Auch beim Thema Übertrittsdruck muss man genau hinschauen. Der Herr Kultusminister hat momentan dafür keine Zeit, weil er mit einem Kollegen sprechen muss. Er kann das aber im Protokoll nachlesen.
Die CSU ist immer noch stolz auf ihr dreigliedriges Schulsystem, weil dies das einzig begabungsgerechte System sei. Mit diesem System kann man laut CSU allen Kindern und Jugendlichen am besten gerecht werden. Das dafür notwendige Übertrittsverfahren sei pädagogisch aufgesetzt und würde den Druck bei den Kindern, Eltern und Lehrern endlich abbauen. Die Realität sieht aber ganz anders aus: Noch nie zuvor gab es so viel Nachhilfe in der Grundschule. Noch nie zuvor wurde für ADHS-Kinder so viel Ritalin verschrieben. Noch nie zuvor haben in der Grundschule, vor allem in der vierten Klasse, so viele Kinder über psychosomatische Symptome wie Bauchschmerzen und Kopfweh geklagt. Noch nie zuvor gab es in der vierten Klasse so viele Lehrkräfte, die aufgrund von Burn out in den Kliniken behandelt werden mussten. Das kann nicht unser Konzept für eine pädagogisch gute Grundschule sein. Wir haben alle Hände voll zu tun, um die pädagogische Ausrichtung der Grundschule zurückzuholen.
Ich bin mir sicher, dass wir in diesem System noch jede Menge Schulversager produzieren werden; denn wenn wir uns die Zahl der Schülerinnen und Schüler ansehen, die jedes Jahr von den weiterführenden Schulen "nach unten" zurückkehren, stellen wir fest, dass die Schulversagerquote immer noch zu hoch ist.
Fakt ist, dass die Bildungschancen in unserem Land noch immer vom Wohnort, vom sozialen Hintergrund usw. abhängen. In Bayern gilt der Spruch: Sage mir, wo du wohnst, und ich sage dir, welche Bildungschancen du hast. Schauen wir einmal in den Landkreis München. Dort beläuft sich die Übertrittsquote an das Gymnasium auf 61,1 %. Im Landkreis Rottal-Inn liegt sie bei 25,5 %. Bei uns in Bayern entscheiden immer noch Herkunft, Geldbeutel und Wohnort über die Bildungschancen von Kindern. Das kann es nicht sein.
Herr Kultusminister, mir reicht es nicht aus, wenn jedes Jahr am Beginn des Schuljahres mehrere Seiten zusammengestellt werden und gesagt wird, wir hätten genug Lehrer. Ich erwarte vom bayerischen Kultusminister auch eine Ansage, wie Schulen aussehen und wie sie pädagogisch aufgestellt sein müssen. In Bayerns Schulen ist die Kompetenzorientierung viel zu gering und es gibt viel zu wenig individualisierten Unterricht. Wir haben immer noch keine Konzepte, wie wir auf die heterogenen Strukturen, die Vielfalt in unseren Klassenzimmern, reagieren sollten. Die Bildungspolitiker müssen hier den Schulen zur Seite springen. Wir müssen Anreize schaffen und die Schulen unterstützen, damit sie auf diesem Weg nach vorne gehen können. Wir müssen eine Fortbildungsinitiative starten und den Schulen eine punktgenaue Lehrerstundenzuweisung geben, damit sie das, was sie sich vornehmen, umsetzen und sich den Herausforderungen stellen können.
Wir brauchen in Bayern eine Gerechtigkeitsdebatte, auch das muss gesagt werden. Wir dürfen Kinder nicht mehr hinten lassen, nur weil sie aus sozial benachteiligten Familien kommen.
Zum Schluss sei noch einmal gesagt: Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, dass wir diese Gerechtigkeitsdebatte führen und entsprechende Schulangebote schaffen. Wir sagen ausdrücklich: Die Gemeinschaftsschule ist ein solches Angebot, um die Bildungsgerechtigkeit und die Bildungschancen zu verbessern. Hier werden die Kinder nicht mehr sortiert, sondern entsprechend ihrer Stärken und Schwächen mitgenommen. Ihre Talente werden berücksichtigt. Wir brauchen in Bayern eine gute Bildungspolitik, weil diese eine Vorsorgepolitik ist. Wir brauchen außerdem eine gute Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ja, diese Politik wird Geld kosten. Das werden wir in der Haushaltsdebatte feststellen. Wichtig ist, dass wir
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht überraschend, dass das erste Thema der Aktuellen Stunde nach der Sommerpause ein bildungspolitisches Thema ist. In der Sommerpause wurden wir nahezu täglich mit Pressemeldungen und Ankündigungen aus dem Kultusministerium überschüttet, in denen dargelegt wurde, wie gut dieses bayerische Bildungssystem funktioniere. Gleichzeitig haben wir aber auch Hilferufe von Schulleitern und Schulleiterinnen, Lehrkräften und besorgten Eltern aus allen Teilen Bayerns bekommen. Wir wissen also: Es läuft nicht alles rund.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass viele dieser Hilferufe und Mails auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU und der FDP angekommen sind und diesen Kolleginnen und Kollegen dabei bewusst geworden ist, dass zwischen den Ausführungen, die unser Kultusminister via Pressemitteilung kundgetan hat, und dem, was draußen an den Schulen feststellbar ist, eine erhebliche Diskrepanz besteht. Wenn ich Herrn Kollegen Georg Eisenreich höre, ist dem mitnichten so. Herr Eisenreich, Sie haben erklärt, der Schulauftakt sei gut gelungen und die Unterrichtsversorgung sei sichergestellt. Ich muss Sie fragen: Welchen Anspruch an eine funktionierende bayerische Bildungspolitik haben Sie eigentlich?
Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine gute Bildungspolitik die Unterrichtsversorgung von Grund auf sicherstellt und nicht bis zum letzten Moment wackelt und gerade einmal mit der Grundversorgung hinkommt.
Meine Damen und Herren von der CSU und der FDP, das sind die wahren Missstände. Ich gebe den GRÜNEN durchaus recht. In der bayerischen Bildungspolitik läuft beileibe nicht alles rund. Der Schrei nach Korrekturen ist, wo man auch hinschaut, groß.
Nun zum Thema, Schulrückstellungen! Natürlich hat sich hier in den letzten zehn Jahren etwas getan. Die Zahl der Schulrückstellungen hat sich in den letzten zehn Jahren genau verdoppelt. Wir müssen darüber nachdenken, warum das so ist. Wahrscheinlich fürchten viele Eltern, dass das sehr junge Kind dem Leis
tungsdruck der Grundschule in Bayern nicht gewachsen ist. An dieser Stelle müssen wir uns auch fragen, ob die vor einigen Jahren eingeführte Neuregelung des Einschulungstermins überhaupt zielführend war. Offensichtlich tragen viele Eltern diese damalige Hauruck-Aktion der Staatsregierung im Interesse ihrer Kinder nicht mit. Die Eltern wurden wieder einmal bei den vielen Korrekturen nicht mitgenommen.
Unseres Erachtens könnte die Einführung der flexiblen Eingangsphase in der Grundschule Abhilfe schaffen. Diese gibt es aber nur an 80 von 2.416 Grundschulen in Bayern. Das muss man ganz nüchtern feststellen. Mit anderen Worten, Ihr hochgelobtes Modell der flexiblen Grundschule ist damit noch immer ein Tropfen auf den heißen Stein.
Abhilfe könnte auch eine genauere Planung von Kitas und Grundschule schaffen. Aber auch hier mangelt es. Ich nenne das Stichwort Spracherwerb. Eine ähnliche Rolle rückwärts konnte man leider wieder in Bezug auf das G 8 feststellen. Wenn jetzt nämlich der Hochschulminister von der Einführung eines Studium generale an den Hochschulen spricht, dann fragt man sich: Warum musste man in einer Nacht-und-NebelAktion erst das G 8 einführen, wenn man anschließend die mangelnde Studierfähigkeit der jungen Menschen an der Hochschule kompensieren muss?
Über solche Feststellungen kann ich nur den Kopf schütteln. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Ihre Politik scheint nach dem Motto "ein Schritt vor, zwei Schritte zurück" zu funktionieren, das heißt, sie funktioniert gar nicht.
Lassen Sie mich eine weitere Widersprüchlichkeit in Ihrem angeblich so gut funktionierenden Bildungskonzept nennen, meine Damen und Herren von der Staatsregierung. Sie pochen auf die sture Beibehaltung eines dreigliedrigen Schulsystems. Im selben Atemzug heben Sie aber mit einer Aufweichung der Übertrittskriterien die Existenzgrundlage zahlreicher Mittelschulen auf.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Gehen wir einen gemeinsamen Weg! Geben wir unseren Kindern Schulen, die sich an den gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere am demografischen Wandel, orientieren! Mit starren Vorgaben aus
München ist dies nicht zu erreichen. Dazu sind flexible, passgenaue Lösungen nötig. Ich bitte Sie, für diese Lösungen hier im Haus gemeinsam zu kämpfen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Chaos, Murks - ich kann es kaum hören, wenn so etwas am Anfang eines Schuljahres gesagt wird. Was wir haben, ist weder Chaos noch haben wir jemals Murks gemacht. Bildung hat bei uns Haushaltspriorität und auch insgesamt Priorität. Bildungspolitik ist in unserer Gesellschaft immer ein Thema. Das gilt nicht nur für Bayern, sondern für die ganze Bundesrepublik. Auch da, wo Rot oder Grün regieren, ist Bildung Gott sei Dank ein Thema. Denn sie ist die Grundlage für Wohlstand, Wirtschaft und für eine funktionierende Sozialpolitik.
Bei uns hat dieses Thema seit 2008 - ich sagte es Haushaltspriorität. Aber bei Ihnen hat es offensichtlich gar keine Bedeutung. Denn wir müssen von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr überlegen, was wir dort machen. Wir haben reichlich Lehrer eingestellt. Wir haben selbstverständlich die 42-Stunden-Woche auf die 40-Stunden-Woche gekürzt. Das habe ich jetzt noch nicht einmal eingerechnet. Wir haben zusätzliche Lehrer eingestellt; so wurde es ja im Koalitionsvertrag vereinbart. Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen; aber die Zahlen dazu werde ich jetzt nicht im Einzelnen vortragen, da ich nur eine kurze Redezeit zur Verfügung habe.
Aber ich will jetzt auf Ihre Schlagworte eingehen, zunächst einmal auf das Stichwort "Zurückstellungen". Ja, es gibt Zurückstellungen. Aber es gibt auch ebenso viele Kinder, die vorzeitig eingeschult werden. Wir müssen nämlich einerseits die Eltern ernst nehmen, die die Angst haben, dass ihre Kinder überlastet werden. Wir sollten bedenken, was uns alle Studien sagen und was wir - das gebe ich zu - viel zu spät eingesehen haben: dass frühkindliche Bildung bei uns einen höheren Stellenwert haben muss. Denn Kinder sind neugierig, wissbegierig. Sie wollen spielerisch lernen. Dieses Konzept muss bei uns in der frühkindlichen Bildung angesiedelt sein. Mit der Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres wollten wir ein Signal dafür setzen, dass der Kindergarten eine vorschulische Einrichtung ist, weil sie auf die Grundschule vorbereitet.
Wir haben Lehrer auch in den Kindergärten, und vice versa übernehmen Kindergärtnerinnen Betreuungsaufgaben in der Grundschule, sodass ein sanfter Übertritt möglich ist. Wegen dieses sanften Übertritts muss sich die Staatsregierung also keine großen Sorgen machen. Vielleicht sollte man auch den Eltern sagen, sie mögen im Sinne ihrer Kinder, die etwas lernen wollen, mehr Vertrauen haben.
Lernen ist per se nichts Schlechtes, auch für die kleinen Kinder nicht. Wenn wir jetzt an den Grundschulen mit Ganztagsangeboten begonnen haben - ich spreche ganz bewusst von Ganztagsangeboten -, um mehr Zeit zur Verfügung zu haben und der Heterogenität der Kinder Rechnung zu tragen, dann ist das ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir brauchen selbstverständlich mehr solcher Angebote, ebenso wie wir die flexible Grundschule brauchen.
Irgendjemand hat es erwähnt - ich glaube, es war Herr Felbinger -, dass die Zahl dieser Schulen von 20 auf 80 erhöht wird. Das ist für den Doppelhaushalt ein großer Schub. Die Erhöhung muss natürlich weitergehen. Der Vorgang muss mit zusätzlichen Lehrerstellen begleitet werden. Es handelt sich hier um einen ganz wichtigen Schritt, der der Unterschiedlichkeit der Kinder, ihrer Begabungen und vor allem ihres Lerntempos Rechnung trägt. Der Unterschiedlichkeit muss man vielleicht auch über die dritte und vierte Klasse hinaus Rechnung tragen. Das gilt auch für den Übergang von der Gelenkklasse zur weiterführenden Schule. Ich erinnere an die Harmonisierung der Lehrpläne für Deutsch, Mathe und Englisch. Was die dritte bis fünfte Klasse betrifft, muss noch gemeinsam besprochen werden.
Hier handelt es sich aber nicht um Murks, Herr Gehring, sondern es ist wohlüberlegt und mit den entsprechenden Ressourcen abgesichert. Da kann man nicht vorpreschen und sagen: Wir schmeißen alles um; wir machen neue Strukturen; dann wird alles besser. - Da schaue ich in andere Bundesländer, wo bei den unterschiedlichsten Systemen das Chaos herrscht. Wir können uns eigentlich sehr wohlfühlen, weil wir sagen: Wir nehmen unser bestehendes System hin; wir schauen danach, wo Schwächen sind, aber auch danach, wo Stärken sind. Probleme gehen wir konkret an. Das ist nicht Murks, sondern verantwortungsvoller Umgang mit den Betroffenen, nämlich mit der Schulfamilie und allen anderen am Lernprozess Beteiligten.
Zum Thema Lehrermangel haben wir schon einiges gesagt. Wir haben auch aufgezeigt, wo noch etwas fehlt. Für uns Bildungspolitiker ist es - Kollege Eisenreich hat es gesagt; aber da sind wir uns alle einig nie genug. Es kann immer mehr sein. Wir brauchen
immer noch mehr Lehrer für zusätzliche Aufgaben, für kleinere Klassen, für mehr Ganztagsangebote, selbstverständlich auch für Inklusion. Wir haben also nie genug.
Wir werden unseren Weg aber konsequent weitergehen. Mit der FDP wird es für die Bildungspolitik Haushaltspriorität geben. Mängel und Schwächen sehen wir, aber wir gehen sie kontinuierlich an.
3.700 neue Lehrkräfte haben wir fest eingestellt. Das ist die höchste Zahl seit 1946, und das bei rückläufigen Schülerzahlen. Diese Maßnahme kann sich sehen lassen.
Die Mittelschulstandorte sind durch Verbünde gestärkt. Wir haben zusätzliche Realschulen und zusätzliche Gymnasien, darüber hinaus auch Technikerschulen geschaffen.
Ich sage als Letztes etwas zum G 8. Was wir da gemacht haben, war wirklich im Einvernehmen mit der Schulfamilie. Es geschah sehr transparent. Wie Sie gelesen haben, hat es dazu immer wieder einen neuen Gipfel gegeben. Dabei haben wir uns darauf verständigt, wie wir das vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung - ISB - Evaluierte umsetzen. Ich glaube, es ist im Sinne aller, dass die Schulen mehr Eigenverantwortung bekommen und nicht alles die Kultusbürokratie vorschreiben muss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es lohnt sich, in der Aktuellen Stunde einen Blick über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg zu werfen. Wir können lesen, dass die grün-rote Landesregierung im nächsten Haushalt 2013/14 2.200 Lehrerstellen - ich wiederhole: 2.200 - streicht. Und das unter Grün-Rot, unter einem grünen Ministerpräsidenten!