Wir wollten damit eine breite Debatte anstoßen, aber bis heute verweigert sich die Staatsregierung. Immerhin hat sich der Kulturausschuss damit befasst und auf unsere Anregung hin eine Anhörung zu den Leitlinien durchgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung waren eine schallende Ohrfeige für den Minister und das Ministerium. Ich fürchte, die Verantwortlichen dort haben das noch nicht einmal gemerkt. Die Betroffenen sind so harthörig, dass sie noch nicht einmal mitbekommen haben, wie stark sie abgefotzt wurden.
Ich möchte nur ein paar Expertenaussagen zitieren, weil sich im Prinzip alle einig waren. Mehrere haben gesagt, die Leitlinien seien sehr rückwärts orientiert und ihr Blickwinkel sei eingeengt. Ein anderer hat ausgeführt, das Kunstministerium sei vor 20 Jahren sehr fortschrittlich gewesen. Leider haben wir den Anschluss wieder verloren, hieß es weiter. Das für die Staatsregierung einhellig blamable Resümee lautete: Bayern ist besser als das, was in den Leitlinien steht.
Das muss man erst einmal so hinbekommen. Aber selbst diese erhebliche Kritik auch aus den Reihen der von CSU und FDP benannten Expertinnen und Experten hat den Minister nicht zum Umdenken bewegen können. Das hat die Posse um das Dürer-Bildnis leider überdeutlich gezeigt.
Der Münchner Minister und sein zentralistischer Apparat sind in Fragen regionaler Identität von einer derartigen Unsensibilität, dass es schon körperlich wehtut. Umso erfreulicher ist es aus unserer Sicht, dass inzwischen Kulturpolitiker aus allen Fraktionen nicht mehr alles kritiklos hinnehmen. Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Herr Kollege Jörg, hat sich in dem schon zitierten Interview in der "Main-Post" unmissverständlich geäußert. Er hat gesagt, er erwarte vom Minister, dass er eine breite Diskussion anstößt, wohin sich die Kulturpolitik in Bayern entwickeln soll. Der Minister sollte Ansatzpunkte liefern, damit wir eine breite Debatte mit Kunstschaffenden, Kulturbegeisterten, den Trägern von Kultureinrichtungen und vielen anderen Gruppen beginnen können. − Das alles könnte von mir sein, stand aber in der "Mainpost" vom 2. März. Kultur kann man nicht verordnen, Kultur wächst im Dialog, sagt Oliver Jörg. Danke, Oliver.
Wenn wir diese Diskussion ernsthaft führen können, dann hat die Kultur in Bayern schon gewonnen. Dann wird nämlich klar, wie vielfältig Bay
erns Kulturlandschaft ist. Und auch die Förderpolitik wird sich dann fragen lassen müssen, ob wir mit den bisherigen Vorgaben dieser Vielfalt wirklich gerecht werden können.
Das sind Fragen, die sich natürlich vor allem die Regierung stellen muss. Ich habe das deshalb so ausführlich zitiert, weil ich hoffe, dass wir auf dieser gemeinsamen Basis im Ausschuss arbeiten können. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, noch den Kunstminister dazu aufzufordern, mit uns Parlamentariern und den Kulturschaffenden in ganz Bayern in diese Debatte darüber einzutreten, wie ein Kulturkonzept aussehen soll. Aber wir Kulturpolitiker und Kulturpolitikerinnen sollten uns das für das nächste halbe Jahr, das uns in dieser Legislaturperiode noch bleibt, ernsthaft vornehmen, dass wir eine offene Debatte in Gang bringen, und wir GRÜNEN haben dazu auch schon einige Vorschläge unterbreitet.
Ich habe bereits über die Notwendigkeit einer soliden, verlässlichen Kulturfinanzierung gesprochen. Wir haben uns im Ausschuss darauf verständigt, dass wir im Februar 2013 eine gründliche Bestandsaufnahme vornehmen und den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich des Wissenschaftsministeriums erheben. Dann wird man sehen, welcher Spielraum noch bleibt, damit wir das hinbekommen. Außerdem haben wir GRÜNE angeregt, eine Anhörung zu Modellen regionaler Kulturförderung durchzuführen. Ich denke dabei vor allem an das Kulturraumgesetz Sachsen, zu dem ich selbst schon ein Fachgespräch durchgeführt habe, und auch an das Kulturfördergesetz von Nordrhein-Westfalen, das wir uns, wie ich finde, noch einmal genauer anschauen sollten. Das sächsische Modell scheint mir ein sehr chancenreiches Instrument gerade für den ländlichen Raum zu sein. Dabei gibt der Staat - was unglaublich ist, aber wahr - Macht, Geld und Identifikationspotenzial an den ländlichen Raum ab. Das heißt, so viel Geld hatte noch keine Region zur Disposition, und diese hat dann tatsächlich etwas zu entscheiden. Das stärkt wirklich das regionale Selbstbewusstsein. Das sollten wir uns genau anschauen, weil eine solche Kompetenzverlagerung in die Region dem Zentralstaat entgegenwirkt und gerade strukturschwache Räume stärken kann. Dabei gibt es natürlich Schwierigkeiten, aber das sollte uns nicht davon abhalten, dies genau zu prüfen und vielleicht sogar einen Modellversuch in einer Region in Bayern auf den Weg zu bringen.
Neben der Finanzierung müssen wir uns verstärkt um die Wertschätzung der regionalen Vielfalt kümmern; auch dies ist bereits angesprochen worden. Sie ist eine besondere Stärke Bayerns. Unsere Bevölkerung identifiziert sich in einem sehr hohen Maß mit unse
rem Land - aus gutem Grund -, seinen Kulturlandschaften, der Region und dem Ort, an dem sie lebt. Bayern ist ihre Heimat, Bayern ist unsere Heimat.
- Franken gehört bis jetzt immer noch zu Bayern, darum nehme ich an, dass Bayern auch die Heimat für die Franken ist.
Diese starke Identifikation spiegelt sich auch in einem regen Kulturleben wider. In allen Regionen gibt es auch international herausragende Kultureinrichtungen. Der kulturelle Reichtum Bayerns beruht nicht nur auf einer Vielzahl schwäbischer, ober- und niederbayerischer, Oberpfälzer und fränkischer Kulturen, sondern auch auf einem jahrhundertelangen Zustrom von Einwanderern.
Ganz wichtig, aber meist vernachlässigt: Es gibt bei uns eine Tradition einer kritischen Auseinandersetzung mit der Tradition. Diese hat schon sehr lange Tradition, und in dieser Tradition stehen wir GRÜNE, und auf diese sind wir auch stolz.
Das Fortleben alter Traditionen, verbunden mit einer neuen politischen und kulturellen Offenheit ist spezifisch für unser Land. Gerade in der vermeintlichen Provinz ist Bayern heute oft europäische Spitze - nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Kultur -, und Provinz ist für mich als Provinzpolitiker eben kein Schimpfwort. Provinziell zu sein heißt heute - das gibt es natürlich auch - aber in der Regel nicht, borniert zu sein. Wer sich der Beschränktheit der eigenen Perspektive bewusst ist - und diese haben wir im Prinzip alle -, der weiß auch, wie sehr er Kunst und Kultur braucht, um andere Perspektiven kennenzulernen und nicht in der eigenen zu versauern.
nur noch über drei in Bayern leider vernachlässigte kulturpolitische Aspekte sprechen: über kulturelle Bildung für alle, über ein kulturelles Gedächtnis, das die feudale Herkunft überwindet, und über die Bedeutung der Kulturwirtschaft.
Kultur besteht aus einer Vielzahl von Symbolsprachen. Mit ihnen eignen wir uns die vorstrukturierte Welt an, strukturieren sie nach bestimmten Mustern neu und verorten uns in ihr. Sie ist eine subjektbezogene Ordnung der Welt aus der Perspektive von Individuen und von Gruppen mit Selbst- und Fremddefinition. Die Aufgabe kultureller Bildung ist es deshalb, Kenntnis und Erwerb möglichst vieler Symbolsprachen zu vermitteln. Kulturelle Bildung ist Sprachvermittlung.
Statt die soziale Abschottung kulturell zu legitimieren, muss sie interkulturelle Kompetenz im übertragenen Sinne fördern, nämlich die Verständigung in einer auch kulturell diversifizierten Gesellschaft. Das ist die entscheidende Aufgabe der kulturellen Bildung. Und weil Kultur auch dazu da ist, dass man sich in der eigenen Umgebung wohl und heimisch fühlt, ist es so wichtig, dass auch die andere Seite von Kultur und Kunst zu ihrem Recht kommt, nämlich die offene, die fragende Seite. Kultur und insbesondere Kunst fragen, wo und warum wir uns gleichzeitig unwohl fühlen, und sorgen dafür, dass wir es uns in einer unbequemen Lage nicht bequem machen. Dann vermeiden wir Kitsch, und wir vermeiden Billiges. Deshalb brauchen wir auch diese Seite von Kunst und Kultur.
Es geht also immer um Identität, um Infragestellung oder, um es verkürzt in politischen Begriffen zu sagen, um den Spannungsbogen zwischen Konservativem und Progressivem, zwischen Kritik und Bestätigung. Für diese doppelte Orientierung, dieses Infragestellen und Verorten brauchen wir auch unser kulturelles Gedächtnis. Die Aufgabe, Denkmäler, Museen, Archive, Opern oder Theater als Nachlassverwalter des kulturellen Erbes zu sichern, darf aber nicht dazu führen, dass sie uns in ihrer Übermacht ersticken und die lebendige Kultur, die lebendigen Kulturschaffenden ersticken, wie das in Bayern zum Teil bereits der Fall ist.
Darüber hinaus stellt sich für uns natürlich auch die Frage, ob diese Institutionen auf ewig so bleiben, wie sie sind; denn bis heute merkt man ihnen die Herkunft aus der höfischen Kultur und ihre feudale Repräsentations- und Legitimationsfunktion an. Dort gibt es einen ordentlichen Bedarf zur Demokratisierung. Wir sehen einen erheblichen Spielraum für demokratische Öffnung und Weiterentwicklung.
Kultur hat viele Funktionen, aber ihre wirtschaftliche Bedeutung wurde bisher zu wenig beachtet; darauf haben wir ebenfalls bereits mehrfach hingewiesen. Die nackten Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Aus öffentlichen Kassen fließen 8 Milliarden Euro in die Kulturförderung. Dazu kommen noch 8 Milliarden Rundfunkgebühren; das sind 16 Milliarden Euro. Aber die Kultur- und Kreativwirtschaft macht Umsätze von 132 Milliarden Euro. Das sind die Verhältnisse, die wir endlich zur Kenntnis nehmen müssen.
Kulturpolitik ist keine Wirtschaftspolitik, deshalb geht es nicht um die Ökonomisierung marktferner Bereiche. Aber wer versucht, mit Kultur Geld zu verdienen, der verdient unsere Unterstützung, damit er sich auf dem Markt behaupten kann. Das wäre umso wichtiger, als die Kulturwirtschaft in Bayern ein überdurchschnittlich wichtiger Wirtschaftsbereich ist. Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft erzielt nach Angaben der Bundesregierung eine Bruttowertschöpfung von 63 Milliarden Euro, in Bayern betrug sie 2009 13,6 Milliarden Euro; das heißt, ein gutes Fünftel der Wertschöpfung wird in Bayern erwirtschaftet - ein Fünftel der bundesweiten Wertschöpfung!
Mehr als ein Viertel der in der Kulturwirtschaft Beschäftigten arbeiten in Bayern. Diese Bedeutung hat dieser Wirtschaftszweig für unser Land! Das bedeutet, er hat eine extrem überdurchschnittliche Bedeutung, aber er weist gleichzeitig eine geringe Produktivität auf - eine deutlich geringere als in anderen Ländern. Das heißt, hier ist der Nachholbedarf groß. Hier müssen wir endlich etwas tun, auch der Wirtschaftsminister und der Kultusminister müssen diesen Bereich endlich als Aufgabe zur Kenntnis nehmen und etwas tun. Andere Wirtschaftsbereiche würden sich diese Ignoranz nicht bieten lassen, und ich hoffe, dass auch die Kulturwirtschaft den beiden Staatsministern endlich auf die Füße steigt.
Es war nicht leicht. Kunst und Kultur sind für eine Plenardebatte eher wenig geeignete Themen. Das Problem ist nur, dass die Staatsregierung und namentlich Sie, Herr Minister Heubisch, die Grundsatzdebatte an besser geeigneten Orten bisher leider verweigern. Ich habe versucht, deutlich zu machen, warum wir diese Debatte endlich führen müssen. Wir müssen sie führen, weil uns sonst die Kulturpolitik um die Ohren
fliegt. Wir müssen diese Debatte führen, weil der strukturell wachsende Finanzbedarf jeden Gestaltungsspielraum auflösen wird, wenn wir nicht endlich anfangen zu steuern. Wir müssen diese Debatte führen, weil es unsägliche Verteilungskämpfe geben wird, die dann nicht nach kulturpolitischen Kriterien, sondern nach anderen unsäglichen Kriterien ausgetragen werden, wie es sich heute schon abzeichnet. Deshalb fordern wir GRÜNE eine breite Diskussion mit den Kulturschaffenden und der Öffentlichkeit sowie im Parlament und in unseren Parteien. Ich hoffe, dass wir gemeinsam in unserem Ausschuss in diesem Jahr noch damit anfangen. Es geht um einen klassischen Prozess politischer Willensbildung, um Identität, um unsere Heimat, um unser Bayern.
Als Gast aus dem Bundestag begrüße ich Herrn Kollegen Dr. Stadler. Sie haben die Verfassungsmedaille verliehen bekommen. Herzlichen Glückwunsch dazu.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lieber Wolfgang Heubisch, ganz herzlichen Dank für deine Regierungserklärung, für die Bilanz zukunftsweisender, liberaler Kulturpolitik in Bayern. Welchen Stellenwert die Kulturpolitik für uns in Bayern hat, ist in der Regierungserklärung deutlich geworden. Kunst ist geistige Nahrung. Ich bin davon überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur die Wahrnehmung sensibilisiert und die Urteilskraft schärft. Deswegen wäre es auch für Sie gut, sich auf etwas einzulassen und sich damit auseinanderzusetzen, Frau Kollegin. Auch die Kulturschaffenden selbst brauchen ein anspruchsvolles kulturelles Umfeld.
Talente brauchen Anregungen und Positionen, mit denen sie sich auseinandersetzen und an denen sie sich reiben können. Das stärkt auch die Fähigkeit, eigene künstlerische Positionen zu beziehen. Kunst muss die Gesellschaft inklusive des Staatsapparats und der Politik wachrütteln, ja auch erschüttern. Dazu muss sie unabhängig sein. Je freier sie agiert, umso progressiver wird sie sich entwickeln, umso zukunftsgewandter sind die Anstöße, die sie der Gesellschaft gibt und die sie auch uns gibt. Kunst ist das Ergebnis kreativer Prozesse und zugleich auch der Impulsgeber dafür. Somit ist unser kulturelles Leben auch Motor für Innovation. Das gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche. Kultur stiftet Identität. Doch gerade
das Kennen und Schätzen der eigenen Kultur macht neugierig auf andere Kulturen, auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Der interkulturelle Austausch ist durchaus ein Schlüssel für Toleranz und Integration.
Kultur wird zunehmend zum Standortfaktor. Nicht nur für den Tourismus, sondern auch für Unternehmen, die sich in Bayern niederlassen, spielt das Umfeld eine gewichtige Rolle. Die Staatsregierung öffnet immer wieder die Türen für Delegationen, um die Nachfrage nach Produkten "Made in Bavaria" zu erhöhen. Ich betone, dass das Bild Bayerns, von dem alle Wirtschaftszweige profitieren, dass die Marke Bayern in hohem Maße von der Kultur geprägt ist. Sie ist geprägt von all ihren Kontrasten, von Tradition und von Moderne, von den Bayreuther Festspielen und dem Münchner Olympiastadion, vom Kloster Ottobeuren und den Sportfreunden Stiller, vom Nürnberger Schwurgerichtssaal und Neuschwanstein, von den Waidlerhäusern in Niederbayern, der Theaterakademie August Everding, Albrecht Dürer und den Hofer Filmtagen, aber auch vom Design von BMW und Audi. Das Bild Bayerns in der Welt ist nicht nur von staatlicher Kultur, sondern von unserer Kultur allgemein ganz maßgeblich geprägt. Soviel zum Stellenwert von Kunst und Kultur in Bayern.
Ganz entscheidend ist, dass die Kultur einen Beitrag zur Lebensqualität der Menschen leistet. Die Menschen besuchen Museen, Bibliotheken oder Theater. Sie engagieren sich auch in hohem Maße ganz aktiv für die Kunst und die Kultur, seien es das Mitglied im Blasorchester, der Kunstmäzen, der seine Sammlung zeitgenössischer Kunst zur Verfügung stellt, der Denkmaleigentümer, der sein 400 Jahre altes Bauernhaus liebevoll restauriert, die ältere Dame, die ihre Kuriositätensammlung, die sie auf dem Speicher gefunden hat, für die Landesausstellung zur Verfügung stellt, die Zeitzeugen, die Geschichte erlebbar machen, oder die Freunde des Konzertsaals.
Kunst und Kultur in Bayern werden geliebt, getragen und gefördert von den Bürgern, von den Kommunen und vom Staat. In dieser Legislaturperiode gibt Bayern 25 % mehr für Kunst und Kultur einschließlich der Schlösser- und Seenverwaltung aus. Dieses Geld ist richtig investiert. 25 % mehr, lieber Wolfgang Heubisch, ist zunächst einmal eine ganz grandiose Meldung.