Protokoll der Sitzung vom 12.02.2009

- Wenn Sie diese Zusammenhänge noch nicht gehört haben, dann ist es höchste Zeit geworden, dass man sie Ihnen einmal sagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, der Arbeitsmarkt ist eine der großen Säulen. Die Arbeitsmarktzahlen, die genannt worden sind, sind positiv zu bewerten. Bayern hat die niedrigste Arbeitslosigkeit - Hut ab! Ich will die Situation nicht schlechtreden. Wenn wir in den ländlichen Gebieten beispielsweise Oberfrankens 8 % Arbeitslosigkeit haben, ist das noch kein Skandal im Vergleich zu anderen Bundesländern, bei denen diese Zahl vielleicht für das gesamte Land gilt. Wir müssen aber auch sehen, dass diejenigen, die eine Arbeitsstelle suchen, dort meist gar nicht mehr wohnen, sondern schon ihre Koffer gepackt haben. Sie sind längst nicht mehr dort und damit nicht mehr in der Statistik, sondern haben sich woanders einen Arbeitsplatz gesucht. Das Ausbluten dieser Gebiete in puncto Arbeitsbevölkerung hält die Zahlen in einem Rahmen, dass man sagen kann: Die Welt ist in Ordnung. Wir werden aber gleich auf die Folgewirkungen kommen. Wenn die jungen Leute weg sind, was passiert dann mit den Alten, die zurückgeblieben sind und gepflegt werden müssen? Das ist ein zweischneidiges Schwert.

Wir Freien Wähler warnen davor, zuzusehen, wie immer mehr gut bezahlte Arbeitsplätze in den Teilzeitund den Niedriglohnbereich heruntergedrückt werden. Der Staat erreicht damit zwar eine relativ hohe Beschäftigungsquote, er muss aber auch Sozialgeld oben drauflegen, damit der Laden läuft. Das kann auf Dauer keine vernünftige Arbeitsmarktpolitik sein. Das kann nicht zum Ziel führen.

Ich leite damit zum nächsten Punkt, der Bildung, über: Arbeit und Bildung hängen sehr eng zusammen. Vorhin wurde mehrmals die deutlich höhere Arbeitslosigkeit bei Ausländern genannt. Sie liegt um das Zweieinhalbfache höher als die Arbeitslosigkeit der Einheimischen. Meine Damen und Herren, diese Zahl sollte zu denken geben. Ihr Ursprung liegt sehr häufig in der niedrigeren Bildungsquote und dem niedrigeren Bildungsniveau. Hier ist eine Kurskorrektur der bisherigen bayerischen Politik um 180 Grad angesagt. Wie wurde noch in der Ära Stoiber mit dem Thema frühkindliche Integration umgegangen? Diese Integration endet natürlich, wenn der junge Mensch aus der Hauptschule kommt und bis dahin noch kein Deutsch kann, sodass er nicht in den Arbeitsprozess kommt. Damals wurde stammtischtauglich formuliert: Wenn die Leute bis dahin noch nicht Deutsch können, dann werden diese Leute abgeschoben. Diese Aussage hat sich am Stammtisch gut gemacht, hatte aber für die Praxis überhaupt keine Bedeutung.

Meine Damen und Herren, wir müssen bei der Bildung unten beginnen. Die Bildung muss im frühkindlichen Bereich ansetzen. Sie kann nicht früh genug beginnen. Wir müssen die Fehlentwicklungen in der Gesellschaft rechtzeitig auffangen. Begrüßenswert ist, dass sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Krippenausbau deutlich beschleunigt werden muss. Wir haben in Bayern derzeit 50.000 Krippenplätze. Das Ziel bis zum Jahr 2012 respektive 2013 ist es, 100.000 Krippenplätze einzurichten. Das ist zwar begrüßenswert, signalisiert aber auch den Nachholbedarf. Bei diesem Thema wurde noch bis vor Kurzem etwas anderes nach draußen postuliert: Wir bräuchten das in Bayern nicht. Bayern habe mit dem Landeserziehungsgeld versucht, die Kinderbetreuung zu Hause einigermaßen vernünftig abzuwickeln. Dafür wurden 150 Euro für das erste Kind, 200 Euro für das zweite Kind und 300 Euro für das dritte Kind aufgewandt, wobei der Betrag für das erste Kind nur für ein halbes Jahr und für die beiden anderen Kinder für ein Jahr ausgezahlt wird. Das ist besser als nichts, allerdings geht dieser Ansatz nicht weit genug, weil wir bezüglich der Krippenplätze deutlich hinterherhinken.

Meine Damen und Herren, Sie haben unsere Unterstützung beim Ausbau der Krippenplätze und den Bemühungen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und

Beruf zu erreichen. Hier muss unten begonnen werden, weil Integrationsleistungen frühzeitig beginnen müssen.

Der nächste Punkt ist die Ganztagsschule: Heute wurde der Kompromiss mit den Kommunen angesprochen, um endlich im Konsens an den Hauptschulen eine Ganztagsbetreuung, eine Ganztagsschule einzuführen. Meine Damen und Herren, dieser Kompromiss ist zwar begrüßenswert, aber auch längst überfällig. Gehen Sie weiter auf diesem Weg, aber bitte mit Vollgas. Hier ist in den letzten Jahren zu wenig passiert. Sie haben die Hauptschulen ausgeblendet und sich zu sehr auf die Gymnasien und die Realschulen konzentriert. Sie haben gesagt: Die da unten werden schon sehen, wo sie bleiben. Die jungen Leute bleiben dann eben in der Sozialschleife und kosten uns später Geld. Ich bedanke mich bei meinen Vorrednern für ihre Erkenntnis der 1 : 4-Regel. Ein Euro, der vorher investiert wird, spart uns hinterher 4 Euro bei der Sozialhilfe und den sozialen Sicherungsmaßnahmen. Deshalb lautet unser Credo: Vorbeugen ist besser als heilen. In dieser Richtung müssen wir Volldampf voraus geben.

Für die Sicherung der Schulstandorte gilt das Gleiche. Sie ist Strukturpolitik und hilft den ländlichen Gebieten. Sie haben sich bei diesem Thema das letzte Mal nicht mit Ruhm bekleckert. Sie haben zwar zu unserem Antrag, die Mindestschülerzahl pro Klasse zu senken, einen ähnlich lautenden Antrag eingereicht, das Ergebnis jedoch wegdiskutiert. Sie haben inhaltlich etwas anderes gesagt als das, was Sie uns vorher auf den Tisch gelegt haben. Meine Damen und Herren, wir brauchen endlich Klarheit, damit hier schnellstens etwas passieren kann.

Bei der Bildung siedle ich auch die Themen Ernährungsberatung und Ernährungserziehung an. Ich fordere sogar die Einführung eines Schulfaches "Lebenskunde", da wir immer mehr Kinder und Jugendliche haben, die zwar alle Handytarife auswendig wissen, aber mit 16, 17 oder 18 Jahren, wenn sie ins Berufsleben kommen, nicht in der Lage sind, sich eine warme Kartoffelsuppe zuzubereiten. Entschuldigen Sie bitte den drastischen Vergleich. Hier müssen wir drangehen. Ich bitte Sie auch, diese Forderungen von Rot und Grün nicht als altbacken zu bezeichnen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugend bezüglich der Kenntnisse über die Ernährung besser aufgestellt ist, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Ich rufe außerdem die Politik auf, mit einer besseren Ernährungsberatung endlich ernst zu machen. In der Sparära der letzten Jahre wurden die Mittel dafür auf Null zusammengestrichen. Jetzt beginnen Sie, dieses Kind Ernährungsberatung wieder hochzupäppeln, weil Sie gemerkt haben, dass die Folgekosten deutlich

höher als die Einsparungen sind. Das, was Sie derzeit hierzu ankündigen, ist jedoch zu wenig und reicht nicht aus. Wir brauchen ein vernünftiges Ergebnis. Die Ernährungsberatung ist ein sehr wichtiger Punkt.

(Erwin Huber (CSU): Allgemeines Bla Bla!)

Meine Damen und Herren, die Probleme in der Pflege sind erkannt. Mich freut es immer, wenn die Erkenntnisse über die Parteigrenzen hinweg gleich lauten. Dann kommen wir vielleicht schneller zum Ziel. Wir stehen vor einem Pflegenotstand. Heute werden 115.000 ältere Menschen in Heimen und rund 300.000 ältere Menschen zu Hause betreut. 50.000 Kinder werden in Kinderkrippen betreut. Diese Zahlen beweisen, welch ungeheure volkswirtschaftliche Belastung dauerhaft auf uns zukommen wird. Jedes 25. Mitglied dieser Gesellschaft muss entweder in der Kinderkrippe betreut werden oder in staatlichen Pflegeheimen. Das bedeutet, dass auf die Sozialgesellschaft eine erhebliche Belastung zukommen wird. Wir müssen uns deshalb rechtzeitig richtig aufstellen. Heute sind wir nicht richtig aufgestellt.

Wir sind nicht richtig aufgestellt in den Gebieten, in denen die jungen Leute ihre Heimat verlassen, um in den Metropolen Arbeit zu finden. Das ist übrigens nicht nur ein bayerisches Problem, sondern auch ein Problem in den osteuropäischen Ländern, in denen die jungen Menschen auswärts arbeiten müssen und die Dörfer vergreisen. Wir sind auch in Bezug auf die politischen Rahmenbedingungen nicht gut aufgestellt. Meine Damen und Herren, die Pflegegesetze funktionieren häufig nicht. Die ambulanten Pflegevereine müssen viel zu viel Bürokratie im Zusammenhang mit der Altenpflege abwickeln. Sie müssen zum Beispiel aufschreiben, dass eine Oma 1,5 Minuten lang gekämmt worden ist. Das Aufschreiben dauert hier länger als das Kämmen. Alles muss dokumentiert werden und die Überwachung funktioniert am Ende doch nicht. Ich plädiere für eine praxisgerechte Herangehensweise.

Wir müssen die Pflege noch besser unterstützen, auch bezüglich des Personalangebots und der Ausbildungsmöglichkeiten. Außerdem sollten wir uns auf Berliner Ebene dafür einsetzen, die häusliche Pflege noch besser zu bezahlen. Es ist nicht hinzunehmen, dass jemand, der seine Oma zu Hause pflegt, mit einem Butterbrot abgespeist wird, während die Pflege derselben Person in einem Pflegeheim das Drei- bis Fünffache kostet. Es kann nicht sein, dass auf dem Rücken der älteren Bevölkerung Geld verdient wird. Es kann auch nicht sein, dass auf dem Rücken der älteren Bevölkerung und der Beitragszahler Gewinne von falschen Unternehmen gescheffelt werden.

(Eberhard Sinner (CSU): Das habe ich nicht verstanden, Herr Aiwanger!)

- Das wundert mich nicht.

Ich möchte noch eine weitere Zahl nennen: Nach geschätzten Zahlen sind in der Altenpflege rund 100.000 osteuropäische Schwarzarbeiterinnen beschäftigt. Allein das beweist den immensen Korrekturbedarf in diesem Politikfeld. Wenn jüngere Menschen ihre Oma oder ihren Opa nicht mehr zu Hause pflegen lassen können, weil dies zu viel kostet, und deshalb andere Leute schwarz einsetzen müssen, zeigt das, dass hier korrigiert und eingegriffen werden muss. Hier muss etwas passieren. Dieser Pflegebereich wird uns in Zukunft noch sehr viel mehr beschäftigen. Wir sind hier organisatorisch und von den Rahmenbedingungen her nicht gut genug aufgestellt, das muss so gesagt werden.

Einen Moment bitte, Herr Aiwanger. Es gibt hier eine Geräuschkulisse, die bei mir kulminiert, weshalb ich doch bitten würde, Herrn Aiwanger die letzten Minuten noch zuzuhören.

Thema Gesundheitspolitik: Meine Damen und Herren, auch hierbei sehen wir eine Fehlentwicklung. Die viel diskutierte Notwendigkeit, eine flächendeckende Haus- und Facharztversorgung vorzuhalten, zeigt, dass hier ein Problemfeld erkannt wurde. Aber es fehlt der Lösungsgedanke, es fehlt die ehrliche politische Absicht, die Probleme wirklich zu lösen. Hier werden Probleme zwar erkannt und in die Diskussion geworfen, Lösungen finden jedoch nicht statt. Die Haus- und Facharztversorgung bricht weiterhin weg, während auf der anderen Seite gewinnorientierte medizinische Versorgungszentren quasi schon in der Tür stehen bzw. bereits im Raum sind.

Meine Damen und Herren! Auch hierfür erbitte ich die Unterstützung der Staatsregierung, auch das Wort im Bund, diese Entwicklung so nicht zuzulassen, weil wir uns damit auf Glatteis bewegen. Das Wegbrechen der Gesundheitsversorgung in der Fläche und das Wegbrechen der kommunalen Krankenhauslandschaft wäre ein großer Schlag, wenn es um den Bereich der sozialen Sicherheit geht, der eine Entsolidarisierung der Gesellschaft nach sich zieht. Am Ende dieses Weges wird eine Gesellschaft stehen, in der nur noch derjenige behandelt wird, der das Geld bar auf den Tisch legen kann, und der andere kann mit den Wölfen heulen, meine Damen und Herren. Diese Entwicklung dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen das erkennen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, und wir müssen uns in der Gesundheitspolitik ganz klar so positionieren, dass die jetzige, noch hochwertige Gesund

heitsversorgung in Bayern gesichert wird, damit wir am Ende nicht mit leeren Händen dastehen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, damit sind für mich die vier Baustellen analysiert, auf denen wir uns in Zukunft behaupten und aufstellen müssen. Wir müssen diese Baustellen ganz gezielt abarbeiten: Arbeit, Bildung, Pflege und Gesundheit. Wir haben hier in Bayern sehr viele Möglichkeiten, dies zu tun. Es gibt parteiübergreifend in vielen Fällen einen Konsens. Wir müssen es wohl entschuldigen, dass in den letzten Jahren viele dieser Themenbereiche von der Staatsregierung nicht mit der nötigen Deutlichkeit angegangen worden sind und in vielen Bereichen nicht erkannt worden ist, wohin der Hase läuft. Aber Sie haben heute die Chance, gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner und gemeinsam mit der Opposition diese Aufgaben ganz gezielt abzuarbeiten, auf dass Bayern sein Wohlstandsniveau in Zukunft nicht nur halte, sondern weiter ausbaue.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Herr Kollege Aiwanger, ich danke Ihnen. - Es gibt immer noch eine ziemliche Geräuschkulisse, die bei mir kulminiert.

Frau Ackermann für die GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin, Frau Staatsministerin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein sehr großer Tag. Heute ist der Tag, auf den wir zehn Jahre lang gewartet haben, nämlich der Tag, an dem der Zweite Landessozialbericht vorgestellt wird. Es hat sich lange hingezogen, es war eine lange Leidensgeschichte, begleitet von vielen Anträgen der Opposition und von vielen Ausflüchten der Staatsregierung. Mal war die Bundespolitik schuld, mal die schlechte Finanzlage, weshalb man keinen Landessozialbericht bekommen konnte. 500.000 Euro waren zu teuer für das Wissen, wie es um die soziale Situation in Bayern bestellt ist. Dabei hätte man viel einsparen können, wenn man rechtzeitig gewusst hätte, an welchen Stellen man nachbessern muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun müssen wir mit viel Geld Lücken auffüllen, die erst dadurch entstanden sind, dass wir es nicht wissen wollten.

Aber die Reihe von Pleiten, Pech und Pannen war noch nicht zu Ende. Am Dienstag wurde der Landessozialbericht im Kabinett vorgestellt - und schon wieder kassiert, denn er musste noch einmal nachgebessert werden. Er musste, wie es so schön heißt, noch redaktionell geändert werden. Wenn wir ihn jetzt in den Hän

den halten, stellen wir fest: So aktuell ist er gar nicht. Die Zahlen, die darin stehen, stammen teilweise aus den Jahren 2001, 2005 und 2006. Da frage ich mich: Warum haben wir ihn nicht eher bekommen, wenn die Zahlen ohnehin so alt sind?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin mit meiner Kritik an diesem Vorgehen auch nicht ganz allein. Selbst die beauftragten Institute, die den Landessozialbericht erstellt haben, schreiben, anzustreben sei eine kontinuierliche Landessozialberichterstattung. Das würde es auch erlauben, beim Dritten Bayerischen Sozialbericht nicht wieder alle Themen in voller Breite abzuhandeln, sondern bei einer Auswahl stärker in die Tiefe zu gehen.

Ein dritter Punkt bezieht sich auf den Zeitaspekt: "Unbedingt ist künftig auf eine wesentlich längere Bearbeitungszeit zu achten."

Das muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen, wenn die Frau Staatsministerin sagt "Sorgfalt geht vor Schnelligkeit". Das stimmt überhaupt nicht. Sie haben nur jahrelang geschlafen, und dann haben Sie in einer unglaublichen Schnelligkeit den Landessozialbericht durchgeboxt - so schnell, dass die erstellenden Institute kritisiert haben, dass die Zeit eigentlich viel zu kurz sei. Also, von wegen Sorgfalt! Sie haben einfach nicht wissen wollen, was in Bayern los ist. Sie wollten die Probleme nicht sehen, denn sonst hätten Sie handeln müssen. Deshalb kam kein Landessozialbericht heraus. Nicht, weil das Geld gefehlt hat, nein, der politische Wille hat gefehlt, und das ist es, was ich kritisiere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber nun liegt er vor, und die Frau Staatsministerin kommt zu dem überraschend positiven Ergebnis, dass es Bayern gut geht. Herzlichen Glückwunsch, Frau Staatsministerin, zu dieser Erkenntnis! Ich weiß nicht, welchen Sozialbericht Sie gelesen haben, aber dem, der mir vorliegt, kann ich das nicht entnehmen.

Schauen wir uns doch einfach einmal ein wenig in Bayern um und nehmen den Landessozialbericht, der 800 Seiten umfasst und für den wir eineinhalb Tage Zeit hatten, um ihn durchzulesen, zur Hand und schauen hinein. Wie schaut es denn in der frühkindlichen Bildung aus? Wir haben einen absoluten Nachholbedarf an Kinderkrippen. Wir sind, was Kinderkrippen anbelangt, ein Notstandsland.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Aber ich habe mit großer Begeisterung mitbekommen, wie Sie, Frau Staatsministerin, sagten, keine Krippe

würde leer ausgehen, wenn sie einen Antrag stelle. Frau Ministerin, das wird die Kinderkrippen in Fürth sehr freuen; denn dort wird von drei Kinderkrippen, die im Entstehen sind, nur eine gefördert und zwei bekommen keine staatlichen Fördergelder. Das hat nun ein Ende, diese werden hoffentlich jetzt auch gefördert; denn zum Beispiel in Fürth ist der Notstand groß. 3.000 Kinder im Krippenalter gibt es in Fürth, 160 Kinder können untergebracht werden und 290 stehen auf der Warteliste. So viel nur zur frühkindlichen Bildungssituation im reichen Bayern.

Aber wir haben nichts unversucht gelassen - das heißt natürlich, nicht wir, sondern die Staatsregierung -, in der letzten Legislaturperiode mit einem Spargesetz zur Kinderbildung nachzuhelfen, dass frühkindliche Bildung in Bayern schlecht bleiben muss. Ich spreche das Bayerische Kinderbildungs- und -betreungsgesetz - BayKiBiG - an. Mit einem viel zu hohen Anstellungsschlüssel, den man jetzt schamhaft um einen Punkt nach unten korrigiert, hat man die Erzieherinnen komplett überfordert. In altersgemischten Gruppen zwei Erzieherinnen, von denen nur eine ausgebildet ist, mit 25 Kindern arbeiten zu lassen, ist unverantwortlich und hat mit Bildung überhaupt nichts und mit Betreuung nur annähernd etwas zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben in einem Kniefall vor dem Gemeindetag die Gastkinderregelung so restriktiv ausgestaltet, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern auf der Strecke geblieben ist. Dem BayKiBiG haben Sie einen an sich guten Bildungs- und Erziehungsplan zur Seite gestellt, der aber leider nicht umgesetzt werden kann, weil die Erzieherinnen zeitlich nicht in der Lage sind, eine innere Differenzierung vorzunehmen und Fördergruppen zu bilden. Sie können es nicht, weil sie viel zu viel zu tun haben mit den vielen Kindern, für die sie verantwortlich sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, Sie haben sich vorhin damit gebrüstet, dass Sie für gutes und teures Geld Sprachberaterinnen einstellen. Das ist eigentlich ein guter Schritt, aber er wird nichts nützen; denn diese Sprachberaterinnen sollen nicht die Kinder fördern, sondern die Erzieherinnen beraten, die ohnehin keine Zeit für weitere Aktivitäten haben und heilfroh sind, wenn sie sich um die Kinder kümmern können. Es wäre viel besser gewesen, mehr und besser ausgebildete Erzieherinnen einzustellen, die sich tatsächlich effektiv um die Kinder kümmern können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind in Bayern, was die Fachkraftquote bei den Erzieherinnen anbelangt, nicht gut aufgestellt. Wir haben bestenfalls 50 % Fachkräfte, in anderen Ländern sind es 70 %, in Skandinavien fast 100 %, weil man dort wirklich Wert auf frühkindliche Bildung legt.