Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

(Beifall bei der SPD)

Schwarz-Gelb geht es ausdrücklich nur darum, einen überaus beliebten und hoch angesehenen Politiker wegen dessen Kanzlerkandidatur zu beschädigen, obwohl sich Peer Steinbrück nachweislich - und das zieht niemand in Zweifel - an Recht und Gesetz gehalten hat.

Was ist davon zu halten, wenn nun insbesondere CSU- und FDP-Politiker mit großem Getöse vollständige Transparenz einfordern, die sie selbst nicht im Geringsten zu gewährleisten bereit sind? - Da kommt die moralische Entrüstung im Deckmantel der Scheinheiligkeit daher.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf an eine bemerkenswerte Plenardebatte vom 30. Juni 2005 im Deutschen Bundestag erinnern, an die Plenarrede des CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Ramsauer, der die rot-grünen Transparenzregeln für Abgeordnete mit scharfen Worten geißelte. Ich zitiere: "Sie spannen unzählige neue Fallstricke für unsere Kolleginnen und Kollegen auf, wenn dieses Regelwerk in Kraft tritt."

So vergoss Dr. Ramsauer Krokodilstränen. So viel Offenheit und Klarsicht müsse doch nicht sein, die parlamentarische Demokratie nehme Schaden und damit auch das Ansehen der Bundestagsabgeordneten.

Später fällt er mit einem bemerkenswerten Zwischenruf bei der Plenarrede des GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten Volker Beck auf: "Sie schützen alles, von der Fledermaus bis zum letzten Verbrecher! Nur die Abgeordneten nicht!"

(Heiterkeit bei der SPD)

Man achte auf den Sprachgebrauch des damaligen CSU-Landesgruppenvorsitzenden: Rot-Grün schütze Fledermäuse, Rot-Grün schütze Verbrecher, aber Rot-Grün schütze nicht die Abgeordneten gewissermaßen vor der zügellosen Neugierde der Bürger und der Medien.

Raumsauer führt daraufhin noch aus, die Folge des rot-grünen Gesetzes zur Neuregelung von Transparenz sei, "dass Abgeordnete grundrechtslose Staatsfunktionäre" würden.

Er hat damit nicht recht behalten, denn das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 4. Juli 2007 die Transparenzregeln als verfassungskonform bestätigt. In der Entscheidung heißt es, von Nebentätigkeiten wie etwa in Aufsichtsräten gingen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Abgeordneten aus, da die Annahme nicht fernliege, dass Einnahmen aus Nebentätigkeiten Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können. Das Volk habe Anspruch darauf, zu wissen, von wem und in welcher Größenordnung seine Vertreter Geld entgegennähmen. Das Interesse der Abgeordneten an einer Vertraulichkeit der Daten sei demgegenüber nachrangig.

Aber warum haben sich CDU, CSU und FDP über Jahre hinweg gegen eine Verschärfung der Transparenzregeln im Deutschen Bundestag gewehrt? Die Medien stellen einen kausalen Zusammenhang her, es reiche ein Blick auf die Liste der Bundestagsabgeordneten mit Nebeneinkünften; neun von zehn Abgeordneten im Ranking der Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften seien Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Stöttner (CSU))

Es sind in der 17. Wahlperiode 94 Abgeordnete mit Nebeneinkünften von Schwarz-Gelb über 7.000 Euro, nur 17 bei der SPD, also ein knappes Fünftel.

Ich mache mir diese Kausalität der Medien nicht zu eigen. Aber eines steht fest: Der Bundestag hat damals mit rot-grüner Mehrheit kein Teufelswerk beschlossen, sondern ein paar ganz einfache, nicht besonders weitreichende und später als verfassungskonform bestätigte Regelungen, dass nämlich Nebeneinkünfte in pauschalierter Form in mehreren Stufen veröffentlicht werden sollen.

Weit dahinter zurück - darin dürften wir schnell Einigkeit erzielen - fallen die Verhaltensregeln hier bei uns im Bayerischen Landtag. Wir Landtagsabgeordnete in Bayern müssen im Prinzip unseren Beruf oder unseren früheren Beruf angeben, Aufsichtsratsfunktionen,

vergütete ehrenamtliche Funktionen in Berufsverbänden oder vergleichbaren Organisationen - nicht viel mehr. Die Höhe von Nebeneinkünften muss nicht angegeben und deshalb auch nicht veröffentlicht werden. Sanktionen sind deshalb in der Konsequenz auch nicht vorgesehen.

Wir wollen als SPD-Fraktion heute den Antrag einbringen und einen Vorschlag für die eingesetzte interfraktionelle Arbeitsgruppe machen, dass die Mitglieder des Bayerischen Landtags künftig ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssen, und zwar bis auf jeden Euro und Cent.

(Beifall bei der SPD)

Offengelegt werden müssen die Art der Nebentätigkeit, die Höhe des Honorars sowie der Name des Auftraggebers oder des Vertragspartners, für den der Abgeordnete tätig geworden ist. Wenn ein Parlamentarier Nebeneinkünfte verschweigt, soll der Betrag in gleicher Höhe von der Diät abgezogen werden.

Damit an dieser Stelle kein Missverständnis entsteht, sage ich: Dass Abgeordnete Nebentätigkeiten wahrnehmen dürfen, wurde vom Bundesverfassungsgericht schon 1975 bestätigt. Nebeneinkünfte sind auch nichts Verwerfliches, wenn gewährleistet ist, dass im Zusammenhang keine Abhängigkeiten entstehen, und wenn feststeht, dass im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Abgeordneten die Ausübung des Mandats zu stehen hat.

(Georg Schmid (CSU): Das entscheidet nicht die SPD!)

Niemand will die Nebentätigkeit von Abgeordneten als Freiberufler, Unternehmer oder im Rahmen von Autorenverträgen infrage stellen. Nebentätigkeiten sind nichts Anrüchiges und müssen gerade deshalb nicht verheimlicht werden. Wir sagen auch, dass die schutzwürdigen Interessen Dritter gewahrt werden sollen. Soweit gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Verschwiegenheitspflichten bestehen, muss der Abgeordnete über den Vertragspartner keine Angaben machen. Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht etwa den gläsernen Abgeordneten, von dem so häufig die Rede ist. Unsere Vorschläge bedeuten nicht, dass Abgeordnete etwa ihre Steuererklärung ins Netz stellen müssen, möglicherweise mit der Offenlegung der Einkünfte der steuerlich gemeinsam veranlagten Ehefrau oder des Ehemannes. Unsere Vorschläge bedeuten nicht, dass der Lottogewinn vom Wochenende in Höhe von 27,48 Euro oder die Erbschaft des Reihenhäuschens der Schwiegermutter offengelegt werden müssen.

(Georg Schmid (CSU): Wenn, dann alles!)

Wir wollen keinen Abgeordneten, der sich bis auf die Haut nackt machen muss. Die Bürger sollen sich aber ein Urteil darüber bilden können, ob Abgeordnete möglicherweise von Dritten finanziell abhängig sind oder ob gegebenenfalls Interessenkonflikte bestehen. Wir Abgeordneten müssen schlicht zur Kenntnis nehmen, dass die Anforderungen an unsere Tätigkeit heute anders sind als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Das besagt auch eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact: 90 % der Befragten verlangen von den Parteien und Politikern mehr Transparenz. Die Abgeordneten haben nichts zu verbergen und nichts zu verstecken. Im Übrigen: Zwei Drittel aller Abgeordneten im Deutschen Bundestag haben keinen Cent Nebeneinkünfte.

Deshalb appelliere ich an uns alle: Lassen Sie uns saubere und nachvollziehbare Regelungen treffen. Uns als SPD-Fraktion ist es wichtig, dass wir diese Gespräche nicht nur in Kommissionen hinter verschlossenen Türen führen; denn die Bürgerinnen und Bürger sollen durchaus wissen, wer zu Beginn dieser Gespräche welche Positionen vertritt und welche Kompromisse am Ende dabei herauskommen. Unser vorliegender konkreter Vorschlag bietet eine gute Basis für mehr Transparenz im Bayerischen Landtag.

Ich schließe mit einem eindrucksvollen Zitat: Wer Transparenz von anderen, etwa von den Banken, einfordert, muss sich daran messen lassen und darf sich auch nicht wundern, wenn sie von ihm persönlich eingefordert wird. Wie wahr. Wer wollte ihm widersprechen? Horst Seehofer am 2. Oktober 2012.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Weidenbusch hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Herr Kollege Rinderspacher, ich habe persönlich nichts dagegen, wenn Sie erfahren, wie das mit Einkünften bei mir ist. Ich habe aber nicht verstanden, was Sie wissen wollen. Wollen Sie wissen, wie viele Einnahmen aus Honoraren ich habe? Dann müsste ich Ihnen sagen, ich hatte, bevor ich in den Bayerischen Landtag gekommen bin, ca. 300.000 Euro und, seitdem ich im Bayerischen Landtag bin, 300.000 Euro an Einnahmen im Jahr. Oder wollen Sie wissen, wie sehr die Einnahmen die Ausgaben übersteigen? Darauf würde ich Ihnen nicht antworten wollen. Ich möchte herausfinden, worauf Sie eigentlich abzielen.

Wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich von meiner Sozietät den Betrag erhalte, der übriggeblieben ist,

könnten Sie damit nichts anfangen. Sollten wir nicht einmal darüber reden, wie abhängig jemand von seinem Mandat ist, weil er vorher ganz andere wirtschaftliche Verhältnisse hatte, als er sie jetzt im Landtag hat? Ein solcher Abgeordneter steht in einer ganz anderen Abhängigkeit von seiner Fraktion als jemand, der nach wie vor so viel erwirtschaftet, dass er tun kann, was er mag. Das fehlt mir in Ihrem Dringlichkeitsantrag. Sind Sie bereit, hinzunehmen, dass wir nicht sagen: Das, was Sie hier vorlegen, gehört gleich so gemacht? Wir müssten zunächst in der zuständigen Kommission seriös darüber reden.

Herr Weidenbusch, ich möchte zuerst zum letzten Punkt etwas sagen. Heute kam die Kritik auf, dass die SPD dieses Thema zuerst im Plenarsaal des Bayerischen Landtags behandeln will. Man habe doch besprochen, dass dieses Thema in der interfraktionellen Arbeitsgruppe behandelt werden sollte. Dies sei ein faires Vorgehen. Ich möchte zunächst einmal kurz festhalten, dass wir viele interfraktionelle Arbeitsgruppen auf den Weg gebracht haben, nämlich die Energiekommission, die Kinderkommission, die Arbeitsgruppe Inklusion und die Landesbank-Begleitkommission. Es war nie mit einem Verbot verbunden, über diese Themen im Plenarsaal zu sprechen.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Das ist eine Stilfrage! Es geht um eine Sache der Abgeordneten! Sie sollten sich an den Beschluss halten und sagen: Das gehört in die interfraktionelle Arbeitsgruppe! - Harald Güller (SPD): Wer hat das im Ältestenrat abgelehnt? Das wart ihr!)

- Herr Kollege Schmid, ich habe ausdrücklich formuliert, dass dies unser Vorschlag für die interfraktionelle Arbeitsgruppe ist. Ich finde es nicht schlecht, wenn bereits einige Eckpunkte vorliegen, da es auch in Ihren Reihen Abgeordnete gibt, die sich konkret Gedanken darüber machen, ob man noch aus der Zeit drei Jahre vor Beginn des Mandats bestimmte Dinge offenlegen muss.

(Georg Schmid (CSU): Das ist doch ein ganz anderer Anlass. Sie wollen doch eine Show veranstalten!)

Wenn wir eine solche Arbeitsgruppe bilden, schließt das doch nicht aus, dass wir hier im Plenarsaal in großer Transparenz über diese Themen sprechen. Noch einmal: Wir tun dies in der Energiepolitik, in der Kinderpolitik, der Landespolitik und bei der Inklusion. Das schließt nicht aus, dass wir die künftigen Transparenzregeln im Bayerischen Landtag transparent gegenüber der bayerischen Öffentlichkeit diskutieren.

Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich daran halten, was uns die Landtagspräsidentin per Pressemitteilung auf den Weg gegeben hat. Sie fordert uns nämlich auf, Selbstbewusstsein zu zeigen. Jetzt frage ich Sie: Ist es selbstbewusst, in einer Kommission hinter verschlossenen Türen am Ende der SPD irgendeinen Kompromiss abzuringen? Oder ist es selbstbewusst, hier im bayerischen Parlament - wie das die Landtagspräsidentin eingefordert hat - über dieses Thema zu diskutieren? Frau Stamm hat formuliert: Das Parlament müsse sich der Diskussion um die Nebentätigkeiten stellen. Das tun wir hier und heute in großer Ruhe und Sorgfalt. So erwarten wir dies auch in den nächsten Wochen und Monaten in der Kommission.

(Beifall bei der SPD - Margarete Bause (GRÜ- NE): Die schon sehr lange nicht mehr getagt hat!)

Bevor ich Frau Kollegin Gottstein das Wort erteile, möchte ich zur Geschäftsordnung darauf hinweisen, dass es die interfraktionelle Arbeitsgruppe bereits gibt. Sie muss nicht neu installiert werden. In dieser Arbeitsgruppe werden alle Fragen des Abgeordnetenrechts vorberaten und dann entsprechend hier verhandelt. Bitte, Frau Kollegin Gottstein.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Den FREIEN WÄHLERN war klar, dass das Problem der fehlenden Transparenz bei Abgeordneten-Nebentätigkeiten heute in irgendeiner Form zum Thema gemacht werden würde. Wir begrüßen das und finden dies gut, nachdem dieses Problem durch unsere Präsidentin auch für den Bayerischen Landtag in der Öffentlichkeit thematisiert worden ist. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es hier eine Klüngelei gibt und wir uns vielleicht schützen wollten. Deswegen ist es zu begrüßen, dass dieses Thema öffentlich diskutiert wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Anscheinend ist nicht allen klar, dass die Fraktionen der CSU, der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN während ihrer Regierungsbeteiligung im Bund Jahre und jahrzehntelang Zeit gehabt hätten, für mehr Transparenz zu sorgen. Das bedauern wir.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Ernst Wei- denbusch (CSU): Sie hätten die Zeit doch auch nützen können!)

- Die FREIEN WÄHLER waren noch nicht im Bundestag. Wir streben das aber an. Deswegen kann man uns diesen Vorwurf nicht machen.

(Jörg Rohde (FDP): Aber im Landtag habt ihr auch nichts gemacht! - Dr. Florian Herrmann (CSU): Jeder kann alles veröffentlichen, was er will!)

Wir haben unseren Dringlichkeitsantrag sehr offen formuliert. Wir wollen ganz klar herausstellen, dass Nebentätigkeiten von Abgeordneten, egal in welchem Parlament, erlaubt sein müssen. Wir halten sie für notwendig, damit nicht nur Beamte hier sitzen. Sie wissen, dass ich selbst eine Beamtin bin; aber ich denke, es muss auch andere Abgeordnete geben. Es sollte absolut auch mehr Nicht-Beamte im Parlament geben. Das geht nur, wenn die Leute die Möglichkeit haben, wieder in ihren früheren Beruf zurückzukehren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Mit diesem Dringlichkeitsantrag wollen wir herausstellen, dass es aus diesem Grunde nötig ist, dass Nebentätigkeiten ausgeübt werden können. Der Wähler kann sehr wohl feststellen, ob darunter das Mandat leidet oder nicht. Der Wähler sieht sehr wohl, was einer im Mandat schafft und was er nebenher tut. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es Leute gibt, die zwei, drei, vier oder fünf Jahre lang 150 % arbeiten können und wollen, während andere dies nicht können. Das muss nach wie vor dem einzelnen Abgeordneten freigestellt sein. Eine praktizierte Nebentätigkeit bringt auch eine gewisse Praxis in dieses Haus. Wir haben in diesem Haus viel zu viel Ministerialbürokratie, wir haben viel zu viele Grüne-Tisch-Denker hier. Da ist das absolut ein Gegenmittel, damit auch hier Praxisnähe herrscht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der FDP - Dr. Otto Bertermann (FDP): Bravo!)

Aber diese Diskussion, die in der Öffentlichkeit sehr schnell zur Kenntnis genommen wurde, zeigt ganz klar: Der Bürger erwartet, dass die Nebentätigkeit, dass unsere ganze politische Tätigkeit transparent ist. Wir müssen Abhängigkeiten erkennen dürfen, wir müssen Interessenskonflikte erkennen dürfen. Letztendlich ist vielleicht auch die Größenordnung ganz interessant.