Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

Der Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den federführenden Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit überwiesen werden. Gibt es hinsichtlich des Zuweisungsvorschlags noch Änderungswünsche? − Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Beschlussfassung über die Zuweisung. Wer mit der Überweisung an den zur Federführung vorgeschlagenen Ausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. − Die Gegenprobe. − Enthaltungen? − Dann ist einstimmig so beschlossen. Der Gesetzentwurf wird damit dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit zur Federführung zugewiesen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Alexander Muthmann u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) über den Ladenschluss im Freistaat Bayern (Bayerisches Ladenschlussgesetz) (Drs. 16/14672) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erster Redner ist der Kollege Alexander Muthmann von den FREIEN WÄHLERN. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Seite einen guten Morgen! Nach dem bekannten Thema Studienbeiträge kommt jetzt unsere Vorlage eines neuen Ladenschlussgesetzes. Ich möchte nur drei generelle Überlegungen vortragen und anschließend den Gesetzentwurf begründen.

Erstens. Bürokratieabbau ist ein sehr gutes Konjunkturprogramm.

Zweitens. Eine wichtige Aufgabe ist es, in einem Rechtsstaat für Rechtsklarheit zu sorgen, damit alle Beteiligten und Betroffenen in bestimmten Lebenslagen wissen, woran sie sind, wie die Rechtslage ist,

und damit sie sich auch darauf verlassen können, dass sich alle an die Spielregeln halten.

Drittens. Unsere Aufgabe ist es auch, das Recht an die Lebenswirklichkeit anzupassen und zu gewährleisten, dass sich die Akteure im Wirtschaftsleben unter vernünftigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich betätigen können.

Gestern hat Präsident Traublinger anlässlich der Eröffnung der Messe "Heim & Handwerk" seine Sorge darüber zum Ausdruck gebracht, dass Reformanstrengungen im wahltaktischen Handlungsfrost stecken bleiben. Beim Ladenschluss ist diese Sorge nicht berechtigt. Hier haben wir die Sorge, dass die Äußerung des Ministerpräsidenten, mit ihm seien Veränderungen beim Ladenschlussrecht nicht zu machen, schon seit Jahren zur Stagnation und zur Lähmung auf dem Gebiet des Ladenschlusses führt, obwohl wir beste Gründe haben, angesichts der Entwicklung der letzten Jahre Veränderungen vorzunehmen und das Recht anzupassen. Deswegen legen wir auch dieses Gesetz vor.

Ich will zunächst in besonderer Weise auf den Aspekt der Anpassung des Rechts an die Lebenswirklichkeit eingehen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Kollege Stöttner anwesend ist, weil es bei diesem Gesetzentwurf in erster Linie um die Tourismusförderung durch das Ladenschlussrecht geht. Kollege Stöttner unterstreicht für die CSU immer zu Recht die Bedeutung des Tourismus für Bayern. Wenn wir aber Erleichterungen anbieten und den Unternehmern in den touristisch geprägten Regionen, wo sie vom Tourismus leben und wo die Urlauber entsprechende Angebote erwarten, die Chance eröffnen, mit dem Ladenschlussrecht Verbesserungen zu schaffen, dann ist Kollege Stöttner nicht da. Wir haben immerhin noch die Möglichkeit, uns im Rahmen der Ausschussberatungen und in den weiteren Lesungen mit diesem Thema auseinanderzusetzen und die notwendige Unterstützung einzuholen.

Was haben wir beim Ladenschlussrecht bislang zu verzeichnen und zu beobachten? Wir haben ein Bundesgesetz, das auch den Unternehmern in touristischen Hochburgen die Möglichkeit eröffnet, an 40 Sonntagen im Jahr eine bestimmte Produktpalette anzubieten. Dazu gehören ein bisschen Milch, ein paar Devotionalien und insbesondere enumerativ aufgezählte Produkte. Dieses Gesetz stammt aus dem letzten Jahrhundert.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Jahrtausend!)

- Auch Jahrtausend, lieber Kollege Streibl! Dieses Recht führt dazu, dass die Vollzugsbehörden bei Beschwerden einschreiten müssen und den Verkauf an

derer als der im Gesetz aufgeführten Produkte nicht mehr zulassen. Das versteht kein Mensch. Das verstehen die Unternehmer in diesen Regionen nicht. Das verstehen auch die Urlauber nicht. Sie können im Tegernseer Tal zwar eine Lederhose aus dem Tegernseer Tal kaufen, sie können aber keine andere typisch bayerische Tracht, beispielsweise aus dem Allgäu, lieber Kollege Rotter, kaufen. Das können wir doch nicht so lassen. Hier wollen wir eine gewisse Liberalisierung erreichen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP))

Die touristischen Hochburgen kennen wir. Wir haben sie schon aufgezählt. Wenn die Unternehmer ihren Umsatz im Wesentlichen oder überwiegend bei Touristen generieren, müssen sie auch die Gesamtpalette in ihrem Laden anbieten und verkaufen können. Damit unterstützen wir die touristischen Regionen, und damit unterstützen wir die Läden und Betriebe, die ohnehin geöffnet haben. Deswegen ist auch die Sorge unberechtigt, dass wir den Beschäftigten dieser Betriebe irgendwelche zusätzlichen Arbeitsbelastungen auferlegen. Das ist mitnichten der Fall. Es geht nur um einen vernünftigen Betrieb mit Hilfe und Unterstützung durch die Arbeitnehmer, die ohnehin da sind. Die Läden können dann, wenn Sie unserem Vorschlag folgen, ihre gesamte Produktpalette, also alles, was sie in ihrem Laden vorrätig haben, unter den genannten Voraussetzungen verkaufen. Wir meinen, dass das nichts Neues ist und bei den Arbeitnehmern zu keinen zusätzlichen Belastungen führen würde. Damit wird die Rechtslage lediglich der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen der touristischen Regionen und der dort tätigen wirtschaftlichen Akteure angepasst.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ein zweiter Aspekt, weshalb Bürokratieabbau das beste Konjunkturprogramm ist.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

- So viel Beifall von der FDP, Kollege Bertermann, ist selten, aber an dieser Stelle sehr berechtigt. Sie müssen nur nachher bei der Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf den Beifall in Zustimmung umsetzen. Dann sind wir beieinander, und dann sind auch Sie auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Wenn der Gesetzentwurf vernünftig wäre, würden wir das auch tun!)

Ein zweiter Aspekt. Bürokratieabbau war das Stichwort. Wir schlagen Ihnen auch Verbesserungen beim Eventshopping vor. Das haben wir schon einmal vorgeschlagen. Ich hoffe, dass Sie uns jetzt die Gefolgschaft nicht mehr verweigern. Das Thema ist relativ aufwendig beschrieben. Wir wollen hier nicht die Möglichkeiten der Unternehmen ausweiten. Wir wollen nur Vereinfachungen, um das Recht besser durchsetzen und realisieren zu können. Dazu kann ich auf die Debatte von vor etwa eineinhalb Jahren verweisen.

Der letzte Aspekt, der die Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen immer wieder beschäftigt hat, ist der Warenverkauf an Tankstellen. Was ist da möglich? Hier haben wir versucht, das Bundesrecht anders zu interpretieren. Das hat zu einem Aufschrei geführt und das Gefühl verursacht, hier bestünden vielerlei Ungerechtigkeiten und das Ladenschlussgesetz sei eigentlich gar nicht richtig vollziehbar. Wer ist denn Reisender? Wie schaut es mit Radfahrern und Fußgängern an Tankstellen aus? Kann man die Autofahrer differenzieren nach solchen, die auf der Reise sind, und nach anderen Autofahrern? Dann gab es Vereinbarungen, Abstimmungen und Erklärungen zum Alkoholverkaufsverbot. Einzelne haben erklärt, sie würden sich an bestimmte Vereinbarungen halten, andere haben von vornherein gesagt, dass sie das nicht mitmachen können. Die aktuellen Diskussionen sind völlig unklar und nicht nachvollziehbar. Wir wollen eine Klarstellung.

Erstens. Das Sortiment an Tankstellen soll an jedermann abgegeben werden können, unabhängig davon, ob es sich um einen Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger handelt. Man kann hier gar nicht vernünftig differenzieren.

Zweitens. Wir wollen aus guten Gründen ein Alkoholverkaufsverbot zwischen 22.00 und 6.00 Uhr gesetzlich festschreiben. Ich verweise hier auf Erfahrungen aus Baden-Württemberg. Dort ist es gelungen, die Zahl der nächtens verübten Delikte zu reduzieren. Existenzielle Gefährdungen der Tankstellen können damit aber auch nicht begründet oder belegt werden. Wir wollen eine klare und verantwortungsvolle Rechtslage. Dass der Alkoholmissbrauch gerade über den Verkauf an Tankstellen unterstützt wurde, ist aus den Erfahrungen und Beobachtungen der bayerischen und der baden-württembergischen Polizei klar zu belegen.

Im Übrigen handelt es sich bei unseren Vorschlägen um maßvolle Anpassungen, um eine verlässliche Rechtslage zu erreichen. Eine Ausweitung des Ladenschlusses an sich ist mit den FREIEN WÄHLERN nach wie vor nicht zu machen.

(Beifall des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Angesichts der Gesamtsituation, die wir in Bayern beobachten, ist sie auch nicht veranlasst. In diesem Sinne erbitte ich Ihre Unterstützung für den von uns vorgelegten Gesetzentwurf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Gudrun Brendel-Fischer von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns in der CSU-Landtagsfraktion besteht aktuell eigentlich keine große Veranlassung für eine Änderung beim Ladenschluss. Momentan gilt im Freistaat das Ladenschlussgesetz des Bundes, das im Übrigen nicht, wie es in Ihrem Gesetzentwurf heißt, seit 1956 besteht, sondern das zuletzt im Jahr 2003 modifiziert wurde.

Dieses Gesetz gewährt unserer Meinung nach sowohl den Einheimischen als auch den Gästen genügend Freiraum, um ihre Einkäufe zu tätigen und ihr Geld loszuwerden. Für die Kommunen ist es auch nicht, wie ausgeführt wurde, mit einem sehr hohen bürokratischen Aufwand verbunden, verkaufsoffene Sonntage, Messen, Märkte oder Shopping-Abende durchzuführen. Unserer Meinung nach ist die Vorgabe okay, dass für Märkte und Messen entsprechende Anlassbezüge herzustellen sind.

Zusammengezählt gab es in Bayern 2009 über 2.000 verkaufsoffene Sonntage. Die meisten Städte nutzen diese Möglichkeit nicht einmal in vollem Umfang. Sie könnten vier dieser verkaufsoffenen Sonntage veranstalten, beschränken sich aber auf eine geringere Zahl. Die Höchstzahl vier wird eher von kleineren Städten ausgenutzt, während sich Großstädte wie München und Nürnberg mit weniger begnügen.

Wir halten die aktuelle Tankstellen-Regelung für akzeptabel. Auch die Variante, die momentan gilt, ist unserer Meinung nach in Ordnung.

Natürlich spielen die Ladenöffnungszeiten in touristischen Regionen keine unbedeutende Rolle. Da haben Sie absolut recht. Wir sind der Meinung und erleben das auch, dass es im Großteil der Tourismusorte gut klappt. Aktuell ergeben sich im bayerischen Seengebiet einige Fragen. Hier muss man genauer hinsehen und die Debatten in den Ausschüssen abwarten. Es stellt sich die Frage, ob ich den Bergschuh, den ich immer und überall kaufen kann, ausdrücklich auch am

Sonntag muss kaufen können. Hier müssen wir uns die genaue Touristik-Einschätzung näher anschauen.

Für die Personenbahnhöfe besteht ebenfalls eine moderate Lösung. Jeder Reisende oder Nichtreisende kann sich dort mit den entsprechenden Produkten versorgen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht zuletzt in einem Urteil vom Dezember 2009 ganz deutlich eine Art Grundrecht auf den arbeitsfreien Sonntag herausgestellt hat. Unserer Meinung nach sollte der Sonntagsschutz nicht bedingungslos kommerziellen Interessen geopfert werden. Darauf müssen wir in einer werteorientierten Gesellschaft sehr stark achten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ohnehin arbeiten mittlerweile am Sonntag weitaus mehr Menschen als früher. Denken wir nur an die Vielzahl der Beschäftigten in Krankenhäusern und in der Pflege. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird hier künftig eine weitere Zunahme zu vermelden sein.

(Tobias Thalhammer (FDP): Internetzeitalter!)

Nicht zuletzt denken wir an das Verkaufspersonal im Einzelhandel und in den großen Filialen. Bereits jetzt stehen viele Beschäftigte zu Zeiten hinter der Theke oder sitzen an der Kasse, in denen andere noch im Bett liegen oder bereits die Freizeit genießen, im Kino oder im Theater sitzen. Wir streben deshalb keine großartigen Änderungen durch eine Ausweitung an. Das wollen auch die FREIEN WÄHLER mit ihrem Gesetzentwurf nicht. Das möchte ich ausdrücklich betonen.

Fakt ist, dass sich durch eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten die Summe des Geldes, das die Konsumenten und die Bevölkerung zur Verfügung haben, nicht entsprechend vergrößern würde. Das Geld kann sicherlich bei den jetzigen Ladenöffnungszeiten genauso ausgegeben werden. Ich erwarte mit Spannung die Debatte in den Ausschüssen. Sie wird sicherlich sehr interessant. Ich darf dazu viel Freude und einen guten Austausch wünschen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächste hat Frau Kollegin Annette Karl von der SPD das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die durchaus chaotischen Vorgänge vom 4. Mai im Zusammenhang mit der Bekannt

machung des Ministeriums für Arbeit und Soziales, die sich um die Frage gerankt haben, wer sich nun eigentlich nachts ein Bier oder eine Semmel kaufen darf, haben gezeigt, dass es sehr wohl eine große Notwendigkeit für ein eigenes Ladenschlussgesetz in Bayern gibt, um ein für allemal klare Regelungen zu schaffen.

Die SPD ist bereits seit dem Jahr 2010 unterwegs zu einem neuen Ladenschlussgesetz. Leider ist unser Gesetzentwurf damals genauso abgelehnt worden wie der erste Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER stößt bei der SPD-Fraktion auf große Sympathie. Das liegt auch daran, dass er dem unseren von damals sehr ähnelt. Anstatt, wie es vonseiten der Staatsregierung geschieht, ständig neue, untaugliche Versuche zu unternehmen, das Bundesgesetz an die bayerischen Bedürfnisse anzupassen, wird in diesem Gesetzentwurf der verdienstvolle Versuch gemacht, klare Regelungen für den Alkoholverkauf zu schaffen, die Situation an Reisebus-Terminals klarzustellen und eine korrekte Regelung für die Tourismusregionen zu schaffen.

Die SPD-Fraktion verficht seit Langem ein klares Alkoholverkaufsverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr. Dies ist sicher kein Allheilmittel gegen Alkoholmissbrauch, aber ein sehr wichtiger Baustein der Prävention.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas schwieriger ist der Artikel 14 im vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung von zwei zusätzlichen Event-Abenden. Der dahinterstehende Impetus, die Durchführung verkaufsoffener Abende für die Kommunen zu entbürokratisieren, ist sinnvoll und richtig. Die Fragen, die es zu stellen gilt, lauten: Werden die Interessen der Beschäftigten dadurch unangemessen beeinträchtigt? Wird es durch die Vereinfachung des Verfahrens eine Ausweitung der Zahl der Event-Abende geben, ja oder nein? Werden sich die Kommunen nach der angenommenen Logik verhalten, wenn es so einfach ist, einen Event-Abend durchzuführen, und sie nicht mehr hundert Papiere ausfüllen und sich 25 müßige Gründe dafür einfallen lassen müssen? Werden die Kommunen alle Möglichkeiten nutzen, sodass es zu einem massiven Aufwuchs dieser Abende kommen wird?