Protokoll der Sitzung vom 04.07.2012

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schreckliche Mordserie, bei der zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen regelrecht hingerichtet wurden, hat unser Land in mehrfacher Hinsicht erschüttert. Die Täter der Neonazizelle konnten über viele Jahre unbehelligt agieren. Sie konnten unentdeckt neun Migranten und eine Polizistin ermorden, davon fünf Menschen allein in Bayern. Die Ermittlungsbehörden verfolgten bis zum Tod der beiden Haupttäter Mundlos und Böhnhardt falsche Spuren. Für sie lagen die organisierte Kriminalität, die Ausländerkriminalität oder auch Beziehungstaten nahe. Die türkisch- bzw. griechischstämmigen Opfer wurden dem kriminellen Milieu zugeordnet. Gegen Angehörige wurden zum Teil Ermittlungsverfahren durchgeführt. Ein als Journalist getarnter verdeckter Ermittler wurde auf Angehörige angesetzt, um die sogenannte Mauer des Schweigens zu brechen. Bei der offiziellen Trauerfeier und verschiedenen Gesprächen und Interviews haben einzelne Angehörige eindrucksvoll geschildert, wie hart die Zeit für sie gewesen sein muss. Nicht nur den Ehemann, Vater oder Bruder haben sie auf grausame Weise verloren, sie wurden auch selbst kriminalisiert und stigmatisiert.

Mit großer Akribie und sehr viel Phantasie wurde der Ansatz organisierte Kriminalität und Ausländerkriminalität verfolgt. Ich erinnere an die beiden Dönerstände, die in München und Nürnberg von Vertrauensleuten der Polizei betrieben wurden, um das Eintreiben nicht bezahlter Rechungen zu provozieren - eine durchaus fragwürdige Aktion. Ein möglicher rassistischer, fremdenfeindlicher Hintergrund wurde nach bisherigen Erkenntnissen nur kurze Zeit und ohne besonders hohen personellen Einsatz verfolgt.

Sicherlich weiß man es in der Rückschau immer besser. Anhaltspunkte und Erkenntnisse zu möglichen gewalttätigen Aktionen Rechtsradikaler müsste es aber insbesondere seit der Wende 1990 genug gegeben haben. Asylbewerberheime brannten bereits. Etliche Mordtaten sind von Rechtsextremisten verübt worden. Die Amadeu Antonio Stiftung geht von 181 Mordtaten bundesweit seit 1990 aus. Die Neonaziszene ist insgesamt erstarkt und fühlte sich auch durch das politische Klima in dieser Zeit im Aufwind.

In Thüringen haben bayerische Neonazis den Thüringischen Heimatschutz aufgebaut. Der vom Thüringer Verfassungsschutz geführte V-Mann Tino Brandt kam

ursprünglich aus Bayern. Er hat eine Schlüsselrolle gespielt. Karl-Heinz Hoffmann von der Wehrsportgruppe Hoffmann, die verboten worden ist, ging sofort in die neuen Bundesländer, um für die Neonaziszene Aufbau Ost zu betreiben. Mitglieder des Thüringischen Heimatschutzes haben wiederum bei der Gründung des Fränkischen Heimatschutzes mitgewirkt und vielfältige Kontakte nach Bayern aufgebaut. Überall tummelten sich bereits die Mitglieder des späteren nationalsozialistischen Untergrunds und dessen Umfelds auch in Bayern.

Mehrere Treffen und Aufenthalte sind dokumentiert, zum Beispiel ein Neonazitreffen in der Nähe von Straubing, das 1994 in einer Kiesgrube stattgefunden hat. Das ist auch der Grund dafür, dass wir den Untersuchungszeitraum ab 1994 gewählt haben. Es gab noch verschiedene andere Treffen in den Folgejahren bis zum Untertauchen. Nach dem Untertauchen der Zwickauer Zelle im Jahr 1998 haben die Verfassungsschützer und die Ermittler sie trotz verschiedener Hinweise einfach aus den Augen verloren. Der NSU wurde in einer neonazistischen Veröffentlichung zumindest mit verklausulierten Hinweisen auf deren Taten genannt. Liedtexte hätten den Verfassungsschutz hellhörig machen müssen. Bereits kurz nach dem Untertauchen hat es Konzerte mit Sammlungsaktionen für das Trio gegeben. Ein scheußliches Brettspiel, das an Monopoly erinnert, wurde unter dem Namen "Progromly" vertrieben. Die Erlöse kamen dem Trio zu. Vor dem ersten Mord hat es ein Flugblatt mit dem Text "Von jetzt an wird zurückgeschossen" gegeben. Verteilt wurde es von Gerhard Ittner.

Allein schon aus Respekt vor den Angehörigen ist es unsere Aufgabe, Aufklärungsarbeit auch mit einem bayerischen Untersuchungsausschuss zu leisten. Insbesondere ist die Frage zu stellen, warum die Gefährlichkeit der Rechtsextremisten so eklatant unterschätzt wurde. Stattdessen wurden die Spuren mit dem Hinweis auf fehlende Bekennerschreiben nicht weiterverfolgt, obwohl es eigentlich schon bekannt gewesen sein musste, dass es gerade zu den Strategien von Rechtsterroristen und Rechtsextremisten gehört, keine Visitenkarte zu hinterlassen.

Der Untersuchungsausschuss ist aber auch nötig, damit derartige Gewalttaten in Zukunft vermieden werden können und Staatsversagen, wie es in diesem Falle nach meiner Meinung stattgefunden hat, ausgeschlossen werden kann. Das Ziel muss die Schärfung des Blicks für die Gefahren durch rechtsextremistische Aktivitäten sowie für rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen in unserer Gesellschaft sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Untersuchungsausschuss in Bayern ist auch deshalb nötig, weil die zentralen Ermittlungen in Bayern bei der sogenannten BAO Bosporus in Nürnberg zusammengelaufen sind. Hier wurden die Ermittlungen zu allen zehn Mordfällen koordiniert. Der Untersuchungsausschuss in Berlin kann selbstverständlich im Hinblick auf die bayerischen Behörden nicht in die Tiefe gehen. Das können nur wir tun. Außerdem kommen durch die Arbeit des Berliner Untersuchungsausschusses immer mehr Details ans Licht, die unsere Behörden betreffen. Ich erinnere an das unsägliche Kompetenzgerangel, wer nun zuständig sein soll. Soll das BKA die Ermittlungen mit dem Generalbundesanwalt an sich ziehen, oder sollen die Ermittlungen in Bayern weitergeführt werden? Erst wollte das BKA dies nicht, dann wollte Bayern die Ermittlungen nicht abgeben. Dadurch sind die Ermittlungsarbeiten erheblich behindert worden. Das wird ein Untersuchungsgegenstand sein. Es treten immer mehr Informationen darüber zutage, wie schlecht die einzelnen Behörden zusammengearbeitet haben, die Soko, die BAO Bosporus und der Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden untereinander etc.pp.

Was genau hinter dem Wort "Kriegserklärung" stand, als es um das Kompetenzgerangel mit dem BKA gegangen ist, muss aufgeklärt werden. So eine Bemerkung schreibt man nicht ohne Grund in eine Aktennotiz. Es ist herausgekommen, dass die bayerischen Ermittlungsbehörden mehr Informationen hatten, als bisher gesagt wurde. Das Parlament hat diese Informationen bisher nicht bekommen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat zum Beispiel über die Untergetauchten im Jahr 2004 eine genaue Broschüre mit Fotos und Hinweisen im Nachgang zu einer Tagung aller Behörden weitergegeben. Darin wurde ausdrücklich mit Fotos auf Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe hingewiesen. Heraus kam, dass das Trio einzeln oder auch in der Gruppe vor seinem Untertauchen sehr viel häufiger in Bayern gewesen ist, als uns vorher mitgeteilt worden war. Dies ging aus verschiedenen Listen über einzelne Treffen aus den Papierakten des Bayerischen Verfassungsschutzes hervor.

Die Daten über dieses Trio waren bereits alle gelöscht. Aktuell haben wir über den Berliner Untersuchungsausschuss die Information bekommen, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Kenntnis von der Operation "Rennsteig" hatte. Die Information, dass diese Operation stattgefunden hat, hat der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes nicht an sein Parlament gegeben. Das war für ihn dann ausreichender Grund, zurückzutreten bzw. den Ruhestand anzustreben. Einzelne Akten über diese Operation sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz vernichtet worden, nach dem Bekanntwerden

der Mordserie bzw. der Täter. Dieser Umstand war für Herrn Fromm der Grund, seinen Hut zu nehmen.

Vom 20. März 1997 ist das Protokoll einer Besprechung, die in München stattgefunden hat und an der der MAD, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilgenommen haben. Bei dieser Besprechung wurde vereinbart zu versuchen, aus der Thüringer Neonaziszene "Heimatschutz", die inzwischen sehr groß geworden war, V-Leute zu gewinnen. Über diese Operationen ist uns bisher in Bayern nicht berichtet worden. Wir wissen nicht, ob sich das Bayerische Landesamt hier weiter beteiligt hat. Wir wissen auch nicht, ob es die Akten noch gibt oder ob sich Bayern auf der Liste der Personen, die angesprochen werden sollten, befinden. Wir brauchen Klarheit darüber, welche Rolle das Bayerische Landesamt bei diesen Operationen gespielt hat und welche Akten hierüber noch vorhanden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Untersuchungsausschuss ist auch deshalb nötig, weil strukturelle Probleme geklärt und abgearbeitet werden müssen, die Ermittlungen behindern können. Dabei ist speziell die Rolle des Verfassungsschutzes zu klären. Aus den Vernehmungen des Ausschusses in Berlin wissen wir, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz keinerlei Eigeninitiative entwickelt hat, um die Polizeibehörden zu unterstützen. Die Informationsweitergabe nach der Anfrage durch die Polizei bezüglich der bayerischen Neonazis war sehr mangelhaft. Man hat die Polizei mehr oder weniger am langen Arm verhungern lassen. Das werden wir noch genau untersuchen. Man sagte: Die Anfrage sei nicht konkret genug gewesen usw. und so fort, bis endlich eine Liste, deren einziges Kriterium die Postleitzahlbereiche waren, herausgerückt wurde, und dabei auch nur zwei Postleitzahlbereiche von Nürnberg.

Wir müssen die Rolle der V-Leute untersuchen. Trotz vielfältiger Einsätze der V-Leute in der bayerischen Neonaziszene ist es nicht gelungen, nähere Informationen über die Mordserie und deren Verursacher herauszubekommen. Herr Hegler konnte nicht sagen, wann das gewesen ist, aber man hat sich dann damit begnügt, einzelne Quellen zu befragen, ob die Neonazis etwas damit zu tun haben. Das muss um das Jahr 2002 /2003 herum gewesen sein. Günther Beckstein wurde auch danach befragt. Er hat das Ergebnis sinngemäß so weitergegeben, dass die V-Leute gesagt hätten: Unsere Kameraden haben damit nichts zu tun. Dies zeigt sehr stark, welchen Wert die Informationen haben, die von den V-Leuten stammen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der Umgang mit den Akten und den Daten ist von uns zu untersuchen. Das Bayerische Landesamt hat es sich zur Vorgabe gemacht, möglicherweise in Absprache mit dem Datenschutzbeauftragten, dass generell nach fünf Jahren alles gelöscht wird. Allerdings sehen die Löschungsvorschriften vor, dass nach fünf Jahren geprüft wird, ob man die Daten noch braucht. Jedenfalls sind die Daten und Akten, die vom Bayerischen Verfassungsschutz nach Berlin geschickt wurden, nicht unbedingt üppig, sondern eher dünn. Herr Hegler hat gesagt, selbst Protokolle von Abteilungsleiter-Besprechungen würden nach fünf Jahren gelöscht. Wie soll eine parlamentarische Kontrolle stattfinden, wenn ich im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen kann, was in einer Behörde stattgefunden hat, mit welchen Themen sich diese Behörde beschäftigt hat, etc.?

Auf diese Art und Weise wird das Behördenhandeln der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Die Arbeitsstruktur und die Aufgaben des Verfassungsschutzes müssen also insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden. Wir brauchen mehr Transparenz, mehr parlamentarische Kontrolle, bessere Rechte für das Parlamentarische Kontrollgremium und Individualrechte für die Mitglieder des Gremiums. Über die Reform bis zur Diskussion über die Abschaffung muss eine offene Aussprache stattfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben zunächst die Berliner Ergebnisse abgewartet und unsere parlamentarischen Möglichkeiten mit Anfragen und Anträgen genutzt. Der Untersuchungsausschuss ist auch deshalb nötig geworden, weil wir trotz der vielen Anträge und Anfragen von der Staatsregierung keine ausreichenden Auskünfte bekommen haben. Erst am 7. März hat Herr Innenminister Herrmann einen Bericht abgegeben, der aber äußerst lückenlos war.

(Heiterkeit - Margarete Bause (GRÜNE): Lückenhaft!)

- Er war natürlich lückenhaft. Entschuldigung. Lückenlos hätten wir ihn uns gewünscht. Er war aber äußerst unvollkommen und lückenhaft. Viele Informationen sind uns vorenthalten worden. Zum Beispiel stand in dem Bericht nicht, dass die BAO Bosporus schon im Juli 2006 eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz bezüglich der Daten der Neonazis gestellt hatte. Es gab keine Informationen über die Operation Rennsteig. Es hat keinen Hinweis auf das Kompetenzgerangel gegeben, das ich vorhin beschrieben habe. Herr Herrmann, Sie haben im Rahmen der Debatte zum Verfassungsschutzbericht, als

wieder neue Informationen aus Berlin eingetroffen sind, gesagt, dass Sie die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht kommentieren würden.

Frau Kollegin

Ich bin sofort fertig. Ich begrüße die gemeinsame Antragstellung aller Fraktionen.

(Alexander König (CSU): Das soll alles noch untersucht werden! Das brauchen wir heute nicht zu erörtern!)

Ich erwarte, dass wir unserer Verantwortung mit diesem Untersuchungsausschuss vollends gerecht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Dr. Bernhard. Ihm folgt Kollege Dr. Fischer. Bitte schön, Herr Dr. Bernhard, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Fraktion unterstützt diesen Untersuchungsauftrag. Wir stimmen dem zu. Wir haben uns zusammengesetzt und sind den Untersuchungsauftrag durchgegangen. Das war ein guter Stil. Wir haben uns abgestimmt und sind zu einer Einigung gekommen. Dies ist in einen entsprechenden Antrag gemündet.

Bis heute ist die Betroffenheit und die Bestürzung, obwohl es immer wieder neue Nachrichten gibt, über diese Mordserie groß. Verurteilt wird ebenfalls die Brutalität, die Zynik und die Menschenfeindlichkeit. Die Betroffenheit darüber ist groß, dass es nicht gelungen ist, das Trio rechtzeitig zu enttarnen und die Straftaten zu verhindern. Ich will noch einmal mein Bedauern über die Verdächtigungen, die die Betroffenen erleiden mussten, zum Ausdruck bringen. Das Hohe Haus hat dies mit einer Entschließung im November sehr gut und sehr glaubhaft zum Ausdruck gebracht.

Wir unterstützen den Untersuchungsauftrag und den Untersuchungsausschuss, obwohl es bereits im Bundestag und in zwei anderen Ländern Untersuchungsausschüsse hierzu gibt, weil in Bayern fünf dieser Morde geschehen sind. Wir können uns in Bayern viel intensiver und detaillierter mit dem Geschehen auseinandersetzen, als das im Deutschen Bundestag möglich sein wird. Außerdem werden wir in Bayern eventuell Schlussfolgerungen über die Veränderung der Sicherheitsarchitektur ziehen müssen.

Bei allem Verständnis dafür, dass der Untersuchungsauftrag begründet werden muss, sollten wir zu Beginn einer solchen Untersuchung Zurückhaltung üben. Das möchte ich schon einmal sagen. Was mit den Einleitungsworten "Ich hoffe nicht" oder "Weiß ich nicht" ausgeführt wird, wird letztendlich doch zur Diskussion gestellt. Beispielsweise wurde zur Diskussion gestellt, ob in Bayern Akten vernichtet worden sind. Darauf gibt es keinerlei Hinweise.

Die rechtsextremen Straftaten des Nationalsozialistischen Untergrundes haben eine aggressive Dimension des Rechtsradikalismus in einer besonders drastischen Weise offenkundig gemacht. Wir haben deshalb allen Anlass, uns mit diesem Thema intensiv im Untersuchungsausschuss und auch an anderer Stelle auseinanderzusetzen. Wir müssen sehr wachsam sein, um den Schutz unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrechtzuerhalten, weil es in der Tat einen massiven Angriff auf unsere Rechtsund Gesellschaftsordnung gegeben hat. Das gilt für Rechts. Ich sage aber auch: Das gilt für Links. Wir haben in der Bundesrepublik schon einmal erlebt, dass es einen massiven terroristischen Angriff von links auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegeben hat. Beides ist notwendig. Herr Fromm war jemand, der immer davor gewarnt hat, dass die Bekämpfung des Rechtsradikalismus nicht den entsprechenden Stellenwert hat.

Wir schulden den Angehörigen, die einen Anspruch darauf haben, zu wissen, was wirklich geschehen ist, Aufklärung, zumal sich - das habe ich schon erwähnt der Verdacht zunächst gegen sie selbst gerichtet hat.

Ich sehe folgende Schwerpunkte: Warum ist es zehn Jahre lang nicht gelungen, diese Straftaten aufzudecken? Welche Ermittlungsstrategien hat es gegeben? Warum hat es diese gegeben? Damit müssen wir uns intensiv auseinandersetzen. Wie war die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden innerhalb Bayerns, mit dem Bund und anderen betroffenen sowie beteiligten Ländern? Welche Rolle spielt der Verfassungsschutz bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus? Welche Rolle spielen die V-Leute, soweit sie in Bayern im Einsatz waren?

Ich denke ebenfalls, dass der Untersuchungsausschuss insgesamt dazu beitragen wird, die Öffentlichkeit über den Rechtsradikalismus aufzuklären. Damit können wir die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft befördern. Das ist ein positiver Aspekt dieses Untersuchungsausschusses.

Wir haben einen ziemlich umfangreichen Untersuchungsauftrag vorliegen. Wie wir alle wissen, ist die

Legislaturperiode begrenzt. Es wird darauf ankommen, dass wir professionell und effektiv arbeiten. Wir sollten uns auf das wirklich Wesentliche konzentrieren. Es handelt sich um ein sehr ernstes Thema. Es ist - das haben die Vorredner auch gesagt - sehr positiv, dass wir als Demokraten in diesem Parlament zusammenstehen und gemeinsam daran arbeiten, die Vorgänge aufzuklären. Wir sollten konstruktiv darüber diskutieren, welche Konsequenzen gegebenenfalls aus diesen Untersuchungen gezogen werden sollen und müssen. Ich freue mich und wünsche uns eine konstruktive und effektive Zusammenarbeit, um die Probleme aufzuarbeiten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Der nächste Redner ist Kollege Dr. Fischer. Bitte schön.

Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Morde, Bombenanschläge und Banküberfälle des Nationalsozialistischen Untergrundes gehören zweifellos zu den schwersten Verbrechen der Geschichte dieser Republik. Mit Entsetzen haben wir gesehen, dass sich aus einer nationalistischen Ideologie über die Zwischenstufe einer aggressiven, gewaltbereiten und rechtsextremen Kameradschaft eine Terrorzelle entwickelt hat, die über Jahre unentdeckt blieb.

Zu diesem ersten Entsetzen kam bald ein zweites Entsetzen, nachdem deutlich wurde, dass es sich beim Nazi-Trio vermutlich nicht um eine abgeschlossene Gruppe handelte, sondern um ein Netzwerk von vielleicht mehreren Dutzend Personen, die diese unterstützt haben.

Das gibt dem Ganzen eine dritte Dimension. Diese beschäftigt uns heute im Bayerischen Landtag. All dies geschah, ohne dass die Sicherheitsbehörden ein rassistisches Motiv oder einen rechtsradikalen Hintergrund ernsthaft in Erwägung zogen - in Erwägung wohl, aber nicht ernsthaft genug. Bevölkerung, Medien und auch die Politik nahmen und nehmen dies mit Fassungslosigkeit zur Kenntnis. Für mich persönlich ist es ebenfalls ein schwer ertragbarer Gedanke, dass sich dieser von rassistischem Vernichtungswillen geprägte nationalsozialistische Terror über zehn Jahre ausbreiten konnte - ungestört.

Ja, es ist selbstverständlich, dass nicht jede Straftat aufgeklärt wird. Obwohl die Aufklärungsquote bei Mord hoch ist, ist auch selbstverständlich, dass nicht jeder Mord aufgeklärt werden kann. Wir reden hier aber auch nicht über irgendeinen Mord - wir reden über eine beispiellose Mordserie, eine Mordserie aus rassistischen und menschenverachtenden Motiven,

eine Mordserie, die sich letztlich gegen den Kern unserer Wertordnung gerichtet hat.

Es ist auch selbstverständlich, dass man allein aufgrund der Tatsache, dass diese Mordserie nicht verhindert oder wenigstens früher aufgeklärt werden konnte, keinen Rückschluss auf ein Versagen der Sicherheitsbehörden ziehen kann. Fest steht aber auch, dass Fehleinschätzungen mit ursächlich waren, die es möglich gemacht haben, dass die Terroristen der Zwickauer Zelle so lange ungehindert morden konnten.

Nun gibt es einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages und Untersuchungsausschüsse der Landtage von Sachsen und Thüringen. Weshalb also noch einen weiteren? - Hierfür gibt es mehrere Gründe. Fünf der zehn Opfer, türkische und ein griechischer Kleinunternehmer, lebten in Bayern, und es war eine bayerische, die Sonderkommission Bosporus, die die Ermittlungen leitete. Diese speziellen Voraussetzungen zeigen deutlich, dass es wichtig ist, auch das Vorgehen der bayerischen Sicherheitsbehörden kritisch zu beleuchten. Gerade die Soko Bosporus hat einen immensen Aufwand betrieben. 60 Beamte waren in Nürnberg befasst, bundesweit 160. 32 Millionen Massendaten wurden erfasst und ausgewertet. Man ist 3.500 Spuren nachgegangen, hat 11.000 Personen überprüft. Die wahren Mörder waren nicht darunter.

Ein eigener Untersuchungsausschuss in Bayern ist aber auch deswegen wichtig, weil unsere Aufgabenstellung eine andere ist. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages steht vor immensen Aufgaben. Er hat nicht die Möglichkeit, alle Facetten des Verhaltens bayerischer Sicherheitsbehörden bis ins Detail zu beleuchten, so wie es notwendig wäre.