Ein eigener Untersuchungsausschuss in Bayern ist aber auch deswegen wichtig, weil unsere Aufgabenstellung eine andere ist. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages steht vor immensen Aufgaben. Er hat nicht die Möglichkeit, alle Facetten des Verhaltens bayerischer Sicherheitsbehörden bis ins Detail zu beleuchten, so wie es notwendig wäre.
Im Kern geht es immer auch um die Frage der Schutzpflicht des Staates. Der Staat hat eine elementare Schutzpflicht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Dies schließt die Aufgabe ein, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Verletzung von Rechtsgütern wie Leben und Gesundheit zu vermeiden. Der Staat ist dieser Schutzpflicht nicht gerecht geworden. Deshalb gebietet es auch der Respekt vor den Familien der Opfer, lückenlos aufzuklären.
Es gibt noch einen weiteren Grund. Sowohl durch die Vorkommnisse selbst als auch durch das Verhalten der Sicherheitsbehörden auf Bundesebene ist das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden dieses Landes im Nachhinein stark erschüttert worden. Neben allen anderen Gründen liegt es gerade im Interesse der Sicherheitsbehörden, dieses Vertrauen schnellstmöglich wiederherzustellen.
Der Untersuchungsausschuss hat sich die Aufgabe gestellt, sich ein Gesamtbild von den Vorgängen zu machen. Wir haben die Pflicht festzustellen, wie sich die Sachverhalte zugetragen haben. Die Aufgabe geht aber darüber hinaus. Es geht um mehr. Der Untersuchungsausschuss hat auch das Ziel, sich ein Bild von den rechtsextremistischen Strukturen und Aktivitäten in Bayern und den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hierzu zu verschaffen. Es gibt viele Details unserer Arbeit, und es würde den Rahmen sprengen, all dies heute anzusprechen.
Zwei Aspekte möchte ich aber doch besonders betonen. Zum einen müssen wir im Ausschuss die Frage klären, ob der Informationsaustausch zwischen Bundes- und Landesbehörden richtig organisiert war. Das gilt auch für den Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei. Damit eng verbunden ist auch die Frage der strukturellen Aufstellung des Verfassungsschutzes. Es muss grundsätzlich geprüft werden, ob die Arbeitsweise dieser Behörde zeitgemäß ist. Es müssen die Informationsgewinnung, der Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen und die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei auf den Prüfstand gestellt werden. Teilweise wir haben es heute gehört - werden Forderungen nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes erhoben. Ich halte das für verfrüht, und ich halte das auch für nicht ungefährlich.
Fest steht aber: Eine Schwachstellenanalyse muss durchgeführt werden. Wenn wir im Ausschuss feststellen sollten, dass die Zusammenarbeit versagt hat, müssen wir auch über Veränderungen in unserer Sicherheitsarchitektur nachdenken. Wir müssen uns die Frage stellen, inwieweit das föderale System in diesem Bereich tatsächlich noch den komplexen Strukturen von terroristischen Verbrechen, die sich in mehreren Bundesländern abspielen, genügt. Denn je kleiner eine Organisation ist - ich blicke hier auch über Bayern hinaus -, desto eher können wichtige Organisationen und Informationen fehlen und Reibungsverluste entstehen. 32 Landeskriminal- und Verfassungsschutzämter, dazu ein Bundeskriminalamt, ein Bundesamt für Verfassungsschutz, ein Militärischer Abschirmdienst - sie alle haben es nicht geschafft, eine solche Mordserie zu verhindern. Die Dimension war niemandem bewusst. Auch der Rücktritt des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die Ablösung des thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten und nicht zuletzt die Ungeheuerlichkeit einer Aktenvernichtung durch eine Bundesbehörde zeigen deutlich, wie notwendig lückenlose Aufklärung hier ist.
Wir werden uns im Ausschuss aber auch mit der Frage befassen - das ist der zweite Aspekt, den ich hier ansprechen will -, welche Rolle V-Leute gespielt
haben. Ausdrücklich haben wir die Frage mit aufgenommen, ob es zutrifft, dass sich verdeckte Ermittler oder V-Leute des bayerischen Verfassungsschutzes unter einer Legende an die Angehörigen der Opfer gewandt haben, um herauszufinden, ob es sich um organisierte Kriminalität handelt, ob eine Vertrauensperson der Sonderkommission Bosporus monatelang zu Ermittlungszwecken einen Döner-Imbiss betrieben hat. V-Leute arbeiten partiell mit dem Staat zusammen. Das bietet Spielraum für Loyalitätskonflikte. Natürlich stellt sich die Frage: Brauchen wir V-Leute? Ist ihr Einsatz notwendig bzw. sinnvoll? Reicht die rechtsstaatliche Kontrolle in diesem Bereich?
Ich bin froh, dass wir all diese Fragen gemeinsam beantworten wollen. In diesem Zusammenhang ist eine Sache wichtig. Ein Ergebnis steht schon jetzt fest: Rechtsextremismus ist in unserem Land Realität geworden - eine Realität, die wir als Demokratinnen und Demokraten weder heute noch künftig akzeptieren dürfen. Es ist wichtig zu zeigen, dass Rechtsextremismus und erst recht Rechtsterrorismus hierzulande null Rückhalt haben und wir hier auf Null-Toleranz setzen.
Der Untersuchungsausschuss bietet auch dafür ein wichtiges Instrument. In diesem Zusammenhang sind drei Dinge wichtig. Zum einen ist es wichtig, dass der Untersuchungszeitraum weit gespannt wird. Er beginnt bereits mit dem ersten Kontakt der Täter nach Bayern, als sie sich in Straubing zu einem Kameradschaftstreffen in einer Kiesgrube befanden, und er endet nicht wie beim Ausschuss auf Bundesebene mit den Morden, sondern er schließt die Zeit bis zum heutigen Tag ein, bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Denn auch das ist wichtig für uns zu wissen, was danach passiert ist.
Zweitens ist wichtig, dass es einen Konsens aller Demokraten gibt. Dieser Untersuchungsausschuss ist kein politisches Kampfinstrument, sondern ein Aufklärungsinstrument im Sinne eines Konsenses. Er hat die Chance, Vorschläge zu erarbeiten, wie wir tatsächlich Verbesserungen erreichen können. Ich betone aber auch, dass gerade deshalb auch wichtig ist, nicht verfrüht Schlüsse zu ziehen, nicht Ergebnisse vorwegzunehmen, sondern die richtige Reihenfolge einzuhalten: zuerst lückenlose Aufklärung, dann die Folgerungen für die Zukunft.
Ich bin überzeugt, dass über eine solche vorbehaltlose Aufklärung Vertrauen in den Rechtsstaat zurückgewonnen werden kann.
Damit bin ich beim letzten Punkt. Der Untersuchungsausschuss hat eine Aufgabe, die in die Zukunft gerichtet ist. Diese Aufgabe besteht nicht nur darin, über mögliche strukturelle Änderungen nachzudenken. Diese Aufgabe beinhaltet auch, dafür zu sorgen, dass sich eine solche Mordserie in Bayern nie wieder ereignen kann.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zu den Abstimmungen.
Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt, den Einsetzungsauftrag auf Drucksache 16/12860 neu zu fassen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 16/13075. Wer dieser Neufassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Damit ist der Untersuchungsauftrag festgestellt.
Mit der Annahme des Antrags in der soeben beschlossenen Fassung hat der interfraktionelle Änderungsantrag auf der Drucksache 16/13060 seine Erledigung gefunden.
Nach dem soeben gefassten Beschluss besteht der Untersuchungsausschuss aus neun Mitgliedern. Die CSU-Fraktion hat das Vorschlagsrecht für vier Mitglieder, die SPD-Fraktion für zwei Mitglieder und die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP für jeweils ein Mitglied. Für jedes Mitglied ist von den jeweils vorschlagsberechtigten Fraktionen ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Hinsichtlich der vorgeschlagenen Kolleginnen und Kollegen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.
Ich gehe davon aus, dass wir über den gesamten Vorschlag abstimmen können. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Wer mit der Entsendung der Kolleginnen und Kollegen in der aufgelegten Übersicht in den Untersuchungsausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist das ebenfalls einstimmig so beschlossen.
Gemäß dem Gesetz über die Untersuchungsausschüsse bestellt die Vollversammlung den Vorsitzenden sowie den stellvertretenden Vorsitzenden. Vorsitzender und Stellvertreter müssen jeweils verschiedenen Fraktionen angehören. Das Vor
schlagsrecht steht in diesem Fall der SPD-Fraktion zu. Als Vorsitzenden hat die SPD-Fraktion Herrn Kollegen Schindler vorgeschlagen, als dessen Stellvertreter wurde vonseiten der CSU-Fraktion Herr Kollege Dr. Bernhard benannt. Auch über diese beiden Vorschläge lasse ich gemeinsam abstimmen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich nochmals um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist erneut einstimmig das ganze Haus und damit so beschlossen.
Ich gebe zwischendurch das Ergebnis der vorher durchgeführten namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Bause, Dr. Runge, Gote und anderer und Fraktion betreffend "Zukunftsinvestition Hochschulen: Bayern braucht ein erweitertes, langfristiges Ausbauprogramm", Drucksache 16/12328, bekannt: Mit Ja haben gestimmt 68, mit Nein 84, Stimmenthaltungen: Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt worden.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Transparenz in zentralen Europafragen herstellen (Drs. 16/13048)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Ministerin! Vielleicht haben einige von Ihnen vor Kurzem die Sendung "Panorama" gesehen. Es ist inzwischen ein beliebtes Spiel, Bundestagsabgeordnete vor einer wichtigen Abstimmung zu fragen, wie viel sie über den Gegenstand der Abstimmung wissen. Es ging um ESM und Fiskalpakt und betraf die Sitzung am 29. Juni. Wie immer, wird bei diesen Umfragen ein erschreckendes Nichtwissen offenbar. Bei bayerischen Abgeordneten wäre das sicherlich besser. Eine Umfrage würde ganz anders ausfallen, weil in Bayern auch die beste Schulbildung vorhanden ist.
Trotzdem gibt es einen gewaltigen Aufklärungsbedarf zu diesem Thema. Ich will nur eine Zahl ansprechen,
nämlich die aktuelle Maximalbelastung der Euroländer zusammen. Das sind inzwischen 2,2 Billionen Euro. Kurz aufgeschlüsselt: Im ESM, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus: 700 Milliarden, IWF/Europaprogramm: 250 Milliarden, Target-II-Schulden: 850 Milliarden, EZB-Schulden: 220 Milliarden, bilaterale Kredite: 110 Milliarden und ESFS: 60 Milliarden. Das sind zusammen 2,2 Billionen Euro. Erstaunlich ist: Vor zwei Monaten haben die FREIEN WÄHLER im Landtag einen Antrag auf mehr Transparenz gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren es noch 400 Milliarden weniger. In zwei Monaten hat die Summe um 400 Milliarden Euro zugenommen. Ich möchte gar nicht hochrechnen, wo das hinführt. Der deutsche Anteil daran beträgt 27 %. Dabei wird davon ausgegangen, dass all die Staaten, die unter den Rettungsschirm geschlüpft sind, mitzahlen. Das werden diese aber gar nicht können. Wenn man das mit einbezieht, wird der deutsche Anteil etwa 30 % mit Richtung auf 40 % betragen.
Wir haben nicht nur diese Zahlen, sondern vor uns liegt auch ein - darüber wurde abgestimmt - ESM-Vertrag und ein Fiskalpakt. Inzwischen sind in Brüssel am 27. und 28. Juni Beschlüsse gefasst worden, die beide Verträge alt aussehen lassen und Neues bestimmen. Das heißt, Bundestag und Bundesrat haben über etwas abgestimmt, das im Grunde genommen schon nicht mehr aktuell war. Darauf zielt auch die Kritik des Ministerpräsidenten ab.
Worum es uns in unserem Antrag geht: Es darf nicht sein, dass diese entscheidenden Beschlüsse, die teilweise in das Grundgesetz eingreifen, aufgrund von Gesprächen in den Hinterzimmern der Macht, von Gesprächen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel getroffen werden und die Parlamente dabei allenfalls im Schnelldurchgang beteiligt werden.
Diese Beschlüsse, diese Gesetze, diese Verträge betreffen jeden einzelnen Bürger in Deutschland. Diese Beschlüsse können vieles verändern. Diese Beschlüsse greifen in das Grundgesetz ein. Die Debatte darüber gehört in die Öffentlichkeit, sie gehört in die Parlamente und muss auch hier im Landtag geführt werden.
Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, noch vor der Sommerpause - es geht um Zeit, und es ist dringend - im Parlament Rede und Antwort zu stehen und uns deutlich zu machen, wie diese Beschlüsse zustande gekommen sind, was sie bewirken und wie man vonseiten der Bayerischen Staatsregierung darauf Einfluss nehmen kann. Wir wissen, dass der Zeit
plan sehr eng ist und wir einen sehr dichten Plenarplan haben. Ich glaube aber, wir können auf den Zeitplan nicht Rücksicht nehmen. Wir Parlamentarier sind bereit und verpflichtet, uns zu informieren, denn wir müssen die entsprechenden Beschlüsse vor der Bevölkerung vertreten. Mit diesem Antrag bitten wir daher die Staatsregierung, uns innerhalb kurzer Zeit Rede und Antwort zu stehen. Es geht um die Zukunft Europas, es geht um die Zukunft des Euros. Darüber müssen wir informiert sein.
Herr Kollege Graf von und zu Lerchenfeld hat sich schon auf den Weg gemacht. Bitte, Sie sind der nächste Redner. Ihm folgt dann Kollege Halbleib.
Herr Präsident, Hohes Haus! Gleich zu Beginn möchte ich sagen, dass wir vonseiten unserer Fraktion diesem Berichtsantrag zustimmen, allerdings nicht deswegen, weil es üblich ist, dass man Berichtsanträgen zustimmt, sondern weil auch wir der Auffassung sind, dass es um eine wesentliche Frage geht, mit der wir uns als Parlamentarier dringend beschäftigen sollten.
Uns sollte es nicht so gehen wie den Kollegen vom Bundestag, die erst vom Verfassungsgericht dazu aufgefordert werden mussten, ihre eigentlichen parlamentarischen Rechte wahrzunehmen.
Für uns spielt diese wirklich große Frage des EuroRaums eine große Rolle. Sie wollen im Wesentlichen zwei Fragenkomplexe beantwortet haben. Der eine ist das Ergebnis des Europäischen Rates und der Eurogruppe vom 28. und 29. Juni. Man muss dabei deutlich machen, dass diese Ergebnisse sehr kritisch zu beurteilen sind. Nach meiner Auffassung gehen wir hier in eine Richtung, bei der wir äußerste Vorsicht walten lassen müssen und bei der wir uns bewusst sein müssen, dass wir durchaus in eine falsche Richtung gehen können. Ich denke nur daran, dass man letztendlich festlegt, dass sich Banken aus dem ESM bedienen können, dass eine direkte Bankenrekapitalisierung möglich ist. Dazu kann ich nur sagen: Das ist nicht der Weg, den wir wollen.
Es geht darum, dass wir sehr deutlich machen, dass die Staaten letztendlich in der Haftung bleiben müssen und dass die Staaten strenge Auflagen erfüllen müssen, wenn sie auf die Gelder des ESM zurückgreifen. Ich persönlich finde es bedenklich, dass der
IMF schon nicht mehr dabei ist, dass man ihn nicht mehr eingebunden hat. Ich glaube, das ist eine der zentralen Fragen, die uns betreffen.