Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Bitte sehr, Herr Ländner.

Herr Kollege, ist Ihnen das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs bekannt? Wenn ja, warum sprechen Sie dann ständig davon, dass durch diesen Gesetzentwurf den Gemeinden die Möglichkeit gegeben wird, solche Satzungen zu erlassen? Der Verfassungsgerichtshof stellt ganz klar fest, dass die Gemeinden die Möglichkeit haben. Ihre Aussage ist dann doch völlig hinfällig.

Herr Kollege Ländner, diese Rechtsverordnung ermöglicht den Gemeinden, eine Satzung zu erlassen, egal ob sie sich daneben auch noch auf ihre originäre Satzungskompetenz stützen können oder nicht. Es ist eine zweite Rechtsgrundlage.

(Jörg Rohde (FDP): Eine reicht doch!)

Ich sage es noch einmal: Die Rechtsverordnung als solche ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist von uns allen in der Zielsetzung positiv bewertet worden. Deswegen werden wir diesem Zirkus nicht folgen und dieser Rechtsverordnung selbstverständlich zustimmen. Wenn man schon beckmesserisch sein will, dann kann man sich darüber austauschen, ob man noch den "Fairen Handel" dazuschreibt. Die ausbeuterische Kinderarbeit als solche hätte gereicht. Ich denke mal, das ist auf dem gleichen Level. Ich bitte deshalb darum, auch als Signal nach außen, gerade als Signal nach außen, hinter dieser Rechtsverordnung zu stehen, die wir im Ziel doch alle billigen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächste hat sich Frau Kollegin Stahl gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ich habe eigentlich angenommen, ich könnte mich ganz kurz den Ausführungen meiner Kollegin Weikert anschließen, Unterstützung auch durch Herrn Pohl erfahrend, was nicht immer der Fall ist. Nein, Herr Ländner macht einen Eiertanz, dass es lustiger nicht mehr geht. Fünf Jahre herumgeeiert, und nun führen Sie heute diesen Eiertanz mit Ihrem Beitrag fort.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dafür habe ich, das muss ich Ihnen sagen, wirklich kein Verständnis. Wenn man hier mit der Verwaltung kommt, die eine andere Auffassung hat, dann glaube

ich, die Verwaltung ist traumatisiert und hat ihre Niederlage vor Gericht bis heute noch nicht wirklich verarbeitet. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Es ist doch nicht so, dass wir den Kommunen hier irgendetwas vorschreiben. Wenn ein Verfassungsgerichtsurteil, ein höchstrichterliches Urteil, da ist, das feststellt, dass etwas rechtmäßig ist, wie die Satzung der Stadt Nürnberg oder die Satzung der Stadt München, dann ist das das eine. Natürlich kann sich jede Kommune, kann sich jeder Bürger nach dieser Rechtsprechung auch richten. Man muss nicht unbedingt eine Rechtsgrundlage dazu erfinden. Aber bei jedem Gerichtsurteil kann man sehr wohl Konsequenzen aus dem Urteil ziehen und aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtsicherheit eine Rechtsgrundlage eröffnen. Das ist doch überhaupt kein Problem. Mit dem, was die SPD und vormals auch schon wir vorgeschlagen haben, wird einfach nur diese Rechtsicherheit genau festgestellt. Dann kann jeder im Bestattungsrecht nachlesen: Die Kommunen sind ermächtigt, wenn sie es denn wollen, eine entsprechende Regelung in den Satzungen festzulegen. Das heißt, Grabsteine aus Kinderarbeit sind auf einem bestimmten Friedhof nicht zulässig. Da geht es nicht um Jeans und nicht um Kontrolle, sondern schlicht und einfach auch um Menschenrechte.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rohde, bitte schön.

Herr Präsident, wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich hören Sie erst einmal von mir ein Bekenntnis dazu, dass auch wir Liberale gegen Kinderarbeit in jeglicher Form sind. Wir haben diese Debatte schon einmal geführt. Kollege Ländner hat ausführlich vorgetragen, dass das Verfassungsgericht es den Kommunen ermöglicht, derartige Satzungen zu erlassen. Es gibt keinerlei Notwendigkeit, das Bayerische Bestattungsgesetz jetzt zu ändern.

Dann frage ich Sie, ob Ihnen die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Deutschen Steinmetze vom 8. September bekannt ist, in der sich diese zu diesem Thema äußern. Die Frage ist, ob wir das Problem überhaupt richtig adressieren. Ich stelle infrage, dass es Grabsteine aus Kinderarbeit gibt. Zumindest kann man daran zweifeln. Ich habe heute von Ihnen keinen Vortrag dazu gehört. Wenn Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger nach Indien fahren und vor Ort feststellen -

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Sie wollen es nicht, lassen Sie es gut sein!)

- Nein, ich trage Ihnen die Argumente vor. Sie müssen sich bitte schon mit der Realität auseinandersetzen, Herr Kollege Dr. Beyer. Dort wurde festgestellt, dass ein Grabstein, der etwas größer ist - Sie kennen das vielleicht von Ihrem Friedhof -, natürlich von Maschinen bearbeitet wird, dass allenfalls am Rande der Steinbrüche von Kinderarbeit gesprochen werden kann, aber nicht bei der Grabsteinherstellung, sondern vielleicht beim Schotter.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD) - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Wir sind, wie ich Ihnen am Anfang gesagt habe, gegen Kinderarbeit in jeglicher Form. Bei Grabsteinen gibt es sie aber vielleicht gar nicht. Ich komme gleich noch zu anderen Beispielen, wo es Kinderarbeit gibt.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich stelle erst einmal fest: Bisher kommt noch kein Einwand, dass Sie diese Pressemitteilung kennen. Ich zitiere nur den Bundesverband, der sich auch mit diesem Thema beschäftigt hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Rohde?

Nein, gerne eine Zwischenbemerkung am Ende, aber ich möchte erst meinen Vortrag fortsetzen, damit Sie alle meine Argumente kennen.

Die nächste Frage ist: Ist die Vorschrift denn umsetzbar? Wir sollen Grabsteine haben, die nicht aus einem Steinbruch aus den Dritte-Welt-Ländern sind und die nachweislich aus fairem Handel bezogen werden; die gibt es in der Form noch nicht. Zudem: Was geschieht denn im Falle eines Steinmetzbetriebs in Deutschland, dessen Inhaber den Betrieb von seinem Vater geerbt hat; auf dem Grundstück liegt seit Jahrzehnten ein großer Stein. Jetzt sagt die Stadt Nürnberg: Weisen Sie doch einmal nach, dass der Stein nicht mit Kinderarbeit hergestellt wurde.

(Angelika Weikert (SPD): Jetzt wird es wirklich absurd!)

Es ist einfach schwierig. Sie haben das Thema aufgebracht und müssen sich auch die anderen Argumente anhören. In der gesamten Wertschöpfungskette bei der Herstellung eines Grabsteins - so ist es in der Formulierung vorgesehen - darf keine Kinderarbeit enthalten sein. Der Stein ist zwar der Hauptbestandteil des Grabmals, aber dazu gehören auch die Schrift, das Ornament und eventuell Grabschmuck, und dann hat man mit Materialien wie Bronze, Aluminium und

Edelstahl zu tun. Dann müsste man auch für diese Produkte nachweisen, dass keine Kinderarbeit dabei im Spiel war. Ich rede nur von der Praktikabilität.

Ich habe schon zu Anfang festgestellt, dass die Kommunen selbstverständlich derartige Satzungen erlassen dürfen, und deswegen besteht keine Notwendigkeit, dass wir in Bayern da etwas tun. Bitte überlegen Sie bei Ihren Forderungen, was Sie damit von den Bürgern, und in diesem Fall von den Steinmetzen und Kommunen, verlangen und ob das realisierbar ist. Damit geht viel Bürokratie einher. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie damit hehre Ziele verfolgen. Wir alle wollen keine Kinderarbeit. Vielleicht haben Sie vor Kurzem den Bericht im Fernsehen gesehen, wie in Marokko Vanadinit und Blei gewonnen werden. Ich hoffe, dass Sie alle keinen Bleistift mehr in ihrem Büro haben. Das alles ist zu kritisieren.

Herr Pohl, wir haben uns schon darüber gestritten, ob der Welthandel es zulässt, dass wir auf Bundesebene oder auf der Ebene des Freistaates Bayern Importbeschränkungen erlassen. Das war durchaus strittig; dabei kann man zu verschiedenen Bewertungen kommen. Im Endeffekt komme ich zu dem Schluss, dass wir heute diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen müssen, weil es Zweifel gibt. Die kann man sicher ausräumen, und man kann noch einmal hinfahren.

(Harald Güller (SPD): Selbstverständlich könnte man!)

- Selbstverständlich könnte man.

(Inge Aures (SPD): Aber Sie wollen nicht!)

- Wir müssen aber nicht, und wir wollen auch nicht. Das ist auch richtig.

(Zurufe von der SPD)

Ich habe die Gründe ausgeführt: Es ist nicht notwendig, und wenn man es machen würde, wäre es kaum umsetzbar. In Ihrem Gesetzentwurf geht es eigentlich um eine Empfehlung für Kommunen. Die Empfehlung wurde bereits ausgesprochen.

(Angelika Weikert (SPD): Redezeit!)

- Meine Redezeit ist zu Ende. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Wir setzen uns mit dem Thema sehr sachlich auseinander und machen es uns wirklich nicht leicht, aber man muss immer an die Praktikabilität denken. Deswegen bitte ich darum, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege, bitte bleiben Sie am Redepult. Herr Dr. Beyer, Sie haben eine Zwischenbemerkung angemeldet, bitte.

Herr Kollege Rohde, ich hätte gerne eine Zwischenfrage gestellt, weil ich Sie damit vielleicht hätte davor bewahren können, dass Sie sich heute um Kopf und Kragen reden.

(Beifall bei der SPD)

Ich fasse zusammen: Herr Ländner bringt für die CSU die bestechende Logik vor, wir wollen das nicht in ein Gesetz schreiben, weil man das ohnehin machen darf, aber wir wollen das nicht, weil alle Kommunen irgendwann einmal schon angeschrieben wurden und weil das die SPD beantragt hat. Diese Argumentation ist zwar nicht unbedingt brillant, aber wenigstens eine nachvollziehbare taktische Haltung. Herr Rohde, aus Ihren Ausführungen habe ich dagegen herausgehört, dass Sie zwar gegen jegliche Art von Kinderarbeit sind, aber gegen diesen Gesetzentwurf, weil Sie eine "Grauzone" sehen; vielleicht könnte ein Stein, auch wenn er noch so billig ist und vom Ende der Welt kommt, doch ohne Kinderarbeit hergestellt worden sein. Das habe Ihnen der Steinmetzverband geschrieben. Sie haben gesagt, die Kinder arbeiten im Steinbruch vielleicht nur am Rande und helfen beim Schotter mit oder bei der Herstellung der Bronze, bei der Ornamentik oder aber bei der Gestaltung des Grabsteins. Lieber Herr Rohde, Kinderarbeit darf nirgendwo stattfinden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Ich bitte Sie jetzt auch in Ihrem eigenen Interesse um eine Klarstellung; denn Sie galten - das habe ich schon letzten Mittwoch gesagt - bis vor einiger Zeit auch in Mittelfranken als Sozialpolitiker. Sie sollten heute klarstellen, dass Sie nicht so verstanden werden wollten, dass Sie einem Gesetz nicht schon aus dem Grund zustimmen würden, weil es die Gefahr wegnimmt, dass irgendwo auf dieser Welt Kinder für die Herstellung billiger Grabsteine ausgebeutet werden. Das ist die Überlegung, die uns leitet.

Ich erwarte von einem Abgeordneten des Landtags, selbst wenn er der FDP angehört, dass er klarstellt, ob es ihm eine Zustimmung allein aus der Überlegung heraus wert ist, damit die Gefahr von Kinderarbeit zu beseitigen, anstatt im Zweifel zu sagen: Vielleicht haben die Steinmetze doch noch ein Geschäftsfeld. Bitte stellen Sie klar, dass Sie nicht so verstanden werden wollten, Sie wollen unserem Ansatz nicht folgen, dass wir jede Gefahr für die Heranziehung von Kinderarbeit ausschließen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Bitte, Herr Kollege Rohde.

Lieber Herr Kollege Beyer, ich habe jetzt zum wiederholten Male das Gefühl, dass Sie mich missverstehen wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Kinderarbeit in jeglicher Form an jeglichem Ort bei jeglicher Tätigkeit ist zu verurteilen.