Frau Justizministerin, die zwei Gespräche, die Sie mit Ihrem Ministerpräsidenten geführt haben, scheinen
nicht sehr gefruchtet zu haben. Deshalb sind wir der Meinung: Herr Ministerpräsident, lassen Sie diesem offensichtlichen Misstrauensvotum auch die Konsequenz folgen: Entlassen Sie die Justizministerin!
Drittens. Frau Justizministerin, wir haben immer deutlich gesagt, dass Sie sich als Dienstherrin vor Ihre Justiz zu stellen haben. Aber Sie sind auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der Pflicht. Sie sind vor allem denen gegenüber in der Pflicht, die sich an die Justiz wenden, die mit ihr in Konflikt geraten oder aus sonstigen Gründen mit ihr zu tun bekommen. Deswegen reden wir über die Rahmenbedingungen, die die Justiz benötigt. Dazu gehören Punkte wie Gewalt im Strafvollzug und im Maßregelvollzug, Grenzen von Zwangsbehandlungen in der Psychiatrie, Qualität von Sachverständigengutachten. Die Rahmenbedingungen müssen so beschaffen sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten geschützt werden. Dagegen haben Sie trotz der Debatte im Plenum und trotz Ihrer Verantwortung gegenüber den Schutzbefohlenen, die Sie auch ins Kalkül ziehen müssen, mehrfach verstoßen. Sie sind unbelehrbar.
Wir kritisieren also nicht nur Ihr desolates Krisenmanagement, sondern auch die Einseitigkeit, mit der Sie agieren, und die Eindimensionalität, mit der Sie diesen Fall bearbeiten. Es ist Ihre Einsilbigkeit, die mehr verschleiert als erklärt. Sie haben keinen Rückhalt mehr. Deshalb fordern wir Ihre Entlassung. Diese − das betone ich − sollte unabhängig davon diskutiert werden, wie die Begutachtung ausfällt. Denn das Krisenmanagement und die Handhabung des ganzen Vorgangs haben mit der Begutachtung erst einmal überhaupt nichts zu tun.
Ich bedaure es, dass die beiden Komplexe zusammengezogen worden sind. Ich meine, sie müssen komplett getrennt werden. Warum wir die Begutachtung begrüßen, das ist das eine. Ich erlaube mir den Hinweis − die meisten im Saal teilen ihn sicherlich −, dass ein Wiederaufnahmeverfahren die beste Möglichkeit wäre. Aber das haben nicht wir zu entscheiden. Das müssen die Anwälte auf den Weg bringen; auch der Betroffene muss das wollen. Wir können allenfalls dem Betroffenen diesen guten Ratschlag weitergeben, aber auf den Weg bringen können wir ein Wiederaufnahmeverfahren nicht.
Das ist auch Gegenstand der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Begutachtung, die wir begrüßt haben, ist übrigens auch eine Gratwanderung. Eine Begutachtung zu begrüßen, ist das eine; darüber hinaus aber können Forderungen, wie beispielsweise
diese Begutachtung ablaufen soll − so im dritten Absatz zu lesen, liebe FREIE WÄHLER -, unsere Zustimmung nicht finden. Sie greifen damit nämlich voll in das Verfahren ein. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten.
Wir können aber auch dem Antrag der SPD nicht zustimmen, weil, wie ich der heutigen Berichterstattung in der "Süddeutschen Zeitung" entnehmen kann, noch nicht hundertprozentig gewährleistet ist, dass die Begutachtung in unserem Sinne abläuft. Einen Freifahrschein können wir nicht abgeben. Deswegen enthalten wir uns auch bei diesem Antrag der Stimme.
Herr Schindler kann noch Weiteres dazu ausführen; ich belasse es dabei: Es ist deutlich geworden, dass endlich Taten folgen müssen.
Danke schön, Frau Kollegin Stahl. Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Georg Schmid. Bitte sehr.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute im Parlament erleben, ist ein weiteres politisches Spektakel, das in dieser Causa aufgeführt wird.
Heute zeigt sich einmal mehr − damit meine ich Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN und von den GRÜNEN -, dass Sie inhaltlich nichts, aber auch gar nichts Neues anzubieten haben. Es freut mich − das möchte ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich in der objektiven Betrachtung sagen -, dass im Falle Mollath, über den wir heute nicht in der Sache diskutieren, weil wir das bereits vor zehn Tagen getan haben, zumindest in weiten Teilen der SPD noch Sachverstand und Vernunft herrschen.
Herr Kollege Schindler, Sie haben in der SZ vom 27.11. Folgendes gesagt: Möglicherweise sind im Fall Mollath Fehler gemacht worden. Aber für die Klärung dieser Fragen ist das Gericht und nicht der Landtag zuständig.
Der Vorsitzende des Rechtsausschusses hat recht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Über die Feststellung
einer psychischen Erkrankung und die Unterbringung in der Psychiatrie entscheiden alleine die Gerichte. Es ist weder die Aufgabe der Justizministerin noch des Landtages, diese Entscheidungen zu überprüfen. Und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb − das sage ich ganz ausdrücklich − ist es folgerichtig, dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bei dem hierfür allein zuständigen Gericht anregt, die Unterbringung von Herrn Mollath noch einmal zu überprüfen. Das ist der richtige Weg, um mit den Spekulationen, den Mutmaßungen und Verschwörungstheorien zum Fall Mollath, die gerade in der letzten Woche ein bedenkliches Ausmaß erreicht haben, ein für allemal aufzuräumen. Das haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, immer wieder lautstark gefordert. Wollen Sie nun Aufklärung oder politisches Theater? Offensichtlich wissen Sie es selbst nicht. Was Sie heute veranstalten, liebe Frau Stahl und Herr Streibl, hat mit seriöser Sachaufklärung und seriöser Politik nichts zu tun.
Frau Stahl, wenn Sie heute mit Ihrem Dringlichkeitsantrag die Entlassung der Justizministerin Beate Merk fordern, ist das schlicht unanständig. Vor zwei Wochen forderten Sie hier im Plenum in einem Dringlichkeitsantrag die Justizministerin auf, über den Fall Mollath zu berichten. Jetzt, zwei Wochen später, haben Sie nicht einmal den Anstand, diesen Bericht abzuwarten.
- Ja, Sie wollen immer nur Köpfe rollen sehen; das weiß ich. Daran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Vielmehr fordern Sie gleich die Entlassung der Ministerin, und das, ohne dass außer Spekulationen irgendwelche neuen Tatsachen auf dem Tisch liegen. Das ist unseriös.
Was ist zwischenzeitlich passiert außer Spekulationen in den Medien? - Nichts! Keine neuen Tatsachen! Gar nichts!
Welches Fehlverhalten werfen Sie denn der Ministerin vor? Werfen Sie ihr vielleicht vor, dass sie sich um schnellstmögliche Aufklärung kümmert und bereits zugesagt hat, schon in der nächsten Woche im Rechtsausschuss zu berichten? Frau Stahl, Sie haben doch selbst darauf hingewiesen.
Im Übrigen haben wir vor zehn Tagen einvernehmlich über alle Parteien dieses Hohen Hauses hinweg fest vereinbart, dass diese Aufklärung im Rechtsausschuss und nicht hier im Plenum gegeben wird. Wenn man so etwas vereinbart, sollte man sich auch daran halten.
Und nun, Herr Streibl, zu Ihrem Antrag. Ich weiß nicht, ob Sie den selbst gelesen haben, bevor Sie ihn eingereicht haben. Ich habe schon vieles gelesen, aber der Antrag schlägt dem Fass den Boden aus. Das gilt insbesondere für das, was im letzten Absatz steht. Sie überschreiben Ihren Antrag mit "unabhängige und transparente Justiz!". Gleichzeitig fordern Sie in diesem Antrag allen Ernstes, dass der Landtag dem unabhängigen Gericht Ratschläge gibt, wie es sein Verfahren gestalten und vor allem welche Sachverständigen es hinzuziehen soll. Das können Sie als Jurist doch nicht allen Ernstes meinen. Es wäre geradezu irrsinnig, wenn Sie sagten, wir haben eine unabhängige Justiz, aber der Bayerische Landtag schreibt dem Gericht, das zu entscheiden hat, vor, welche Sachverständigen eingeladen werden sollen. Das wollen wir nicht.
Offensichtlich haben Sie die Grundsätze der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Gerichte nicht verstanden. Tut mir leid, aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass Ihnen da ein grober Schnitzer unterlaufen ist. Das fügt sich nicht zusammen.
Sie wollen gar nicht, dass die Gerichte hier unabhängig entscheiden, sondern Sie wollen ganz konkret hier vom Landtag aus Einfluss auf dieses Verfahren nehmen.
Ich sage Ihnen: Jetzt ist ein Weg beschritten; wir gehen den Schritt der Nachprüfung. Aber es muss ein Schritt der Gerichte und darf nicht ein Schritt des Landtages sein.
Deshalb gibt es auch nicht den leisesten Grund für eine Rücktrittsforderung oder für die Forderung auf Entlassung der Ministerin. Die Ministerin Beate Merk hat unser uneingeschränktes Vertrauen. Ich bitte die
Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses, die Anträge der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN abzulehnen. Ich sage ganz ausdrücklich: Wir werden dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen, wenn sichergestellt ist, dass der letzte Satz gestrichen wird. Ich habe gehört, dass das möglich ist. Dem übrigen Antrag können wir zustimmen, weil dessen Formulierung auch dem dient, was wir gemeinsam fordern, nämlich die Neubeurteilung durch die Gerichte und nicht durch den Landtag. Deswegen stimmen wir dem geänderten Antrag der SPD zu und lehnen die übrigen Anträge ab.
Moment, Herr Schmid. Vielen Dank für diesen Redebeitrag. Wir kommen zu einer Zwischenbemerkung der Frau Kollegin Stahl. Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Kollege, ich denke, die neue Dynamik ist nicht durch uns entstanden, sondern der Herr Ministerpräsident hat sie selbst in die Welt gesetzt. Öffentlich ist der Ministerin das Vertrauen entzogen worden.
Es ist all das infrage gestellt, was die Ministerin, wie die "Süddeutsche Zeitung" so schön schreibt, in einer Wagenburgmentalität bisher vor sich hergetragen hat.