Wissen Sie, dass wir in Schlüsseldienststellen der Bewährungshilfe einen Betreuungsschlüssel von teilweise bis zu 1 : 120 haben?
- Meine grüne Fraktion weiß das, ich habe aber die Frau Ministerin gefragt. - Wie viel echte Betreuung ist Ihrer Ansicht nach damit zu leisten? Die Führungsaufsicht, die von der Bewährungshilfe zu erbringen ist, bindet weitere Kräfte, auch weil Führungsaufsicht von den Gerichten immer schneller angeordnet wird. Bei zwei Jahren Haft ist diese Führungsaufsicht mittlerweile die Regel. Bei Weisungsverstößen werden Berichte fällig. Die Bewährungshilfe muss vor Gericht als Zeuginnen und Zeugen auftreten. Mittlerweile haben 40 % der Probanden unter Führungsaufsicht einen Sexualstraftäterhintergrund. Ich will die Führungsaufsicht überhaupt nicht infrage stellen, im Gegenteil, ich finde es gut, wenn Menschen begleitet werden. Aber die übliche Bewährungshilfe bei den - ich sage das jetzt in Anführungszeichen - "normalen Straftätern" darf dann nicht hinten runterfallen, weil ein Teil der Probanden ein so schwieriges Klientel ist.
Was müssen die Bewährungshelfer und -helferinnen stattdessen machen? - Sie müssen sich seit zwei Jahren mit Herrn Söder herumstreiten, ob Fahrtkosten zum Gericht über die Zeugenstelle abgerechnet werden können oder nicht, oder sie müssen Führungsauf
sicht leisten, obwohl der Proband wegen erwiesener Unschuld überhaupt nicht mehr Gegenstand einer Weisung sein kann. Es gibt Berichtspflichten und weitere Aufgabenzuweisungen, zum Beispiel die Fußfessel, welche die Bewährungshilfe unnötig belasten.
Zu einer schwierigen Klientel, die zu betreuen ist, kommen noch die übrigen Blockaden. Ich möchte kurz Ihren Blick auf die Schuldnerberatung bei der Caritas und der Diakonie richten oder auf die Wiederbesetzungssperre bei den Sozialdiensten in den Justizvollzugsanstalten. Da ich sehe, dass man zum Beispiel bei der Schuldnerberatung sechs Monate auf einen Termin warten muss und auch bei der Suchtberatung und der Therapie lange Wartezeiten bestehen, meine ich, dass wir dem Resozialisierungsbereich der Bewährungshilfe unter die Arme greifen müssten. Es würde schon etwas bringen, wenn man das, was Sie hier sinnvollerweise auf den Weg gebracht haben die Bundesagentur für Arbeit versucht jetzt, im Vollzug sechs Monate vor der Entlassung mit den Strafgefangenen einen gemeinsamen Arbeitsplan zu entwerfen -, auch in anderen Bereichen durchführen würde, die der Resozialisierung dienen. Diese Verbesserung im Einzelfall hat noch nichts mit einem Übergangsmanagement zu tun, wie es die Sozialverbände fordern.
Die Produktion von Rückfalltätern ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Zeichen von Schwäche und von ideologisierter Politik der CSU. Auch in dieser Hinsicht könnte Bayern einfach mehr.
Die letzten Jahre - jetzt komme ich auf die Justiz zu sprechen - waren davon gekennzeichnet, dass sich das Justizministerium entgegen anderweitigen Beteuerungen nicht in die Karten schauen lassen wollte. Immer dann, wenn es der CSU politisch opportun erschien, waren Gerichte und Staatsanwaltschaften plötzlich unabhängig, und man konnte zu einzelnen Themen nichts sagen. Die vielen Berichtspflichten, die bei den Staatsanwaltschaften gelandet sind und die in den vergangenen Jahren meiner Ansicht nach auch zugenommen haben - aber dafür habe ich jetzt keinen Beleg -, verschweigen Sie. Ich freue mich, dass ich bei diesem Thema die SPD und die FREIEN WÄHLER an unserer Seite weiß. Lassen Sie die Justiz doch endlich vom Gängelband, sorgen Sie für eine unabhängige, eine autonome, eine selbstverwaltete Justiz!
In diesem Zusammenhang verweise ich auf den hervorragenden Aufsatz von Dr. Maier, Richter am OLG München, in der "Zeitschrift für Rechtspolitik", der sich intensiv mit den Weisungen an Staatsanwaltschaften
Die Menschen in unserem Land sind mehr denn je für Gerechtigkeitsfragen sensibilisiert. Die Menschen beschäftigen sich damit, ob wirklich alle gleich behandelt werden, wie jemandem geschieht, der in die Mühlen der Justiz gerät, ob er oder sie auch wirklich recht bekommt. Wir brauchen mehr Transparenz, um das überprüfen zu können. Sie fehlt aber, wenn bei Informationen gemauert wird.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Unterstützerinnen und Unterstützer der Fälle Peggy, Mollath oder der Familie Rupp im Detail recht haben. Ganz unabhängig davon, ob Vorwürfe zutreffen, die in einzelnen Fällen erhoben werden, zeigt diese Unterstützung doch, dass das Vertrauen in die Justiz zu schwinden droht. Da müssen wir auf jeden Fall gegensteuern, unabhängig von der Frage, ob das Personal an Gerichten und Staatsanwaltschaften aufgestockt werden muss. Die Evaluierung, die Sie hier anführen, können Sie für sich selbst als Erklärung überhaupt nicht in Anspruch nehmen und für den Rest nur bedingt. Gerade der Fall Rupp riecht nach einer Zweiklassengesellschaft.
Ich bedaure sehr, dass Sie sich auf meine Anfrage hin, ob man dieser Familie in irgendeiner Form eine Entschädigung zukommen lassen könnte, nachdem vier Personen fünf Jahre lang unschuldig im Gefängnis saßen, hinter einem Gerichtsurteil versteckten. Sie sagten, das Gericht habe damals eine Entschädigungszahlung an Einzelne verhindert. Ich kann Ihnen da nur entgegenhalten: Dieses Gericht war auch dasjenige, das diese Leute verurteilt hat. Deswegen kann man von dieser Ebene niemals Gerechtigkeit erwarten, vor allem, wenn man sieht, wie zäh diese Familie um ein Wiederaufnahmeverfahren kämpfen musste.
Ich komme noch einmal auf die Staatsanwaltschaften zu sprechen, die teilweise aufgrund ihrer personellen Unterbesetzung wohl nicht immer so gut vorbereitet sind, wie wir uns das vorstellen. Ich spreche dabei die Fälle an, in denen es um einen rechtsextremistischen Hintergrund von Straftaten geht. Frau Merk, Sie haben erklärt, nur wer einen rechtsextremistischen Hintergrund von Straftaten erkenne, könne zielgerichtet dagegen vorgehen. Woran liegt es dann, dass ein rechtsextremistischer Hintergrund bei so vielen Straftaten verkannt wird, wie auch die "Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg" unlängst feststellte? Frau Merk, wie kann es sein, dass, wie Sie selbst bei einer Anfrage einräumten, die Hälfte der Verfahren im Bereich Rechtsextremismus
mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt werden musste? Das ist für uns kein Zeichen für ein starkes Bayern, sondern ein Symptom für einen zögerlichen Rechtsstaat.
Gerne würde ich noch auf die Affäre Gaddafi eingehen. Da schlägt jemand über die Stränge und darf dann mit einem Münchner Polizeipräsidenten zum Essen gehen. Im Ermittlungsverfahren gegen den Staatsanwalt, der die Wohnungsdurchsuchung bei Gaddafi angekündigt hatte, wurde das sehr wohl als Verfehlung dargestellt, aber die Generalstaatsanwaltschaft hat das dann einkassiert, und es wurde Straffreiheit festgestellt. Mangels Zeit kann ich leider nicht näher auf den ganzen Vorgang eingehen.
Mir ist natürlich bewusst, dass es sich hierbei um eine Reihe von Einzelfällen handelt, die keinen Rückschluss auf die gesamte Justiz zulassen. Wir müssen uns aber auch um Stimmungen kümmern, die vielleicht dadurch ausgelöst werden, dass sich die Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht mehr im richtigen Umfang um bestimmte Themen und Verfahren kümmern können. Das ist Gift für die Akzeptanz der dritten Gewalt.
Die CSU-Politik gestaltet nicht. Sie ist reaktiv und nach wie vor ideologisch besetzt. Sie missbraucht schwierige Themen wie Jugendkriminalität, Sexualstraftaten, Gewalt gegen Beamte und Beamtinnen, um gebetsmühlenartig Strafverschärfung für Jugendliche und Heranwachsende oder untaugliche Mittel wie die Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden ausgeblendet, weil deren Anwendung zu teuer wäre oder sie nicht ins ideologische Konzept passen. Es ist aber Unsinn, Drogenkranke ohne Begleitmaßnahmen ins Gefängnis zu werfen, Menschen, die Schulden nicht begleichen können, wegzusperren, anstatt einen Entschuldungsplan aufzustellen. Es ist nicht hilfreich, Jugendliche ein paar Wochen länger wegzusperren in der Hoffnung, sie würden dadurch schon einsichtig.
Das passiert immer dann, wenn man die Grenzen unserer Verfassung austesten will oder wenn man, wie Herr Ministerpräsident Seehofer, den größten Sündenfall begeht, indem er bei der Sozialministerin mal eben ein Ladenschlussgesetz in Auftrag gibt und gleichzeitig sagt: Ihr braucht euch alle nicht daran zu halten. Von einer starken Justizministerin und einer starken Justiz hätte ich erwartet, dass sie an dieser Stelle deutlich macht, was die Grundfesten unserer Verfassung und was die Grundbedingungen von Ver
waltungshandeln ausmacht. Die Grundbedingungen bestehen sicher nicht darin, dass sich jeder den Staat so gestalten kann, wie er ihn will.
In diesem Sinne bleibe ich bei meinem Eingangsstatement: Armes Bayern! - Im Übrigen sage ich vielen Dank an meine Fraktion, die sich immer vorbildlich um die Rechtspolitik gekümmert hat und uns in den Arbeitskreisen begleitet.
Vielen Dank, Frau Kollegin Stahl. Nächster Redner ist Herr Dr. Fischer für die FDP-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege Dr. Fischer.
Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, Frau Staatsministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Recht und Gesetz sind die Kernbereiche des staatlichen Handelns und die Voraussetzung für das Funktionieren einer Gesellschaft. Deshalb ist es von elementarer Bedeutung, dass die Organe der Rechtspflege breite Akzeptanz finden. Bei uns im Freistaat verbinden die Menschen mit der Justiz Unparteilichkeit, Konsequenz und Zuverlässigkeit. Auch Geradlinigkeit, Neutralität und Transparenz werden unter den Ergebnissen einer bayernweiten Umfrage genannt. Das zeigt: Die Menschen haben Vertrauen in unsere Justiz, und sie haben zu Recht Vertrauen. Dieses Vertrauen beruht auf leistungsfähigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, seien es Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Mitarbeiter der Geschäftsstellen oder Justizwachtmeister. Wenn man die Arbeitsbelastung in diesen Bereichen kennt, ist es weder Lobhudelei noch Pflichterfüllung, wenn ich sage, sie alle verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung, und wenn ich ihnen heute zu Beginn meiner Rede zurufe: Wir sind stolz auf sie!
Für viele Bereiche des menschlichen Zusammenlebens ist es wichtig, dass es eine gut funktionierende Justiz gibt. Das Sicherheitsempfinden der Bürger hängt davon ab, dass Vertrauen in eine effektive Strafverfolgung und einen sinnvollen und angemessenen Strafvollzug besteht. Die Justiz leistet einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung, und sie gibt durch erfolgreiche Resozialisierung Straftätern die Chance, sich wieder in die Gesellschaft einzubringen.
Gerade weil wir Liberale nicht immer auf neue und immer schärfere Gesetze setzen, ist für uns der kon
sequente Vollzug des geltenden Rechts enorm wichtig. Dieser konsequente Vollzug ist in Bayern gewährleistet, und dafür bin ich dankbar.
Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit trägt eine zügige Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten zum Rechtsfrieden bei. Die Qualität und Schnelligkeit zivilgerichtlicher Entscheidungen sind ein nicht zu unterschätzender Standortvorteil für den Wirtschaftsstandort Bayern. Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung, mit unserem Handeln in der Politik die Justiz mit allen Mitteln zu unterstützen. Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst.
Zur Kritik der Opposition heute muss ich sagen: Das alles hat mit der Realität in Bayern wenig zu tun. Frau Kollegin Stahl, selbst die Kollegen von der SPD verweisen darauf, dass Sie das Thema verfehlen. Das spricht für sich. Sie haben über alles Mögliche geredet, aber nur zu einem kleinen Teil über die Justiz in Bayern.
Herr Kollege Schindler, Sie haben der Justizministerin vorgeworfen, zu viel über Bundespolitik gesprochen zu haben. Sie haben selbst neue bundespolitische Themen wie die nachträgliche Sicherungsverwahrung oder die Vorratsdatenspeicherung eingeführt, zu denen Sie ausführlich gesprochen haben.
All das gleicht für mich dem krampfhaften Versuch, ein Haar in der Suppe zu finden. Ihr Problem, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ist jedoch, dass der Restauranttester diese Suppe gerade mit einer hervorragenden Note versehen hat.
Ich halte mich lieber an den Restauranttester. Damit meine ich die Ergebnisse der Umfrage; denn wir lassen uns gerne an Statistiken, Zahlen und Umfrageergebnissen messen.
Objektive Daten über die bayerische Justiz sind das eine, subjektiv geprägte Wahrnehmungen und Einschätzungen und Meinungen das andere. Wer sich um Verbesserung kümmern will, muss alles kennen: Daten, Einschätzungen und sein Image. Deshalb ist die Evaluation so wichtig, die an 30 Justizstandorten in Bayern bei Bürgern, Rechtsanwälten und Unternehmen durchgeführt wurde. Es wurden Fragen zur Verfahrensdauer, Verständlichkeit und Vollständigkeit gerichtlicher Entscheidungen gestellt. Das Ergebnis ist beeindruckend. 70 % der Bayern sind mit der bayerischen Justiz zufrieden, 8 % sehr zufrieden, und bei
Besonders interessant ist, wo die Zufriedenheit am geringsten ist; es ist gesagt worden: bei der Schnelligkeit der Verfahren. Viele sind aus gutem Grund der Auffassung, nur schnelles Recht ist gutes Recht. Deswegen wird die Qualität der Justiz auch an der Verfahrensdauer gemessen. Der Blick auf den bundesweiten Vergleich, auf die objektiven Daten zeigt sehr deutlich: Gerade bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer nimmt Bayern den Spitzenplatz in Deutschland ein. Nirgendwo dauert ein Gerichtsverfahren länger als in Bremen und ist nirgendwo kürzer als in Bayern. Auch das belegt: Die bayerische Justiz ist top.
Bei den Amtsgerichten beträgt die durchschnittliche Dauer eines Zivilprozesses 7,1 Monate. Bayern liegt mit 5,9 Monaten vorne. In Nordrhein-Westfalen sind es 7,5 Monate. Bei den Landgerichten ist das Bild ähnlich. Daran sieht man, dass in Bayern die Einschätzung der durchschnittlichen Verfahrensdauer und die Realität auseinanderfallen. So gehen die Bürger davon aus, dass ein Strafprozess beim Amtsgericht neuneinhalb Monate dauern würde und beim Landgericht gut ein Jahr. Tatsächlich sind es nur 2,7 Monate und 5,5 Monate. Die objektive Lage ist also sogar noch besser als der Ruf der Justiz. Auch das zeigt: Die bayerische Justiz ist top.
Diese guten Zahlen sind nur möglich, weil alle Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte hervorragende Arbeit leisten und weil die bayerische Justiz organisatorisch gut aufgestellt ist. Die Tatsache, dass Sie, Herr Kollege Schindler, über die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts sprechen, über die man zu Recht geteilter Meinung sein kann, dass Sie eine Legislaturperiode zurückgreifen müssen, um Fehler zu suchen, stellt der Justiz ein hervorragendes Zeugnis aus.
(Beifall bei der FDP - Harald Güller (SPD): Aber nicht mit der Justizministerin! Um die geht es heute!)
Diese Zufriedenheit und auch die Rechtssicherheit geben aber keinen Grund, sich zurückzulehnen. Keiner bestreitet - auch die Justizministerin hat das nicht getan, und ich tue das auch nicht -, dass die Personalsituation angespannt ist. Die Justiz kämpft seit vielen Jahren mit Überlastung. Noch vor einem Jahr hat der Bayerische Richterverein beklagt, wie viele Richter und Staatsanwälte fehlen. Wir wissen, dass die