Sepp Dürr
Sitzungen
16/22
16/23
16/34
16/40
16/42
16/49
16/58
16/71
16/88
16/91
16/94
16/95
16/100
16/102
16/103
16/105
16/108
16/110
16/114
16/126
Letzte Beiträge
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Gestern habe ich mir nicht vorstellen können, heute hier zu reden. Zum einen ist der Anlass dazu sehr traurig, und wir sind alle noch nicht darüber hinweg. Zum anderen bin ich selbst auch nicht sehr gut beieinander.
Nachdem ich mich mit dem Antrag der CSU befasst habe, habe ich gemerkt, dass das praktisch von allein, automatisch und wie im Schlaf geht. Ich brauche dazu nicht viel Energie. Die Diskussion, die wir heute führen, haben wir schon vor fünfzehn Jahren geführt. Euch fällt es vielleicht nicht so auf, aber mir fällt es ganz extrem auf. Ich bin vor zehn Jahren aus dem Agrarausschuss ausgeschieden; der Kollege Helmut Brunner wird sich sicher noch daran erinnern. Damals musste ich gegen die gleiche überholte Landwirtschaftspolitik der CSU kämpfen wie heute. Daran hat sich nichts geändert. Die ganze Welt entwickelt sich weiter, die Nachbarländer um uns herum – von Oberösterreich bis Baden-Württemberg – machen längst eine grüne und moderne Landwirtschaftspolitik, aber die CSU in Bayern hat die letzten Jahrzehnte einfach verschlafen. Das demonstriert auch ihr heutiger Antrag.
Ich will nur einen Punkt herausgreifen, weil er der wichtigste ist, nämlich die Forderung, keine Umschichtung von Direktzahlungen in die zweite Säule vorzunehmen. Das hört sich schwierig an, aber was bedeutet es? Es ist eine relativ einfache Geschichte. Es gibt zwei Hauptquellen der EU für die Agrarförderung. Das sind einmal die Direktzahlungen aus der ersten Säule, die jeder Betrieb bekommt, je nachdem, wie groß er ist. Das ist die Kernorientierung, bei der die Größe zählt. Diese Zahlung aus der ersten Säule macht in Bayern 1,09 Milliarden Euro für 2008 aus. Ich habe keine neuere Zahl; vielleicht können wir das noch vom Minister hören. Dann gibt es die zweite Quelle. Das betrifft die zweite Säule. Das waren 2009 auf Bayern bezogen 202 Millionen Euro, also ungefähr ein Fünftel der anderen Förderung, die man nach Größe bezogen erhält.
Wofür bekommt man jeweils die Mittel? Die Direktzahlungen bekommt man dafür, dass man überhaupt
landwirtschaftliche Flächen hat. Das ist schon die ganze Leistung, die man dafür erbringen muss. Dann gibt es schon Geld. Man hat im Laufe der letzten Jahre immer wieder versucht, Förderbedingungen anzupassen. Im Prinzip bekommt man diese Zahlung, weil man sie schon einmal bekommen hat. Nur wenn man diese Zahlung schon einmal bekommen hat, bekommt man sie wieder. Das ist praktisch ein Perpetuum mobile. Weil man schon einmal Geld bekommen hat, bekommt man wieder Geld.
Die zweite Säule orientiert sich im Gegensatz dazu an gesellschaftlichen Aufgaben und Leistungen. Dabei gibt es nicht so ohne Weiteres Geld, man muss schon etwas dafür tun. Es werden zum Beispiel der Ökoanbau, Maßnahmen zum Naturschutz oder zum Erhalt der Kulturlandschaft gefördert. Es gibt allerdings auch fragwürdige Fördermaßnahmen. Adi Sprinkart hat bei den Haushaltsberatungen das einzelbetriebliche Investitionsprogramm massiv kritisiert. Er hat darauf hingewiesen, dass die Staatsregierung gezielt Wachstumsbetriebe fördere, und zwar bis hin zur industriellen Tierhaltung. Das lehnen wir natürlich ab. Es handelt sich um einen Baustein in der zweiten Säule, der weg muss.
Im Prinzip ist die zweite Säule ein sehr gutes Instrument, eine Landwirtschaft zu bekommen, wie wir sie uns in Bayern wünschen.
Man könnte damit sehr viel für die bäuerliche Landwirtschaft, den Verbraucherschutz, den Tierschutz, den Umwelt- und den Klimaschutz tun, vorausgesetzt man will das. Man tut es zum Teil schon, man tut es aber nicht in dem Maße, wie man es tun könnte.
Diese Mittel sollen jetzt im Unterschied zu den Direktzahlungen massiv gekürzt werden. Man nimmt sich den eigenen Gestaltungsspielraum. Bayern wäre von diesen Kürzungen besonders betroffen, mehr als jedes andere Bundesland, Herr Kollege Füracker. Deswegen muss man dafür sorgen, dass Mittel aus der zweiten Säule nicht gekürzt, sondern aufgestockt werden, weil wir besonders davon profitieren.
Darauf haben auch die Agrarexperten bei der Anhörung im Februar hingewiesen. In Bayern sind – ich habe im Jahr 2006 eine Anfrage gestellt, und eine neuere Anfrage gibt es nicht – wiederum die Bauern in den Landkreisen besonders betroffen, die extensiv wirtschaften, das heißt, je mehr die Bauern umweltfreundlich und naturfreundlich arbeiten, desto mehr
hängen sie von der zweiten Säule ab. Das betrifft vor allem die Landkreise, in denen die zweite Säule stärker ist als die erste, in denen die Bauern mehr für Umweltleistungen bekommen als für die Größe. Kleine Betriebe bringen große Leistungen in folgenden Landkreisen: Freyung-Grafenau, Regen, Berchtesgadener Land, Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch-Partenkirchen, Miesbach, Weilheim-Schongau, Lindau, Ostallgäu und Oberallgäu. Wenn die Mittel aus der zweiten Säule gekürzt werden, bekommen genau die Bauern in diesen Landkreisen große Probleme. Herr Brunner, in Ihrer Region bekommen diese Betriebe Probleme. Deswegen haben Sie sich vor Kurzem selbst dafür ausgesprochen, die zweite Säule zu stärken.
Was soll der Schmarrn dann jetzt? Das verstehe ich nicht. Wenn man jetzt einen Verzicht auf die Umschichtung fordert, wie CSU und FDP das tun, schadet man massiv den Interessen dieser bäuerlichen Betriebe. Das ist auch allen Agrarpolitikerinnen und Agrarpolitikern klar. Das war nicht nur Minister Brunner. In der Ausschuss-Anhörung Anfang Februar waren sich alle Anwesenden einig, dass die zweite Säule ein ganz wichtiger Baustein ist. Das haben alle gesagt. Nur der Vertreter des Bauernverbandes hat herumgedruckst, und Frau Noichl hat nachgefragt, ob Ja oder Nein. Dann wollte er nicht Ja oder Nein sagen. Das war aber der Einzige. Für diesen Bauernverband machen Sie das jetzt? Das, finde ich, ist eine Schande. Ich halte auch den Bauernverband für eine Schande.
Damals hat Georg Häusler, Kabinettschef der Europäischen Kommission, den Braten schon gerochen. Er hat wörtlich erklärt – ich zitiere aus dem Protokoll des Ausschusses -:
In den letzten zwei oder drei Jahren, in denen die Reformdiskussion im Gange war, herrscht bei jeder einschlägigen Veranstaltung in ganz Europa – in Brüssel, in Deutschland und in jedem anderen Mitgliedsland eine Stimmung wie in diesem Saal hier: "die zweite Säule, die zweite Säule, die zweite Säule".
"Betont wird weiter" – so Herr Häusler -, wie wichtig und wie gut die zweite Säule ist und wie sehr alle die zweite Säule schätzen. Sie wird als Politikinstrument gelobt. Wenn man sich aber bei der Budgetdebatte nach den Verteidigern der zweiten Säule umsieht, sind sie plötzlich alle weg. Warum setzt sich niemand mehr für die zweite Säule ein, wenn es darauf ankommt?", hat Herr Professor Dr. Häusler gefragt. "Warum setzt sich aber jeder in Sonntagsreden für die zweite Säule ein? Dies geschieht in Brüssel, auf nati
onaler Ebene und bei Ihnen in Bayern.", hat Herr Professor Dr. Häusler gesagt. Das passiert auch im Moment: Sie setzen sich in Sonntagsreden für die bäuerliche Landwirtschaft ein; in Wirklichkeit ziehen sie ihr den Boden unter den Füßen weg.
Prof. Dr. Onno Poppinga hat damals eine Erklärung gesucht, warum alle, wenn es darauf ankommt, von der zweiten Säule nichts wissen wollen. Er hat gesagt: Die zweite Säule bedeutet, sich mit ökologischen Problemen auseinanderzusetzen, die bestimmte Formen von Landwirtschaft auslösen. Sie ist also im Prinzip eine kritische Antwort auf die Industrialisierung der Landwirtschaft. Die Industrialisierung der Landwirtschaft wird aber im Prinzip nicht infrage gestellt, sondern weiter fortgesetzt. Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, genau das ist Ihr Programm. Deswegen wollen Sie von der zweiten Säule nichts wissen.
Mit Ihrem heutigen Antrag treiben Sie die Industrialisierung voran und schaden damit den bäuerlichen Familienbetrieben, den Verbraucherinnen und Verbrauchern und den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern insgesamt; denn Sie treiben die Intensivierung weiter voran, die umweltschädliche Eingriffe bedeutet, die man hinterher wieder teuer mit Artenschutzprogrammen, Wasserschutzprogrammen, Klimaprogrammen oder Grünlandförderung reparieren muss. Intensivieren und dann reparieren, das ist ein absurdes und perverses System, das Sie hier vorantreiben.
Sie schaden den Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil Sie nicht dafür sorgen, dass der ÖkoAnbau endlich in Bayern in dem Umfang betrieben wird, in dem er einen Markt hat. Vor 10 oder 15 Jahren hieß es immer: der Markt, der Markt, der Markt. Man könne keine Programme auflegen. Jetzt haben wir den Markt. Wo sind eure Programme? Warum sprecht ihr nur Bekundungen aus und sonst nichts? Warum rührt sich nicht endlich was?
Jeder zweite Apfel und jede zweite Kartoffel kommen aus dem Ausland, obwohl sie hier angebaut werden könnten. Das bedeutet lange Lieferketten, die wiederum für Lebensmittelskandale anfällig sind. Das erleben wir immer wieder. Außerdem schaden sie den bäuerlichen Familienbetrieben. Das kritisiert auch die EU-Kommission. Profiteure sind Betriebe außerhalb Bayerns. Warum setzen Sie sich für Betriebe außerhalb Bayerns ein und nicht für unsere Betriebe? Erklären Sie das einmal den Bauern. Ihr Antrag ist umweltund klimaschädlich, bauern- und verbraucherfeindlich. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Sie sind ein Mann, der immer sagt, man solle zuhören. Offenbar haben Sie es damit selbst nicht ganz einfach. Ich habe den Experten Professor Dr. Poppinga aus Ihrer Ausschusssitzung zitiert. Er hat von einer Industrialisierung der Landwirtschaft gesprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wahlkampf war. Er hat einfach beschrieben, was momentan tatsächlich passiert. Natürlich war die Entkoppelung ein erster wichtiger Schritt. Früher hat man mehr Geld bekommen, wenn man die Umwelt stärker belastet hat. Das war ja völlig unsinnig. Aber dieses System, bei dem man nur Geld bekommt, wenn man es schon immer bekommen hat, und dass man dieses Geld nach der Größe bekommt, ist doch absurd. Es kann doch nur öffentliche Mittel für öffentliche Güter geben.
Nur wer etwas leistet, soll etwas bekommen.
Ja, aber das muss der nächste Schritt sein. Ich sage doch, dass ihr pennt. Ihr pennt schon seit zehn Jahren. Schon vor zehn Jahren hätte der zweite Schritt kommen müssen.
Auf die habe ich noch gewartet.
Darum bin ich so vorsichtig gegangen.
Ich möchte noch einmal klar und deutlich sagen, dass ich nichts dagegen habe, dass Mittel, woher auch immer, in die zweite Säule kommen. Das Prinzip der ersten Säule ist jedoch im Gegensatz zum Prinzip der zweiten Säule ein falsches Prinzip.
Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass es in Bayern ganz unterschiedliche Bäuerinnen und Bauern gibt. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Sie haben gerade gesagt, dass die erste Säule einkommenswirksam sei. Ich habe aber eben vorgetragen, dass in zehn Landkreisen die zweite Säule einkommenswirksamer als die erste Säule ist. Kapieren Sie das endlich! Da sind auch die Landkreise Oberallgäu und Ostallgäu dabei. Setzen Sie sich für Ihre eigenen Bauern ein. Das erwarte ich.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Hohen Hause schon sehr viele überflüssige Regierungserklärungen
gehört. Der Inhalt Ihrer heutigen Regierungserklärung, Herr Minister Heubisch, hätte jedoch noch nicht einmal für eine Pressemitteilung gereicht.
Sie hatten nichts Neues und erst recht nichts Bedeutendes zu verkünden. Das ist der Grund, warum Sie heute hier geredet haben. Sie hoffen, dass niemand merkt, dass Sie nichts zu sagen haben, in vier Jahren nichts gestaltet haben und weiter nichts vorhaben. Deswegen reden Sie.
Auf wirklich charmante und nette Weise sagen Sie nichts. Sie müssen doch selber merken, dass das nicht reicht. Jetzt fragen Sie sicher treuherzig, was Sie sonst hätten tun können. Statt nichts zu erklären, hätten Sie handeln können. Sie hätten zusammen mit dem Wirtschaftsminister endlich den Kulturwirtschaftsbericht vorlegen können, der seit drei Jahren überfällig ist. Das wäre ein guter Moment gewesen, um das zu tun.
Sie hätten in eigener Zuständigkeit ein Landesentwicklungskonzept Kultur vorlegen können. Ich finde es lustig, dass Sie heute allen Forderungen − ich zitiere − "nach einem Landeskulturplan mit allem Nachdruck widersprechen". Das haben Sie heute gesagt. Das finde ich super, weil das alte FDP-Forderungen sind.
Super, wie Sie sich selber widersprechen. Das haben Sie vor ein paar Jahren noch selber gefordert. Lustig ist auch, dass Sie sagen, wir bräuchten keine toten Papiere. Ich frage mich, warum Sie vor zwei Jahren die Leitlinien zur bayerischen Kulturpolitik vorgelegt haben. Töter geht es kaum.
Heute berufen Sie sich auf Ihre angeblich klaren Leitlinien. Inhaltlich bleiben Sie jedoch jede Ausführung schuldig.
In Ihrer heutigen Regierungserklärung hätten Sie wenigstens darlegen können, warum Sie eigentlich Kulturpolitik machen. Sie hätten im Hinblick auf die Haushaltsberatungen nächste Woche nachbessern können, beispielsweise bei den Museen, den Archiven und der Hilfe zur Selbsthilfe von Künstlerinnen und Künstlern. Sie hätten wahnsinnig viel tun können. Sie hätten erklären können, dass Sie künftig den Kul
turfonds ausschöpfen und nicht wieder, wie alle Jahre zuvor, die Hälfte der Mittel einsparen würden. Statt zum x-ten Mal unverbindlich und vorlaut über einen neuen Konzertsaal in München zu labern, hätten Sie endlich handeln und die Voraussetzungen schaffen können.
Ihre Vorgehensweise in Sachen Konzertsaal ist beispielhaft für Ihre dilettantische und unprofessionelle Art, Politik zu machen. Sie gackern permanent über ungelegte Eier. Sie reden lieber mit den Medien statt mit den Betroffenen. Sie haben noch keinen einzigen Schritt getan, um wirklich etwas voranzubringen. Wir sind auf demselben Stand wie vor Jahren. Wir sind keinen Schritt weiter. Sie haben jedoch schon Jahre geredet. Das ist wirklich der Wahnsinn. In den letzten Jahren haben Sie alle übergangen, auf die Sie doch am Ende angewiesen sind, allen voran die Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker im Landtag.
Heute stellen Sie sich hin und tönen großartig von einer neuen Politikkultur in der Kulturpolitik. Ich bin platt. Diese Politikkultur − das sagen Sie − sei geprägt von Freiheit und Offenheit, von Mitverantwortung, von Subsidiarität und von Partizipation. Meinen Sie, das ist die richtige Beschreibung dafür, dass Sie dem Landtag über Jahre hinweg einen Bericht und die Aussprache vorenthalten haben − trotz Landtagsbeschluss? Meinen Sie, Subsidiarität und Partizipation seien die richtigen Begriffe für die Zweckentfremdung der Machbarkeitsstudie, die Sie aus den Mitteln des Deutschen Museums finanzieren? Das ist Kultur aus Forschungsmitteln. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass es dort vehementen Widerstand gegen Ihre Pläne gibt. Halten Sie das für Partizipation? Herr Minister, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Vermutlich sage ich es Ihnen wieder vergeblich: Sie pfuschen so lange rum, bis Sie auch den Gutwilligsten vergrätzt haben. Ich bin vergrätzt, und ich weiß nicht, wer in diesem Haus noch gutwillig sein kann.
Um es deutlich zu sagen: Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks als Orchester von Weltrang erhalten bleibt. Das ist unser Ziel. Das geht nur, wenn dieses Orchester in einem eigenen Konzertsaal Belegungsrechte bekommt.
- Hören Sie doch zu, wenn Sie schon keine Ahnung haben. Hören Sie einfach mal zu. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass eine sachgerechte Entschei
dung über den Konzertsaal nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Wir GRÜNE haben schon mehrfach versucht, diese Voraussetzungen zu schaffen und Ankündigungen einzulösen. Die Staatsregierung blockiert, mauert und tut nichts, um die Ankündigungen auch umzusetzen.
Erfreulicherweise hat der Vorsitzende des Kulturausschusses, Herr Oliver Jörg, unsere Kritik und unsere Forderungen geteilt. Lieber Oliver, gerade befindest du dich in einer Unterhaltung. Das verstehe ich. Ich muss jedoch sagen, du hast schon eindeutig besser geredet als heute. Anfang März hast du gegenüber der "Main-Post" Verschiedenes erklärt. Das finde ich so super, dass ich das heute ausführlich zitieren werde; das könnte von mir sein. Zum Konzertsaalprojekt hat Herr Oliver Jörg erklärt − ich zitiere:
Solch ein Vorhaben muss in jedem Fall eingebettet sein in ein kulturpolitisches Gesamtkonzept, das sowohl die Kultur in den Regionen wie auch die sogenannten Leuchttürme umfasst. (…) Ich will,
− gemeint ist er, natürlich will ich das auch
dass wir zunächst eine offene Grundsatzdebatte führen. Und ich bin sicher: Ohne ein nachhaltiges Kulturkonzept für ganz Bayern wird es mit der Landtags-CSU keine "Isar-Philharmonie" geben.
Ich finde, das ist ein super Satz. Ich stehe voll dahinter. Aber mit dem nachhaltigen Kulturkonzept kannst du doch nicht die paar dünnen Seiten Papier meinen, mit denen die Staatsregierung in diesen Tagen hausieren geht. Das kann es doch wirklich nicht sein. Da muss doch noch etwas kommen.
Aus unserer Sicht − lieber Oliver Jörg, darin sind wir uns einig − müssen wir, nicht nur wegen des Konzertsaals, zwei Grundsatzfragen endlich klären. Wir müssen uns erstens über ein kulturpolitisches Entwicklungskonzept für ganz Bayern verständigen, und zweitens brauchen wir einen Realisierungs- und Finanzierungsplan des bereits absehbaren Investitionsund Sanierungsbedarfs in der Kultur in Höhe von mehreren Milliarden Euro.
Beides hört sich recht kompliziert an, aber es geht schlicht und einfach um gemeinsame Antworten auf zwei Fragen. Was sind unsere kulturpolitischen Aufgaben in Bayern? Und: Wie können wir sie finanzieren? Darauf müssen wir uns endlich verständigen. Bevor hier weiter große Töne gespuckt werden, muss das klar sein.
Wir haben in den letzten vier Jahren vonseiten der GRÜNEN immer wieder darauf gedrängt, diese Fragen zu klären. Wir haben eine Interpellation zur Lage der Museen und eine zur Lage der Künstlerinnen und Künstler in Bayern eingebracht. 2009 hat der Landtag auf unseren Antrag hin die Staatsregierung aufgefordert, den Kulturwirtschaftsbericht vorzulegen. Wir warten noch immer darauf. Wir GRÜNEN haben auch den Investitionsstau im Kulturbereich aufgedeckt. Wir haben vor über einem Jahr herausgearbeitet, dass allein bei den Museen und Archiven ein Sanierungsund Investitionsstau von mehreren Milliarden besteht. Auf diesen Investitionsstau wurde in der letzten Zeit zu Recht auch von anderen immer wieder hingewiesen − von Medien, von den Kolleginnen und Kollegen im Landtag oder von Ihnen, Herr Minister. Erstaunlicherweise wird der Bedarf jedes Mal, wenn er auftaucht, wieder kleiner. Das verstehe ich nicht. Es war einmal von einer halben Milliarde die Rede, dann von 700 Millionen. Heute haben Sie von 850 Millionen geredet. Deswegen weise ich mit Nachdruck darauf hin: Den staatlichen Kulturinstitutionen fehlen mehrere Milliarden, und die nichtstaatlichen haben ebenfalls einen erheblichen Investitionsbedarf von etlichen 100 Millionen. Durch Kleinreden wird das Problem nicht wirklich kleiner.
Auch wenn die Regierungserklärung heute nicht viel bringt, bietet sie immerhin die Gelegenheit − Herr Kollege Piazolo hat es schon angesprochen -, über Kulturpolitik grundsätzlich zu reden. Eine solche Debatte ist überfällig, weil inzwischen jedem klar sein muss, dass es auch in der Kulturpolitik nicht einfach ein Weiter-so geben kann.
Die Landespolitik gerät von verschiedenen Seiten unter Druck. Vor allem ist längst nicht mehr zu leugnen, dass der finanzielle Spielraum für die Kulturpolitik in Bayern − dies gilt auch für die anderen Bundesländer und die Kommunen − jedes Jahr kleiner wird. Das ist wie ein Naturgesetz. Dringend notwendige Sanierungs- und Investitionsmaßnahmen in Milliardenhöhe werden jedes Jahr geschoben. Auch die laufenden Kosten steigen jedes Jahr schneller als das Budget, vor allem dort, wo die Personalkostenquote hoch ist. Das müssen wir uns doch einmal ansehen und überlegen, was zu geschehen hat.
Ich muss dabei auch feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, dass die sogenannte zweite Säule des Kulturkonzepts nichts anderes als ein Kampf gegen Windmühlen ist. Sie geben zwar einzelnen Institutionen ausnahmsweise mal einen Inflationsausgleich und auch einen Ausgleich für Tariferhöhungen. Das geschieht aber ziemlich willkürlich, nämlich − Herr Kollege Piazolo hat es schon vermutet − nach dem Zufallsprinzip oder nach
einem anderen Prinzip. Alle anderen aber bekommen − das ist der Regelfall − keinen Ausgleich; sie bekommen nichts. Sie können damit zwar die Not Einzelner mindern, aber grundsätzlich können Sie auf diese Weise nichts ändern.
Es freut mich zu sehen, was Sie alles konkret nachgebessert haben. Ich betrachte es auch als Anerkennung für die Arbeit, die wir GRÜNE in den letzten Jahren geleistet haben, nachdem Sie so viele grüne Vorschläge aufgreifen − von der Digitalisierung in Bibliotheken und Archiven angefangen, über Museumspädagogik bis hin zum Obersalzberg und den Zweigmuseen. Das alles sind gute grüne Forderungen, die Sie wenigstens zum Teil umsetzen. Ich habe mit der Interpellation im Jahr 2009 und einem umfangreichen Antragspaket im letzten Jahr versucht, die Lage der Museen zu verbessern. Ich bin froh, dass das zumindest nicht ganz umsonst war. Ich habe damals auch argumentiert, dass es wenig Sinn hat, ständig neue Museen zu eröffnen, wenn Staat und Kommunen noch nicht einmal die vorhandenen unterhalten können.
Dieses sogenannte Kulturkonzept nehme ich als späte Bestätigung dafür und als Eingeständnis dessen, dass es tatsächlich so ist. Jüngst hat auch Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärt - ich zitiere −, es sei legitim, danach zu fragen, ob immer neue Museen gebaut werden müssen, wenn sich die bestehenden selbst kaum tragen könnten.
Ich sage in aller Deutlichkeit: Die Problematik betrifft nicht nur die Museen, sondern den gesamten Kulturbereich. Der Anteil gebundener Mittel in den Kulturhaushalten ist heute schon extrem hoch. Land und Kommunen haben kaum frei verfügbare Mittel. Das trifft den Kulturhaushalt noch mehr als den Etat insgesamt. Der Trend wird sich verschärfen, egal, wer regiert. Deshalb müssen wir uns darauf verständigen, welche kulturellen Aufgaben der Freistaat übernimmt und welche nicht. Wir müssen wenigstens gemeinsam eine Diskussion darüber beginnen. Wir können unterschiedlich entscheiden, aber es ist doch vernünftig, darüber zu reden. Wir sollten uns überlegen, und zwar zusammen, wie wir mehr Gestaltungsspielraum zurückgewinnen können. Das geht nicht ohne Gestaltungsanspruch. Den gibt es beim Minister leider nicht. So etwas hat er nicht. Wir können hierbei vom Ministerium und von ihm keine Unterstützung erwarten.
Bereits am Beginn der Legislaturperiode hat der Landtag auf unseren Antrag hin die Staatsregierung aufgefordert, Leitlinien ihrer Kulturpolitik vorzulegen.
Wir wollten damit eine breite Debatte anstoßen, aber bis heute verweigert sich die Staatsregierung. Immerhin hat sich der Kulturausschuss damit befasst und auf unsere Anregung hin eine Anhörung zu den Leitlinien durchgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung waren eine schallende Ohrfeige für den Minister und das Ministerium. Ich fürchte, die Verantwortlichen dort haben das noch nicht einmal gemerkt. Die Betroffenen sind so harthörig, dass sie noch nicht einmal mitbekommen haben, wie stark sie abgefotzt wurden.
Ich möchte nur ein paar Expertenaussagen zitieren, weil sich im Prinzip alle einig waren. Mehrere haben gesagt, die Leitlinien seien sehr rückwärts orientiert und ihr Blickwinkel sei eingeengt. Ein anderer hat ausgeführt, das Kunstministerium sei vor 20 Jahren sehr fortschrittlich gewesen. Leider haben wir den Anschluss wieder verloren, hieß es weiter. Das für die Staatsregierung einhellig blamable Resümee lautete: Bayern ist besser als das, was in den Leitlinien steht.
Das muss man erst einmal so hinbekommen. Aber selbst diese erhebliche Kritik auch aus den Reihen der von CSU und FDP benannten Expertinnen und Experten hat den Minister nicht zum Umdenken bewegen können. Das hat die Posse um das Dürer-Bildnis leider überdeutlich gezeigt.
Der Münchner Minister und sein zentralistischer Apparat sind in Fragen regionaler Identität von einer derartigen Unsensibilität, dass es schon körperlich wehtut. Umso erfreulicher ist es aus unserer Sicht, dass inzwischen Kulturpolitiker aus allen Fraktionen nicht mehr alles kritiklos hinnehmen. Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Herr Kollege Jörg, hat sich in dem schon zitierten Interview in der "Main-Post" unmissverständlich geäußert. Er hat gesagt, er erwarte vom Minister, dass er eine breite Diskussion anstößt, wohin sich die Kulturpolitik in Bayern entwickeln soll. Der Minister sollte Ansatzpunkte liefern, damit wir eine breite Debatte mit Kunstschaffenden, Kulturbegeisterten, den Trägern von Kultureinrichtungen und vielen anderen Gruppen beginnen können. − Das alles könnte von mir sein, stand aber in der "Mainpost" vom 2. März. Kultur kann man nicht verordnen, Kultur wächst im Dialog, sagt Oliver Jörg. Danke, Oliver.
Weiter heißt es − es ist ein langes und schönes Interview -:
Wenn wir diese Diskussion ernsthaft führen können, dann hat die Kultur in Bayern schon gewonnen. Dann wird nämlich klar, wie vielfältig Bay
erns Kulturlandschaft ist. Und auch die Förderpolitik wird sich dann fragen lassen müssen, ob wir mit den bisherigen Vorgaben dieser Vielfalt wirklich gerecht werden können.
Das sind Fragen, die sich natürlich vor allem die Regierung stellen muss. Ich habe das deshalb so ausführlich zitiert, weil ich hoffe, dass wir auf dieser gemeinsamen Basis im Ausschuss arbeiten können. Ich weiß nicht, ob es sich lohnt, noch den Kunstminister dazu aufzufordern, mit uns Parlamentariern und den Kulturschaffenden in ganz Bayern in diese Debatte darüber einzutreten, wie ein Kulturkonzept aussehen soll. Aber wir Kulturpolitiker und Kulturpolitikerinnen sollten uns das für das nächste halbe Jahr, das uns in dieser Legislaturperiode noch bleibt, ernsthaft vornehmen, dass wir eine offene Debatte in Gang bringen, und wir GRÜNEN haben dazu auch schon einige Vorschläge unterbreitet.
Ich habe bereits über die Notwendigkeit einer soliden, verlässlichen Kulturfinanzierung gesprochen. Wir haben uns im Ausschuss darauf verständigt, dass wir im Februar 2013 eine gründliche Bestandsaufnahme vornehmen und den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Bereich des Wissenschaftsministeriums erheben. Dann wird man sehen, welcher Spielraum noch bleibt, damit wir das hinbekommen. Außerdem haben wir GRÜNE angeregt, eine Anhörung zu Modellen regionaler Kulturförderung durchzuführen. Ich denke dabei vor allem an das Kulturraumgesetz Sachsen, zu dem ich selbst schon ein Fachgespräch durchgeführt habe, und auch an das Kulturfördergesetz von Nordrhein-Westfalen, das wir uns, wie ich finde, noch einmal genauer anschauen sollten. Das sächsische Modell scheint mir ein sehr chancenreiches Instrument gerade für den ländlichen Raum zu sein. Dabei gibt der Staat - was unglaublich ist, aber wahr - Macht, Geld und Identifikationspotenzial an den ländlichen Raum ab. Das heißt, so viel Geld hatte noch keine Region zur Disposition, und diese hat dann tatsächlich etwas zu entscheiden. Das stärkt wirklich das regionale Selbstbewusstsein. Das sollten wir uns genau anschauen, weil eine solche Kompetenzverlagerung in die Region dem Zentralstaat entgegenwirkt und gerade strukturschwache Räume stärken kann. Dabei gibt es natürlich Schwierigkeiten, aber das sollte uns nicht davon abhalten, dies genau zu prüfen und vielleicht sogar einen Modellversuch in einer Region in Bayern auf den Weg zu bringen.
Neben der Finanzierung müssen wir uns verstärkt um die Wertschätzung der regionalen Vielfalt kümmern; auch dies ist bereits angesprochen worden. Sie ist eine besondere Stärke Bayerns. Unsere Bevölkerung identifiziert sich in einem sehr hohen Maß mit unse
rem Land - aus gutem Grund -, seinen Kulturlandschaften, der Region und dem Ort, an dem sie lebt. Bayern ist ihre Heimat, Bayern ist unsere Heimat.
- Franken gehört bis jetzt immer noch zu Bayern, darum nehme ich an, dass Bayern auch die Heimat für die Franken ist.
Wenn es vielleicht einmal nicht mehr zu Bayern gehört - was ich nicht hoffen will -,
dann könnt ihr nur für euch reden.
Diese starke Identifikation spiegelt sich auch in einem regen Kulturleben wider. In allen Regionen gibt es auch international herausragende Kultureinrichtungen. Der kulturelle Reichtum Bayerns beruht nicht nur auf einer Vielzahl schwäbischer, ober- und niederbayerischer, Oberpfälzer und fränkischer Kulturen, sondern auch auf einem jahrhundertelangen Zustrom von Einwanderern.
Ganz wichtig, aber meist vernachlässigt: Es gibt bei uns eine Tradition einer kritischen Auseinandersetzung mit der Tradition. Diese hat schon sehr lange Tradition, und in dieser Tradition stehen wir GRÜNE, und auf diese sind wir auch stolz.
Das Fortleben alter Traditionen, verbunden mit einer neuen politischen und kulturellen Offenheit ist spezifisch für unser Land. Gerade in der vermeintlichen Provinz ist Bayern heute oft europäische Spitze - nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Kultur -, und Provinz ist für mich als Provinzpolitiker eben kein Schimpfwort. Provinziell zu sein heißt heute - das gibt es natürlich auch - aber in der Regel nicht, borniert zu sein. Wer sich der Beschränktheit der eigenen Perspektive bewusst ist - und diese haben wir im Prinzip alle -, der weiß auch, wie sehr er Kunst und Kultur braucht, um andere Perspektiven kennenzulernen und nicht in der eigenen zu versauern.
Ich will, da die Zeit zwar beim Zuhören lang wird, aber beim Reden dann doch knapp,
nur noch über drei in Bayern leider vernachlässigte kulturpolitische Aspekte sprechen: über kulturelle Bildung für alle, über ein kulturelles Gedächtnis, das die feudale Herkunft überwindet, und über die Bedeutung der Kulturwirtschaft.
Kultur besteht aus einer Vielzahl von Symbolsprachen. Mit ihnen eignen wir uns die vorstrukturierte Welt an, strukturieren sie nach bestimmten Mustern neu und verorten uns in ihr. Sie ist eine subjektbezogene Ordnung der Welt aus der Perspektive von Individuen und von Gruppen mit Selbst- und Fremddefinition. Die Aufgabe kultureller Bildung ist es deshalb, Kenntnis und Erwerb möglichst vieler Symbolsprachen zu vermitteln. Kulturelle Bildung ist Sprachvermittlung.
Statt die soziale Abschottung kulturell zu legitimieren, muss sie interkulturelle Kompetenz im übertragenen Sinne fördern, nämlich die Verständigung in einer auch kulturell diversifizierten Gesellschaft. Das ist die entscheidende Aufgabe der kulturellen Bildung. Und weil Kultur auch dazu da ist, dass man sich in der eigenen Umgebung wohl und heimisch fühlt, ist es so wichtig, dass auch die andere Seite von Kultur und Kunst zu ihrem Recht kommt, nämlich die offene, die fragende Seite. Kultur und insbesondere Kunst fragen, wo und warum wir uns gleichzeitig unwohl fühlen, und sorgen dafür, dass wir es uns in einer unbequemen Lage nicht bequem machen. Dann vermeiden wir Kitsch, und wir vermeiden Billiges. Deshalb brauchen wir auch diese Seite von Kunst und Kultur.
Es geht also immer um Identität, um Infragestellung oder, um es verkürzt in politischen Begriffen zu sagen, um den Spannungsbogen zwischen Konservativem und Progressivem, zwischen Kritik und Bestätigung. Für diese doppelte Orientierung, dieses Infragestellen und Verorten brauchen wir auch unser kulturelles Gedächtnis. Die Aufgabe, Denkmäler, Museen, Archive, Opern oder Theater als Nachlassverwalter des kulturellen Erbes zu sichern, darf aber nicht dazu führen, dass sie uns in ihrer Übermacht ersticken und die lebendige Kultur, die lebendigen Kulturschaffenden ersticken, wie das in Bayern zum Teil bereits der Fall ist.
Darüber hinaus stellt sich für uns natürlich auch die Frage, ob diese Institutionen auf ewig so bleiben, wie sie sind; denn bis heute merkt man ihnen die Herkunft aus der höfischen Kultur und ihre feudale Repräsentations- und Legitimationsfunktion an. Dort gibt es einen ordentlichen Bedarf zur Demokratisierung. Wir sehen einen erheblichen Spielraum für demokratische Öffnung und Weiterentwicklung.
Kultur hat viele Funktionen, aber ihre wirtschaftliche Bedeutung wurde bisher zu wenig beachtet; darauf haben wir ebenfalls bereits mehrfach hingewiesen. Die nackten Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Aus öffentlichen Kassen fließen 8 Milliarden Euro in die Kulturförderung. Dazu kommen noch 8 Milliarden Rundfunkgebühren; das sind 16 Milliarden Euro. Aber die Kultur- und Kreativwirtschaft macht Umsätze von 132 Milliarden Euro. Das sind die Verhältnisse, die wir endlich zur Kenntnis nehmen müssen.
Kulturpolitik ist keine Wirtschaftspolitik, deshalb geht es nicht um die Ökonomisierung marktferner Bereiche. Aber wer versucht, mit Kultur Geld zu verdienen, der verdient unsere Unterstützung, damit er sich auf dem Markt behaupten kann. Das wäre umso wichtiger, als die Kulturwirtschaft in Bayern ein überdurchschnittlich wichtiger Wirtschaftsbereich ist. Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft erzielt nach Angaben der Bundesregierung eine Bruttowertschöpfung von 63 Milliarden Euro, in Bayern betrug sie 2009 13,6 Milliarden Euro; das heißt, ein gutes Fünftel der Wertschöpfung wird in Bayern erwirtschaftet - ein Fünftel der bundesweiten Wertschöpfung!
Mehr als ein Viertel der in der Kulturwirtschaft Beschäftigten arbeiten in Bayern. Diese Bedeutung hat dieser Wirtschaftszweig für unser Land! Das bedeutet, er hat eine extrem überdurchschnittliche Bedeutung, aber er weist gleichzeitig eine geringe Produktivität auf - eine deutlich geringere als in anderen Ländern. Das heißt, hier ist der Nachholbedarf groß. Hier müssen wir endlich etwas tun, auch der Wirtschaftsminister und der Kultusminister müssen diesen Bereich endlich als Aufgabe zur Kenntnis nehmen und etwas tun. Andere Wirtschaftsbereiche würden sich diese Ignoranz nicht bieten lassen, und ich hoffe, dass auch die Kulturwirtschaft den beiden Staatsministern endlich auf die Füße steigt.
Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich bemüht, heute nicht alles zu sagen, was ich weiß.
Es war nicht leicht. Kunst und Kultur sind für eine Plenardebatte eher wenig geeignete Themen. Das Problem ist nur, dass die Staatsregierung und namentlich Sie, Herr Minister Heubisch, die Grundsatzdebatte an besser geeigneten Orten bisher leider verweigern. Ich habe versucht, deutlich zu machen, warum wir diese Debatte endlich führen müssen. Wir müssen sie führen, weil uns sonst die Kulturpolitik um die Ohren
fliegt. Wir müssen diese Debatte führen, weil der strukturell wachsende Finanzbedarf jeden Gestaltungsspielraum auflösen wird, wenn wir nicht endlich anfangen zu steuern. Wir müssen diese Debatte führen, weil es unsägliche Verteilungskämpfe geben wird, die dann nicht nach kulturpolitischen Kriterien, sondern nach anderen unsäglichen Kriterien ausgetragen werden, wie es sich heute schon abzeichnet. Deshalb fordern wir GRÜNE eine breite Diskussion mit den Kulturschaffenden und der Öffentlichkeit sowie im Parlament und in unseren Parteien. Ich hoffe, dass wir gemeinsam in unserem Ausschuss in diesem Jahr noch damit anfangen. Es geht um einen klassischen Prozess politischer Willensbildung, um Identität, um unsere Heimat, um unser Bayern.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie sich die Karrieren von Künstlern, Schauspielern, Schriftstellern oder Musikern vorstellen, dann denken die meisten Menschen an Glanz und Glamour, Ruhm, Ehre und viel Geld. Aber für die übergroße Mehrheit der Kulturschaffenden sind das leere Versprechen. Es sind nur wenige Ausnahmen, die so leben können, wie es die bunten Blätter vorgaukeln. Stars sind selten, und selbst die gesicherte Lage eines Festangestellten oder einer gut verdienenden Freiberuflerin ist nur wenigen gegönnt. Die allermeisten Künstlerinnen und Künstler fristen eine prekäre und wirtschaftlich miserable Existenz. Weil die wirtschaftliche und soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern so unterschiedlich ist, brauchen wir eine branchen- und berufsgruppenspezifische Bestandsaufnahme.
Deshalb hat der Bayerische Landtag Wirtschaftsminister Zeil, der heute nicht da ist,
auf unseren Antrag hin vor fast vier Jahren beauftragt, einen Kulturwirtschaftsbericht vorzulegen. Staatsmi
nister Zeil hat dies bis heute nicht geschafft. Das ist ein blamables Versagen.
- Inzwischen hätte er trotzdem den Bericht vorlegen können, auch wenn er jetzt in Nordamerika ist.
Aber es ist leider kein Einzelfall, denn statt sich tatkräftig um diesen Wirtschaftszweig zu kümmern, legen die zuständigen Minister Heubisch und Zeil die Hände in den Schoß. Ein weiteres Beispiel dafür ist ihre Antwort auf unsere Interpellation. Das Desinteresse der Staatsregierung an der Lage der Künstlerinnen und Künstler zeigt sich in der erbärmlichen Qualität ihrer Antworten. Da wimmelt es nur so von Gemeinplätzen, falschen Angaben und unbrauchbaren Daten.
Herr Staatsminister Heubisch, Sie erklären in Ihrem Schreiben an die Präsidentin - ich zitiere -: "Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch in Bayern Künstlerinnen und Künstler oftmals schwierige Berufs- und Erwerbsbiografien haben."
Das ist schon fast alles, was Sie an Erkenntnissen beitragen, und das haben wir auch schon vorher gewusst.
In Ihrem Anschreiben behaupten Sie auch, Ihre Antwort zeige in beeindruckender Weise das praxisnahe Ausbildungsangebot. Aber wenn ich dann nach der Vorbereitung auf eine meist schwierige Berufsbiografie frage, antworten Sie mit dem Verweis auf Einzelunterricht an den Hochschulen für Musik. Dieser, sagen Sie, ermögliche in besonderem Maße ein Eingehen auf die Stärken und Schwächen des einzelnen Studierenden und damit eine individuelle Vorbereitung auf das spätere Berufsleben. Und das soll dann eine professionelle Vorbereitung auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse sein? Da fragt man sich schon, in welcher Welt die Staatsregierung eigentlich lebt. Dabei bräuchten die angehenden Berufskünstlerinnen und -künstler dringend Unterstützung, damit sie sich auf den Kulturmärkten behaupten können.
Aber wenn es um Kompetenzen zur Selbstvermarktung geht, sieht es in der Berufs- und Weiterbildung in Bayern düster aus. Nur an zwei Instituten gibt es Weiterbildungsmaßnahmen. Nirgends gibt es spezifische Angebote zur Existenzgründung. Nach wie vor ist die Ausbildung fast ausschließlich auf fachliche, nicht aber auf professionelle Qualitäten konzentriert. Als ob alle Studierenden mit Verbeamtung rechnen könnten!
Ähnlich daneben liegt die Staatsregierung mit ihren Antworten auf die Frage nach Ausbildungsangeboten
für Künstlerberufe an Berufsschulen. Da nennt sie Florist, Flechtwerkgestalter und viel Kunsthandwerk. Zu den Studiengängen für Künstler und Kulturberufe zählt sie auch Journalismus, Industrial Design, New Design, Produktdesign, Internet-Webdesign, Medienkommunikation, Informationsdesign, Media- and Communication-Management. Absurder geht es kaum! Die Krönung ist dann die Antwort auf die Frage nach Fortbildungsangeboten für Künstler und Kulturberufe. Da taucht dann der Florist wieder auf, der Form- und Raumgestalter und sogar der Fachingenieur Fassade.
Auch die statistischen Daten, die Sie zu den Beschäftigten liefern, sind völlig unbrauchbar; denn unter die Berufsgruppe 83 der Bundesagentur für Arbeit, auf die Sie sich berufen, fallen ebenso Schildermaler, Raumgestalter, Pferdewirte, Jockeys, Berufsfußballer und Bergführer. Dass Ihnen da nichts auffällt, Herr Staatsminister!
Gleichzeitig fehlen die Schriftsteller, und es gibt keine Angaben zur Anzahl der Selbstständigen. Dies ist umso ärgerlicher, weil wir gezielt nach den Selbstständigen gefragt haben. Außerdem hätte die Staatsregierung mit nur wenig Aufwand brauchbare Ergebnisse liefern können; denn es gibt die Statistiken, das zeigen die Antworten zu Kapitel 4. Aber man hat sich halt einfach keine Arbeit machen wollen. Es geht ja nur um Künstlerinnen und Künstler.
Konsequent liefert die Staatsregierung keine Daten zu Patchwork-Existenzen, zur Anzahl armer Künstlerinnen und Künstler, zur Inanspruchnahme der Grundsicherung oder zur genauen Rentenhöhe. Das will man offenbar alles lieber nicht so genau wissen, sonst müsste man ja etwas tun!
Meine Fragen, ob die Daten ausreichen, um eine verlässliche Aussage über die Lage treffen zu können, beantwortet die Staatsregierung - das ist besonders skurril - mit dem Verweis auf die Verlässlichkeit der Daten. Weil die Daten verlässlich sind, ist es egal, dass sie lückenhaft, unbrauchbar und wenig aussagekräftig sind. Da wiehert der Bürokratenschimmel, Herr Staatsminister!
Die Staatsregierung bleibt leider alles schuldig. Sie verfügt weder über eine brauchbare Bestandsaufnahme noch über Instrumente oder gar eine Vorstellung davon, wie sich die Lage der Künstlerinnen und Künstler in Bayern verbessern ließe. Dieses Desinteresse ist ein Schlag ins Gesicht der Künstlerinnen und Künstler. Damit stellen sich beide Staatsminister Kulturminister Heubisch und Wirtschaftsminister Zeil ein Armutszeugnis aus. Das Desinteresse ist beschämend für die beiden Minister. Aber es ist vor allem
schädlich für Bayern; denn die Kulturwirtschaft ist, worauf die Bundesregierung immer wieder hinweist, ein wichtiger Wirtschaftszweig. In Bayern aber ist sie überdurchschnittlich wichtig.
Die deutsche Kultur- und Kreativwirtschaft erzielte laut Angaben der Bundesregierung im Jahr 2008 eine Bruttowertschöpfung von 63 Milliarden Euro. Bundesweit waren knapp eine Million Beschäftigte in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. In Bayern betrug die Bruttowertschöpfung im Jahr 2009 laut Angaben der Staatsregierung 13,6 Milliarden Euro bei circa 284.000 Erwerbstätigen. Mehr als ein Viertel aller deutschen Kulturschaffenden arbeitet demnach in Bayern, mehr als ein Fünftel der Bruttowertschöpfung findet hier statt. Das heißt, dass die bayerische Kulturund Kreativwirtschaft weit überdurchschnittliche Bedeutung besitzt. Gleichzeitig weist sie aber eine deutlich geringere Produktivität auf. Umso sträflicher ist deshalb das geringe Interesse der zuständigen Minister Zeil und Heubisch.
Wie sieht nun die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler in Bayern aus? Diese Frage kann man allein mit der Auskunft der Staatsregierung nicht beantworten. Für ein halbwegs brauchbares Bild müssen wir deshalb auch auf Erhebungen der Berufsverbände und auf die Kulturwirtschaftsinitiative des Bundes zurückgreifen. Insbesondere der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler sowie der Tonkünstlerverband Bayern haben auf unsere Anfrage so geantwortet, dass man mit den Daten tatsächlich etwas anfangen kann. So hätte auch die Staatsregierung antworten können - und müssen.
Wenn wir uns die branchenspezifischen Einkommensund Arbeitsverhältnisse anschauen, können wir das ganze Elend leicht erkennen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird oft "Boombranche" genannt - mit Recht! Aber - das ist der Pferdefuß dabei - sie ernährt in der Mehrzahl der Fälle nur prekäre Existenzen. 80 % der Kulturschaffenden sind Einzelunternehmer das heißt, sie sind allein tätig - mit einem Umsatzanteil von gerade einmal 15 %. Die Zahl dieser Einzelunternehmer wächst, aber ihr Durchschnittseinkommen sinkt. Gleichzeitig geht die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zurück; das sind diejenigen, die noch einigermaßen gut verdienen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen 2011 der bayerischen Mitglieder der Künstlersozialversicherung betrug sage und schreibe 14.672 Euro. Das ist, wie gesagt, das Durchschnittseinkommen. Viele Künstlerinnen und Künstler leben also am Existenzminimum oder darunter. Dieser Durchschnittswert ist besonders erschreckend, weil in der Künstlersozialversicherung nur die vermeintlich Besserverdienenden sind, nämlich diejenigen mit mehr als 3.900 Euro
im Jahr. Die Geringstverdiener werden dort gar nicht erfasst.
Die Einzigen, die einigermaßen auskömmlich leben können - im Kulturbereich sind übrigens die meisten hochqualifiziert - und auf ein halbwegs angemessenes Gehalt kommen, sind die 20.000 Vollzeitangestellten; sie verdienten im Jahr 2010 im Schnitt 3.152 Euro im Monat.
Zu den Branchen im Einzelnen:
Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler hat 2011 seine Mitglieder befragt. Das Ergebnis: "In der Umfrage meldete mehr als jede/r Zweite, dass … Einkünfte aus weiteren (künstlerischen oder nichtkünstlerischen) Quellen zum Lebensunterhalt genutzt werden."
Das heißt, sie müssen dazuverdienen. Über zwei Drittel der Befragten erzielen mit ihrer Kunst keine 5.000 Euro im Jahr, im Schnitt sind es 1.362 Euro. Angesichts dieser Zahlen ist es kein Wunder, dass über 90 % davon nicht leben können.
Am besten wird noch im Bereich Wort verdient. Das Durchschnittseinkommen der Künstlersozialversicherungsmitglieder aus dieser Sparte betrug im Jahr 2011 in Bayern 18.200 Euro. Auch das ist nicht wahnsinnig viel.
Zur Musik: Der Tonkünstlerverband hat auf unsere Anfrage geantwortet:
Wir gehen davon aus, dass mindestens 60 % unserer Mitglieder in Patchwork-Arbeitsverhältnissen tätig sein müssen, um sich ihren notwendigen Lebensunterhalt zu verdienen.
Außerdem nehmen Verträge zu Dumpinglöhnen in den Musikschulen zu. Der Tonkünstlerverband weiter:
Eine ausreichende Altersvorsorge ist mit diesen Arbeitsverhältnissen nicht mehr gewährleistet.
Darstellende Kunst: Das durchschnittliche Jahreseinkommen der KSV-Versicherten in Bayern liegt in dieser Sparte bei 13.790 Euro. Die Staatszeitung hat im Sommer dieses Jahres unter dem Titel "Eine TV-Kuh verdient oft mehr" eine Studie der Universität Münster zur Lage von Schauspielerinnen und Schauspielern vorgestellt. Laut Studie verdienten über zwei Drittel nicht mehr als 30.240 Euro im Jahr, die Gagen hätten sich in den letzten fünf Jahren halbiert; die Leute sind aber nur kurzzeitbeschäftigt.
Tanz: Zwei Drittel der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland leben unterhalb der Armutsgrenze von
11.256 Euro im Jahr. Deshalb sind sie auch besonders von Altersarmut bedroht. Das ergab eine Studie im Auftrag des Fonds Darstellende Künste im Jahr 2009.
Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Lage von Frauen: Frauen verdienen in der Kulturbranche - wie soll es anders sein - deutlich weniger und haben auch sonst geringere Chancen als Männer. Sie erzielen laut Künstlersozialversicherung in der Sparte Wort 85 % des durchschnittlichen Jahreseinkommens, die Männer 118 %. In der bildenden Kunst liegt das Verhältnis bei 85 % zu 115 %, in der Musik bei 82 % zu 112 %. In der Darstellenden Kunst erhalten Frauen 80 % des Durchschnittseinkommens, Männer 121 %. Alle Jahreseinkommen sind zwischen 2007 und 2011 gestiegen, aber die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern haben sich absolut vergrößert.
Bei den besserverdienenden sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten ist die Lage ähnlich: Männer bekommen im Schnitt 3.500 Euro im Monat, Frauen 2.758 Euro. Genauso sieht es laut BBK auf dem Kunstmarkt aus. Ich zitiere: "Die durchschnittlichen Einkünfte betrugen 5.347 Euro, mit starken Unterschieden zwischen Künstlerinnen (3.325 Euro) und Künstlern (7.443 Euro)."
Das ist der Gender-Pay-Gap, der sich auch auf dem Kunstmarkt fortsetzt.
Wie reagieren nun wir als Landtag auf diese wenig erfreuliche Bestandsaufnahme? Wegen der knappen Zeit will ich nur sieben Schritte skizzieren; wir werden diese Debatte - dessen bin ich mir sicher - noch ausführlicher im Kulturausschuss führen.
Der erste Schritt ist eine planvolle Kulturpolitik. Diese fordern wir schon lange. Der Freistaat muss endlich neue Wege gehen, hin zu Verlässlichkeit und Mitbestimmung bzw. Mitbeteiligung der Künstlerinnen und Künstler.
Wir fordern die Staatsregierung auf, zusammen mit den Kulturschaffenden einen Landesentwicklungsplan zu erarbeiten; wir haben schon einmal einen entsprechenden Antrag gestellt und werden ihn wieder einbringen. Außerdem sind Richtlinien der Künstlerinnen- und Künstlerförderung sowie jährlich ein Kulturförderbericht vorzulegen.
Zweitens müssen wir den Künstlerinnen und Künstlern neue Einkommensquellen eröffnen. Natürlich können wir nicht allen, die sich berufen fühlen, ein Leben als Künstlerin oder Künstler finanzieren; das wäre absurd. Aber der Glaube, dass es der Markt schon richten werde, das Vertrauen darauf, dass sich
auf dem Markt die für unsere Gesellschaft wichtigen Impulse schon durchsetzen werden, ist schon sehr naiv. Den Künstlerinnen und Künstlern nicht die Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, die sie brauchen, um ihr Leben selbst finanzieren zu können, ist verantwortungslos. Wer versucht, mit Kultur Geld zu verdienen, verdient jede Unterstützung, damit er sich auf dem Markt besser behaupten kann.
Drittens muss der Staat wieder stärker als öffentlicher Auftraggeber agieren. Staat und Kommunen sind trotz aller Kürzungsmaßnahmen nicht nur wichtige Arbeitgeber, sondern auch immer noch bedeutende Auftraggeber, insbesondere für die bildende Kunst. Wir fordern die Einrichtung eines Kunstfonds, der - wie in München - aus 0,75 % der öffentlichen Baukosten gespeist wird.
Außerdem müssen die staatlichen Ankaufsetats wieder aufgestockt werden. Schließlich wollen wir eine Ausstellungsvergütung. An der Ausstellung als Hauptnutzung und wichtigstem Weg, einem breiteren Publikum Kunstwerke zu präsentieren, müssen die Urheberinnen und Urheber - wie sonst auch - finanziell beteiligt werden.
Viertens müssen wir die kulturelle Bildung stärker fördern. Die Kulturförderung beginnt mit der Jugend- und Kinderbildung. - Herr Ministerpräsident, der Minister hat jetzt leider keine Zeit; er muss aufpassen.
Herr Minister, ich verstehe nicht ganz, warum Sie Ihr Amt als Wissenschafts- und Kunstminister unbedingt behalten wollen.
Sie interessieren sich nicht für die Lage der Studierenden. Sie interessieren sich nicht für die Lage der Künstlerinnen und Künstler. Gibt es für Sie nicht auch einen anderen Job?
Fünftens gilt es, die Hilfen zur Selbsthilfe zu stärken und zum Beispiel die Museen zu öffnen, Brachflächen zu nutzen und Beratung und Information zu verbessern.
Zu einer effektiven Förderpolitik gehört ein guter Service für die Kulturschaffenden. Leider gibt es in Bayern noch nicht einmal einen brauchbaren Überblick über die Fördermöglichkeiten. Die Künstlerinnen und Künstler können sich nicht ausreichend informieren. Es gibt keine zentrale Beratung, kein Infoportal und keine Beratung für Existenzgründer.
Minister Zeil lässt immer noch prüfen, ob das Beratungsangebot vonseiten des Freistaats sinnvoll ergänzt werden kann. Dabei ist längst klar, dass hier dringend gehandelt werden muss.
Zur Selbsthilfe gehört auch die Ausbildung zu nicht mehr ganz neuen Märkten, zum Beispiel zu Rock und Pop. Da sieht die Ausbildungssituation in Bayern besonders miserabel aus. Ich zitiere: An den staatlichen Hochschulen für Musik gibt es neben Jazzstudiengängen - so modern ist man schon - nur im Bereich der Schulmusik Ausbildungsinhalte, die sich mit Rock und Pop beschäftigen.
Dass die Hochschulen den Hauptmusikmarkt links liegen lassen, ist nicht nur weltfremd, sondern geradezu fahrlässig.
Sechstens muss der Kulturfonds ein flexibleres Förderinstrument werden.
Der siebte und letzte Schritt: Bayern muss endlich die Kulturwirtschaft fördern. Die Staatsregierung räumt selber ein, dass dieses Instrument unzureichend beansprucht wird. Sie kennt die Gründe. An denen ist sie selber schuld, aber sie tut nichts.
Minister Zeil wartet lieber auf den Bund, statt selber etwas zu tun, weil er hofft - das sagt er selber -, dass Bayern in besonderem Maße davon profitieren wird, dass der Bund etwas tut. Das ist verantwortungslos.
Er schließt auch Maßnahmen wie das Clustermanagement aus, weil er die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht dafür geeignet hält, da sie von einer eher kleinteiligen Unternehmensstruktur gekennzeichnet sei. Er legt lieber die Hände in den Schoß. Auch das ist verantwortungslos.
Minister Zeil muss endlich einen Kultur- und Kreativwirtschaftsbericht vorlegen, den Aufbau eines Netzwerks unterstützen, eine Geschäftsstelle einrichten und die vorhandenen Förderstrukturen öffnen, damit sie von der Kulturwirtschaft genutzt werden können.
Das sind erste Vorschläge. Ihre Umsetzung wirkt sofort und kostet nicht viel. Man muss nichts Neues erfinden. Es ist höchste Zeit, dass die beiden untätigen Minister Zeil und Heubisch endlich handeln.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer das Gleiche: Jedes Mal, wenn die Förderung privater Medienunternehmer in Bayern in der Kritik ist, wird das Ende der Förderung verkündet. Wenn die Förderung dann tatsächlich auslaufen soll, wird die Förderung sofort wieder verlängert, und dann wird sogar noch eine Schippe draufgepackt. Dafür ist der Staatsregierung, der CSU und auch der FDP kein Rechtsweg zu verwinkelt und keine Argumentation zu abseitig.
Wir GRÜNEN lehnen die Dauersubventionierung privater Unternehmen in Bayern vehement ab.
Sie kostet einen Haufen Geld und bringt rein gar nichts. Sie bringt nur den Unternehmen selbst etwas. Die lokalen und regionalen Fernsehanbieter finanzieren sich nur zu 63,5 % aus Markterlösen. 36,5 % stammen laut Bayerischer Landeszentrale für neue Medien - BLM - aus Fördermitteln. Das sind Zahlen, die Sie sonst nur in der Landwirtschaft finden.
In den Jahren von 1984 bis 2007 haben die Lokalsender - man glaubt es nicht - 400 Millionen Euro aus Kabelgroschen erhalten. Als dies rechtlich nicht mehr zulässig war, ist der Freistaat selber in die Förderung eingestiegen. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien erhielt in den Jahren von 2008 bis 2012 insgesamt 32,4 Millionen Euro an staatlichen Mitteln zur Förderung der regionalen und lokalen Fernsehsender.
Parallel zur Subventionierung aus Staatsmitteln beteiligt sich die BLM seit drei Jahren mit jährlich steigenden Beträgen. In diesem Jahr sind es bereits zwei Millionen Euro. Jetzt soll der Mittelfluss für weitere vier Jahre verlängert werden. Die Mittel sollen deutlich erhöht werden: Auf acht Millionen Euro im Jahre 2013 und jeweils zehn Millionen Euro in den Jahren 2014 bis 2016. Das ist wirklich absurd.
Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, das wissen Sie auch. Kollege Sinner, in Ihrem Antrag vom 20. Oktober 2009, den der Landtag welch Wunder - beschlossen hat, heißt es: "Der Landtag weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch Strukturveränderungen, die nur von den lokalen und regionalen Fernsehanbietern selbst ausgehen können, eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bei den Fernsehanbietern erreicht werden kann".
Dann geht es weiter: "Daher wird die Förderung aus staatlichen Mitteln degressiv gestaltet. Im Jahre 2010 beträgt der Haushaltsansatz für die staatliche Förderung neun Millionen Euro, im Jahr 2011 sieben Millionen Euro und im Jahr 2012 fünf Millionen Euro". Jetzt, im Jahre 2013, werden es wieder acht Millionen Euro und im Jahre 2014 sollen es zehn Millionen Euro werden. Das ist wirklich absurd.
Damals sollte die Staatsregierung ein Konzept entwickeln, wie die lokale Fernsehlandschaft ohne Subventionen aussehen könnte. Es wurden Gutachten in Auftrag gegeben und Anhörungen durchgeführt. Was ist das Ergebnis? Jetzt gibt es noch mehr Subventionen. Man glaubt es kaum. Eine derartige staatliche Förderung gibt es in keinem anderen Land. Das sagt der Rechnungshof. Der muss es wissen. Wenn die Subventionen wenigstens ihren Zweck erfüllen würden!
Die viel gerühmte Vielfalt der regionalen Sender gibt es jedoch nur auf dem Papier. Die Inhalte unterscheiden sich kaum - abgesehen von den Wiederholungen. Die Eigentümer unterscheiden sich sowieso nicht. In den letzten Jahren hat eine massive Konzentration stattgefunden. Der Medienmarkt ist horizontal und vertikal extrem stark verflochten. Das ist immer weitergegangen. Die wenigen Veranstalter lokaler Fernsehsender in Bayern halten im ganzen Land Beteiligungen an Zeitungen und an privaten Radiosendern.
Ich nenne jetzt keine Namen. Herr Kollege Sinner, die kennen Sie doch selber. Soweit kommt es noch, dass Google auch noch Geld von Ihnen bekommt. Darauf warte ich.
Mit der jahrelangen exorbitant hohen Subventionierung haben Sie das Ziel einer vielfältigen und ausgewogenen Medienlandschaft nicht erreichen können. Was machen Sie jetzt? Jetzt schmeißen Sie noch mehr Geld hinterher. Wie soll das Ziel dann erreicht werden? Es ist nicht sinnvoll, noch mehr Geld hinterherzuschmeißen.
Der Oberste Rechnungshof hat im Jahresbericht 2001 festgestellt, dass die staatliche Förderung nach Artikel 23 des Bayerischen Mediengesetzes Ende 2012 einzustellen ist. Eine Mitfinanzierung aus dem Staatshaushalt sollte endlich beendet werden. Nach 25 Jahren der Subventionierung hat sich gezeigt - das sagt der ORH -, dass es sich gerade nicht mehr um eine Anschubfinanzierung handelt. Weil Sie konzeptionslos vorgehen und dies alles keinen Sinn hat, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Professor Piazolo hat bereits gesagt, dass für eine derartige Kleinigkeit eigentlich kein Gesetzentwurf benötigt wird. Dass die FREIEN WÄHLER jetzt trotzdem einen Gesetzentwurf vorlegen müssen, ist eine massive Kritik am Versagen der Staatsregierung. Herr Minister Dr. Heubisch, offensichtlich schaffen Sie es nicht, die LMU auf Linie zu bringen, nämlich auf die Linie, über die wir uns im Hochschulausschuss im Prinzip alle einig sind. Der Wille des Parlaments ist deutlich geworden. Haben Sie nicht zugehört? Wir sind nicht bereit, den Ausnahmetatbestand der LMU hinzunehmen. Das ist von allen gesagt worden. Außerdem ist gesagt worden,
dass der Wunsch älterer Menschen auf Weiterbildung berechtigt ist. Wir reden immer vom lebenslangen Lernen. Das ist auch richtig so. Um lebenslanges Lernen zu ermöglichen, müssen sich die Hochschulen jedoch entsprechend öffnen. Das schaffen alle Universitäten. Lediglich die LMU schafft es nicht.
Entstanden ist das Problem - auch das muss man sagen - erst nach einer jüngsten Gesetzesänderung, die es den Hochschulen freigestellt hat, eine eigene Gebührenentscheidung zu treffen. Die LMU war damit offensichtlich überfordert. Sie nutzt jetzt die Möglichkeit, Seniorenstudierende abzuschrecken, und schafft es. Diese sind abgeschreckt. Das ist aber nicht im Sinne des Gesetzgebers, und weil die LMU selbst unfähig zur Korrektur ist und auch Sie, Herr Minister, das nicht hinbekommen, wird es der Landtag in die Hand nehmen. Deswegen freue ich mich sehr auf die Diskussion im Hochschulausschuss.
Weil ich nun einmal hier stehe, noch ein paar Minuten habe und weil ich heute noch niemanden beleidigt habe, will ich noch ein paar Worte in eigener Sache bzw. in Sachen des Parlaments sagen, obwohl die Präsidentin nicht anwesend ist. Ihr habt vielleicht heute die "Süddeutsche Zeitung" und den Rundbericht der Präsidentin gelesen. Deswegen möchte ich für jeden hier im Saal und all denjenigen, die mich nicht hören, ganz klar sagen: Ein Parlament ist keine Schulklasse. Ein Parlament ist keine Schulklasse, auch wenn das viele Schulklassen erwarten. Warum erwarten sie das? Sie erwarten es, weil sie in politischer Bildung nicht darüber aufgeklärt worden sind, dass wir keine Schulklasse sind.
Ich komme gleich zur Beleidigung, keine Sorge.
Ich sage ja: Ich komme gleich zur Beleidigung. Das Parlament hat aus guten Gründen eigene Regeln und die sollten wir als Parlamentarier offensiv verteidigen. Streit ist in Deutschland nicht besonders beliebt - das wissen wir alle -, aber ohne politische Auseinandersetzung gibt es keine lebendige Demokratie. Dazu müssen wir als Parlamentarier stehen.
Ganz zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass ich noch nie ein Problem damit hatte, denjenigen, die ich von hier aus angreife, in die Augen zu schauen. Ich habe damit weder während der Attacke noch nach der Attacke ein Problem gehabt. Ich hatte höchstens dann ein Problem, wenn es zu viele auf
einmal waren, dann kann ich nicht allen gleichzeitig in die Augen schauen, oder sie mir im Genick sitzen. Nichts für ungut, Frau Präsidentin Stamm.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe in der letzten Woche einmal einen zitierfähigen Satz des Herrn Kollegen Aiwanger gehört. Weil dieser Satz so schön war, möchte ich ihn hier wiedergeben. Er hat gesagt: Diese selbstgemachten Umfragen der CSU vergleiche ich mit Mister Bean, der sich selbst Weihnachtskarten schreibt und diese dann verzückt öffnet.
Was will er uns damit sagen? Wir haben heute einen ähnlichen Fall. Eine Kollegin hat sich selbst eine Petition geschrieben. Sie war dann auch aus gutem Grund verzückt; denn außer ihr haben noch gut 32.000 andere unterschrieben. Das Spiel mit einer solchen Doppelrolle ist für den Hochschulausschuss nichts Ungewöhnliches. Herr Kollege Dr. Goppel hat zum Beispiel als Abgeordneter Petitionen zum Handeln der Staatsregierung beurteilt, für das er als Minister selbst verantwortlich war.
- Herr Kollege, das ist alles zur Sache.
Jetzt dürfen wir auch noch über die Petition dieser Kollegin im Plenum diskutieren. Vielleicht gibt es auch unter Ihnen einige, die gerne mehr Post hätten. Wenn die Überraschung noch größer sein soll, dann sagen Sie mir Bescheid. Dann schreibe ich für jeden von Ihnen eine Petition.
Kurz zur Sache: Wir haben diese Debatte in diesem Hohen Hause und im Ausschuss schon einmal geführt. Wahrscheinlich gibt es hier niemanden, der die Argumente der anderen nicht kennt. Falls doch, kann er gerne hinterher zu mir kommen. Ich erkläre ihm dann im Einzelnen und detailliert, was die einzelnen Fraktionen in der Sache zu sagen haben. Ich gebe gern umfassend für alle anderen Fraktionen Auskunft.
Ich wage eine Prognose: Wir werden in diesem Hohen Haus genau in einem Jahr einstimmig erstens die Studiengebühren abschaffen und zweitens den Hochschulen dafür einen Ausgleich aus Haushaltsmitteln geben.
Das sind unsere Forderungen, mit denen wir uns in genau einem Jahr durchgesetzt haben werden. Ich bin mir sicher, dass zuvor noch allerhand gesprochen wird. Es wäre mir aber recht, wenn ich nicht so oft dazu sprechen müsste.
Weil ich gerade hier stehe und ein bisschen Zeit habe, möchte ich noch ein Ceterum censeo abgeben: Der Landtag ist keine Schulklasse.
Herr Pschierer, Sie haben vorhin gesagt, Lautstärke ersetzt nicht Intelligenz. Ich will nur darauf hinweisen, dass das bei mir nicht nötig ist, aber manche haben auch ein Problem, wenn sie leise reden.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten sind das Herz unserer Demokratie. Nur in der Praxis erschließt sich der Nutzen von Demokratie. Junge Menschen müssen persönlich die Erfahrung machen können, dass ihr Engagement anerkannt wird, dass sie eine Chance haben, ihr alltägliches Umfeld mit zu beeinflussen und ihre Interessen angemessen zu vertreten. Diese Erfahrung wird den Studierenden in Bayern von den Regie
rungsparteien bis heute verwehrt, und das ist für unsere Demokratie schädlich. Noch schädlicher ist es, wenn jungen Menschen vorgegaukelt wird, sie könnten mehr Einfluss bekommen, und sie dann ausgebremst werden. Genau diese Erfahrung haben Sie, Herr Minister, den Studierenden vermittelt. Mit Ihrer sogenannten "Arbeitsgruppe Mitwirkung" sind Sie genau deswegen vor einem Jahr gescheitert; denn die Studierenden wollten sich von Ihnen nicht länger an der Nase herumführen und mit Alibirechten abspeisen lassen.
Nun bezieht sich der Antrag der Regierungsfraktionen ausdrücklich auf die Proteste im Wintersemester vor nunmehr fast drei Jahren. Sie haben aus diesen Protesten aber nichts gelernt. Interessant ist, dass Sie die Notwendigkeit einsehen, die Mitwirkungsrechte der Studierenden weiterzuentwickeln. Wenn Sie aber wirklich deren Mitwirkungsrechte hätten verbessern wollen, dann hätten Sie besser vom Gesetzentwurf der GRÜNEN abgeschrieben.
- Oder von deinem. Wir müssen aber klar feststellen, dass Sie das gar nicht wollen. Sie wollen nur so tun, als ob Sie das wollten. Um das zu verschleiern, ist Ihnen jedes absurde Argument billig und recht. Die Behauptung, dass eine starke verfasste Studierendenschaft mit Satzungsbefugnis, hochschulpolitischem Mandat und paritätischer Mitbestimmung die Rechte der Studierenden einschränkt - das steht in Ihrem komischen Entwurf drin -, ist ein starkes Stück der Tatsachenverdrehung. Darauf muss man erst einmal kommen.
Außer Ihnen weiß jeder, dass Rechte mehr werden, wenn man sie vermehrt. Dass Sie das Gegenteil behaupten, ist einfach nur lächerlich. Genauso lächerlich ist der immer wieder auftauchende Vorwurf der Zwangsmitgliedschaft. Die Studierenden schreiben sich freiwillig an der Hochschule ein. Sie sind deshalb per se Mitglieder der Hochschule. Sie machen den weitaus größten Teil der Hochschule aus, und nur wegen der Studierenden gibt es überhaupt eine Hochschule, denn sonst gäbe es keine.
Eine verfasste Studierendenschaft vollzieht rechtlich lediglich das nach, was bereits Fakt ist. Die Studierenden bekommen zur Mitgliedschaft noch Mitgliedsrechte dazu. Das ist doch nur recht und billig.
Aufschlussreich ist, dass Sie in Ihren wirren Argumenten auf die Rechtsprechung von 1973 zurückgreifen müssen, als hätte sich inzwischen unsere Demokratie zum Glück nicht erheblich weiterentwickelt. Auch die Hochschulen haben sich auf das hin weiterentwickelt, was die demokratische Gesellschaft von ihnen erwartet. Selbst die Regierungsfraktionen halten sich nicht an die Buchstaben der gerichtlichen Entscheidung. Schauen Sie einmal nach! Wenn es Ihnen in den Kram passt, ignorieren Sie das, was Sie selbst aufschreiben. Warum sichern Sie denn bitte im Hochschulrat den Hochschullehrern, wie Sie es angeblich im Senat machen, nicht einen ihrer besonderen Stellung entsprechenden maßgeblichen Einfluss? Warum haben Sie denn da nicht die Mehrheit? Erzählen Sie uns das einmal. Der Hochschulrat beschließt schließlich über den Entwicklungsplan der Hochschule, Gliederung in Fakultäten, Einrichtung, Änderung und Aufhebung von Studiengängen. Das sind doch in ganz erheblichem Maß Fragen der Forschung, oder nicht?
Warum gilt es da nicht, aber im Senat schon? Das müssen Sie mir einmal erklären. Sie können es aber nicht erklären, sondern das geschieht nur, weil Sie nicht wollen.
Diese Ungereimtheiten und das, was im Hochschulrat möglich ist, zeigen, dass es einen erheblichen Spielraum gibt, wenn man die Mitwirkungsrechte der Studierenden wirklich stärken will. Sie aber wollen nicht. Wenn es nach Ihnen geht, haben Studierende an bayerischen Hochschulen weiterhin nichts zu sagen, aber dank CSU können sie es jetzt zu zweit machen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wie schon angesprochen, geht es um das Universitätsklinikagesetz. Dieses ist jedoch ein kleiner Omnibus, bei dem jeder mitfahren darf alles Mögliche und Unmögliche. Ich will mich wie Kollege Dr. Fahn auf das Strittige konzentrieren, nämlich darauf, ob die bayerische Hochschullandschaft mit dem Begriff "Technische Hochschule" bereichert werden soll. Dafür sollen heuer eine Million Euro und insgesamt fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Was damit bezweckt werden soll oder bewirkt werden kann, ist völlig nebulös. Das ist viel Geld für eine dubiose Sache. Das Ganze wirkt sehr unausgereift und halbherzig. Deswegen weiß man nicht, ob
das ernst gemeint oder bloß Etikettenschwindel nach dem Motto "Titel statt Mittel" ist.
Das Konzept hat die Staatsregierung bereits in der Kulturpolitik ausprobiert, als man den Nürnbergern statt mehr Geld den Titel "Staatstheater" geschenkt hat. In der Schulpolitik hat die Staatsregierung ebenfalls den Namen geändert, anstatt die Probleme zu lösen. Sie hat die Haupt- zur Mittelschule gemacht. Damit hat sich die Situation der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte nicht verbessert.
Das Merkwürdige an einem solchen Etikettentausch ist, dass man nicht weiß, ob der neue Titel mehr wert ist als der alte. Ist "mittel" mehr als "haupt"? Ist eine Hauptstadt weniger als eine Mittelstadt? Ist Technik mehr als Wissenschaft, selbst wenn sie nur eine angewandte ist? Ist "Technische Hochschule" wirklich ein Prestigegewinn?
- Keine Zwischenrufe von der Regierungsbank. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Dort ist ein Platz frei. Da dürfen Sie sich hinsetzen.
- Bitte setzen Sie sich hin. Lassen Sie uns diskutieren. Auf geht’s.
Schlimmer wäre es, wenn Sie das ernst meinten und es nicht um einen Etikettenschwindel geht, sondern um eine inhaltliche und strukturelle Neuausrichtung. Die FDP argumentiert zumindest im Ausschuss mit der Sichtbarkeit der Hochschulen, die durch mehr Wettbewerb erzielt werden soll. Leider handelt es sich dabei um einen Verdrängungswettbewerb, ganz nach dem Motto von Mackie Messer: Man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht. Wie schon bei der sogenannten Exzellenzinitiative geht das aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Es geht weniger um Exzellenz als vielmehr um die Konzentration von Mitteln an denjenigen Hochschulen, denen schon die meisten Mittel zukommen. So läuft das momentan. Dieser ganze Prozess geht zulasten kleinerer Hochschulen und zulasten derjenigen Wissenschaften, die zurzeit nicht angesagt sind. Die schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Der Prozess der angeblich qualitativen Ausrichtung und Ausdifferenzierung macht die Stärken unserer Hochschullandschaft zunichte.
Bisher war es an jeder bayerischen Hochschule möglich, einen international konkurrenzfähigen Hochschulabschluss zu erlangen. Das war bis jetzt möglich. Bisher war es ebenfalls möglich, an jeder Hochschule,
egal ob in München oder in der Region, auf exzellente Forschung zu treffen. Nach einer weiteren Ausdifferenzierung und einer Allokation des Kapitals wird das schwierig werden. Die besondere Kostbarkeit der bayerischen Hochschullandschaft ist massiv gefährdet. Statt die Stärke auszubauen, setzen Sie diese leichtfertig aufs Spiel, weil Sie einem internationalen Trugbild nachlaufen, ohne wirkliche Aussichten zu gewinnen.
Solange die Grundfinanzierung der Hochschulen so prekär ist, wie sie ist, und sie es so schwer haben, den vielen zusätzlichen Studierenden angemessene Bedingungen zu bieten, wirkt jeder Anreiz auf neue Mittel wie Gift. Sie sind gezwungen, jedem Wettbewerb, allen Drittmitteln und allen Aufträgen hinterherzulaufen, ob sie in das Forschungsprofil passen oder nicht. In den USA und in Japan haben wir gesehen, was in einer solchen nach Kapital ausdifferenzierten Hochschullandschaft übrig bleibt: wenige Spitzenuniversitäten, dafür viele höhere Schulen. Sie befördern leichtfertig einen riskanten Prozess, bei dem am Ende nicht nur viele bayerische Hochschulen zurückbleiben, sondern auch die solide bayerische Hochschullandschaft zerstört werden könnte.
- Jetzt redet nicht der Wissenschaftsrat, sondern ich rede.
Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ein Problem. Der Antrag der Regierungsfraktionen listet Teile des Problems auf, aber nicht das ganze Problem. Kollege Thalhammer hat in seinen mündlichen Ausführungen schon auf die Seite der Kulturschaffenden hingewiesen. Er hat zwar zu Anfang gesagt, wir seien hier nicht auf der Mitgliederversammlung der Gema, hat dann aber trotzdem so geredet. Ich finde, dass er zu dieser Seite des Problems zu viel gesagt hat, aber immerhin hat er etwas dazu gesagt. Der Antrag selbst ist nämlich in dieser Hinsicht nicht ausgewogen.
Noch wichtiger ist der Gesichtspunkt - das hat Kollege Werner schon gesagt -, dass das nicht unser Problem ist. Das geht uns als Landtag nichts an, wenn es uns auch als Personen etwas angeht. Wir können dazu zwar eine Meinung haben, aber wir können auf keinen Fall als Landtag dazu Beschlüsse fassen. Wir sind ein Verfassungsorgan und kein Lobbyinstrument.
Schon gar nicht können wir die Staatsregierung zum Handeln auffordern; das halte ich für völlig daneben. Es ist nicht Aufgabe des Landtags, für bestimmte Gruppen einzutreten.
Es gibt einen Konflikt zwischen Nutzern und Verwertern. Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich beide Seiten für ihre Interessen einsetzen. Wir dürfen uns aber nicht auf eine Seite schlagen; das ist nicht unsere Aufgabe. Wir müssen natürlich auf einen Interessenausgleich setzen. Der Konflikt wird in einem geordneten Verfahren geregelt werden. Wenn sich die Kulturschaffenden für ihre Interessen als Urheber einsetzen, darf das nicht einseitig zulasten der Musikveranstalter gehen, auch nicht zulasten von Festwirten und anderen Wirten. Gewiss sind Nachbesserungen erforderlich, aber das müssen doch nicht wir als Landtag feststellen. Dahin führt überhaupt kein Weg,
zumal der Interessenausgleich offensichtlich bereits im Gange ist. Der Bundesverband des Hotel- und Gaststättengewerbes, dem wir die Anträge offenbar verdanken, hat selbst gesagt, dass gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter - ich zitiere sinngemäß - in zahlreichen konstruktiven Gesprächen und hart geführten Tarifverhandlungen unverhältnismäßig hohe Forderungen abgewehrt sowie vertretbare Lösungen zugunsten der Musiknutzer in Hotellerie und Gastronomie erzielt werden konnten. Das heißt also, dass es in der Sache Bewegung gibt.
Außerdem gibt es jetzt schon Ermäßigungen für gemeinnützige Veranstaltungen; das macht die Gema jetzt schon. Ich möchte wissen, ob die Wirte bei gemeinnützigen Veranstaltungen auch eine Ermäßigung geben. Es gibt keinen Grund für uns, uns einseitig für eine Lobby einzusetzen. Es gibt schon gar keinen Grund dafür, vom Staat eine Intervention zu fordern, wenn ausdrücklich Selbstverwaltung angesagt ist. Die Schiedsstelle ist ein eigenständiger Spruchkörper, der unabhängig und eigenständig agiert. Es gibt, wie schon gesagt, ein geordnetes Verfahren. Die Einzige, die sich bislang diesem Verfahren verweigert, ist die Bundesvereinigung der Musikveranstalter. Sie hat bis Montag Zeit, sich zu beteiligen. Aus unserer Sicht ist alles klar.