackermann von den GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie uns mal einen Blick auf die Geschichte des sogenannten Erfolgsmodells BayKiBiG werfen. Gegen den Widerstand und die Kritik durch Verbände im Vorfeld ist das BayKiBiG vor sechs Jahren verabschiedet worden. Daraufhin wurde die Kritik jahrelang ignoriert und das Gesetz schöngeredet. Zwei Anhörungen mit massiver Kritik blieben ohne Konsequenz. Hunderte von Petitionen wurden nicht gehört. Die Opposition, die die Meinung der Verbände ernst nahm, wurde in die Nörglerecke gedrängt. Erst als ein Gericht die Gastkinderregelung als nicht gesetzeskonform gewertet hat, hat man sie fallengelassen. Das ist die Geschichte des Erfolgsmodells bis jetzt.

Dann kam die Inklusion dazu, die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung, die in das Gesetz hätte eingearbeitet werden müssen. Man hat sich entschlossen, das Gesetz zu überarbeiten. Das war vor zwei Jahren. Seitdem warten wir verzweifelt auf einen Gesetzentwurf. Bereits letztes Jahr im Sommer war er überfällig. Nun hätte man erwarten können, dass das ein ganz gewaltiges Werk wird. Wenn man aber sieht, was dabei herausgekommen ist, dann muss man das eher als Bauchlandung sehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Verbände haben natürlich wieder Stellungnahmen abgeben dürfen. Diese Stellungnahmen sind aber

nicht in das Gesetz eingeflossen. Die erneute Kritik der Verbände möchte ich Ihnen gerne vortragen. Die Wohlfahrtsverbände sagen: Von den versprochenen zusätzlichen Investitionen in Höhe von 185 Millionen Euro fließt nur knapp ein Fünftel in neue Stellen für Erzieherinnen. Das sagt die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Bayern: Das meiste Geld dient dazu, die Elternbeiträge im dritten Kindergartenjahr zu verringern.

Die GRÜNEN sind von Anfang an dagegen gewesen, weil wir immer gesagt haben: Wir wollen zuerst Qualität, dann die Kostenfreiheit. Das ist der richtige Weg, denn so kann die Qualität in den Kindergärten verbessert werden. Die Wohlfahrtsverbände bescheinigen das deutlich. Weiter sagen sie: Für die etwa 500.000 Kinder in den 8.400 bayerischen Kindertageseinrichtungen bedeutet dies sechs Euro pro Kind und Monat. Damit drohe der Qualitätsschub, so die Frau Ministerin, zu Schubumkehr zu werden. Die Wohlfahrtsverbände gehen sogar noch weiter. Sie richten einen flehentlichen Appell an uns Abgeordnete, uns für die Zukunft unserer Kinder einzusetzen und deutlich bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Die katholische Kirche, die nicht verdächtigt wird, von den GRÜNEN beeinflusst zu werden, sagt: Das Gesetz bleibt hinter den notwendigen Änderungen zurück. Für die Umsetzung der Inklusion fehlen die expliziten finanziellen und personellen Rahmenbedingungen. Der Bayerische Städtetag sagt: Der "Basiswert plus" reicht nicht zur Abdeckung der Mehrkosten für die Kommunen.

Das ist das vernichtende Urteil der Verbände über Ihr Gesetz. Ich schließe mich nicht nur an, sondern sage: Eigentlich ist es eine ganz große Enttäuschung, dass es dieses Gesetz nach sieben Jahren wieder nicht geschafft hat, für Kinder Qualitätsverbesserungen zu erreichen. Den Ausbau der Kinderkrippen für die Kinder unter drei Jahren werden Sie nicht hinbringen. Die Zahlen, die Sie nennen, sind genauso geschönt wie Ihre Rede zur Qualität des Gesetzes.

Was die Kinder erwartet, wenn sie in die Kinderkrippen oder in die altersgeöffneten Einrichtungen kommen, ist beschämend; denn es fehlt an Personal, die Gruppen sind zu groß und die Erzieherinnen haben keine Zeit. Das alles vertreten Sie. Sie stellen sich hierher und bezeichnen das BayKiBiG als Erfolgsmodell. Frau Ministerin Haderthauer, Ihnen muss man einmal sagen, was ein Erfolgsmodell ist. Das BayKiBiG gehört jedenfalls nicht dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Rednerin in der Debatte ist für die FDP-Fraktion Frau Dr. Annette Bulfon. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Wichtigste vorweg: Das Wichtigste an der Novelle des BayKiBiG ist der Einstieg in das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr. Die Gründe, die dafür sprechen: Wir entlasten die Familien in der Mitte unserer Gesellschaft. Wir verteilen die Kosten für Kinder auf mehrere Schultern. Das ist gerade in unserer Zeit das Wichtigste. Eine Gesellschaft, in der Kinder zur Welt kommen, ist eine Gesellschaft, die eine Zukunft hat.

An dieser Stelle möchte ich noch einen zweiten wichtigen Grund nennen. Wir verstehen das BayKiBiG als Signal, die frühkindliche Bildung aufzuwerten. Nobelpreisträger Heckman sagt: Investitionen gerade in die frühkindliche Bildung sind besonders lohnend.

(Beifall bei der FDP)

Wir entlasten und verbessern gleichzeitig. Wie kommt das zustande? 100.000 Familien erhalten ab September einen Beitragszuschuss von 50 Euro pro Monat. Das sind insgesamt 600 Euro pro Jahr. Im nächsten Doppelhaushalt wollen wir noch weiter gehen. Auf der anderen Seite ist uns die Qualität wichtig. Wir verbessern den Mindestanstellungsschlüssel, der bisher bei 1 : 11,5 lag, auf 1 : 11. Das entlastet die Kommunen. Letztendlich wird der staatliche Anteil, der in Bayern ohnehin sehr hoch ist, nochmals erhöht.

Des Weiteren hat sich die FDP-Fraktion für sechs weitere Punkte eingesetzt, die das BayKiBiG betreffen. Es ist gut, dass die Gastkinderregelung abgeschafft wird. Darüber sind wir uns alle einig. Wir wollen und wünschen uns, dass das Wahlrecht der Kinder und vor allem der Familien gestärkt wird. Die Familien sollen die Kindertageseinrichtungen selbst wählen können. Selbstverständlich liegt uns der strukturschwache ländliche Raum besonders am Herzen. Deswegen haben wir die spezielle Form der Großtagespflege eingeführt und verbesserte Förderbedingungen für die Landkindergärten geschaffen. Der ländliche Raum braucht Arbeit und Kinder. Das bedeutet Zukunft.

Außerdem ist es wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. An dieser Stelle wollen wir die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe besonders stärken. Wir machen die Kindertagespflege attraktiv. Derzeit ist sie es noch nicht. Sie muss attraktiver gestaltet werden, da die Beiträge für die Kinderkrippen günstiger sind als die Beiträge für die Kindertagespflege. Im Prinzip müssten wir viel stärker in die Kindertagespflege gehen. Kindertagespflegerin