Günther Felbinger

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Dr. Goppel! Ich habe in der Tat gelächelt, als ich diesen Antrag zum ersten Mal gesehen habe, weil das, was die Regierungsfraktionen uns mit diesem letzten Dringlichkeitsantrag vorlegen, ein klassisches Beispiel für einen Schaufensterantrag darstellt. Das muss ich nun einmal so ausdrücken.
Denn zum einen stellen Sie die Bedingung "unter Berücksichtigung der insgesamt aktuell verfügbaren Stellen und Mittel", wie es Herr Kollege Güll gerade ausgeführt hat. Sie verlangen also, quasi zum Nulltarif ein Konzept für Schülerlabore und Schülerforschungszentren vorzulegen.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie haben sich im Bildungsausschuss in den letzten fünf Jahren nicht mit sehr vielen Initiativen hervorgetan. Von den 313 Anträgen stammten nämlich genau 39 aus Ihrer Feder, und am letzten Tag einer fünf Jahre währenden Legislaturperiode fordern Sie hier im Plenum ein solches Konzept. Da frage ich mich schon, was diese Aktion soll.
Sehr geehrter Herr Dr. Goppel, zuerst habe ich überlegt, von wem eine solche Idee stammen könnte. Ich habe mir gedacht, irgendein Unternehmer wird im Hintergrund mit dem Scheck gewunken haben, um ein paar Parteispenden zu überweisen und Sie zu füttern.
Da müssen Sie schnell noch einen Schaufensterantrag einbringen.
Meine Damen und Herren, Ihre Reaktion zeigt mir, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen habe. Man fragt sich schon, ob es keine größeren Probleme in der bayerischen Bildungspolitik gibt. Ungeachtet dessen sind Schülerforschungszentren und Schülerforschungslabore sehr wichtig. Das ist ganz klar. Wir wissen alle um den eklatanten Fachkräftemangel im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.
Das gilt besonders für den MINT-Bereich. Wir brauchen tatsächlich Nachwuchskräfte.
- Vielen Dank, Frau Will.
Interessanterweise rühmt sich das Kultusministerium auf seiner Homepage dessen, dass es die Zeichen der Zeit erkannt und deswegen schon mehrere Maßnahmen und Projekte auf den Weg gebracht hat, um die Effektivität des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts zu steigern.
Der Ministerpräsident war medienwirksam bei der Einweihung des Schülerforschungszentrums in Berchtesgaden dabei. Mich wundert es, dass es überhaupt eines Antrages bedarf, wenn die Staatsregierung bereits die Zeichen der Zeit erkannt hat und etwas tut. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz klar: Logischerweise kann man dem Antrag zustimmen. Das werden wir auch tun, weil das eine gute Sache ist. Wir benötigen jedoch die Mittel und Stellen, um wirkliche Verbesserungen zu erzielen. Wir brauchen keine mit heißer Nadel gestrickten Anträge, die auf den letzten Drücker entstehen. Sie meinen, damit hätten Sie die Welt in Bewegung gesetzt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle gen! Dies ist nicht die erste Initiative in puncto Gleich stellung im Bayerischen Landtag in dieser Legislatur periode. Ich habe einmal nachgeschaut. Es ist insgesamt das siebte Mal, dass ich hier im Plenum zu diesem Thema rede. Außer Frage steht, dass Frauen und Männer rechtlich gleichgestellt, aber Frauen nach wie vor in vielen Bereichen tatsächlich noch benach teiligt sind. Wir stellen fest, dass sich die schulischen und beruflichen Ergebnisse nicht im beruflichen Erfolg von Frauen widerspiegeln, und natürlich ist der Frau enanteil gerade in Leitungsfunktionen immer noch un terdurchschnittlich. Aber, liebe Frau Kollegin Stroh
mayr, Sie können insbesondere im öffentlichen Dienst nicht per Gesetz eine mindestens fünfzigprozentige Frauenquote verordnen, wobei – das muss man im merhin herausstellen – im Gegensatz zu früheren Ini tiativen zum Beispiel auch der GRÜNEN in dem Arti kel 8, den Sie einführen, schon einschränkend mit aufgenommen würde, dass bei Einstellungen mindes tens 50 % Frauen zu berücksichtigen seien, wenn dem nicht Eignung, Leistung und Befähigung entge genstehen. Aber damit sind wir am entscheidenden Punkt angelangt. Das sind nämlich genau die Kriteri en im öffentlichen Dienst. Insofern läuft Ihr eigener Ar tikel 8 absolut ins Leere.
Ich will nur darauf hinweisen, dass wir beispielsweise bei der Justiz, was die Frauen angeht, mittlerweile Einstellungsquoten von 70 bis 80 % zu verzeichnen haben. Ich nehme das wohlwollend zur Kenntnis; das stört Sie nämlich nicht. Im gehobenen Dienst sind Frauen- und Männeranteil bei den Einstellungen mitt lerweile immerhin etwa ausgeglichen.
Wir FREIEN WÄHLER denken, dass ein Gleichstel lungsgesetz, wie Sie es hier vorlegen - wie auch Ent würfe der Vergangenheit - nicht zielführend ist. Ich weiß nicht, ob die Vorwürfe immer stimmen. Aber wenn gesagt wird, dass Frauen bei Beurteilungen be nachteiligt werden, wenn Frauen bei Beförderungen tatsächlich benachteiligt werden, dann muss dem na türlich begegnet werden und dann muss man den Fokus hierauf legen. Aber dazu brauchen wir keine Frauenquote bei der Einstellung.
Meine Damen und Herren, in unseren Augen ist die ser Gesetzentwurf nicht zielführend. Deswegen wer den wir ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Gesetz über die Bezügeanpassung begrüßen wir FREIEN WÄHLER ebenso, wie wir die Aussprache dazu in der Ersten Lesung für überflüssig halten. Diese Erste Lesung, sehr geehrter Herr Staatssekretär, hat doch mehr den Charakter einer Selbstbeweihräucherung
der Staatsregierung. Aber vielleicht haben Sie die zurzeit nötig.
Dies gilt umso mehr, als der Gleichklang mit der Tariferhöhung bereits Ende letzten Jahres vom zuständigen Minister zugesagt wurde. Gerade in Zeiten, in denen die Steuereinnahmen im Freistaat nur so sprudeln, ist es selbstverständlich, auch den Beamten ihren Anteil zukommen zu lassen. Betont sei dabei, dass gerade die Beamten an diesen sprudelnden Steuereinnahmen durch eine verlässliche Verwaltung sowie bürgerfreundliche und sachkundige Arbeit erheblich mitgewirkt haben. Insofern ist es nur selbstverständlich, den Beamten ihren Anteil, also diese Gehaltserhöhung, zu gewährleisten.
Wir FREIEN WÄHLER setzen uns permanent für eine leistungsgerechte Bezahlung unserer Beamten ein. Daher hätten wir uns – sehr geehrter Herr Pschierer, Sie haben das vorhin ja gesagt – in den vergangenen Jahren, als keine Wahl anstand, die Übernahme der Tarifergebnisse zum selben Zeitpunkt wie bei den Arbeitnehmern gewünscht. Aber in Wirklichkeit gab es 2011 eine Nullrunde und 2012 eine sehr verzögerte Bezügeanpassung.
Auch das neue Dienstrecht, das auf Leistung und Belohnung der Leistung basiert und deswegen von Ihnen, von der Regierungskoalition, als große Errungenschaft gepriesen wurde, wurde uno acto durch das Aussetzen gerade der Leistungselemente zum zahnlosen Tiger degradiert.
Meine Damen und Herren, kurz gesagt: Unsere bayerischen Beamten sind nicht nur gut, sie sind spitze und haben sich deshalb diese Erhöhung mehr als verdient. Wir wünschen den Beamtinnen und Beamten einen nicht nur in Wahljahren verlässlichen Dienstherrn.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das G 8 kommt nicht zur Ruhe.
Das ist keine Feststellung von mir, sondern ich zitiere aus der Titelseite des "Münchner Merkur" vom 13. Juli 2012, also acht Jahre nach dessen Einführung im Schuljahr 2004/2005. In einer chronologischen Aufzählung werden die Startschwierigkeiten ebenso wie die vielen dann auftretenden Schlaglöcher präsentiert. Es ist dies die Beschreibung einer Dauerbaustelle G 8, die in Bayern schon vor der eigentlichen Einführung im Jahr 2004/2005 begonnen hat, nämlich mit der Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten
Stoiber, in einer Nacht- und Nebelaktion das G 8 konzeptlos und ohne Vorbereitung einzuführen.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, wenn wir eines daraus gelernt haben, dann das: Überzogener Ehrgeiz sowie Selbstüberschätzung eines selbstherrlichen Ministerpräsidenten dürfen in Bayern nie wieder überfallartig eine sogenannte Bildungsreform verordnen,
vor allem dann nicht, wenn diese Reform eine bis dato sehr gut funktionierende und florierende Schulart schwer beschädigt. Ich wähle bewusst diese deutlichen Worte und spreche von Schaden;
denn wir alle haben diese Entscheidung von Anfang an als schlimm empfunden. Ich erlebte als Abgeordneter in den letzten viereinhalb Jahren – die Oppositionskollegen noch viel länger – die verzweifelten Versuche, Loch um Loch dieses unüberlegten Konzeptes zu stopfen und mit Pinselstrich um Pinselstrich die Dellen und Unzulänglichkeiten zu übermalen.
Meine Damen und Herren, ich sprach eingangs von einer Baustelle, die viele Schlaglöcher hat, die sich mittlerweile zu einem Schadensbericht summieren. Wir alle wissen, wie wichtig Bildung für unser Land ist und dass wir alle Bildungsreserven mobilisieren müssen, um Deutschland und Bayern weiter an der Spitze der Industrienationen halten und damit auch unseren sozialen Frieden bewahren zu können. Ich habe lange gemeint, man sieht diese Notwendigkeit auch in Bayern. In der Tat wurde die Hauptschule massiv um ein neuntes und sogar um ein zehntes Schuljahr aufgewertet. Das war richtig. Die Realschule wurde massiv um zwei Schuljahre aufgewertet. Auch das war richtig. Es war aber absolut falsch, das Gymnasium um ein ganzes Jahr zu kürzen und dabei zu glauben, dessen Schülerinnen und Schüler könnten den gewachsenen und noch wachsenden Anforderungen der Zukunft genügen, ohne den notwendigen umfangreichen Veränderungen im Stundenplan Rechnung zu tragen.
Nach meiner festen Überzeugung wäre genau das Gegenteil richtig gewesen, nämlich das Gymnasium inhaltlich fortzuentwickeln, um dessen Schülerinnen und Schüler fit zu machen für die Aufgaben der Zukunft. Schließlich bildet das Gymnasium den größten Teil derjenigen aus, deren Kreativität, Originalität und soziale Kompetenz einmal den materiellen Wohlstand unseres Landes und den sozialen Wert unserer Gesellschaft entscheidend mitbestimmen und weiterentwickeln sollen.
Es wurde in einem ersten Schritt völlig übersehen, dass die gut funktionierende Verbindung von Wohnort und Schulort unterbrochen wurde, indem man die gleiche Zahl von Unterrichtsstunden des neunjährigen Gymnasiums komprimiert auf das achtjährige übertragen hat.
Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert am 17. März dieses Jahres unter dem Titel "Flucht vor dem Gymnasium" den Schulleiter des Veit-Höser-Gymnasiums im niederbayerischen Bogen: "Schüler, die um 15.00 Uhr Unterrichtsschluss haben, müssen bei uns unter Umständen bis 16.45 Uhr warten."
Ein weiteres Beispiel, das Gymnasium in Pfarrkirchen: Der Schulbus kann nur ein einziges Mal in der Woche am Nachmittag fahren. Alle Nachmittagsstunden müssen auf diesen Nachmittag gelegt werden.
Ich habe den Eindruck, dass die Verantwortlichen die Schulwegproblematik überhaupt nicht gesehen haben.
Der nächste Fehler: Es gibt kein Konzept, welche Organisationsform das G 8 haben sollte, ob Ganztagsschule oder Schule mit erweitertem Vormittagsunterricht. Viele offene Fragen kamen auf die Schulleiter zu, die - das muss man sagen - dafür gesorgt haben, dass das in den letzten Jahren einigermaßen funktioniert hat.
Eine ganz wichtige Sache, die sich ausgewirkt hat, ist das Übertrittsverhalten. Es hat sich vor allem auf die Gymnasien auf dem Land ausgewirkt. Wenn man die Übertrittsquoten betrachtet, die ja objektiv nachprüfbar sind, muss man feststellen, dass es landesweit 39,5 % sind, im Landkreis München 63,5 %, im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen 25,1 %. Zwei Zahlen machen mich nachdenklich, meine Damen und Herren, nämlich die Zahl der Landkreise München und Neuburg-Schrobenhausen. Einerseits leben die bildungsnahen Schichten auch um München herum. Aber sind alle diese Kinder wirklich so viel mehr für das Gymnasium geeignet?
Andererseits, verbauen wir Schülerinnen und Schülern in NeuburgSchrobenhausen denn nicht die Chance? - Okay. Wenn meine Redezeit zu Ende ist, dann lasse ich es mal dabei.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher! Direkt nach der Mittagspause möchte ich meine Ausführungen zu unserem Dringlichkeitsantrag zum G 8/G 9 mit einer ganz allgemeinen Fragestellung beginnen: Was treibt uns Politiker eigentlich an? Was macht gute Politik aus? Wollen wir damit vorrangig parteipolitische Interessen oder ideologische Entscheidungen durchsetzen, oder ist gute Politik dann erreicht, wenn die Bürgerinnen und Bürger mit politischen Entscheidungen zufrieden sind?
Ich bin überzeugt, dass eine gewisse Grundzufriedenheit der Menschen die Grundlage der Akzeptanz von politischen Entscheidungen ist. Insofern muss ich nach zehn Jahren Diskussion über das G 8 nüchtern feststellen: Das G 8 ist in der Mehrheit der Bevölkerung in Bayern nach wie vor emotional und fachlich nicht angekommen.
Die Mehrheit der Bundesbürger lehnt laut einer Emnid-Umfrage das neue Turbo-Abitur nach zwölf Jahren nach wie vor ab. 53 % der Befragten sprechen sich dafür aus, dass Schüler an allgemeinbildenden Gymnasien wieder wie früher nach dreizehn Jahren das Abitur ablegen sollten, wie dies im "Focus" berichtet wurde. Nur 41 % sprechen sich für eine verkürzte Schulzeit und das G 8 aus. Sogar unser Ministerpräsident Seehofer, dem man ein gewisses Gespür für Volkes Meinung nachsagen kann, gehört meiner Meinung nach zu dieser Mehrheit der Bundesbürger, sonst hätte er nicht letztes Jahr im Juli die Initiative ergriffen und dieses Thema zur Chefsache gemacht. Ich zitiere aus der "Augsburger Allgemeinen" vom 3. Juli 2012: Horst Seehofer kann sich offenbar Rückkehr zum G 9 vorstellen. Im weiteren Text hieß es dann, er würde den Gymnasien gern die Wahlmöglichkeit zwischen G 8 und G 9 lassen.
Der Ministerpräsident ist heute nicht da. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wenn Sie schon in Ihrer eigenen Fraktion und im Kultusministerium für diese Haltung keinen Rückhalt bekommen und sich auch gegen einen Ihrer Vorgänger im Amt des CSU-Vorsitzenden, Erwin Huber, einen bekennenden G-8-Verfechter, nicht durchsetzen konnten, helfen Ihnen die FREIEN WÄHLER gern auf die Sprünge, wie das bei den Studiengebühren schon der Fall war.
Einige Bundesländer wie zuletzt Baden-Württemberg und demnächst das unionsgeführte Hessen haben inzwischen die entsprechenden Ausnahmeregelungen in ihre Gesetze eingeführt, die die Wahlfreiheit in verschiedenen Formen an bestimmten Gymnasien zulassen. Danach werden dreizehn Schuljahre für das Gymnasium erlaubt.
Ich habe am Beginn meiner Rede die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger dargestellt. Ich möchte auch ganz dezidiert auf die Zufriedenheit der Eltern eingehen. Bezeichnend war, dass bei einer Sitzung einer Gymnasial-Elternvereinigung, die kürzlich stattgefunden hat, gut zwei Drittel das G 8 in seiner jetzigen Form nicht akzeptiert haben und Veränderungen wünschten. Herr Kultusminister Dr. Spaenle, das ist doch ein klares Signal. Da hilft es auch nicht, wenn Sie argumentieren, mit dem Flexibilisierungsjahr werde ab dem kommenden Schuljahr die notwendige Weichenstellung vorgenommen. Ich sage Ihnen jetzt schon voraus: Das Flexibilisierungsjahr wird ein Brückenjahr, weil es mit den vorgesehenen Personalressourcen organisatorisch gar nicht umsetzbar ist. Deshalb wollen die FREIEN WÄHLER in Bayern für die
Schülerinnen und Schüler künftig den Besuch des Gymnasiums endlich wieder lebens- und liebenswert machen.
Wir wollen eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9, wobei die Basis die Inhalte des G 8 sein sollen. Wir wollen aber ein neues G 9. Wir wollen, dass endlich wieder Ruhe in die gymnasiale Ausbildung einkehrt. Eltern und Schüler sollen entscheiden können, wie schnell sie zum gymnasialen Abschluss kommen wollen. Deshalb fordern wir die Staatsregierung auf, ein Konzept zu erstellen, wie diese Wahlmöglichkeit verwirklicht werden kann. Dafür gibt es, wie ich offen zugebe, mehrere Wege. So könnte es der Schulfamilie und den Trägern der einzelnen Gymnasien freigestellt werden, ob sie sich für den achtjährigen oder den neunjährigen Weg entscheiden. Möglich ist auch eine Parallelführung von G 8 und G 9, wie dies die Staatsregierung mit dem Flexibilisierungsjahr plant. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass nur eine bestimmte Anzahl von Gymnasien in einem Landkreis oder einer Bildungsregion die Option zwischen dem G 8 und dem G 9 erhält. Für uns FREIE WÄHLER ist klar: Ein G 8, in welcher reformierten Form auch immer, oder ein Weiter-so sind für uns nicht akzeptabel und tragbar.
Meine Damen und Herren, das G 8 in seiner jetzigen Form hat bereits jetzt fertig. Wir brauchen Alternativen bei der gymnasialen Ausbildung. Mit der Wahlmöglichkeit eröffnen wir denjenigen, die auch mit dem G 8 zurecht kommen, aber auch der Mehrheit der anderen, die damit Probleme haben, die Chance, ihre Gymnasialzeit entspannter und lebenswerter in neun Jahren erfolgreich zu absolvieren.
Frau Kollegin Will, hier geht es um die Reifeprüfung. Diese Prüfung braucht Zeit, die wir unseren Schülerinnen und Schülern geben sollten. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktion, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und blicken Sie gleichzeitig der Realität ins Auge; denn sonst könnten Sie die Wählerinnen und Wähler im Herbst ebenso abstrafen, wie sie es bereits mit dem Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren getan haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich als Bildungspolitiker zum Bildungsfinanzierungsgesetz zu Wort komme, und stelle fest, dass man sich in diesem Hohen Hause endlich auf die Bildung − so könnte man es sagen − fokussiert. Vorhin hat Herr Klein argumentiert, dass dieses Bildungsfinanzierungsgesetz unbedingt notwendig sei, um die Qualität zu heben. Dazu muss ich sagen: Vor Wochen standen Sie noch hier und haben gegen all das argumentiert. Herr Klein, das ist doch zum Haareraufen, was Sie hier machen.
Das ist der letzte Strohhalm der FDP, um sich zu retten. Den Kollegen im Haushaltsausschuss, im Bildungsausschuss und im sozialpolitischen Ausschuss sind viele Argumente entgegengebracht worden. Unsere Anträge zur Ganztagsschule, zur frühkindlichen Bildung, zur Privatschulfinanzierung, zum Sportstättenbau und zur beruflichen Bildung sind von Ihnen nicht umgesetzt worden. Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, welch Meinungswandel durch Volkesstimme entstehen kann.
Herr Klein, Sie haben gesagt, dieses Bildungsfinanzierungsgesetz sei ein Signal. Ich sage: Das ist ein Alarmsignal für Sie. Ich komme zum Fazit: Entweder haben CSU und FDP ein Erkenntnisproblem oder pure Angst.
Ich sage: Es ist Letzteres. Dieses Bildungsfinanzierungsgesetz ist nichts anderes als die Erkenntnis und das Eingeständnis, dass seit Jahren erhebliche Mängel in der Finanzierung der frühkindlichen Bildung, der beruflichen Bildung, der Privatschulfinanzierung und der Sportförderung bestehen. Wir FREIEN WÄHLER lagen und liegen mit unserer Forderung nach einer Verbesserung der Rahmenbedingungen immer genau richtig.
Herr Finanzminister Söder, Sie haben gesagt, Bayern liege die berufliche Bildung am Herzen. Dazu muss ich sagen: Das ist eine späte Erkenntnis der CSU. Die berufliche Bildung haben Sie in der Vergangenheit eher als fünftes Rad am Wagen behandelt. Ich bin mir sicher, das Bildungsfinanzierungsgesetz kann nur ein erster Schritt in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns künftig in weitaus höherem Maße dem Thema berufliche Bildung widmen müssen.
Ich richte gleichzeitig einen Hinweis und einen Appell an Sie: Wenn Sie schon den Meisterbonus von uns abschreiben, dann richtig.
Im vorliegenden Bildungsfinanzierungsgesetz ist ein sogenannter Meisterbonus von 1.000 Euro pro Absolvent vorgesehen. Das entspricht dem, was wir bereits im November 2012 als Weiterbildungsprämie vorgeschlagen haben. Es gab einen ganz wesentlichen Unterschied: Wir wollen die angehenden Meister, Techniker und Fachwirte dann unterstützen, wenn sie das Geld brauchen, nämlich während der Ausbildung. Ihr Meisterbonus soll erst nach Abschluss der Prüfung voll ausgezahlt werden, wenn der Meister im Berufsleben steht. Meine Damen und Herren, das nützt dem Meisterschüler nichts mehr; denn er verdient dann sein eigenes Geld. Deswegen fordere ich Sie auf: Bessern Sie besser gleich nach. Produzieren Sie keine Förderung mit Geburtsfehler. Ansonsten besteht wie im Jahr 2003 die Gefahr, dass der Bayerische Oberste Rechnungshof Ihren Meisterbonus damals war es der Meisterpreis der Staatsregierung erneut kassiert.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir FREIE WÄHLER halten Ihnen zugute, dass in Ihrem Bildungsfinanzierungsgesetz der Schulgeldersatz für Altenpflegeschulen, Kinderpflegeschulen und Fachakademien für Sozialpädagogik enthalten ist. Das sind ebenfalls langjährige Forderungen der FREIEN WÄHLER. Wir nehmen zur Kenntnis: Die CSU und die FDP sind durchaus lernfähig. Ich will jedoch deutlich sagen: Dieses Nachbessern erfolgt erst auf Druck der Opposition.
Das ist einem Volksbegehen, das die FREIEN WÄHLER initiiert haben, geschuldet. So ist es doch. Trotzdem vielen Dank, weil unsere Initiative zum Erfolg geführt hat.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Frau Tolle sagte, Sie hätten etwas beim Bildungsfinanzierungsgesetz vergessen.
Sie haben mehreres vergessen, zum Beispiel die Heilerziehungspflege. Dazu haben wir ebenfalls schon einen entsprechenden Antrag gestellt.
Meine Damen und Herren, zum Thema des vorliegenden Gesetzentwurfs der GRÜNEN hat es 2005 eine Gesetzesänderung gegeben. Ich habe mir die Mühe gemacht, im Protokoll vom 15. Februar 2005 nachzulesen, was gesagt wurde, als die damals noch allein regierende CSU den Entwurf zur Änderung des Schulfinanzierungsgesetzes auf die Tagesordnung gesetzt hat. Ich zitiere:
Bei den kommunalen Fachschulen sind in den letzten Jahren durch den Schulbetrieb Defizite entstanden, die von den Kommunen nicht länger ausgeglichen werden können. Um den längerfristigen Erhalt dieser Fachschulen zu gewährleisten, bedarf es deshalb einer Verbesserung der Finanzierungsbasis. Da aus Haushaltsgründen eine Erhöhung der Zuschüsse nicht möglich ist, bedarf es einer anderen Regelung.
So einleuchtend die Argumentation ist, dass den Kommunen keine weiteren Kosten aufgebürdet werden dürfen − darüber sind wir uns eigentlich einig −, so fragwürdig war und ist der damalige Lösungsan
satz, die Kosten den Absolventen der Schulen aufzubürden.
Lassen Sie mich auf die damalige Rede des jetzigen Staatsministers Thomas Kreuzer bei der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs zurückkommen: "Fachschulen eröffnen vor allem jungen Menschen bessere Berufschancen durch eine zusätzliche Qualifikation und durch weiterführende Berufsabschlüsse. Wir müssen alles tun, damit dies auch in Zukunft so bleibt."
Ja, eine wertvolle Erkenntnis. Und welche Lösung finden Sie, meine Damen und Herren von der CSU, damit sich junge Menschen für die Abschlüsse an weiterführenden Schulen qualifizieren? Ganz einfach: Sie führen ein Schulgeld ein nach dem Motto "Bildung kostet". Das ist Ihre Bildungspolitik. Ich darf noch einmal auf diese Rede des nunmehrigen Staatsministers Thomas Kreuzer aus dem Jahr 2005 eingehen. Er sagte weiter: "Eine Lösung, die sich im Moment anbietet, ist die Verstaatlichung sämtlicher Schulen. Dies wäre zwar schön, aber jeder weiß, dass dies haushaltsmäßig im Moment nicht durchführbar ist."
Dazu muss ich sagen: Vorhin hat sich Finanzminister Söder damit gebrüstet, wie toll es Bayern geht, wie die Steuergelder sprudeln, dass Bayern überall im Übersoll ist. Da macht es mich etwas sprachlos, dass bis heute kein Lösungsvorschlag von Ihnen auf dem Tisch liegt. Oder können Sie sich als Lösung die Verstaatlichung sämtlicher kommunaler Schulen vorstellen? Es braucht erst einen Gesetzentwurf der Opposition, damit dieses Thema wieder auf der Agenda des Landtags erscheint.
Die Erstausbildung und die berufliche Weiterbildung sind ein weites Feld; das gebe ich zu. Ich sehe auch ein, dass der Staat nicht alle Kosten der Weiterbildung übernehmen kann. Deshalb fordern wir FREIE WÄHLER auch nicht die völlige Kostenfreiheit der Meisterausbildung, sondern lediglich eine Weiterbildungsprämie. Ich sehe auch durchaus das Faktum, dass der Besuch einer Fachschule keine berufliche Erstausbildung im eigentlichen Sinne ist, sondern die Vermittlung von Weiterbildung darstellt. Fakt ist aber auch, dass die kommunalen Fachschulen bis 2005 offensichtlich kein Schulgeld erhoben haben, ja, aufgrund der Gesetzeslage gar nicht erheben konnten. Insofern scheint mir der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN angesichts der veränderten Haushaltslage nur logisch. Wir werden ihn unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner, Kollege Güll, hat sehr viel von Studien und Aussagen der Wissenschaftler erzählt. Ich möchte einfach ins normale Leben zurückkehren. In Bayern haben im vergangenen Jahr 2,3 % der Gymnasiasten, 2,6 % der Realschüler und knapp 1 % der Mittelschüler eine "Ehrenrunde" gedreht. Sicher ist das Wiederholen für jeden eine schmerzhafte Zäsur, aber − das sage ich jetzt einfach mal − es hat noch niemandem geschadet, schon gar nicht hat es irgendwelche Karrieren beeinträchtigt. Sollte man deshalb das Sitzenbleiben abschaffen? − Dazu sagen wir FREIE WÄHLER ein klares Nein. Das Leben, meine Damen und Herren, ist kein Ponyhof. Man kann der Schule keine Käseglocke überstülpen, man kann nicht so tun, als wäre immer das System schuld, wenn jemand nicht vorankommt. Werden und Wirken finden nicht im schmerzfreien Raum statt, und eine völlige Abschaffung des Sitzenbleibens wäre eine naive Erleichterungspädagogik.
Die Pädagogen unter uns wissen, dass es einige wenige Schüler gibt, die von Jahr zu Jahr gerade so durchkommen. Irgendwann tun sich dann kumulierte Wissenslücken auf. Das zumindest latent vorhandene Risiko eines Scheiterns ist ein wichtiger Antrieb, mehr zu tun und sich mehr anzustrengen − wie im richtigen Leben. Wenn die Schule auf das richtige Leben vorbereiten will, darf auch das Pflichtwiederholen wegen mangelhafter Leistungen nicht völlig abgeschafft wer
den. Wer glaubt, durch die Abschaffung der Möglichkeit, eine Klassenstufe wiederholen zu müssen, veränderten sich Lernmotivation und Leistung zum Positiven, der täuscht sich.
Herr Kollege Güll, Sie haben vorhin die Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung erwähnt. Hier kommt unterm Strich auch heraus, dass 50 % der Wiederholer zu einem besseren Abschluss kommen als vergleichbare Nichtwiederholer, bei aller Umstrittenheit dieser Studie, von der Sie auch gesprochen haben. Tatsache ist, dass die Zahl der Pflichtwiederholer in den letzten Jahren deutlich rückläufig ist. Inzwischen wurden auch zahlreiche Förderinstrumente eingeführt. Das heißt natürlich nicht, dass wir in Zukunft nicht mehr genau hinschauen müssen, wenn bei einer Schülerin oder einem Schüler die Leistung abfällt. Nein, ganz im Gegenteil, wir müssen sehr genau hinschauen, um die möglichen Ursachen eines Leistungsabfalls zu erkennen. Oft machen jungen Menschen nicht schulische Anforderungen zu schaffen, sondern entwicklungs- und altersspezifische Probleme, Probleme in ihrem privaten Umfeld oder eine bevorstehende Trennung der Eltern, ein Krankheitsfall, ein Todesfall oder Ähnliches. Junge Menschen brauchen hier eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden können. Deswegen fordern wir FREIE WÄHLER mehr Schulsozialarbeiter, aber auch mehr Schulpsychologen, mehr Beratungslehrer, überhaupt mehr Lehrkräfte, damit mehr Zeit für das einzelne Kind und seine individuellen Bedürfnisse ist.
Natürlich brauchen wir auch für die Schüler, die sich mit dem Lernstoff schwer tun, Fördermöglichkeiten, um die Lücken im Idealfall gar nicht erst entstehen zu lassen und um sie da, wo sie aus welchen Gründen auch immer entstanden sind, möglichst schnell zu schließen. Denn eines ist klar: Wir alle wollen unseren Kindern ein möglichst unbeschwertes Aufwachsen ermöglichen.
Wir haben aus meiner Sicht auch die Verpflichtung, die Zahl der Pflichtwiederholer möglichst gering zu halten. Aber − das betone ich ausdrücklich − wir FREIE WÄHLER wollen das Instrument der Pflichtwiederholung nicht abschaffen. Genau aus diesem Grund haben wir auf Drucksache 16/15722 einen Dringlichkeitsantrag eingereicht, dessen Überschrift, wie Kollege Güll vorhin gesagt hat, geändert wird. Die Überschrift heißt: "Notwendiges Wiederholungsjahr möglichst vermeiden", nicht, wie ursprünglich ausgedruckt, "Notwendiges Wiederholungsjahr intelligent ausgestalten". Das ist uns bei der Abänderung leider durch die Lappen gegangen.
Der Grundsatz "Fördern und Fordern" begleitet uns Menschen durch das ganze Leben; die eigenen Schwächen und Grenzen erfährt ein Kind auch außerhalb schulischer Einrichtungen. Gerade deshalb sollten wir aber nicht Kuschelpädagogik betreiben; wir sollten vielmehr Lernerfahrungen liebevoll, aber auch konsequent ermöglichen. Deswegen werden wir den Antrag der SPD ablehnen, dem Dringlichkeitsantrag der FDP und der CSU hingegen werden wir zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute zum dritten Mal diesen Gesetzentwurf. Ob man sich nun damit anfreunden kann oder nicht, die Argumentation des Herrn Kollegen Nöth, die er hier an den Tag legt, ist himmelschreiend. Sie loben das Bildungssystem in Bayern über den grünen Klee und verschließen die Augen vor der Wirklichkeit. Sie erzählen uns hier von Ihrem Aushängeschild, der außerordentlichen Förderung der beruflichen Bildung, die ich in Bayern nicht sehen kann. Außerdem erzählen Sie von einem zügigen Ausbau der Ganztagsschulen. Herr Nöth, wo sind wir denn? Wie steht es denn mit dem Ausbau der Ganztagsschulen in Bayern? 5 % der Schülerinnen und Schüler in Bayern nehmen ein Ganztagsschulangebot wahr, ganz zu schweigen von den Ganztagsschulen. Hören Sie also mit diesem Etikettenschwindel auf.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass durch den demografischen und den gesellschaftlichen Wandel Veränderungen auf das bayerische Bildungssystem zukommen, die wir heute nicht in ihrem vollen Ausmaß voraussehen können. Der demografische
Wandel wird zu einem Schülerrückgang führen. Wir werden vor allem in ländlichen Räumen Probleme mit unseren Schulstandorten bekommen. Um passgenaue, an den Bedürfnissen der Regionen ausgerichtete Lösungen zu ermöglichen, brauchen wir eine Weiterentwicklung des gegliederten Schulsystems. Herr Nöth, Sie kommen aus der Region Forchheim. Sie wissen ganz genau, dass die Bildungsregion Forchheim bereits seit vielen Jahren in diese Richtung marschiert.
Tun Sie doch nicht so, als ob dies nicht der Fall wäre. Für diese Veränderungen benötigen wir eine weitergehende Öffnungsklausel, als wir sie derzeit haben. Wir brauchen über die bisher möglichen Kooperationen hinaus weitere Möglichkeiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles Gute, was sich bisher bewährt hat, über Bord geworfen werden müsste. Wir FREIEN WÄHLER sehen das gegliederte Schulsystem in weiten Teilen als gut an und stellen fest, dass es sich bewährt hat. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Schulsystem und die Rahmenbedingungen nicht verbessert und weiterentwickelt werden müssten. Hier muss nachgebessert werden. Das ist überhaupt keine Frage. Wir wollen die Stärken dieses Systems weiterhin nutzen. Die Schwächen dieses Systems sollten jedoch ausgemerzt werden.
Die Positionen sind also nicht dreigliedriges Schulsystem versus Gemeinschaftsschule, sondern wir können uns durchaus die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule im Rahmen eines Modellversuchs vorstellen, wenn dies von einer Schulfamilie einer bestimmten Region gewünscht wird. Herr Nöth, Sie haben heute in der dritten Fassung Ihrer Rede gesagt, in Bayern bestehe derzeit absolut kein Bedarf für eine weitere Schulart und weitere Schulmodelle. Herr Kollege Güll hat völlig richtig gesagt, dass es in Bayern durchaus Regionen und Kommunen gibt, die weitergehende Schulmodelle wünschen. Als Beispiel hat er Leutershausen angeführt. Diesem Wunsch müssen wir uns stellen.
Herr Nöth, Sie haben gesagt, die Eltern, die Lehrer und die Schüler wünschten nach den Reformen und Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts Ruhe, um endlich vor Ort arbeiten zu können. Ich gebe Ihnen durchaus recht. Trotzdem wünschen sich die Eltern eine wohnortnahe Beschulung ihrer Kinder und keinen Schülertourismus durchs Land.
Wir müssen darauf reagieren, vor allem dort, wo Schulschließungen aufgrund des Schülerrückgangs drohen. Das wird ohne eine Weiterentwicklung des starren gegliederten Systems nicht gehen. Wir brauchen daher eine systematische und qualitative Weiterentwicklung.
Uns FREIEN WÄHLERN geht es nicht um irgendwelche bildungsideologischen Fragen, sondern um pragmatische, praktikable und flexible Lösungen vor Ort im Interesse der Menschen und der Kinder. Wir FREIEN WÄHLER wollen durch eine Öffnungsklausel die Möglichkeit für eine Schule der Region schaffen, in der sich aufgrund der Situation vor Ort mehrere Schularten zusammenfinden können, unabhängig davon, ob es sich um eine Förderschule und eine Mittelschule, um eine Mittelschule und eine Berufsschule, eine Wirtschaftsschule und eine Mittelschule oder eine Mittelschule und eine Realschule handelt. Diese Schulen sollen sich, gemäß der Situation vor Ort, unter einem Dach zusammenfinden können.
Mit einer Öffnungsklausel soll auch in den Kernfächern und nicht nur in Sport, Kunst und Musik, wie das derzeit bei den Kooperationen der Fall ist, ein Auf- und Abstieg zwischen den Schularten ermöglicht werden, damit höhere Teilqualifikationen und Abschlüsse erreicht werden. Dieser Ansatz scheint uns wesentlich praktikabler und effizienter zu sein als eine Gemeinschaftsschule, bei der in einer Klasse alle Begabungsspektren vertreten sind.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie haben mit Artikel 7 a Absatz 4 die Modelle 9 plus 2 im Gesetz verankert. Das ist sicherlich ein erster, guter Schritt, aber er reicht nicht. Wir brauchen deutlich mehr Flexibilität und eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit. Was wir sicher nicht brauchen, ist die flächendeckende Einführung einer neuen Schulform wie der Gemeinschaftsschule bzw. der Sekundarschule, wie sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angestrebt wird. Deswegen werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf weiterhin der Stimme enthalten und allenfalls der Gemeinschaftsschule als Modellversuch eine Chance geben.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Was ist wirklich wichtig für die Infrastruktur in den ländlichen Räumen Bayerns? Es gibt mehrere Faktoren, vom Straßenbau bis hin zur Breitbandversorgung. Ein Faktor liegt uns FREIEN WÄHLERN besonders am Herzen: der Erhalt der Grundschulstandorte in den ländlichen Bereichen. Dazu müssen die Rahmenbedingungen endlich zukunftssicher gesetzt werden. Unser Ansatz ist - neben anderen Punkten, etwa kleinere Klassen -, einen Demografiezuschlag für mehrhäusige Grundschulen in sogenannten Schulverbänden zu gewähren.
Dass die Grundschulen von höchster Bedeutung für die vielen kleinen Gemeinden sind, brauche ich, glaube ich, nicht eigens zu betonen. Letztlich hat das ja auch die Staatsregierung im vergangenen Juni/Juli erkannt und reagiert; im Nachtragshaushalt 2012 hat sie für 21 Schulämter einen sogenannten Demografiezuschlag, allerdings für selbstständige Grundschulen, zugestanden.
Herr Spaenle ist nicht da, aber der Herr Staatssekretär: Glauben Sie wirklich, Sie setzen mit Ihren halbherzigen Ansätzen die richtigen Signale? Mein Eindruck ist gegenteilig: Sie hungern die Grundschulstandorte in den Schulverbänden schön langsam aus, indem Sie hier die selbstständigen Schulen privilegieren. Dabei nehmen Sie offenbar ungerührt den Unmut von Eltern und Schulleitern billigend in Kauf. Das verstehe, wer will. Jedenfalls sind die Rückmeldungen der Bürgermeister zu solchem Handeln eindeutig. Viel Lob erhalten Sie dabei nicht.
Die Forderung von uns FREIEN WÄHLERN ist so eindeutig wie nachvollziehbar: Statten Sie die Grund
schulen mit einem Zuschlag aus, der den Schülerrückgang in den ländlichen Bereichen und damit den Bestand aller Grundschulstandorte sichert. Und vor allem: Unterscheiden Sie nicht zwischen selbstständigen und mehrhäusigen Grundschulen. Wir erwarten eine Gleichbehandlung aller Grundschulen, auch um den Schulleitungen das Gefühl zu geben, hier auf Augenhöhe zu agieren.
Ich glaube, ich brauche nicht zu betonen, dass die Bildungsdurchlässigkeit in der Grundschule beginnt; das ist unbestritten. Aber handeln Sie doch auch danach, Herr Staatssekretär! Die Mittel und die Stellen, die dafür nötig sind, sind nicht nur gut angelegt, sondern vor allem gerecht. Wenn wir von 376 Außenstellen in Schulverbänden ausgehen, können wir von rund 100 zusätzlichen Lehrerstellen für die Zukunft der ländlichen Kommunen sprechen. Damit könnten wir unserem gemeinsamen Anliegen, nämlich der Forderung nach bestmöglicher Bildungsgerechtigkeit, einen großen Schritt näher kommen.
Dazu müssen Sie nicht über Ihren Schatten springen, sondern eben etwa nur 100 zusätzliche Stellen in diese Schulart geben. Ohnehin wird die Grundschule von allen Schularten am stiefmütterlichsten behandelt. Herr Staatssekretär oder Herr Kultusminister, Sie sind gefragt! Wir FREIEN WÄHLER sind jedenfalls gespannt auf Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern das Thema der Aktuellen Stunde gelesen habe "Bayerns Spitzenposition ausbauen. Für ein chancen- und leistungsgerechtes Bildungssystem im Freistaat", habe ich mich zunächst etwas gewundert, weil wir vor nicht allzu langer Zeit hierzu bereits eine Regierungserklärung vom Herrn Staatsminister hörten. Aber vielleicht hat sich auch bei der FDP als zweiter Regierungspartei die Erkenntnis durchgesetzt - darauf setze ich -, dass in diesem Bereich noch Handlungsbedarf besteht.
Liebe Kollegin Will, Sie haben vorhin gesagt, die frühkindliche Bildung müsse gestärkt werden und das Geld müsse vor allem in der Grundschule bleiben. Sie finden in diesem Saal sicherlich niemanden, der diese
Ansicht nicht teilt. Sie haben von einer "qualitätsvollen Grundschule" gesprochen. Ich muss Sie aber ganz klar fragen: Wo ist sie denn? Wir verzeichnen, bezogen auf alle Schularten, bei den Grundschulen nach wie vor die geringsten Pro-Kopf-Ausgaben für einen Grundschüler. Es sind 3.600 Euro im Jahr, mit weitem Abstand zu allen anderen Schularten. Wo ist denn die von Ihnen immer so hoch gehaltene individuelle Förderung?
- Das gilt auch für die flexible Grundschule, Frau Kollegin. - Wo ist die frühe Förderung, wenn die Unterrichtsversorgung in der Grundschule nach wie vor auf Kante genäht ist und keinerlei Spielraum für Arbeitsgemeinschaften oder Wahlunterricht bietet? Da gebe ich Herrn Kollegen Nöth recht. Da ist Kontinuität vorhanden. Ich füge hinzu: aber nur in der Mangelverwaltung!
Bundespräsident Joachim Gauck hat in seiner Antrittsrede gesagt: "Wir dürfen nicht dulden, dass Kinder ihre Talente nicht entfalten können, weil keine Chancengleichheit existiert."
Dieser Satz birgt viel Wahres in sich. Ich glaube, wir brauchen genau das: Chancengleichheit, um ein gerechtes Bildungssystem in Bayern zu bekommen. Nötig ist ein Umdenken im Sinne einer qualitativen wie quantitativen Verbesserung der individuellen Förderung, Frau Kollegin Will. Das beginnt mit unserer ewigen Forderung nach mehr Lehrern und mehr Unterstützungspersonal an den Schulen. Das Korsett darf nicht immer enger geschnallt werden.
- Dafür kämpfen wir alle.
Ich frage Sie: Ist es gerecht und zeugt es von dem Bemühen um Qualität, wenn landauf, landab willkürlich an ein und derselben Schule jahrgangsgemischte und jahrgangsreine Grundschulklassen nebeneinander gebildet werden mit dem einzigen Ziel, Lehrer einzusparen? Ist es gerecht und zeugt es von dem Bemühen um Qualität, wenn keine Ganztagsklassen gebildet werden, obwohl dafür genügend Anmeldungen vorhanden wären, aber das Verbot der Klassenmehrung keine weitere Ganztagsklasse zulässt? Wie steht es um die Chancengleichheit für Kinder mit Migrationshintergrund in Bayern? Diese haben immer
noch geringere Chancen auf einen Bildungsabschluss.
Chancengleichheit heißt im Übrigen auch Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. Was tun Sie dafür?
Die Techniker- bzw. Meisterausbildung sollte genauso kostenfrei sein wie das Studium. Damit bekämen wir akademische und berufliche Bildung auf Augenhöhe.
Wenn Sie von Leistungsgerechtigkeit sprechen, will ich ein Thema ansprechen, das selten erwähnt wird: die Schulverwaltung. Seit Jahren lässt die Regierungskoalition die Verwaltungsangestellten an unseren Schulen mit einem kärglichen Lohn und viel zu wenigen Stunden am ausgestreckten Arm verhungern. Ich gehe noch weiter und sage: Sie pressen sie aus wie eine Zitrone, indem Sie die Zuteilungsrichtlinie nicht verbessern und den Lohn nicht dem tatsächlichen Anforderungsprofil angleichen.
Frau Will und Herr Minister Spaenle, ich bin gespannt, welche Antworten Sie darauf haben. Wir FREIE WÄHLER sagen jedenfalls: Wir brauchen eine Schule, die den Begabungen unserer Kinder gerecht wird und sie wirklich, nicht nur auf dem Papier, fördert.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das bayerische Gymnasium ist ein ständig wiederkehrendes Thema bei uns im Bayerischen Landtag. Ich sage bewusst "bayerisches Gymnasium" und nicht G 8, denn das gibt es nach den Reformierungsversuchen in der ursprünglichen Form nicht mehr. Statt Ruhe in die Schullandschaft zu bringen, sind neue Diskussionen entstanden. Warum sind diese neuen Diskussionen entstanden? Wer hat sie entfacht? - Es liegt mit Sicherheit nicht am Erfolg des G 8, Herr Kollege Rüth, dass neue Diskussionen entfacht worden sind. Es liegt an dem nicht ausgegorenen Konzept. Das muss man hier einmal ganz deutlich feststellen. Die Diskussionen sind ausgerechnet von Ihrem Ministerpräsidenten vor den Sommerferien wieder angezettelt worden.
Offenbar hat Herr Seehofer doch ein Gespür dafür, dass diese Reliquie aus der Stoiber-Ära nicht ausgegoren war, sonst hätte er nicht mehrere Runde Tische einberufen. Welche Vorschläge haben wir seit den Diskussionen um das G 8 bekommen? Zurück zum G 9, G 8 und G 9 nebeneinander, Brückenjahr, Intensivierungsjahr oder Flexibilisierungsjahr, das zuletzt als der Königsweg vom Ministerpräsidenten oder seinem Kultusminister vorgeschlagen wurde. Keiner weiß aber, wie dieser Vorschlag mit der halben Stelle in die Tat umgesetzt werden soll. Ich bin mir sicher, dass uns die Diskussion um das bayerische Gymnasium weiter verfolgen wird, denn erst in dieser Woche habe ich gelesen, dass 76 % eine Rückkehr zum G 9 möchten. Deshalb bin ich mir sicher, dass uns das Thema weiter befassen wird.
Das nicht ausgegorene Konzept macht es natürlich notwendig, dass von der Opposition immer wieder Änderungsanträge gestellt werden. Die SPD hat dem Antragspaket die Überschrift "Das bayerische Gymnasium stärken - Verbesserungen für Schülerinnen und Schüler erreichen" gegeben. Frau Kollegin Pranghofer, Sie haben am 5. Juli, als Sie diese Anträge vorgestellt haben, hauptsächlich davon gesprochen, dass pädagogische Verbesserungen erreicht werden sollen, dass die hohe Belastung der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium reduziert werden soll, dass aber keine neuen Modelle den Schulen vorzugeben seien; vielmehr sollte Ruhe einkehren. Die Schulen sollten gut ausgestattet werden, sollten aber auch die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, wenn es um Verbesserungen der schulischen Rahmenbedingungen geht, stehen wir FREIE WÄHLER immer an Ihrer Seite. Seit wir hier im Landtag sind, kämpfen wir für Verbesserungen der Rahmenbedingungen, weil sie für uns das A und O jeder guten Bildungspolitik sind. Wir befürworten deswegen einen Ausbau der Ganztagsgymnasien ebenso wie einen Ausbau der Schulsozialarbeit. Wir haben dazu auch Anträge zum Haushalt eingebracht. Wir möchten auch die integrierte Lehrerreserve, dann aber für alle Gymnasien und nicht, wie derzeit vom Kultusministerium praktiziert, für einige wenige Modellschulen. Die Aufstockung der mobilen Reserve, wie sie Herr Staatsminister Spaenle angekündigt hat, reicht unserer Ansicht nach nicht aus. Vor allem reicht sie dann nicht, wenn die skizzierten Fördermöglichkeiten und Flexibilisierungselemente, wie sie Herr Minister Spaenle am 11. Oktober im Bildungsausschuss vorgestellt hat, realisiert werden sollen. Wir sagen Ja zur Schulsozialarbeit, wir sagen Ja zum Ausbau der Ganztagsschule und Ja zur integrierten Lehrerreserve.
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD wollen außerdem passgenaue pädagogische Konzepte für alle Gymnasien. Sie fordern, das Doppelstundenprinzip, selbstgesteuertes Lernen und eine hohe Individualisierung der Lernprozesse und anderer Formen der Leistungsfeststellung zum allgemeinen pädagogischen Prinzip an den Gymnasien zu erklären. Das klingt gut. Es ist aber nicht neu. Das ist an vielen Gymnasien schon längst gelebte Realität. Das brauchen wir nicht mehr zu fordern. Wir von den FREIEN WÄHLERN lehnen diesen Antrag nicht deswegen ab, weil wir gegen diese Lernformen sind, sondern weil diese Verordnung von oben herab unserer Auffassung von Schulentwicklung widerspricht.
Lassen Sie doch den Schulen endlich den viel gepriesenen Freiraum. Ständig fordern wir eine eigenverantwortliche Schule, mehr pädagogischen Freiraum und so weiter. Das ist Schulautonomie. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, dass die Möglichkeiten des Doppelstundenprinzips und anderer innovativer Formen des Lernens durch den Modus 21 schon seit Jahren gegeben sind. Wir müssen das doch nicht von oben verordnen, was vor Ort teilweise schon gut gemacht wird.
Ein klares Nein sagen wir auch zu Ihren zwei weiteren Forderungen. Sie wollen eine Neuverteilung der Gesamtstundenzahl in der Unter- und Mittelstufe. Weniger Stunden in der Unter- und der Mittelstufe bedeuten doch automatisch mehr Stunden in der Oberstufe. Sie wollen eine flexible Oberstufe einführen und wissen genau, dass dies nicht nur juristisch problematisch ist. Ihre Forderung widerspricht nämlich den Vereinbarungen der KMK zur Gestaltung der Gymnasialoberstufe und damit den Voraussetzungen für die bundesweite Anerkennung des bayerischen Abiturs. Das können Sie doch nicht ernsthaft wollen. Wir reden dauernd davon, dass wir bundesweit einheitlichere Standards und keine länderspezifischen Sonderwege mehr wollen.
Natürlich haben sie recht mit Ihrer Forderung nach einem Konzept für eine Reduzierung der Belastungen der Schülerinnen und Schüler am G 8. Die Ausweitung der Oberstufe ist unserer Meinung nach keine überzeugende Antwort darauf. Damit will ich keineswegs dem Modell der Staatsregierung das Wort reden. Im Gegenteil, wir FREIE WÄHLER werden die Verwirklichung der angekündigten Reformen kritisch und konstruktiv begleiten. Ich mahne schon hier und heute an, dass wir für eine erfolgreiche Verwirklichung eine ausreichende personelle Ausstattung brauchen. Wie ich schon eingangs erwähnt habe, sind für uns FREIE WÄHLER die Rahmenbedingungen das A und O einer guten Bildungspolitik.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht überraschend, dass das erste Thema der Aktuellen Stunde nach der Sommerpause ein bildungspolitisches Thema ist. In der Sommerpause wurden wir nahezu täglich mit Pressemeldungen und Ankündigungen aus dem Kultusministerium überschüttet, in denen dargelegt wurde, wie gut dieses bayerische Bildungssystem funktioniere. Gleichzeitig haben wir aber auch Hilferufe von Schulleitern und Schulleiterinnen, Lehrkräften und besorgten Eltern aus allen Teilen Bayerns bekommen. Wir wissen also: Es läuft nicht alles rund.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass viele dieser Hilferufe und Mails auch bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU und der FDP angekommen sind und diesen Kolleginnen und Kollegen dabei bewusst geworden ist, dass zwischen den Ausführungen, die unser Kultusminister via Pressemitteilung kundgetan hat, und dem, was draußen an den Schulen feststellbar ist, eine erhebliche Diskrepanz besteht. Wenn ich Herrn Kollegen Georg Eisenreich höre, ist dem mitnichten so. Herr Eisenreich, Sie haben erklärt, der Schulauftakt sei gut gelungen und die Unterrichtsversorgung sei sichergestellt. Ich muss Sie fragen: Welchen Anspruch an eine funktionierende bayerische Bildungspolitik haben Sie eigentlich?
Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine gute Bildungspolitik die Unterrichtsversorgung von Grund auf sicherstellt und nicht bis zum letzten Moment wackelt und gerade einmal mit der Grundversorgung hinkommt.
Meine Damen und Herren von der CSU und der FDP, das sind die wahren Missstände. Ich gebe den GRÜNEN durchaus recht. In der bayerischen Bildungspolitik läuft beileibe nicht alles rund. Der Schrei nach Korrekturen ist, wo man auch hinschaut, groß.
Nun zum Thema, Schulrückstellungen! Natürlich hat sich hier in den letzten zehn Jahren etwas getan. Die Zahl der Schulrückstellungen hat sich in den letzten zehn Jahren genau verdoppelt. Wir müssen darüber nachdenken, warum das so ist. Wahrscheinlich fürchten viele Eltern, dass das sehr junge Kind dem Leis
tungsdruck der Grundschule in Bayern nicht gewachsen ist. An dieser Stelle müssen wir uns auch fragen, ob die vor einigen Jahren eingeführte Neuregelung des Einschulungstermins überhaupt zielführend war. Offensichtlich tragen viele Eltern diese damalige Hauruck-Aktion der Staatsregierung im Interesse ihrer Kinder nicht mit. Die Eltern wurden wieder einmal bei den vielen Korrekturen nicht mitgenommen.
Unseres Erachtens könnte die Einführung der flexiblen Eingangsphase in der Grundschule Abhilfe schaffen. Diese gibt es aber nur an 80 von 2.416 Grundschulen in Bayern. Das muss man ganz nüchtern feststellen. Mit anderen Worten, Ihr hochgelobtes Modell der flexiblen Grundschule ist damit noch immer ein Tropfen auf den heißen Stein.
Abhilfe könnte auch eine genauere Planung von Kitas und Grundschule schaffen. Aber auch hier mangelt es. Ich nenne das Stichwort Spracherwerb. Eine ähnliche Rolle rückwärts konnte man leider wieder in Bezug auf das G 8 feststellen. Wenn jetzt nämlich der Hochschulminister von der Einführung eines Studium generale an den Hochschulen spricht, dann fragt man sich: Warum musste man in einer Nacht-und-NebelAktion erst das G 8 einführen, wenn man anschließend die mangelnde Studierfähigkeit der jungen Menschen an der Hochschule kompensieren muss?
Über solche Feststellungen kann ich nur den Kopf schütteln. Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Ihre Politik scheint nach dem Motto "ein Schritt vor, zwei Schritte zurück" zu funktionieren, das heißt, sie funktioniert gar nicht.
Lassen Sie mich eine weitere Widersprüchlichkeit in Ihrem angeblich so gut funktionierenden Bildungskonzept nennen, meine Damen und Herren von der Staatsregierung. Sie pochen auf die sture Beibehaltung eines dreigliedrigen Schulsystems. Im selben Atemzug heben Sie aber mit einer Aufweichung der Übertrittskriterien die Existenzgrundlage zahlreicher Mittelschulen auf.
Wo ist denn da ein Konzept zu erkennen? Eine verantwortungsvolle Bildungspolitik sieht anders aus.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich fordere Sie auf: Gehen wir einen gemeinsamen Weg! Geben wir unseren Kindern Schulen, die sich an den gesellschaftlichen Veränderungen, insbesondere am demografischen Wandel, orientieren! Mit starren Vorgaben aus
München ist dies nicht zu erreichen. Dazu sind flexible, passgenaue Lösungen nötig. Ich bitte Sie, für diese Lösungen hier im Haus gemeinsam zu kämpfen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich gestehe, als ich den Titel des vorliegenden Gesetz
entwurfes zum ersten Mal gelesen habe, der eine Öffnungsklausel für weitergehende Schulmodelle fordert, war ich durchaus angetan. Ich habe an dieser Stelle schon öfter für uns FREIE WÄHLER betont: Wir brauchen eine Öffnungsklausel, um Schulentwicklung voranzubringen und Schulstandorte zu sichern. Allerdings muss ich sagen, meine Begeisterung verflog schnell, als ich sah, was sich wirklich hinter dieser interessanten Forderung verbirgt. Es geht keineswegs um die Öffnungsklausel, die wir FREIEN WÄHLER uns vorstellen. Nein, es ist die Einführung der Gemeinschaftsschule unter einem anderen Etikett. Nach dem Gesetzentwurf der SPD zur Einführung der Gemeinschaftsschule liegt nun ein Gesetzentwurf der GRÜNEN vor, der die Gemeinschaftsschule gewissermaßen durch die Hintertüre einführen will. Für uns FREIE WÄHLER hat eine Gemeinschaftsschule oder, wie es im vorliegenden Gesetzentwurf heißt, eine Sekundarschule der besonderen Art als Modellschule durchaus ihre Berechtigung. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Wir wollen sie zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht flächendeckend als zusätzliche Schulform einführen, wie das der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht. Wir FREIEN WÄHLER erkennen die Vorteile in einem gegliederten Schulsystem. Wir wissen aber auch, dass sich das gegenwärtige System weiterentwickeln muss.
Dafür brauchen wir praktikable und von der Bevölkerung akzeptierte Lösungen. Das kann in Einzelfällen auch das von Ihnen vorgeschlagene Modell sein, wenn es, und das betone ich noch einmal ausdrücklich, von den Beteiligten vor Ort so gewünscht wird. Ich will das gar nicht abstreiten. Wir wollen eine Weiterentwicklung der Schullandschaft mit dem notwendigen Augenmaß.
Dafür wäre es gut, in der Praxis zu sehen, wie ein solches Modell einer Gemeinschaftsschule in Bayern angenommen würde, und vor allem, wie es sich bewährt. Würde man jetzt die Gemeinschaftsschule als neue Schulart einführen, dann würde man alte Fehler wiederholen, indem man etwas auf den Markt bringt, ohne es vorher auszuprobieren.
Wir sollten deshalb in einem ersten Schritt einen Modellversuch wagen, um zu sehen, welchen Erfolg dieses Schulmodell zeitigt. Diesen Schritt sollte die Staatsregierung endlich wagen. Ich habe es bereits damals im Rahmen der Diskussion zum SPD-Gesetzentwurf gesagt. Wir FREIEN WÄHLER lehnen die Gemeinschaftsschule nicht kategorisch ab. Für uns FREIE WÄHLER ist dieser Gesetzentwurf aber zu
kurz gegriffen, denn die Gemeinschaftsschule ist nicht die einzige Lösung für die Weiterentwicklung der Schullandschaft.
- Herr Pfaffmann, wir FREIEN WÄHLER wollen uns in keine noch so verlockende bildungsideologische Schublade sperren lassen. Wir fordern an den Bedürfnissen vor Ort ausgerichtete Schulen, die eine hohe Unterrichtsqualität und entsprechend qualitativ hochwertige Abschlüsse ermöglichen. Genau aus diesem Grund haben wir unser REIF-Konzept entwickelt, das den Betroffenen vor Ort einen wirklichen Gestaltungsspielraum einräumt.
Die Alternativen müssen nach unserer Überzeugung vielfältiger und passgenauer auf die Bedürfnisse vor Ort abgestimmt sein. Denn nur so werden wir insbesondere für den ländlichen Raum Lösungen erzielen, die es den Kindern ermöglichen, in wohnortnahen Schulen auch hochwertige Bildungsabschlüsse bis hin zum Abitur zu erreichen.
Der vorliegende Gesetzentwurf für eine Öffnungsklausel für weitergehende Schulmodelle ist hier nur teilweise hilfreich, weil er eben viel zu wenig eröffnet. Wir können uns gerne in den Ausschüssen noch intensiv mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In unserer letzten Sitzung vor der Sommerpause haben wir ein wichtiges bildungspolitisches Thema auf der Agenda. Ich gebe Ihnen durchaus recht, Herr Kollege Güll, das Thema hätte ein bisschen mehr Interesse seitens der Kolleginnen und Kollegen verdient. Die Freigabe des Elternwillens ist ein wichtiges und bedeutendes Thema. Wenn man den Eltern und Lehrern von Grundschulkindern glauben darf, treibt das Thema uns alle um. Wenn man den Verlautbarungen des Kultusministeriums Glauben schenken darf - das darf man sicher nicht immer -, dann hat es im Mai eine Umfrage gegeben, in der sich zu dieser Thematik ein Drittel der Eltern für die Freigabe ausgesprochen haben, während zwei Drittel mit dem bisher gehandhabten System zufrieden waren. Wenn ich dieses Ergebnis als Gradmesser der Diskussion hernehme, dann muss ich mich fragen, ob es Sinn macht, etwas zu ändern, was von der großen Mehrheit der Eltern und der Lehrer nicht zu ändern gewünscht wird.
Wenn ich das Ergebnis als Grundlage der Diskussion nehme, dann muss ich zu der Überzeugung kommen, dass wir am eigentlichen Problem vorbeidiskutieren. Das ist schade, und das dient nicht den Kindern. Es ist bei Weitem nicht so - dabei gebe ich Ihnen durchaus recht -, dass an den Grundschulen alles eitel Sonnenschein ist. Herr Gehring und Herr Güll, ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass es einen Übertrittsdruck in den vierten Klassen gibt. Das gilt sowohl für die Kinder als auch für die Lehrer. Ich weiß aber
auch - wenn Sie ehrlich zu sich selbst sind, wissen Sie es auch -, dass bei den Übertrittsempfehlungen soziale Aspekte eine Rolle spielen. Das bedeutet, dass zum Beispiel Kinder aus Akademikerfamilien häufiger eine Übertrittsempfehlung an das Gymnasium erhalten. Gerade bei diesem Problem hilft uns die Freigabe des Elternwillens offensichtlich nicht weiter. Im Gegenteil, es ist sogar zu befürchten, dass sich die soziale Ungerechtigkeit verfestigt. Bei einem der Vorredner ist es schon angeklungen; Bildungsexperten und Bildungsforscher haben das nachgewiesen. Deswegen müssen wir den Fokus auf andere Maßnahmen richten, wenn wir eine verantwortungsvolle Politik machen wollen. Von der Freigabe des Elternwillens profitieren vor allem Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern nicht.
Deswegen sind wir FREIE WÄHLER davon überzeugt, dass uns die Freigabe des Elternwillens als isolierte Maßnahme - das haben Sie, Herr Güll, übrigens gerade auch sehr schön gesagt - nicht glücklich macht. Diese Maßnahme hilft uns bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen im Bildungswesen nicht weiter.
Meine Damen und Herren, wir drehen permanent an irgendwelchen Stellschrauben. Ich fürchte, wir bringen damit das Gesamtgefüge immer mehr in Unordnung.
Das ist kontraproduktiv und nicht im Sinne unserer Kinder. Wir brauchen ein vernünftig aufeinander abgestimmtes tragbares Gesamtkonzept im Bildungswesen. Da haben wir noch genügend zu tun.
Das eigentliche Problem liegt darin, dass unser Bildungssystem seit Jahren zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät und wir nun Lösungen finden müssen, um eine vernünftige Balance herzustellen. Sie werden sicher fragen: Was fordern wir zur Verbesserung des Bildungswesens? Wenn wir den Übertrittsdruck in den Grundschulen sinnvoll reduzieren wollen, brauchen wir in erster Linie wirkungsvolle Maßnahmen, die die Möglichkeit eines hochwertigen Bildungsabschlusses für möglichst alle lange offen halten. Hierzu brauchen wir wohnortnahe Schulen, die ein Profil anbieten, das von den Betroffenen, nämlich den Eltern, Lehrern und Schülern, akzeptiert und mitgetragen wird, in dem sie sich wiederfinden, mit dem sie sich identifizieren können und in dem sie sich auch ernst genommen fühlen.
Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es einige sinnvolle und geeignete Maßnahmen. In unseren Augen ist eine engere Verzahnung zwischen frühkindlicher und schulischer Bildung dringend erforderlich. Dabei ist
die Beratung und Einbeziehung der Eltern ins Schulleben, vor allem auch der Eltern aus bildungsferneren Schichten, von Anfang an notwendig. Ich möchte einmal die Elternbesuche ins Gespräch bringen, die an den Förderschulen durchaus üblich sind. Sie kosten Zeit, aber diese Besuche sind mit der Vorbereitungszeit der Lehrkräfte durchaus zu bewältigen.
Wir müssen die flexiblen Eingangsklassen auf ganz Bayern ausdehnen. Wir müssen die flexible Grundschule auch auf die Klassen drei und vier ausdehnen. Dadurch würde es gelingen, die Lernzeit von der Schulzeit abzukoppeln. Damit könnten die Kinder wesentlich besser individuell gefördert werden. Dringend notwendig ist der Ausbau des Ganztagsunterrichts an der Grundschule. Darüber haben wir erst letzten Donnerstag im Bildungsausschuss im Zusammenhang mit einem Paket von Anträgen zur Ganztagsschule diskutiert. An Ganztagsangeboten an der Grundschule mangelt es ganz erheblich. Besonders betonen möchte ich dabei, dass für diese Angebote eine wesentlich bessere personelle Ausstattung der Schulen notwendig ist. Nur so kann die individuelle Förderung, die wir gemeinsam für extrem wichtig halten, überhaupt gelingen. Ganz besonders wichtig ist eine Öffnungsklausel, damit die Entwicklung des Ganztagsunterrichts in der Grundschule endlich vorankommt.
In allen diesen Punkten gehen wir mit Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, konform. Wir unterstützen die von Ihnen eingebrachten Initiativen, weil sie auch aus unserer Sicht sinnvoll sind.
Wir FREIE WÄHLER wollen darüber hinaus, dass jahrgangskombinierte Klassen an Grundschulen endlich mit einem pädagogischen Konzept und ausreichend Differenzierungsstunden ausgestattet werden. Dabei sind wir wieder beim Thema Personal. Wir wollen kein Nebeneinander und keinen Mischmasch von jahrgangsreinen und jahrgangskombinierten Klassen an einer Schule. Jahrgangskombinierte Klassen dürfen kein Sparmodell sein, sondern müssen ausreichend mit Stunden bestückt sein, um ein pädagogisches Wirken zu ermöglichen. Die Eltern müssen Vertrauen in unser Bildungssystem haben. Ich gehe sogar weiter: Die Eltern haben einen Anspruch darauf, dass ihre Kinder optimal gefördert werden und dass die schulischen Rahmenbedingungen stimmen.
Das gilt vor allem für ein Land, in dem laut Erklärung der Staatsregierung so viel Wert auf Bildung gelegt wird.
Eine weitere wichtige Maßnahme scheint mir die enge Verzahnung der Lehrpläne der einzelnen Schularten
zu sein. Damit müssen wir schneller vorankommen. Ansätze dafür sind da. Es gibt aber noch viel zu tun.
Meine Damen und Herren, das waren nur einige Maßnahmen, die wir in Angriff nehmen müssen. Das erwarten aber die Bürgerinnen und Bürger, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer und nicht zuletzt auch die Schülerinnen und Schüler von uns. Zielführend ist in unseren Augen nicht die Freigabe des Elternwillens. Obwohl wir uns in vielen Teilen Ihres Gesetzentwurfs wiederfinden, werden wir uns gerade wegen der Freigabe des Elternwillens enthalten.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Damen und Herren! Kollege Georg Eisenreich hat gerade gesagt, er erwarte heute einen vielstimmigen Chor. Dazu muss ich sagen: Das ist auch gut so; denn bei Ihrer einseitigen Betrachtungsweise der bayerischen Bildungspolitik ist es mir lieber, wenn auch noch andere Meinungen zum Tragen kommen.
Herr Eisenreich, Sie sprechen von einer guten Bilanz. Ich muss Ihnen recht geben: Wenn man das Schlechte weglässt, ist es in der Tat eine gute Bilanz.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, zu Ihrer heutigen Regierungserklärung könnte man auch sagen: Und täglich grüßt das Murmeltier.
Wenn man Ihnen zuhört, muss man sich fragen: Geht es Ihnen tatsächlich um den einzelnen Schüler, die vermeintliche Leistungsfähigkeit unseres Bildungssystems in Bayern oder um die Beweihräucherung der Staatsregierung? Man konnte schon fast nicht mehr hinhören, so oft haben Sie Ihren Kabinettskollegen gedankt, unter anderem für die Bereitstellung der Geldmittel. Der Hinweis muss gestattet sein, dass es immer noch das Geld des Steuerzahlers ist, das in die Bildungspolitik fließt.
Tatsächlich geht es Ihnen nicht um die Kinder, sondern um die unbewiesene Behauptung: Bayern ist das Land mit der besten Bildungslandschaft. Diese Leier, meine sehr geehrten Damen und Herren, hören wir nicht zum ersten Mal. Geradezu wie ein Mantra tragen Sie das in Ihrer Regierungserklärung vor. Selten trifft der Spruch "durch Wiederholung wird es nicht besser" so zu wie bei Ihnen, Herr Spaenle.
Ich darf kurz rekapitulieren. Im März 2009 wollten Sie mit dem neuen Übertrittsverfahren an den Grundschulen mehr Chancengerechtigkeit schaffen. In der Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn desselben Jahres nennen Sie als Ihr Kernanliegen Qualität und
Gerechtigkeit. Im Juli 2010 stellen Sie Ihre Regierungserklärung unter das Motto "Qualität, Differenzierung, Durchlässigkeit". Ihre Leitziele darin: Qualität und Gerechtigkeit. In der Pressekonferenz zum Schuljahr 2011/2012 heißt es: Mit seinem Schulwesen wird Bayern dem doppelten Anspruch gerecht, für die vielen jungen Menschen eine qualitätsvolle Ausbildung sicherzustellen und sie unabhängig von ihrem Elternhaus, so gut es möglich ist, zu fördern. Diese entwickelt Minister Spaenle nach den Gesichtspunkten von Qualität und Gerechtigkeit für den einzelnen Schüler weiter. Nun also wiederum Qualität und Gerechtigkeit. Sie sagen: Der bayerische Weg lautet "Vielfalt statt Einfalt".
Herr Staatsminister, selbstverständlich sind Qualität und Gerechtigkeit Aufgaben jeder Bildungspolitik. Ich behaupte, dass wir uns in diesem Punkt über alle Fraktionen hinweg einig sind. Selbstverständlich brauchen wir ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot. Selbstverständlich brauchen wir auch ein gerechtes Bildungsangebot. Selbstverständlich muss Bayern ein Bildungsland sein. Die Frage ist nur: Was ist gerecht und was ist hochwertig? Meine Damen und Herren, hier scheiden sich die Geister.
Sie bezeichnen beispielsweise ein flächendeckendes Schulangebot gerade in ländlichen Räumen als ein Herzstück des bayerischen Wegs. - Wunderbar; das kann ich nur unterstützen. Sie handeln aber genau gegenteilig. Gerade in den letzten Tagen sind mir von drei Grundschulen in Unterfranken Informationen zugegangen, in denen sie die Schließung trotz ausreichender Schülerzahlen ankündigen. Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn künftige Erstklässler nicht an ihrem Wohnort beschult werden, sondern nun stattdessen zum nächsten Schulstandort gekarrt werden, und das, obwohl die Schülerzahl für eine Klassenbildung ausreicht? Wo ist da Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Staatsminister? Glauben Sie wirklich, dass diese Vorgehensweise das Vertrauen der Eltern und der Schüler stärkt? Wie passt das denn mit Ihrem Ziel eines flächendeckenden Schulangebots zusammen?
Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn landauf, landab nahezu willkürlich an ein und derselben Schule jahrgangsgemischte und jahrgangsreine Grundschulklassen nebeneinander mit dem offensichtlichen und ausschließlichen Ziel gebildet werden, Lehrer einzusparen? Die Petitionen, die uns allen Tag für Tag aus allen Teilen Bayerns dazu zugehen, füllen Ordner, Herr Staatsminister.
Ist es gerecht und zeugt es von einem Bemühen um Qualität, wenn keine Ganztagsklassen gebildet werden, obwohl es dafür genügend Anmeldungen gäbe,
aber das Verbot der Klassenmehrung dann keine weitere Ganztagsklasse zulässt?
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Liste ließe sich beliebig weiterführen. All die genannten Beispiele sind nur eine ganz kleine Auswahl von Hilferufen betroffener Eltern, deren Kinder genau mit den beschriebenen Problemen zu kämpfen haben. Herr Staatsminister Spaenle, es muss Ihnen doch zu denken geben, wenn in bayerischen Großstädten immer wieder Demonstrationen für eine bessere Bildung, für mehr Lehrer, kleinere Klassen und weniger Unterrichtsausfall stattfinden, wie zuletzt am vergangenen Samstag in München. Daraus ziehe ich den Schluss: Ihre vielbeschworene Qualität ist bei den Schulen noch nicht einmal ansatzweise angekommen - oder sehen Sie das etwa als eine Bestätigung Ihrer Politik? Hingegen sind Unterrichtsausfall und übergroße Klassen bei den Eltern angekommen, und deswegen gehen sie auf die Straße.
Ihre gebetsmühlenartig betonte Wiederholung von Qualität und Gerechtigkeit in unserem Schulsystem ist vielmehr Ihr unfreiwilliges, aber wahres Eingeständnis, dass es genau daran hapert, Herr Staatsminister. Sehen Sie die zahllosen Missstände einfach nicht mehr, oder ist es bei Ihnen schon die Augen-zu-unddurch-Mentalität des Ministerpräsidenten Seehofer, der jetzt ankündigt, sich munter über den Bürgerentscheid der Münchner Bürger zur dritten Startbahn hinwegzusetzen?
Sie zitieren aus der Vodafone-Studie und wollen damit beweisen, wie gut Bayern dasteht. Ich muss dazu schon sagen: Das ist mutig. In eben dieser Studie beklagen nämlich 50 % der Bevölkerung den hohen Unterrichtsausfall in Bayern, und eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung sieht die Durchlässigkeit unseres Schulsystems nach oben als kaum gegeben. Das war ein klassisches Eigentor, Herr Spaenle.
- Das können Sie nachlesen, wenn Sie lesen können. 62 % der Bevölkerung sind nach eben dieser Studie der Meinung, dass die Lehrpläne beim Übergang auf das G 8 nicht ausreichend angepasst wurden. Das ist die Wahrheit. Das ist die Meinung der Bürger, auf die Sie, meine Damen und Herren in der Staatsregierung, doch hören wollen.
Herr Staatsminister, es liegt mir dennoch fern, alles schlechtzureden.
Es freut mich, wenn Sie Neueinstellungen für integrierte und mobile Reserven für Realschulen, Gymnasien, Fachoberschulen und Berufsoberschulen ankündigen. Ich will das ausdrücklich auch lobend erwähnen. Nach wie vor ist der Unterrichtsausfall an unseren Schulen viel zu hoch. Wir brauchen jede Neueinstellung und jede neu geschaffene Stelle, und wir brauchen sie dringend. Wenn ich aber die Anzahl der Stellen zusammenzähle, die Sie in Ihrer Regierungserklärung aufgeführt haben, komme ich allerdings wieder zu einigen Missständen; etwa gibt es keine einzige zusätzliche Stelle für die Inklusion. Was Ihnen in meinen Augen in vielen Bereichen fehlt, ist ein klares Ziel. Ich nenne die Inklusion; ich nenne die Ganztagsbeschulung; ich nenne den Abbau großer Klassen. Derzeit drehen Sie ohne erkennbares Gesamtkonzept mal an dieser, mal an jener Stellschraube. Eine Verbesserung der Unterrichtsqualität erzielen Sie damit aber nicht.
Herr Staatsminister, Sie sagten, der bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsangeboten habe besondere Priorität. Das kann ich nur unterstützen. Uns FREIEN WÄHLERN liegt ein qualitätsvoller und ein an den Belangen vor Ort ausgerichteter Ausbau der Ganztagsklassen ganz besonders am Herzen. Wir wollen nicht eine irgendwie geartete Betreuung; wir wollen, dass Ganztagsklassen als echte Chance und als echtes Angebot wahrgenommen werden. Wir wollen eine passgenaue Förderung der Schulen, die daran Bedarf haben. Wir wollen eine Förderung ganz im Sinne der Schüler, der Eltern und der Schule. Dass wir mit der Ganztagsbetreuung in Bayern noch am Anfang stehen und alles andere als Qualität anbieten, bescheinigte Ihnen erst in der vergangenen Woche die "Bayerische Staatszeitung". Mit der Überschrift "Eine Eins im Schönrechnen" und dem Untertitel "Bayern ist Schlusslicht beim Ausbau der Ganztagsbetreuung" wurde dies deutlich unterstrichen. Das ist eine eindeutige Sprache, die im krassen Gegensatz zu Ihrer Aussage von eben steht, Herr Kollege Eisenreich, dass Sie tatkräftig dabei seien, die Ganztagsbetreuung auszubauen.
Wir brauchen ein Schönrechnen genauso wenig wie ein Schönreden. Wir brauchen überzeugende Konzepte, die bei der frühkindlichen Bildung beginnen und bis zum Studium und zum lebenslangen Lernen weitergehen.
Herr Minister, ich nenne Ihnen deshalb unsere Agenda für die Bildungspolitik. Unsere Schulen dürfen nicht zu reinen Paukanstalten verkommen. Wir wollen un
sere Kinder zu starken und stabilen Persönlichkeiten erziehen. Wir brauchen in unserem Staat selbstbewusste und mitdenkende Menschen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Dabei spielt für uns FREIE WÄHLER die Stärkung der sogenannten weichen Fächer Musik, Kunst und Sport eine bedeutende Rolle. Wir müssen insbesondere an den Grundschulen dringend die Stunden für den Ganztagsbetrieb aufstocken. Unbedingt notwendig sind zusätzliche Anrechnungsstunden für Lehrkräfte, die als Klassenleiter in Ganztagsklassen tätig sind. Ich sage Ihnen auch, warum wir dies brauchen: Jedem muss klar sein, dass die Ganztagsbeschulung einen pädagogischen Mehraufwand bedeutet. In der Ganztagsbeschulung gibt es eine Vielfalt zusätzlicher Aufgaben, so zum Beispiel die Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen und dem zusätzlichen pädagogischen Personal sowie mehr Sprechzeiten für die Eltern. Das muss geplant und vorbereitet werden, und deshalb müssen diese Stunden den Klassenleitern auch angerechnet werden. Dieser Mehraufwand wird bisher von Ihrem Haus bei der Stundenzuweisung überhaupt nicht angemessen berücksichtigt. Soviel zum Thema Qualität.
Wir brauchen auch dringend Schulgebäude, die auf den modernen Unterrichtsbetrieb ausgelegt sind. Da reicht eine Mensa allein nicht aus. Kinder, die mehr als sieben Stunden in der Schule sind, brauchen auch Rückzugsräume. Nicht zu vergessen sind die Arbeitsplätze für die Lehrkräfte, die bei der Ganztagsbeschulung verändert werden müssen.
Wir alle wollen qualifiziertes Personal für die Ganztagsschule. Dafür brauchen wir aber auch attraktive Arbeitsbedingungen. Momentan sind die Arbeitsverträge der Betreuungskräfte häufig nur auf ein Jahr befristet. Herr Staatsminister, ich frage Sie, wie Qualität entstehen soll, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Schulen nur von einem zum anderen Jahr planen können.
Herr Staatsminister, Sie sagen, dass die Wahlmöglichkeit für die Eltern entscheidend für den bayerischen Weg sei und dass die Unterschiedlichkeit der Angebote ganz bewusst zu Ihrer Strategie gehöre. Dem möchte ich entschieden widersprechen, Herr Staatsminister Spaenle. Heben Sie doch endlich das Verbot von Klassenmehrungen auf und blockieren Sie die Weiterentwicklung der Ganztagsangebote nicht durch Vorschriften, die diese Entwicklung abwürgen, kaum dass sie in Fahrt gekommen ist. Passt das zu der von Ihnen proklamierten Bildungsgerechtigkeit? Das Modell der Ganztagsschule - davon bin ich fest überzeugt - wird sich nur durchsetzen, wenn Schulen und Eltern die notwendige Planungssicherheit bekommen.
Planungssicherheit bei der Betreuung ihrer Kinder brauchen die Eltern aber auch für den Freitagnachmittag und für die Ferien. Nur dann erreichen Sie eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deswegen brauchen wir dringend ein Konzept, mit dem die bestehenden schulischen Betreuungsangebote so erweitert werden, dass die betroffenen Eltern für ihre Kinder sowohl am Freitagnachmittag als auch mindestens in zehn der vierzehn unterrichtsfreien Wochen auf ein verlässliches Angebot zurückgreifen können. So können Sie Ihrem Ziel von Gerechtigkeit und Qualität einen großen Schritt näherkommen, Herr Staatsminister.
Ich nenne Ihnen noch weitere Beispiele für das Fehlen eines Gesamtkonzepts. Sie sagen, Bayern unterstütze die individuelle Lernzeit des einzelnen Kindes zur Erreichung seines Abschlusses. Wie denn bitte? Sie führen die flexible Grundschule gerade einmal bei 80 von insgesamt 2.400 Grundschulen in Bayern ein. Ganz zu schweigen ist von der wichtigen Phase des Übertritts in den Beruf. Flexibilität ist in dieser Phase Fehlanzeige. Erst gestern hatten wir in Unterfranken ein Gespräch über die vertiefte Berufsorientierung, die gekappt worden ist. Gute Modelle, die im Landkreis und in der Stadt Würzburg gelaufen sind, laufen nicht mehr weiter. Wir wollen deshalb ein bisschen mehr Glaubhaftigkeit Ihrer Verlautbarungen.
Wir FREIEN WÄHLER haben bereits 2010 hier im Hohen Hause gefordert, ein Konzept zu entwickeln, mit dem die Abschlussphase an Mittelschulen flexibel und gerecht gestaltet werden kann. Sie preisen in Ihrer Regierungserklärung die bayerische Wirtschaftsschule an, eine bundesweite Besonderheit, deren Vermittlungsquote von über 90 % für ihren Erfolg spreche. Im selben Atemzug aber planen Sie eine Neukonzeption der Wirtschaftsschule, die von den Betroffenen sehr kritisch gesehen wird. Wohin wollen Sie mit dieser Neukonzeption der Wirtschaftsschule?
Sie sagen, ideologische Schulsystemdebatten würden Sie in Bayern nicht führen. Dabei sind wir FREIE WÄHLER teilweise bei Ihnen. Wir FREIE WÄHLER wollen aber keine neue Debatte über Schulstrukturen. Wir FREIE WÄHLER bekennen uns zum gegliederten Schulwesen. Ich sage aber auch ganz deutlich, dass wir dieses Schulwesen weiter entwickeln müssen. Es hilft nichts, wenn sich die Staatsregierung nur gebetsmühlenartig zum dreigliedrigen Schulsystem bekennt und dabei die Auswirkungen der demografischen Entwicklung völlig ignoriert.
Wir brauchen eigenständige Bildungsregionen. Wir brauchen eine tragfähige Weiterentwicklung, bei der
die kommunalen Entscheidungsträger und die Schulfamilien weit mehr als bisher ins Boot geholt werden. Vor allem brauchen wir für die jeweiligen Regionen passende Schulangebote, die nicht zentral von München aus für das ganze Land bestimmt werden, sondern die vor Ort in der Bildungsregion entwickelt werden. Lassen Sie endlich Modellschulen zu.
Bisher sperrt sich die Staatsregierung in diesem Punkt. Damit verspielt sie wertvolle Zeit - Zeit, die wir dringend brauchen, um tragfähige und durchdachte Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Auch auf diesem Gebiet werden wir FREIE WÄHLER nicht lockerlassen. Uns geht es um unsere Zukunft, um soziale Gerechtigkeit und ein gutes Bildungsangebot für unsere Kinder. Es muss gelingen, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und dort neue Lösungen zu entwickeln, wo wir sie brauchen. Ich betone es noch einmal: Wir wollen keine ideologische Bildungspolitik, weder in die eine noch in die andere Richtung. Wir FREIE WÄHLER fordern pragmatische und gut durchdachte Lösungen, Lösungen, die wir gemeinsam mit der Basis und den beteiligten Bürgern vor Ort entwickeln. Nur dann kann man wirklich von einem Bildungsland Bayern, einem Land mit Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit sprechen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister Spaenle, Ihr Bemühen - ich betone: Ihr Bemühen - um Leistung in der Bildungspolitik verdient Anerkennung. Für den Anspruch, den wir FREIE WÄHLER in Bayern an die Bildungsgerechtigkeit und die Bildungsqualität stellen, reicht dies bei Weitem nicht aus.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie ernst die stärkste Fraktion im Bayerischen Landtag das Thema Ganztag nimmt, können wir hier sehr gut sehen. Ich habe jetzt im Plenarsaal nur drei Mitglieder der CSU-Fraktion aus dem Bildungsausschuss gesehen. Ich muss sagen: Das ist schon sehr, sehr traurig.
Das ist auch ein kleines Spiegelbild dessen, was in diesem Bereich geschieht. Auch Ihre Intervention, Herr Sinner, Qualität vor Quantität, trifft in diesem Fall leider nicht zu, weil es auch an der Qualität im Besonderen mangelt. Das war ein Eigentor.
Kollegin Strohmayr hat die verschiedenen Zahlen ausführlich dargelegt. Nirgendwo in Deutschland gibt es so wenige Kinder, die ganztägig unterrichtet werden, wie in Bayern. Nur jeder Zehnte nutzt ein solches Angebot; im Bundesdurchschnitt nutzen es 28 %.
Meine Damen und Herren, warum ist das so? Das muss man sich schon fragen. Ich bin überzeugt: Dies liegt zu einem wesentlichen und großen Teil daran, dass die bestehenden Betreuungsangebote bei Weitem nicht so attraktiv sind, wie sie sein müssten. Die Ganztagsangebote in Bayern decken eben nicht, wie der Name suggeriert, eine Betreuung für den ganzen
Tag ab, sondern bestenfalls nur für vier Tage in der Woche und auch nur während der Schulzeit, nicht aber in den Ferien. Genau dahin wollen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag. Wir fordern die Staatsregierung auf: Erarbeiten Sie endlich ein schlüssiges Konzept für eine wirklich durchgängige Betreuung, um so den Betroffenen, meist berufstätigen Eltern, den Spagat zu ersparen, der meist nicht klappt.
Meine Damen und Herren, ein schlüssiges Ganztagskonzept ist in unseren Augen die größte bildungspolitische und sozialpolitische Herausforderung für die Zukunft. Sie hat in diesem Bereich längst begonnen. Die Anforderungen der heutigen flexiblen und mobilen Arbeitswelt zwingen uns, über unsere bisherigen schulischen und sozialpädagogischen Konzepte völlig neu nachzudenken. Hier sind Sie von der Staatsregierung in besonderer Verantwortung.
Ich möchte die Bertelsmann-Studie zitieren. Darin heißt es: Zwar unterrichtet mittlerweile bundesweit jede zweite Schule ganztags, aber es fehlt an übergreifenden Konzepten und Qualitätsstandards. Die Studie des Deutschen Jugendinstituts e. V. kommt gar zu dem Schluss, der bisherige Ausbau mit seinen vielen unterschiedlichen Organisationsformen des Schultags sei eine Reise in die Zukunft ohne klares Ziel. Wir in Bayern befinden uns somit in bestem Fahrwasser. Die Ganztagsschule als Schultyp in Bayern bleibt unter ihren Möglichkeiten. Das ist die bittere Wahrheit, meine Damen und Herren von der Staatsregierung. Da nützt es auch nichts, dass Sie in Pressemitteilungen wie heute früh immer wieder verkünden, die Ganztagsangebote konsequent und bedarfsgerecht auszubauen. Die Gespräche mit Betroffenen vor Ort zeigen mir immer wieder etwas ganz anderes. Sie bauen nämlich die Angebote allenfalls halbherzig und vor allem ohne wirkliches Gesamtkonzept aus.
Die Studie empfiehlt vor allem die gebundene Ganztagsform als besonders effektive Lernform. Auch wir FREIE WÄHLER bevorzugen diese Form der Ganztagsbeschulung und können damit dem, was im ersten Spiegelstrich des SPD-Antrages gefordert wird, durchaus zustimmen. Allerdings - das muss ich einschränkend sagen - muss diese gebundene Ganztagsform in der Bevölkerung weitaus mehr Akzeptanz finden, als dies bisher der Fall ist. Diese Akzeptanz kann aber unserer Meinung nach nur dann entstehen, wenn die Betreuungsangebote auch bedarfsgerecht und praktikabel gestaltet werden, sodass es den Eltern auch ermöglicht wird, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dann und nur dann unterstützen Sie die Eltern hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich.
Meine Damen und Herren von der Staatsregierung, machen Sie Ihre Hausaufgaben, und wenn es notwendig ist, auch am Nachmittag.
Zum SPD-Antrag ist noch zu sagen, dass uns der zweite Spiegelstrich etwas Magenprobleme bereitet. Die zweite Forderung, die Anzahl der gebundenen Ganztagsschulen zum nächsten Schuljahr an allen Schularten zu verdoppeln, können wir nicht mittragen. Insofern werden wir uns der grundsätzlichen Forderung anschließen, bei der Abstimmung über den Gesamtantrag müssen wir uns aber leider der Stimme enthalten.
Frau Kollegin Will, Sie haben die KMK-Vereinbarung angesprochen: vier Tage in der Woche. Das heißt aber nicht, dass man es nicht trotzdem erweitern kann; denn wir reden ja über Qualität, und Sie haben vorhin auch betont, dass qualitativ ausgebaut und weiter verbessert werden soll.
Dann habe ich noch die Frage: Was empfiehlt denn die FDP-Fraktion den Eltern zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Ferien?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN dürfte es eigentlich gar nicht geben, behaupte ich. Denn die Missstände, die jetzt zur Sprache gebracht worden sind, hätten längst bemerkt werden müssen. Da muss ich schon einmal die Frage in den Raum stellen, was die Schulaufsicht so macht. Kollege Taubeneder hat davon gesprochen, die Schulaufsicht sei zehn- oder zwölfmal vor Ort gewesen und habe diese Dinge nicht bemerkt. Da muss man auch einmal hinterfragen: Was macht denn die Schulaufsicht wirklich, wenn so gravierenden Dinge, wie sie im "Focus" geschildert werden, nicht aufgedeckt werden?
Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich habe am Anfang gedacht, es sei ein Märchen, was ich da lese: Da gibt es also eine Sekte, die sich weigert, ihre Kinder in öffentliche Schulen zu schicken, weil sie unter anderem den Sexualkundeunterricht und die Vermittlung der Evolutionslehre ab
lehnt. Die gerichtlich verhängten Ordnungsmaßnahmen interessieren diese Eltern nicht, sie schicken ihre Kinder einfach nicht zur Schule.
- Genau. Wenn das jemand anderer machen würde, dann wäre Polen offen, sage ich einmal.
Die GRÜNEN haben 2006 in einem Dringlichkeitsantrag die Schulpflicht für diese Kinder gefordert. Im selben Jahr hat übrigens die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer, CDU, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur allgemeinen Schulpflicht angesprochen, die dazu beiträgt, Parallelgesellschaften zu verhindern. Das oberste deutsche Gericht hat damals festgestellt, dass Schüler nicht aus religiös-kulturellen Gründen vom gemeinsamen Unterricht ausgenommen werden sollen.
Und was passiert in Bayern? Wie so oft in diesem CSU-geführten Land: nichts. Herr Kollege Freller, Sie haben vorhin gesagt: Wir haben alles Mögliche gemacht. Ganz im Gegenteil: Die Staatsregierung ist eingeknickt und wollte diese Sache offensichtlich schnell vom Tisch haben. Sie handelte nach dem Motto: Augen zu und durch. Anstatt die Kinder zur Schulpflicht zu zwingen, das auch gegen den Willen der Eltern durchzusetzen und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen, genehmigte man eine sogenannte Ergänzungsschule, in der wohlgemerkt, das muss man auch noch einmal sagen - Eltern ihre Kinder selbst unterrichten, und das, obwohl die Staatsregierung genau wusste, dass es um das Wohl und letztendlich auch um die Zukunftschancen dieser Kinder geht.