Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

Liebe Kolleginnen und Kollegen, etwas schwieriger ist der Artikel 14 im vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung von zwei zusätzlichen Event-Abenden. Der dahinterstehende Impetus, die Durchführung verkaufsoffener Abende für die Kommunen zu entbürokratisieren, ist sinnvoll und richtig. Die Fragen, die es zu stellen gilt, lauten: Werden die Interessen der Beschäftigten dadurch unangemessen beeinträchtigt? Wird es durch die Vereinfachung des Verfahrens eine Ausweitung der Zahl der Event-Abende geben, ja oder nein? Werden sich die Kommunen nach der angenommenen Logik verhalten, wenn es so einfach ist, einen Event-Abend durchzuführen, und sie nicht mehr hundert Papiere ausfüllen und sich 25 müßige Gründe dafür einfallen lassen müssen? Werden die Kommunen alle Möglichkeiten nutzen, sodass es zu einem massiven Aufwuchs dieser Abende kommen wird?

In den weiteren Beratungen über diesen Gesetzentwurf werden wir diese Fragen vertiefen. Für die SPDFraktion kündige ich an, dass wir keiner Regelung und keinem Gesetzentwurf zustimmen werden, die unangemessene Verschlechterungen der Situation der Beschäftigten bewirken würden. In diesem Sinne freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Martin Runge vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FREIEN WÄHLER haben mit ihrem Gesetzentwurf berechtiger- und richtigerweise den Finger in eine offene Wunde gelegt. Auch wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Aber, Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN − das gilt auch für die Kollegin der SPD −, das Rezept und die angeratene Operation sind zumindest nicht durchgehend die richtigen Maßnahmen. Wir haben im Gesetz allgemeine Ladenöffnungszeiten festgesetzt und Ausnahmen vorgesehen. In Bayern greift noch das Ladenschlussgesetz des Bundes. Aber es ist egal, ob es ein Ladenschlussgesetz des Bundes oder der Länder ist. Es geht um die Festsetzung der allgemeinen Ladenöffnungszeiten.

Zu den Ausnahmen gibt es eine höchstrichterliche Rechtsprechung in einer fein ziselierten Abwägung. Abgewogen werden zum einen die Berufsfreiheit, zum anderen das Interesse am Erhalt der Mobilität auch zu Zeiten, die nicht innerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten liegen, drittens der Schutz von Beschäftigten und viertens die Wettbewerbsneutralität. Das ist sehr wichtig.

Der Gesetzentwurf fordert, Tankstellen sollten außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten an jedermann und jede Frau verkaufen dürfen. Das ist in unseren Augen schwer haltbar. Das Gleiche soll nach dem Gesetzentwurf für Verkaufsstellen an Bahnhöfen gelten, aber wiederum nicht an Flughäfen. Diese Differenzierung werden Sie rechtlich nicht durchbringen. Es gibt folgende weitere Differenzierung: Sie sagen, an der Tankstelle solle zudem zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr Alkohol verkauft werden dürfen, danach an jedermann und jede Frau nur noch alkoholfreie Waren. Überlegen Sie sich: Der Lebensmitteleinzelhändler oder der Getränkemarkt, der nahe an der Tankstelle liegt, darf ab 20.00 Uhr gar nichts mehr verkaufen, die Tankstelle aber an jedermann. Entweder Sie liberalisieren den Verkauf in größerem Stil, oder Sie fassen die Ausnahmen gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehr eng, und zwar sowohl in Bezug auf das Sortiment als auch auf die Kundschaft. Diese Ausführungen, die ich eben in dieser begrenzten Zeit zur Wettbewerbsneutralität gemacht habe, gelten analog für den Verkauf in Tourismusgemeinden.

Wir treten dann in die Beratungen ein und werden sehen, ob wir gemeinsam eine Lösung finden. Aber viel spannender ist für uns eigentlich der Anlass für

den Gesetzentwurf, der heute von den FREIEN WÄHLERN eingebracht wurde. Der Anlass war, dass die Sozialministerin Bayerns Vollzugshinweise veröffentlicht hat, die zwar etwas sperrig geklungen haben, aber im Verhältnis 1 : 1 das wiedergegeben haben, was das einschlägige Gesetz und die einschlägige Rechtsprechung verlangen. Es gab also diese Differenzierung von privilegierten Reisenden auf der einen Seite und nichtprivilegierten Nichtreisenden auf der anderen Seite. Interessant war das Sortiment, nämlich zwei Liter Bier, ein Liter Wein, 0,1 Liter Likör oder Schnaps pro Kopf und weitere Artikel. Es war also spannend zu lesen, welche Artikel dieses Sortiment enthielt.

Es gab einen empörten Aufschrei. Und was macht unser Ministerpräsident in der ihm eigenen unnachahmlichen Art und Weise? Er kassiert diesen Vorschlag einfach, führt seine Ministerin vor und sagt: So etwas machen wir in Bayern nicht. Wir suchen nach einer bayerisch-lebensnahen Lösung. Dann ging es weiter: Es gab mit einem Teil der Tankstellenverbände freiwillige Vereinbarungen. Da hieß es plötzlich: Diejenigen, die sich verpflichten, ab 22.00 Uhr keinen Sprit mehr zu verkaufen − ich meine nicht Benzin, sondern Sprit zum Trinken −, werden dann weniger häufig kontrolliert. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das alles überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN - Beifall des Abgeord- neten Dr. Günther Beckstein (CSU))

- Herr Beckstein, danke für den Beifall. Hier wird nach dem Motto verfahren: Was scheren uns Recht und Gesetz?

Gründe dafür, dass Sie hier in der Koalition nicht weiterkommen, sind der Streit und die unterschiedlichen Auffassungen. Auf der einen Seite ist der Koalitionspartner liberalisierungswütig. Auf der anderen Seite erinnern Sie sich, Herr Beckstein, sicher noch an das Abstimmungspatt in der letzten Saison, als es großartige Ankündigungen gab. Wie schnell sollte doch liberalisiert werden! Dann gab es in der Fraktion halt keine Mehrheiten, sondern ein Patt. Da müssen Sie sich jetzt zurechtfinden. Auf jedem Fall ist es angebracht, hier für eine Lösung zu sorgen, die Recht und Gesetz entspricht.

Letzter Satz, und damit bin ich wieder bei den Differenzen in der Koalition: Herr Thalhammer, wir waren vor der Verhandlung mit den Verbänden abends gemeinsam beim "Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur". Dort haben Sie gesagt, Sie müssten schnell weggehen, weil Sie bei den Verhandlungen mit den Tankstellenbetreibern Verhandlungsführer seien.

(Tobias Thalhammer (FDP): Und ich war erfolgreich!)

Sie haben sich mit dem Satz verabschiedet:

(Tobias Thalhammer (FDP): Auf Wiedersehen!)

- Nein, Sie sagten nicht "Auf Wiedersehen", sondern den Satz: Ich werde der Frau Haderthauer jetzt ganz kräftig auf die Finger hauen.

(Tobias Thalhammer (FDP): Erfolgreich! Danke für das Lob!)

So haben Sie sich dort verabschiedet. Also: Viel Spaß beim Auf-die-Finger-hauen, Herr Thalhammer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat nun Herr Kollege Dietrich Freiherr von Gumppenberg das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe FREIE WÄHLER, mir fällt da eigentlich nur ein: Guten Morgen, Sie sind auch in der Realität angekommen. Erstens kann ich feststellen, dass es seitens der SPD, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN durchaus das Bewusstsein der Notwendigkeit gibt, ein neues Ladenschlussgesetz zu formulieren. Allerdings ist die Basis, auf der Sie das machen wollen, sicher nicht mit der Basis der FDP identisch. Seit ich liberal denken kann − das ist schon relativ lange −, überlegen wir, in welcher Form wir in diesem Lande ein vernünftiges Ladenschlussgesetz einführen können, das es bisher nicht gibt.

Liebe Freunde, worum geht es eigentlich? - Es geht darum, dass wir in einer Zeit leben − Sie haben das offensichtlich nicht registriert −, in der das Internet, das Web die Welt kontrolliert. Das trägt im Wesentlichen dazu bei, dass der Konsum auf eine ganz andere Art und Weise als früher stattfindet und dass der Konsument im Grunde heute nicht mehr zwingend in den Laden gehen muss, um einzukaufen, sondern 24 Stunden lang am Tag konsumieren kann. Das heißt, der Konsument kann die Ware bestellen und bekommt sie geliefert. Dies fehlt dem Handwerk und dem Handel. Da gibt es bei Herrn Traublinger und Ihnen, liebe FREIE WÄHLER, antiquierte Vorstellungen, die mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun haben. Das steht für mich außer jeder Frage.

Es ist sicherlich richtig, was die SPD zu den Arbeitnehmern sagt.

(Volkmar Halbleib (SPD): 24 Stunden öffnen − Samstag, Sonntag −, das ist Ihre Meinung! - Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Verehrter Kollege, wir wollen an keinem Sonntag in irgendeiner Form öffnen. Wir haben uns im Hinblick auf die gegenwärtige Situation konkret Gedanken gemacht, wie wir ein Ladenschlussgesetz auf den Weg bringen können, das den Bedürfnissen der Bürger Rechnung trägt und der Modernität dieses Staates entspricht. Wir haben alle Punkte angesprochen: den Handel, den Tourismus und Tankstellen, etwa am Königssee. Was wir hier vorliegen haben, ist antiquiert. Wir haben nämlich ein Ladenschlussgesetz des Bundes, aber kein eigenes bayerisches Ladenschlussgesetz, meine Freunde.

(Unruhe − Glocke des Präsidenten)

Ich bin zuversichtlich, dass diese Einsicht auch bei der CSU greifen und sich die Vernunft auch innerhalb der CSU der Modernität eines vernünftigen Ladenschlussgesetzes öffnen wird. Es geht doch nicht darum, allem Tür und Tor zu öffnen und die Geschäfte 24 Stunden offenzuhalten.

(Zuruf von der CSU)

Wir werden in dieser Frage diskriminiert. Es geht um die ganz wesentliche Frage: Geht Bayern, das modernste Land in dieser Republik, einen Weg, der dieser Modernität entspricht? Gehen wir einen Weg, der den Menschen die Freiheit gibt, dann zu handeln, einzukaufen und zu konsumieren, wenn sie es für richtig erachten, aber nicht, wenn es ihnen der Gesetzgeber vorschreibt! Darum geht es, meine Freunde.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Mir ist unverständlich, wie man in der Frage so hartnäckig auf etwas beharren kann, weil unter Umständen der eine oder andere Handwerksmeister, der den Zeitgeist noch nicht verstanden hat, ein Veto einlegt.

(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Hallo, hallo! Bitte etwas mäßigen!)

Das kann nicht so sein.

Meine Damen und Herren, wir sind für ein neues Ladenschlussgesetz in Bayern. Wir halten es für längstens überfällig, nicht nur deswegen, weil aktuelle Zustände zu korrigieren sind, sondern, weil wir es nach unserer Auffassung brauchen. Wir wollen für die Menschen einen Freiraum schaffen, den wir hier in Bayern brauchen.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege von Gumppenberg. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Soziales, Familie und Arbeit als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? − Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Baukammerngesetzes (Drs. 16/13683) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsanträge von Abgeordneten der CSU- und der FDP-Fraktion (Drsn. 16/13736, 16/13931 und 16/14664)

Eine Aussprache findet hierzu nicht statt. Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/13683, die Änderungsanträge auf den Drucksachen 16/13736, 16/13931 und 16/14664 sowie die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie auf Drucksache 16/14776 zugrunde.

Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe von verschiedenen Änderungen. Der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz stimmt bei seiner Endberatung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu, allerdings mit der Maßgabe von weiteren Änderungen. Im Einzelnen verweise ich auf die Drucksache 16/14776.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. − Gegenstimmen? − Stimmenthaltungen? − Dann ist der Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. − Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. − Danke schön. Gegenstimmen? − Keine. Enthaltungen? − Auch keine. Dann ist einstimmig so beschlossen. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den

Titel: "Gesetz zu Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Baukammerngesetzes".

Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der soeben beschlossenen Fassung haben die Änderungsanträge auf den Drucksachen 16/13736, 16/13931 und 16/14664 ihre Erledigung gefunden. − Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über die Zuständigkeiten zum Vollzug wirtschaftsrechtlicher Vorschriften (Drs. 16/13684) - Zweite Lesung

Eine Aussprache findet hierzu nicht statt. Wir kommen deshalb sofort zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 16/13684 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie auf Drucksache 16/14815 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. − Gegenprobe? − Stimmenthaltungen? − Dann ist der Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.