Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

Das ist aus meiner Sicht sehr wohl eine neue Situation.

Ich habe ausgeführt, weshalb ich glaube, dass bei aller Berichterstattung im Ausschuss − der Antrag bezieht sich auch auf Fragen, die wirklich jemand anderes beantworten kann − manches auch anders beantwortet werden kann. Zur Beantwortung von Fragen wie "Wie müssen Anzeigen ausschauen, damit sie in Bayern wahrgenommen werden?" und ähnlichen brauche ich die Frau Justizministerin nicht.

Sie hat in den letzten beiden Wochen, sogar als sie im ZDF-Morgenmagazin dazu sprach, begrüßt, dass es eine Begutachtung gibt. Zugleich hat sie gesagt: Eigentlich ändert das nichts an allem, was bisher war. - So kann man keinen Neuanfang machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte sehr, Herr Schmid.

Werte Frau Kollegin Stahl! Weder der Herr Ministerpräsident noch die CSU-Frak

tion noch die FDP-Fraktion hat der Staatsministerin Beate Merk das Vertrauen entzogen. Wir stehen zu unserer Staatsministerin und werden das anschließend durch die Abstimmung dokumentieren.

(Beifall bei der CSU - Zuruf des Abgeordneten Harald Güller (SPD))

Ich gebe bekannt, dass die CSU-Fraktion namentliche Abstimmung zum Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beantragt hat. Wir fahren in der Rednerliste fort. Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Aures.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal vorweg: Herr Schmid, wir streichen den letzten Satz in unserem Antrag. Das ist nicht die Begründung, sondern das ist der Antragstext selber.

Ich will auch gleich vorweg sagen, dass wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER nicht zustimmen können, weil wir auch nicht in die Gutachtertätigkeit eingreifen wollen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Deshalb haben wir uns entschieden, hier nicht mitzutun. Dem Antrag der GRÜNEN werden wir zustimmen.

Grundsätzlich möchte ich heute nicht das wiederholen, was ich vor zwei Wochen an gleicher Stelle gesagt habe. Dazu verweise ich auf das Protokoll. Ich möchte auf die jetzige Situation eingehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Moment ist im Justizministerium durch die Art und Weise, wie die Frau Ministerin mit dem Fall Mollath umgegangen ist, eine unerträgliche Situation eingetreten. Massenweise wurden Zeitungsartikel, Radioberichte, Fernsehsendungen oder Dokumentationen veröffentlicht. Nicht nur eine Pressewelle ist über Bayern hinweggerollt, sondern da ist ein deutschlandweiter Tsunami entstanden.

(Widerspruch bei der CSU)

- Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, das hätte es nicht gebraucht. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen.

(Alexander König (CSU): Und wo ist das mit dem Krokodil?)

Hätte die Ministerin schon am 8. März im Verfassungsausschuss die Gelegenheit wahrgenommen, alles detailliert auf den Tisch des Hauses zu legen, wäre diese Situation nicht entstanden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Es ist schon peinlich, wie mit diesem Fall umgegangen wird. Ich weiß nicht, wie lange die Ministerin noch mauern will. Wenn sie sich nicht langsam öffnet und den Fall offensiv behandelt, wird es ein schlimmes Ende nehmen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin froh darüber, dass der Ministerpräsident auf mich gehört hat.

(Zurufe von der CSU: Hört, hört!)

- Das steht im Protokoll. Ich habe gesagt, der Ministerpräsident möge sich die Ministerin einmal zur Brust nehmen. Darüber musste ich selber lachen, weil ich etwas gesagt habe, was ich so nicht sagen wollte.

(Allgemeine Heiterkeit - Alexander König (CSU): Jetzt wird es langsam lächerlich!)

Es wird nicht lächerlich; denn das steht im Protokoll, Herr König. Dadurch ist deutlich Bewegung in den Vorgang gekommen. Das muss man sagen.

Wie geht es jetzt weiter? Wenn die Ministerin so weitermacht, wird ein Untersuchungsausschuss unausweichlich sein. Keiner von uns reißt sich darum, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wir wollen aber detailliert und minutiös wissen, wie man mit den Anzeigen von Herrn Mollath umgegangen ist. Was ist genau geschehen? Was haben Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden unternommen, um die Vorwürfe der Geldwäsche und der Schwarzgeldverschiebungen sowie die sonstigen Vorwürfe, die ich alle schon detailliert zu Protokoll gegeben habe, nachzuvollziehen und zu prüfen? Ab wann wurde die Ministerin mit diesem Vorgang befasst? Was hat sie genau gewusst, und was hat sie unternommen, um die Vorwürfe der Schwarzgeldverschiebung aufzuklären?

(Beifall bei der SPD)

Die Brisanz dieses Falles zeigt sich heute in den Schlagzeilen über die HVB. Sie werden sicher sagen, dass die mit dem Fall nichts zu tun haben. Das mag schon sein. Wenn aber gestern 60 Staatsanwälte, Kriminalbeamte und Steuerfahnder bei der HVB auf der Matte standen und in der Hauptzentrale sowie in zwölf weiteren Objekten eine Großrazzia durchführten, muss schon einiges dahinterstecken. Man muss auch daran erinnern, dass die Geldwäsche und die Schwarzgeldverschiebungen 2003 stattgefunden haben und nicht erst jetzt. Diese Vorgänge sind schon passiert, und seit diesem Zeitpunkt sind Sie, liebe Frau Ministerin, schon in Ihrem Amt. Vielleicht sollten sich manche Kolleginnen und Kollegen im Hohen Hause der Dimension dieser Vorgänge und dessen

bewusst werden, welche Auswirkungen diese für den Freistaat Bayern haben können.

Ich habe es extra noch einmal herausgesucht: Die HVB gehört immer noch zu einem Teil dem Freistaat Bayern. Nur zur Erinnerung: Die Landesstiftung hatte ursprünglich einen Anteil von 20 % am Grundkapital der damaligen Bayerischen Vereinsbank. 1995 ist es dann zur Fusion gekommen. Dann hatte sie noch 8,7 % Anteil. Zu diesem Zeitpunkt hat die Bayerische Forschungsstiftung auch 2 % der Stammaktien gehalten. Der Oberste Rechnungshof hat in dem Bericht von 1996 auf Seite 118 die Anlagestrategien dieser Stiftungen moniert. Fakt ist, dass dem Freistaat Bayern dadurch Steuern hinterzogen wurden, die ihm auch durch die Hintertüre seiner Stiftungen hinterzogen worden sind. Ich bin gespannt darauf, was hier noch rauskommt. Wir warten jetzt erst auf die kommende Sitzung des Verfassungsausschusses, und danach werden wir unsere Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Aures, ich bitte um Nachsicht, es kam ganz plötzlich noch eine Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Stahl. Darf ich Sie deshalb noch einmal zum Mikrofon bitten?

Entschuldigung, Frau Aures, aber die geänderte Fassung des SPD-Antrags wurde erst nach meinem Redebeitrag verteilt. Ich sehe erst jetzt, dass in diesen Antrag Teile der Begründung mit hineingenommen worden sind. Mit Abstrichen stimmen wir diesem Antrag zu. Wir hätten aber auch noch gerne gewusst, wie Sie das Begutachtungsverfahren einschätzen. Dieses Verfahren darf nicht nur dazu dienen, dass Zeit gewonnen wird. Das Begutachtungsverfahren sollte möglichst von Gutachtern durchgeführt werden, die sich nicht selber für befangen erklären. Ich gehe jetzt auf den Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" ein. Darauf können wir natürlich nur hoffen; denn einmischen werden wir uns nicht. Wir beide teilen aber sicher die Hoffnung, dass es so sein wird. Wir sind uns auch sicher einig, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in dieser Diskussion beachtet wird. Natürlich erwarten wir von der Staatsanwaltschaft − das dürfen wir durchaus sagen -, dass an diejenigen, die die Begutachtung durchführen, alle Informationen weitergegeben werden.

Ich glaube, deutlich gemacht zu haben, dass wir vonseiten der SPD uns nicht in die Auswahl von Gutachtern einmischen. Nach wie vor haben wir Vertrauen in die Justiz. Das ist auch der Sinn und Zweck unseres Antrags. Dieses Vertrauen wollen wir behalten. Ich kann mir nicht vorstellen,

dass jemand so dumm ist und das Verfahren weiter verzögert. Solche Schlagzeilen wünschen wir uns nicht auf Dauer, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt steht schon Herr Kollege Dr. Fischer bereit.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Fall M. lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Das hat durchaus seine Berechtigung. Es ist kein einfacher Fall. Es ist kein Fall, den man kurz abhaken kann, um danach wieder zur Tagesordnung zurückzukehren. Es ist vielmehr ein Fall, der genaues Hinsehen verlangt. Warum ist es so?

Hier greifen zwei verschiedene Sachverhalte ineinander. Der eine Bereich sind die Schwarzgeldverschiebungen und die Strafanzeigen des Herrn M., der andere ist die Frage seiner Unterbringung. Darüber hinaus ist dieser Fall aber auch deshalb so schwierig, weil es um die Grenzziehung zwischen fundamentalen Prinzipien geht. Auf der einen Seite steht das Prinzip der Gewaltentrennung und der richterlichen Unabhängigkeit, auf der anderen Seite − auch das darf man nicht vergessen − geht es um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unseren Rechtsstaat. Dieses Vertrauen, Kolleginnen und Kollegen, ist bei vielen erschüttert. Das lässt sich nicht leugnen, und das liegt nicht nur an der Berichterstattung in den Medien.

Ich sage ausdrücklich nicht, dass diese Erschütterung berechtigt ist. Wir haben sie aber zur Kenntnis zu nehmen. In einer solchen Situation gibt es für uns Liberale nur ein Gebot: vollständige Transparenz und lückenlose Aufklärung.

(Beifall bei der FDP)

Zum Fall M. gehört auch, dass man die Fragen der Unterbringung und die Fragen der Strafanzeigen voneinander trennt. Waren die Anzeigen von Herrn M. gegen seine Ehefrau berechtigt? Mit letzter Sicherheit wissen wir das bis heute nicht. Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren eingestellt, weil es am hinreichenden Anfangsverdacht gefehlt hat. Ich maße mir nicht an zu sagen, ob das zutrifft. Natürlich ist aber auffällig, wenn der 17-seitige Revisionsbericht Nummer 20.546 der HVB zu dem Ergebnis kommt, hier müsse Insiderwissen vorgelegen haben. Natürlich ist auffällig, dass in dem Bericht ein weisungswidriges Verhalten von Mitarbeitern festgestellt wurde, auch wenn ausdrücklich gesagt wird, eine strafrechtliche Relevanz sei nicht gegeben gewesen. Auffällig ist auch, dass die Staatsanwaltschaft diesen Revisionsbericht acht Jahre später angefordert hat. Ich betone wieder,

alles das sagt nichts über die Berechtigung der Unterbringung von Herrn M. in einem psychiatrischen Krankenhaus aus. Auch jemand, der an einer psychischen Störung leidet, kann durchaus zutreffende Strafanzeigen stellen. Zum Fall M. gehört aber auch, dass dem Betroffenen als Grund für die Gefährlichkeit massive Gewalttaten gegenüber seiner Ehefrau vorgeworfen werden. Wir haben ausführlich darüber diskutiert. Zum Fall M. gehört, dass mehrere Gerichte und mehrere Gutachter eine gravierende psychische Erkrankung festgestellt haben. Da ist von paranoider Wahnsymptomatik und paranoider Schizophrenie die Rede. Das hat auch wieder mit den Schwarzgeld-Vorwürfen zu tun.

Zum Fall M. gehört, dass nicht nur mehrere bayerische Gerichte, sondern auch der Bundesgerichtshof die Unterbringung geprüft haben und dass einmal jährlich eine gerichtliche Überprüfung stattfindet. Zur Wahrheit gehört, dass Gerichte und Sachverständige in freier richterlicher Beweiswürdigung entscheiden, und dass wir uns als Landtag einer Überprüfung dieser Beweiswürdigung zu enthalten haben.

(Beifall bei der FDP)

Zur Wahrheit gehört außerdem, dass eine siebenjährige Unterbringung in der Forensik nichts Alltägliches ist und dass die Menschenrechtsbeauftragte der Bayerischen Landesärztekammer schwere Vorwürfe erhoben hat. Diese schweren Vorwürfe richten sich nicht gegen die Staatsministerin der Justiz, sondern gegen den Ablauf des Verfahrens. Kolleginnen und Kollegen, das alles ist geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu erschüttern.

Deswegen komme ich zu folgendem Fazit: Die bayerische Staatsministerin der Justiz hat sich an den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit gehalten. Das ist nicht zu beanstanden. Ich sehe keinen Anlass für eine Rücktrittsforderung. Daran haben auch die heutigen Beiträge der Opposition nichts geändert. Der Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER fordert zwar eine unabhängige Begutachtung, gibt aber gleichzeitig Empfehlungen ab, wie diese Begutachtung auszusehen hat. Ich empfehle meinerseits den FREIEN WÄHLERN ein Studium der Bayerischen Verfassung. Das ist manchmal angebracht.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Ich bin außerordentlich dankbar, dass die Staatsanwaltschaft eine Neubegutachtung von Herrn M. beantragt hat. Das ist meines Erachtens nicht nur eine richtige, sondern auch eine nötige Entscheidung im Hinblick auf lückenlose Aufklärung und Transparenz, aber auch im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Überall, wo Menschen arbeiten, besteht nicht nur eine theoretische Möglichkeit, dass jemand eine falsche Entscheidung trifft. Nicht nur einer, sondern auch mehrere können irren. Das gilt auch in der Justiz.

Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es uns verwehrt ist, die Arbeit der Justiz zu bewerten, die Justiz selbst ist nicht daran gehindert, eine eigene Bewertung vorzunehmen. Auf diese Bewertung warten viele Menschen in Bayern.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

(Maria Noichl (SPD): Die Ministerin will gar nichts sagen?)