Protokoll der Sitzung vom 25.09.2012

Wenn bei den vorauszusehenden höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten alljährlich jeweils 500 Millionen Euro und Beträge in Höhe der eingesparten Zinsen getilgt werden, dann erscheint es nicht glaubwürdig, dass das Ziel der Schuldenfreiheit im Jahr 2030 ernsthaft verfolgt wird. Wenn man jedes Jahr 500 Millionen Euro und den Betrag der eingesparten Zinsen und Zinseszinsen tilgt, dann kommt man in den nächsten 17 Jahren - so viel Zeit haben wir noch bis 2030 - nur auf ungefähr die Hälfte des Schuldenstandes von zurzeit zwischen 20 und 22 Milliarden Euro.

(Zuruf von der CSU: Sie wissen aber nicht, wie sich das Zinsniveau entwickelt!)

- Wie sich die Zinsen entwickeln, kann keiner sagen. Ich gehe einmal von 3 % aus; das ist für den Staat sehr günstig gerechnet. Über den Zinssatz können wir nachher noch reden.

(Zuruf von der CSU: Aber die Rechnung stimmt doch nicht!)

- Ich war im Kopfrechnen gut. Die Rechnung stimmt doch. Sie brauchen es bloß nachzurechnen.

Alle Unwägbarkeiten, die die Zukunft bringen kann, sind natürlich nicht eingerechnet. Der ESM ist schon genannt worden. Die Bundesrepublik soll zunächst für 190 Milliarden Euro haften; das Wort "haften" muss man wohl in Anführungszeichen setzen. Wenn allerdings die Hebelung käme, die jetzt im Gespräch ist, besteht ein erheblich höheres Risiko, weil 190 Milliarden Euro vorrangig haften. Der Haftungsfall für die 190 Milliarden Euro kann viel schneller eintreten.

Bei der EZB wird ein weiteres Risiko geschaffen. Es wurde schon angesprochen. Dieses Risiko ist überhaupt nicht abschätzbar. Bei meiner Rechnung müsste man derartige Unwägbarkeiten mitberücksichtigen.

Ich komme zurück zur bayerischen Schuldentilgung. Ich möchte hier nicht missverstanden werden. Ich fordere nicht, dass ein höherer Betrag eingesetzt wird, es sei denn, die Steuerschätzungen im November oder das Jahresergebnis 2012 ergeben weitere Spielräume. Ich stelle nur fest, dass es höchst unglaubwürdig ist, wenn Sie ein Ziel formulieren, es aber nicht konsequent verfolgen.

Wir fordern auch schon deshalb momentan keine höhere Tilgung, weil Ihr Haushaltsentwurf erhebliche Mängel hinsichtlich der vorhin genannten Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit aufweist.

Als Erstes darf ich Bildung und Erziehung nennen. Im Doppelhaushalt wird zwar Geld eingesetzt, um einiges zu verbessern, aber es bestehen nach wie vor erhebliche Defizite, die es verhindern, unseren Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit zu gewährleisten. Gerade auch in diesem Bereich sind wir als eines der im Ländervergleich reichsten Länder Deutschlands keineswegs im Spitzenfeld zu finden.

Bei Bildung und Ausbildung ist die Chancengleichheit zwischen Kindern, die aus sozial schwächeren Familien kommen, gegenüber den Kindern aus bessergestellten Familien nicht gegeben. Wir müssen schon bei den Kindertagesstätten ansetzen, wenn wir hier eine Verbesserung erreichen wollen. Auf jeden Fall brauchen wir eine Qualitätsverbesserung, um allen Kindern die gleichen Chancen für ihr Leben zu geben. Dies gilt vor allem - das wissen wir - für Kinder mit Migrationshintergrund und für Kinder mit Entwicklungsdefiziten.

Herr Ministerpräsident, es wäre besser und vernünftiger, das von Ihnen geforderte Betreuungsgeld für eine Verbesserung der Betreuungsqualität in den Kindertagesstätten einzusetzen, als es mit der Gießkanne über das Land zu verstreuen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zwar wird das Betreuungsgeld aus Bundesmitteln gezahlt. Aber es dürfte keine große Schwierigkeit sein, die Mittel zur Verbesserung der Betreuung in den Kindertagesstätten über die Länder auf die Kommunen umzuschichten.

Den nächsten Handlungsbedarf sehen wir in den Schulen. Die Ganztagsschulen müssen weiter ausgebaut werden, um vor allem zu erreichen, dass möglichst viele Schüler einen Abschluss erreichen und damit die Chance bekommen, eine Berufsausbildung zu durchlaufen. Es darf nicht hingenommen werden, dass ein relativ hoher Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler keinen Schulabschluss erhält und dann auch keine Berufsausbildung bekommen kann.

Ich bin immer wieder bei Verabschiedungen aus der Berufsschule oder bei der Freisprechung von Junghandwerkern dabei. Da beobachte ich, wie wenig Kinder mit Migrationshintergrund überhaupt die Abschlüsse erreichen.

Weiter nenne ich die Hochschulen. Wir fordern nach wie vor die Abschaffung der Studiengebühren. Bayern ist nun bald das letzte Land, das weiterhin Studiengebühren erhebt. Wir sehen hierin eine Ungerechtigkeit gegenüber unseren Studenten, aber auch eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit. Denn Studiengebühren halten junge Leute immer wieder davon ab, ein Studium aufzunehmen.

Nun zu den Kommunen. Der Finanzausgleich funktioniert gut. Er kann aber sicher noch verbessert werden. Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich Sie, Herr Ministerpräsident - er unterhält sich gerade, aber er kriegt es wohl schon mit -, nochmals eindringlich auffordern, alles zu tun, dass das versprochene Bundesleistungsgesetz endlich vorankommt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie haben dies der Bundeskanzlerin im Rahmen der Verhandlungen über den Fiskalpakt abgerungen. Aber ich habe den Eindruck, dass in letzter Zeit nichts mehr vorangegangen ist. Angeblich hat man es auf die Zeit nach 2013 verschoben.

Fakt ist, dass die Steigerungen bei der Eingliederungshilfe, die hauptsächlich die Bezirke zu tragen haben, mehr oder weniger die zusätzlichen Finanzausgleichsleistungen auffressen, sodass die Kommunen, die über Umlagen den Bezirk finanzieren, unter dem Strich genauso oder noch schlechter dastehen als vorher.

Wenn vorher Vergleiche mit anderen Bundesländern angestellt worden sind, muss man natürlich auch die unterschiedlichen Strukturen sehen. Sozialleistungen werden in anderen Bundesländern zum Teil von den sogenannten Landschaftsverbänden erbracht. Dabei gibt es auch staatliche Gelder. Man muss somit alle Fakten einrechnen, die die Kommunen besserstellen.

Unabhängig vom Bundesleistungsgesetz sind nach wie vor Verbesserungen im kommunalen Finanzausgleich erforderlich. Die Kommunen fordern seit Langem eine Anhebung des Kommunalanteils am Steuerverbund auf 15 %. Wir wollen natürlich nicht sofort so weit gehen, aber wir denken, dass diese Angleichung nach und nach erfolgen sollte. Wie das Geld im Detail eingesetzt werden soll, muss dann natürlich verhandelt werden. Morgen haben wir auch eine Anhörung zum kommunalen Finanzausgleich.

Nach wie vor - das ist heute schon angesprochen worden - haben die Gemeinden, die von starker Abwanderung betroffen sind, erhebliche Probleme, ihre Haushalte auszugleichen. Zwar sind im Finanzausgleich 2013 die Bedarfszuweisungen und Stabilisierungshilfen auf 100 Millionen erhöht worden, aber über die Wirkung und Verteilung dieser Mittel besteht noch erhebliche Unsicherheit.

Nicht zufriedenstellend ist für die Kommunen nach wie vor der Zuschuss des Staates für die Schülerbeförderung und die Beteiligung der Kommunen an den Kompensationszahlungen des Bundes für die KfzSteuer. Sie haben zwar hervorgehoben, dass der Anteil an der Kfz-Steuer jetzt bei 51 % liegt und der Zuschuss zur Schülerbeförderung 60 % beträgt, aber ich muss doch immer wieder daran erinnern, dass der Zuschuss zur Schülerbeförderung ursprünglich bei 80 % lag und der Anteil an der Kfz-Steuer bei 65 %. Das haben Sie gekürzt und nie wieder angehoben.

Nachhaltiges Wirtschaften und die Lasten nicht in die Zukunft zu verschieben, bedeuten auch, sich rechtzeitig um das Vermögen des Staates zu kümmern. Das gilt insbesondere für den Bauunterhalt an staatlichen Straßen und Gebäuden. Der Rechnungshof stellt hier immer wieder erhebliche Mängel fest, die nur nach und nach ausgeglichen, aber nicht entscheidend verbessert werden. Im Ergebnis sind teure Sanierungen nötig oder, im Falle von Gebäuden, ein Abbruch und eventuell ein kostspieliger Neubau. Auch hier gibt es zwar etwas mehr Geld, das aber bei Weitem nicht ausreicht, um die Unterlassungen der Vergangenheit zu beheben. Gerade bei der jetzt guten Finanzsituation des Staates müsste ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass es der Staat mit der Substanzerhaltung seines Vermögens ernst meint.

Zusätzliche Mittel sind auch für die Energiewende notwendig. Ein ganz wichtiger Baustein der Energiewende ist die Energieeinsparung. Die energetische Sanierung staatlicher Gebäude und die Unterstützung der Sanierung kommunaler Gebäude müssen uns hier ein besonderes Anliegen sein. Gerade das Konjunkturpaket II hat gezeigt, dass hier erheblicher Handlungsbedarf besteht. Auch dafür sollten zusätzliche Mittel eingesetzt werden.

Beim Personal der Finanzämter - das wurde schon angesprochen - hat die Staatsregierung zwar nachgebessert. Allerdings sind mehr Stellen notwendig, um den dringendsten Bedarf abzudecken. Die Ausbildung von Finanzanwärtern muss noch verstärkt werden. Auch das ist eine Investition in die Zukunft; denn vom Rechnungshof wird immer wieder festgestellt, dass jeder Finanzbeamte, der zum Beispiel in der Prüfung tätig ist, ein Mehrfaches dessen für den Staat erbringt, als er selbst kostet.

Für die Justiz ist im Doppelhaushalt zwar eine Verbesserung zu sehen, aber der Bedarf ist noch nicht gedeckt. Ein funktionierendes Rechtswesen ist für unsere Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor, der uns gegenüber vielen Konkurrenten in der Welt Vorteile bringt. Bei den Rankings der besten Investitionsstandorte für internationale Unternehmen spielen Rechtssicherheit und ein Rechtswesen mit relativ kurzen Verfahrensdauern eine ganz wichtige Rolle.

Ein besonderes Kapitel sind der Versorgungsfonds und die Versorgungsrücklage. Sie wollen den Versorgungsfonds und die Rücklage aufheben und stattdessen einen Pensionsfonds einführen. Die Einzahlungsbeträge in diesen Fonds liegen aber weit unter denen, die für den Versorgungsfonds und die Versorgungsrücklage vorgesehen waren. Der Zweck des Versorgungsfonds und der Versorgungsrücklage, die zusätzlichen Belastungen für den Staatshaushalt aufzufangen, wenn ab Mitte 2020 die Zahl der Pensionisten erheblich ansteigen wird, kann mit diesem Pensionsfonds nicht erreicht werden; das ist jetzt schon absehbar, meine Damen und Herren. Das heißt, dass ab diesem Zeitpunkt auf den Staatshaushalt erhebliche zusätzliche Belastungen zukommen werden. Je nach finanzieller Lage, die wir jetzt noch nicht abschätzen können, wird es heftige Diskussionen darüber geben, ob die Pensionen für die Beamten gerechtfertigt sind oder ob die Beamten in dieser Zeit diese Pensionslasten durch entsprechende Kürzungen ihrer Beamtengehälter tragen sollen.

Zum Schluss darf ich noch auf die Einnahmenseite eingehen. Ein Thema, das ich immer gerne anspreche: Obwohl es angekündigt war, ist die Darlehensrückführung durch die Flughafen München GmbH an

den Freistaat und an die anderen Gesellschafter Letzteres können wir natürlich nicht in unserem Haushalt verbuchen - nicht vorgesehen. Auch das werden wir einfordern, wobei wir nicht eine bestimmte Zweckbindung vorschlagen, sondern diese Mittel für den allgemeinen Staatshaushalt vorsehen, aus dem sie schließlich gekommen sind. Dazu müsste nach unserer Auffassung die Flughafen München GmbH, nachdem es ihr ihren eigenen Angaben zufolge wirtschaftlich sehr gut geht, eine Gewinnausschüttung mindestens in der Höhe der dann eingesparten Zinsen an den Freistaat leisten. Das wäre ein bescheidener Ausgleich dafür, dass die Flughafen München GmbH einen Betrag von fast einer Milliarde an Zinsen eingespart hat, weil sie einen für einen Darlehensnehmer einmaligen Darlehensvertrag erhalten hat. Sie muss nämlich nur dann Zinsen für das Darlehen zahlen, wenn sie Gewinne macht.

Ich will noch kurz die Kapitalaufstockung des Flughafens Nürnberg ansprechen, die auch im Haushaltsplan enthalten ist. Diese Kapitalaufstockung wird aus dem Grundstock vorgenommen. Ich kann Ihnen prophezeien, dass das Grundstockvermögen, das eigentlich nicht angetastet werden soll, um diesen Betrag geschmälert wird, wenn die Konkurrenzfähigkeit des Flughafens Nürnberg nicht gestärkt wird. Der Ausbau des Flughafens München durch die dritte Startbahn ist zwar meines Erachtens vom Tisch, aber wenn die Staatsregierung dieses Ziel weiterhin langfristig verfolgt, werden sich die Fluggesellschaften in der Hoffnung, dass sie irgendwann einmal für Punkt-zu-PunktVerbindungen Slots bekommen, nicht anderen Flughäfen zuwenden, zum Beispiel Nürnberg, um die Urlauber in die Urlaubsgebiete - Antalya oder Mallorca - zu bringen.

Zuletzt möchte ich noch eine besondere Eigenart ansprechen, die mir aus anderen Haushalten nicht bekannt ist. Das ist das Spielgeld für die Abgeordneten, diese 40 Millionen, die im Haushalt ausgebracht worden sind. Es ist unglaublich, dass hier Beträge ohne eine bestimmte Zweckbindung ausgewiesen werden, damit jeder Abgeordnete - natürlich nur die Abgeordneten der Koalition - in seinem Stimmkreis den Wählern ein Wunschprojekt verkaufen kann. Wir werden natürlich versuchen, diese Mittel auch in Anspruch zu nehmen. Wir werden dann sehen, ob es eine Art Gleichbehandlung der Abgeordneten gibt.

Zusammenfassend kann man sagen: Die Staatsregierung gibt das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen aus, ohne die richtigen und nachhaltigen Konzepte für die Zukunft Bayerns zu haben. Die Menschen im Freistaat dürfen nach dieser Politik nach Kassenlage nicht darauf vertrauen, dass diese Staatsregierung

kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Zukunftschancen arbeitet.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Pointner. Als Nächste hat Frau Kollegin Claudia Stamm von den GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Bayern steht gut da; daran gibt es keinen Zweifel. Man muss aber nicht besonders genau hinschauen, um die riesigen Berge an versteckten Schulden zu sehen, um zu sehen, dass die Staatsregierung keine Vorsorge für die Zukunft trifft, also auf Kosten unserer Kinder haushaltet, dass es die PR-Abteilung ist, die im Haushalt am besten funktioniert, und dass die Tilgung aller Schulden allein aus den Rücklagen passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss nicht besonders genau hinschauen, um zu erkennen, dass dieser Doppelhaushalt als reiner Wahlkampfhaushalt aufgestellt ist.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Man sieht, dass falsche bzw. keine Prioritäten gesetzt werden, und man sieht leicht, dass das Landesbankdebakel wieder einmal unter den Teppich gekehrt wird. Man sieht, dass der Schuldenabbau bis 2030 nichts weiter als ein prosaischer Satz im Haushaltsgesetz ist; Kollege Volkmar Halbleib hat das schon angesprochen. Dieser Haushalt ist alles andere als nachhaltig und gerecht.

Ich könnte Sie allerdings zuerst einmal auch loben, weil sie in punkto Steuerverwaltung tatsächlich endlich einmal auf uns gehört haben.

(Beifall des Ministerpräsidenten Horst Seehofer)

Bayern stellt im Zeitraum dieses Doppelhaushalts zwar Anwärter und Anwärterinnen für die Finanzverwaltung ein - wir haben das jahrzehntelang gefordert, und Finanzminister Söder hat uns GRÜNEN offenbar endlich zugehört -, aber das geschieht erstens viel zu spät.

(Volkmar Halbleib (SPD): Und viel zu wenig!)

Zweitens ist es eine aufholende Entwicklung, wie man es in den Entwicklungsländern nennt, und außerdem

geht diese Entwicklung in Bayern viel zu langsam und zu widerwillig voran.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen nämlich drittens noch sehr viel mehr Personal in der Steuerverwaltung. Bislang nehmen wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern wirklich in jedem Punkt den allerletzten Platz ein. Dabei will doch Bayern immer spitze sein.