Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

(Georg Schmid (CSU): Vorbildlich! Sehr vorbildlich!)

Wenn man im Kürzungshaushalt 2004 erst massiv kürzt und sich hinterher beklatschen lässt

(Georg Schmid (CSU): SPD-Länder haben gar keines!)

- dazu sage ich gleich etwas; Geduld, Herr Schmid, ist eine christliche Tugend -,

(Georg Schmid (CSU): Ich habe Zeit!)

ist das ein merkwürdiges Unterfangen. Wir sagen: Statt eines Landeserziehungsgeldes, das den wenigsten hilft, weil es nämlich hinten und vorne nicht reicht, ist es besser, eine kostenfreie Kinderbetreuung einzuführen.

(Beifall bei der SPD - Georg Schmid (CSU): Das ist ein großer Irrtum!)

Davon haben die Familien und die Kinder etwas. - Sie können sich dann zu Wort melden.

Frau Ministerin, offenbar ist das Credo des Herrn Ministerpräsidenten, "Keinen über 60", bei Ihnen schon in Fleisch und Blut übergegangen. Über ältere und plegebedürftige Menschen haben Sie in Ihrer Regierungserklärung keinen Satz verloren. Die Lebenserwartung steigt

(Georg Schmid (CSU): Gott sei Dank!)

mit regional großen Unterschieden. Wir müssen aber im Kopf behalten und danach fragen, was dann passiert. Wir haben einerseits sehr aktive ältere Menschen, die sich über die Maßen ehrenamtlich engagieren,

(Erwin Huber (CSU): Frauen haben eine hohe Lebenserwartung!)

so der Sozialbericht. Andererseits zeigt er einen Handlungsbedarf im Bereich der Pflege. 10,8 % aller über 65Jährigen sind pflegebedürftig; 33 % aller über 85Jährigen - ein Drittel - lebt in Heimen, zwei Drittel leben zu Hause. Die demografische Entwicklung holt uns hier ein. Daran ist gar nichts schlecht. Wir brauchen aber die Rahmenbedingungen dafür.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

- Ich würde sagen, Sie lassen sich auf die Rednerliste schreiben, Herr Huber. Wär' das was?

Wir brauchen Wohnformen, Betreuungsformen, Familienentlastung und die Vernetzung von stationären und ambulanten Strukturen. Wir steuern auf einen Pflegenotstand zu. Uns fehlen Pflegefachkräfte, und zwar nicht nur in den Städten und Ballungsräumen sondern auch in den ländlichen Räumen. Ich weiß, wovon ich rede, und auch Herr Dr. Beyer weiß, wovon er redet. Wir sind nämlich beide im sozialen Bereich sehr engagiert. Es fehlen Pflegefachkräfte, es wird zu wenig ausgebildet. Hier stellt sich die Frage nach einer Ausbildungsumlage für Pflegekräfte. Da muss endlich gehandelt werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Was sagen Sie dazu, Frau Sozialministerin? - Schweigen.

Kolleginnen und Kollegen, der nicht unwichtige Aspekt der Gesundheit ist im Sozialbericht leider sehr wenig ausgeprägt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist nichts Schönes zu verkünden!)

Bemerkenswert sind der Anstieg von psychischen Erkrankungen und die hohe Suizidrate, drei Viertel sind Männer. Die Suizidrate ist höher als im Rest der Bundesrepublik Deutschland.

Der letzte Sozialbericht hat regionale Gesundheitsrisiken aufgezeigt. Diese finden sich hier nicht mehr. Der Aspekt des Nichtraucherschutzes und die Folgen des Rauchens sind im nächsten Sozialbericht vertiefend zu analysieren.

(Beifall bei der SPD)

Die künftige flächendeckende medizinische Versorgung ist eine gute Forderung - wie wahr. An der Umsetzung muss intensiv gearbeitet werden, auch an der Finanzierung der Krankenhäuser.

Die Folgen des Kürzungshaushaltes 2004 sind immer noch vorhanden, und die Betroffenen leiden immer noch darunter.

(Beifall bei der SPD)

Menschen in besonderen Lebenslagen sind von Armut bedroht. Das Geld fehlt für die Wohlfahrtsverbände mit ihren vielen hauptamtlich und ehrenamtlich Engagierten, für die Beratungsstellen, die Obdachlosenhilfe, bei der Schuldnerberatung, bei den Suppenküchen, den Kleiderkammern oder wo auch immer. Es gibt viele Bereiche, man kann die Liste beliebig fortführen.

Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, MdL Dr. Thomas Beyer, hat zu Recht von einer Politik der sozialen Kälte gesprochen und dies hervorragend belegt.

(Beifall bei der SPD)

Prälat Zerrle von der Caritas warnt vor einem erneuten Sparprogramm, gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlich schwierigen Lage. Er sagt, die Wunden des Sparprogramms von 2004 sind noch nicht verheilt. Es hat insbesondere Familien, Menschen mit Behinderung, Wohnungslose und sozial ohnehin schwache Menschen getroffen. Die Wohlfahrtsverbände konnten Modernisierungsinvestitionen in ihren Pflegeheimen, in Jugendhilfeeinrichtungen und in Behindertenheimen nicht wie geplant durchführen. Das darf nicht wieder passieren.

(Beifall bei der SPD)

Politik, sagt er, muss wertorientiert sein. - Recht hat er.

Frau Ministerin, der Koalitionsvertrag enthält die Vereinbarung für eine jährliche Berichterstattung zur sozialen Lage in verkürzter Form. Darüber können wir gerne reden. Es gibt die Aussage der Institute im Sozialbericht, dass eine kontinuierliche Berichterstattung und eine Vertiefung einzelner Aspekte anzustreben sei. Das kann ich nur unterstützen.

Wir müssen in diesem Zusammenhang auch über öffentliche Armut reden. Das ist ein Kapitel, das im Freistaat Bayern bedenkliche Ausmaße annimmt.

Der endlich vorgelegte Zweite Sozialbericht ist es wirklich wert, dass wir uns intensiv und ausführlichst Kapitel für Kapitel mit ihm beschäftigen. Wir werden ihn in den einzelnen Ausschüssen beraten und diskutieren. Wir

werden diesen Sozialbericht auch mit den Wohlfahrtsverbänden, den Gewerkschaften und den Sozialpartnern diskutieren, also mit allen, die betroffen sind, und Handlungsoptionen entwickeln.

Der Bericht, Kolleginnen und Kollegen, ist eine Grundlage dafür, ein soziales, solidarisches und gerechtes Bayern zu verwirklichen. Da haben wir viel zu tun; denn im Lichte des wohlhabenden Landes Bayern gibt es leider noch viel zu viel Schatten. Das muss sich ändern.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steiger. Für die CSU spricht Kollege Unterländer. Bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CSU-Landtagsfraktion begrüßt die Vorlage des Sozialberichtes. Man kann den Prozess, der jetzt stattgefunden hat, mit der Überschrift versehen: Was lange währt, wird endlich gut.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ewig lange!)

Ich meine, dass wir hier auf einem guten Weg sind. Der Bericht ist ein umfassendes Werk. Er ist eine Analyse, ein Handlungsansatz für Sozialpolitik, für Gesundheitspolitik, für Bildungspolitik im Freistaat Bayern.

Wir sind dem Ministerium - der Ministerin, den Wissenschaftlern, vor allem dem gesamten Haus, aber auch der Vorgängerin Christa Stewens - sehr dankbar für diese Arbeit; sie entspricht unseren Vorstellungen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Lassen Sie mich eingangs kurz auf das Schlechtreden der Situation im Freistaat Bayern eingehen, was jetzt auf der Grundlage der Daten versucht wird.

(Widerspruch der Abgeordneten Renate Acker- mann (GRÜNE))

Es kommt nicht vom Himmel - obwohl ich ein gläubiger Mensch bin -, sondern es sind politische Entscheidungen und Weichenstellungen dafür gewesen, dass wir im Freistaat Bayern das geringste Armutsrisiko, eine gute Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik sowie entsprechende Arbeitsmarktbedingungen haben. Das geht auf politische Grundentscheidungen und Rahmenbedingungen zurück. Das muss an dieser Stelle auch einmal festgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und des Abge- ordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Sozialbericht ist kein Armutsbericht, sondern eine lebenslagenorientierte Darstellung der Situation von gesellschaftlichen Entwicklungen. Wir begrüßen diesen Weg ausdrücklich, weil er besser ist als reines Zahlenmaterial. Wir erwarten, aufbauend auf diesem Bericht, in jeder Legislaturperiode eine Fortschreibung des Sozialberichts nach Vorlage der jeweils aktuellen Daten. Es muss klar sein: In Zukunft wird in jeder Legislaturperiode ein aktueller Sozialbericht vorgelegt. Wir begrüßen ausdrücklich die Zusage der Ministerin, dass jährlich eine Fortschreibung des Sozialberichts für den allgemeinen Teil erfolgt.

Ich halte es auch für notwendig, Kolleginnen und Kollegen, dass auf diese Art und Weise immer wieder in Erinnerung gerufen wird, dass wir als Parlament und als Staatsregierung die Aufgabe haben, die soziale Balance in diesem Land als vorrangige Aufgabe zu sehen. Dazu gehören eine gute Bildungs-, eine gute Sozialund eine gute Wirtschaftspolitik aus einem Guss.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)