Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

- Sind wir alle mit 13.15 Uhr einverstanden? − Gut, dann ist alles klar. Ich entlasse Sie in die Mittagspause.

(Unterbrechung von 12.26 bis 13.16 Uhr)

Wir nehmen nach der Mittagspause unsere Beratungen wieder auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Renate Dodell, Georg Winter u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Karsten Klein, Tobias Thalhammer u. a. und Fraktion (FDP) Bekenntnis zur Reform des Länderfinanzausgleichs zugunsten Bayerns (Drs. 16/15702)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Handeln statt Klagen - Länderfinanzausgleich reformieren - Interessen Bayerns im föderalen System ernsthaft wahrnehmen (Drs. 16/15720)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Länderfinanzausgleich gerecht gestalten: Perspektive statt Polemik, konstruktive Verhandlungen statt kontraproduktiver Klage! (Drs. 16/15721)

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich darauf hinweisen, dass wir heute Nachmittag ausnahmsweise keine Anzeigetafeln haben.

(Zurufe: Doch!)

- Haben wir?

(Zuruf von der CSU: Eine!)

- Wir haben also nur eine Anzeigetafel. Mit der anderen gibt es ein kleines technisches Problem. Wir kommen dennoch gut zurecht.

(Volkmar Halbleib (SPD): Die auf unserer Seite ist schwarz! Es müsste andersherum sein!)

Ich darf ferner darauf hinweisen, dass die Fraktionen von CSU und SPD schon namentliche Abstimmung über die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 16/15702 und 16/15721 beantragt haben.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache zu den drei vorliegenden Dringlichkeitsanträgen. Herr Kollege Winter, Sie sind der erste Redner. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, werte Kollegen, meine Damen und Herren, liebe Zuhörer! Warum klagen? Warum nicht verhandeln? Warum nicht friedlich zusammensitzen? Warum nicht miteinander reden? Warum nicht noch mehr miteinander sprechen?

(Volkmar Halbleib (SPD): Gute Frage!)

Warum wird der Grundsatz, dass man auch beim Miteinander-Reden Fortschritte erreichen kann, nicht weiter praktiziert?

(Volkmar Halbleib (SPD): Warum klagen gegen die eigene Lösung?)

Diesen Fragen wollen wir gemeinsam nachgehen. Ich bin fest davon überzeugt: Wir werden zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Am Ende wird die Frage zu beantworten sein − heute Vormittag sind bereits Herr Staatsminister Söder und Kollege Lerchenfeld darauf eingegangen −: Sind wir Realisten oder Fantasten?

(Volkmar Halbleib (SPD): Diese Frage stellen wir uns bei euch auch!)

Wollen wir etwas erreichen? Wenn ja, wie?

Kollege Halbleib, es gibt heute einen hochinteressanten Auftrag zu vergeben. Demjenigen, der ihn annimmt, würde ich − nach Rücksprache mit dem Finanzminister − viel Geld anbieten. Er hätte den "bescheidenen" Job − vielleicht kann ihn Herr Halbleib, Herr Rinderspacher oder Herr Nils Schmid aus Baden-Württemberg übernehmen −, ein System neu zu gestalten, in dessen Rahmen durch Länderfinanzausgleich, Umsatzsteuerausgleich und Bundesergänzungszuweisungen gegenwärtig 27 Milliarden Euro umverteilt werden. Dabei wären der horizontale und der vertikale Ausgleich zu berücksichtigen. Es geht um eine riesige Umverteilungsmasse, aber nur noch drei Länder − Bayern, Hessen, Baden-Württemberg − zahlen ein, während 13 Länder Empfänger sind.

(Volkmar Halbleib (SPD): Aber den Umsatzsteuerausgleich gibt es schon noch, oder?)

Kollege Halbleib, warten Sie ein bisschen! Ich spreche doch alles an. − Der Verhandlungsführer hätte die bescheidene Aufgabe, 13 Länder davon zu überzeugen, künftig mit ein paar Milliarden Euro weniger zufrieden zu sein, damit die drei anderen − angeblich so reichen − Länder mehr behalten können. Kann es jemandem gelingen, dass sich alle Länder auf freiwilliger Basis auf eine Lösung verständigen, die den drei Ländern zwei oder drei Milliarden Euro mehr von der Umverteilungsmasse in der Tasche belässt, damit sie selbst ein bisschen mehr tun können? Glaubt irgendjemand in Deutschland, dass es realistisch ist, auf freiwilliger Basis eine solche Lösung zu erreichen?

Wir sagen: Nein, das ist nicht möglich. Wir haben bereits im Januar 2010 im Zusammenhang mit der Ersten Lesung zum Doppelhaushalt das Thema angesprochen und auf das Problem hingewiesen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass der Ministerpräsident in seiner Rede gesagt hat, das Problem müsse aufgegriffen werden, und es sei in Verhandlungen für eine Lösung einzutreten. Seit drei Jahren tun wir das: Wir sprechen mit den anderen Ländern, um eine Lösung zu erreichen. Das ist eine schwierige Aufgabe − bisher leider ohne jedes Ergebnis.

Ein Zweites kommt hinzu: Im Jahr 2019 läuft nicht nur der Länderfinanzausgleich aus − bei diesem erwarten wir Veränderungen −, sondern dann ist es auch vorbei damit, dass die Länder Schulden machen können. Ab dem 01.01.2020 gilt für alle Länder die Beschränkung, die wir uns 2006 schon auferlegt haben: keine neuen Schulden!

Ein Drittes kommt hinzu. Ab 2020 gibt es keinen Solidarpakt II mehr. Auch das wird sich auf die neuen Länder auswirken.

Jetzt ist die Gefahr sehr groß. Es gibt drei schwierige Themen, die die Haushalte der Länder massiv beeinflussen: Sie dürfen keine neuen Schulden mehr machen, der Solidarpakt läuft aus, und der Länderfinanzausgleich soll so geregelt werden, dass die Geberländer nicht dauerhaft überfordert werden und Anreize geschaffen werden, damit sich Leistung lohnt. Die Gefahr besteht darin, dass die Probleme aufgeschoben werden - das zeigt das Null-Verhandlungsergebnis -, sodass die Druckwelle dann zu groß ist und nicht alle drei Aufgaben kurzfristig gelöst werden können. Wir haben also 2020 keine Lösung für diese Probleme, weil die Länder dann beklagen: Liebe Leute, jetzt wollt ihr den Länderfinanzausgleich verändern, und wir dürfen keine neuen Schulden mehr machen. Die neuen Länder äußern dazu: Wir bekommen keinen Ausgleich mehr aus dem Solidarpakt. Das alles auf einmal ist unmöglich. Das ist der erste Punkt.

Den zweiten Punkt kennen Sie, Herr Kollege Halbleib, als Verwaltungsjurist. Wenn man eine neue Aufgabe anpackt, prüft man zunächst das bisherige Vorgehen. Das ist eine ganz bewährte Praxis. Wie war es bisher? In der Vergangenheit war es ganz genau so, wie wir es jetzt mit unserem Antrag und mit unserem Beschluss, zu dem wir Sie um Ihre Zustimmung bitten, angehen wollen. 1999 haben wir ein Urteil erstritten, auf dessen Basis 2001 verhandelt wurde, 2002 der neue Länderfinanzausgleich beschlossen wurde und das 2005 in Kraft getreten ist. Nur auf der Basis des Urteils von 1999 war es möglich, dieses Ergebnis zu erreichen. Der Finanzminister hat heute Vormittag gesagt: Mit diesem Verhandlungsergebnis, das Sie immer ansprechen, konnten wir zumindest 2 Milliarden Euro retten. Das ist der Punkt. Dazu haben wir von 1999 bis 2005 gebraucht, exakt sechs Jahre. Die Klage wurde 1998 eingereicht. Wenn wir jetzt handeln, liegen wir genau in der gleichen Zeitschiene. Das bedeutet, wir wollen die Klageeinreichung 2013, das Klageergebnis 2014, dann Verhandlungen. Angesichts der Zeitschiene vom letzten Mal wissen wir: Es ist dringend notwendig, jetzt zu klagen, um bis 2019 fertig zu werden. Es hat nichts mit dem gegenwärtigen Jahr zu tun. Das ist die Realität. Nur aufgrund

dieses Urteils, dieser Pflöcke, die eingeschlagen wurden, war es möglich, dies zu erreichen.

Ein Weiteres möchte ich kurz ansprechen. Gibt es denn wirklich Lösungs- und Ansatzpunkte? Man hat sie in den Verhandlungen vorgetragen. Herr Graf von und zu Lerchenfeld hat heute Vormittag die Punkte angesprochen, die in der Kommission mit den Kollegen der Länder besprochen werden sollen. Es gibt durchaus vernünftige Ansätze. Es gibt den Ansatz, dass die Lasten für Berlin als Bundeshauptstadt eine Sache des Bundes sind und nicht eine Sache des Länderfinanzausgleichs. Es gibt den Ansatz, den Umsatzsteuerausgleich zu streichen. In der Tat haben wir 2012 nicht nur 3,9 Milliarden Euro eingezahlt, sondern der Freistaat Bayern hat einschließlich des Umsatzsteuerausgleichs insgesamt 5,6 Milliarden Euro an die anderen Länder überwiesen. Dieser Betrag ist so groß wie der gesamte Wissenschaftsetat unseres Staatsministers Heubisch; der Betrag ist so groß wie die Summe all dessen, was wir für Forschung, Hochschulen und Universitäten und Denkmalpflege ausgeben. Genauso viel geben wir für den Länderfinanzausgleich aus. Es gibt den Ansatz, dass wir Anreize brauchen. Das schreiben Sie sogar in Ihre eigenen Anträge hinein. Es gibt auch den Ansatz, von der Einwohnerveredelung wegzukommen.

Wir wissen heute, dass das jetzige System nicht sinnvoll sein kann, wenn die Länder, die sich notwendigerweise durch Beiträge und zusätzliche Einnahmen finanzieren müssten, dies unterlassen. Ich nenne das Stichwort Studienbeiträge: Wenn all diejenigen, die sie finanziell notwendig bräuchten, sie abgeschafft haben, ist das ein Beispiel dafür, dass dieses System weder Anreize schafft noch Sinn macht noch dauerhaft die Republik voranbringt, sondern dass es uns allen schadet. Deswegen fordere ich Sie auf, meine Damen und Herren von der SPD, die Sie dankenswerterweise in so großer Zahl da sind: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Ich habe eine wichtige Botschaft für Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und befreien Sie sich aus dem 20-Prozent-Ghetto.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Winter. Der nächste Redner ist Herr Kollege Klein. Herr Kollege Klein, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin in der Aktuellen Stunde schon eine ausführliche Diskussion über die Klage und unsere Konzepte zum Länderfinanzausgleich geführt. Lassen Sie mich deshalb zunächst kurz die Thematik des Länderfinanzausgleiches in den Gesamtzusammenhang stellen.

Nach wie vor ist die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte dramatisch. Das gilt zwar weniger in Bayern, aber umso mehr in Deutschland und vor allem in den Ländern, die Rot-Grün regiert. Wir haben deshalb gemeinschaftlich auf Bundesebene das Thema Verschuldung angepackt. Wir haben die Schuldenbremse eingeführt, die ab 2020 − Herr Kollege Winter hat es erwähnt − für alle Länder greifen wird. Wir haben eine Föderalismuskommission eingesetzt. Wir ziehen hinsichtlich der EU-Finanzen mehr oder weniger gemeinsam an einem Strang. Dieses Thema ist mit Sicherheit noch nicht ausgestanden.

All das dient dazu, dass der Staat in der sozialen Marktwirtschaft finanzierbar gemacht wird. Wir sind uns alle darin einig, dass die soziale Marktwirtschaft eine der größten Errungenschaften auch dieser Gesellschaft in Deutschland ist. Bisher, liebe Kolleginnen und Kollegen, finanzieren wir die soziale Marktwirtschaft und diese Gesellschaftsform auf Pump und auf Kosten zukünftiger Generationen.

In diesem Zusammenhang spielt auch der Länderfinanzausgleich eine Rolle; denn Ausgleich ist richtig, wir sind eine solidarische Gemeinschaft, aber − das habe ich vorhin detailliert ausgeführt − der aktuelle Länderfinanzausgleich bestraft diejenigen, die das genannte Ziel erreichen wollen, dass der Staat in der sozialen Marktwirtschaft finanzierbar ist; er bestraft diejenigen, die konsolidieren, die die Verschuldung abbauen; und er setzt keine Anreize für die Bundesländer, die in einer finanziellen Schieflage sind, ganz im Gegenteil: Er animiert sogar dazu, in dieser Situation zu verharren. Deshalb ist es richtig, sich mit der gesamten Thematik auseinanderzusetzen.

Die Situationsanalyse, die ich vorhin schon kurz angerissen habe, kann nur dazu führen, dass man sich mit der Frage beschäftigt, wie ein neuer Länderfinanzausgleich ab 2019 auszusehen hat. Ich sage Ihnen nochmals: Wir haben zwei Gutachten erstellen lassen und Verfassungswidrigkeit festgestellt, wir haben ein neues Konzept erarbeitet. Wir sind der Meinung, dass die Verhandlungslösung mit Sicherheit die bessere gewesen wäre, aber ich stelle nochmals fest: Auf der Seite der Nehmerländer ist keine ehrliche Bereitschaft zu Verhandlungen vorhanden. Wir spüren keine solche Bereitschaft. Die Signale sind andere. Das Verhalten von einem der wichtigsten Nehmerländer und einem der wichtigsten Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland läuft völlig konträr zur Schuldenbremse und zu einem Ergebnis der Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich. Nordrhein-Westfalen fährt ganz bewusst keinen Konsolidierungskurs. Das ist nicht nur die Meinung der FDP,

(Zurufe des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

sondern auch vieler anderer. Es ist nicht die Bilanz von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen. Der erste Ministerpräsident, der aus dem Länderfinanzausgleich genommen hat, war Johannes Rau, ich glaube, ein SPD-Mann, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))

Deshalb haben wir ein neues Konzept auf den Weg gebracht. Ich bin der Meinung, dass am Ende dieser Klage, wenn man sich die Historie anschaut − auch Georg Winter hat darauf verwiesen −, natürlich nicht der Satz stehen soll: Der Länderfinanzausgleich ist sofort abzuwickeln und nicht mehr auszuzahlen, sondern damit werden für die nächsten Verhandlungsrunden Maßstäbe gesetzt, die wir dann umsetzen zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger, der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Bayern.

Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen Weg gehen. Wir müssen aufgrund der Interessenlage in Bayern zu einer Neuaufstellung kommen, aber wir müssen auch − und das betone ich hier, weil wir natürlich gute Kontakte und ein gutes Verhältnis zu unseren Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen haben − zu einer Neugestaltung des Länderfinanzausgleichs kommen in Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger in diesen Bundesländern, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, damit zumindest die dortigen Landesregierungen gezwungen werden, Konsolidierungsmaßnahmen einzuleiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit bin ich praktisch am Ende meiner Rede. Ich will nur noch einen Hinweis machen als Replik auf die Einlassungen von vorhin. Ich glaube, Kollege Hallitzky - und wenn er es nicht war, dann möchte ich mich jetzt schon förmlich entschuldigen − hat vorhin in dem Gesamtzusammenhang des Länderfinanzausgleichs die EEG-Umlage in die Diskussion eingebracht. Das habe ich jetzt schon öfter gehört. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen Hinweis geben: Ich halte es für völlig sachfremd, hier einen Ausgleichstopf, aus dem erneuerbare Energien gefördert werden, im Gesamtzusammenhang mit dem Länderfinanzausgleich gegenzurechnen. Das ist zwar auch stammtischgeeignet, aber wirklich nicht sachlich begründet.

(Zuruf des Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD))