Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss nicht gleich mit Änderungen und populistischen Anträgen jedem hinterherlaufen, der sagt, ach, vielleicht kann es aber doch nicht richtig sein,

(Zuruf der Abgeordneten Julika Sandt (FDP))

anstatt in den Dialog mit denen einzutreten, die sich jetzt beschweren − das ist mühsam. Das mache ich hier in meinem Büro jeden Tag. Was glauben Sie, wie viele Briefe ich beantworte neben den Petitionen, die wir im Ausschuss bekommen? Das ist mühsam, aber es geht. Man kann in den Dialog eintreten, man kann erklären, warum man was für richtig hält. Da braucht man hier nicht so eine Show abzuziehen und gleich wieder umzufallen.

Der Systemwechsel zur Haushaltsabgabe war richtig, und er war überfällig. Er ist überfällig aufgrund der technischen Konvergenz, und wer heute sagt, ja, wir müssen aber doch gucken, ob die, die nur ein Radio haben - - Der hat es doch nicht begriffen! Michael, ich muss dir ehrlich sagen: Wer heute sagt, der, der nur ein Radio hat, sollte vielleicht doch befreit werden, hat nicht begriffen, worum es geht.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Doch!)

- Nein, hat er nicht; denn Radio wird kein Radio mehr sein; Radio ist ein Empfangsgerät wie alle anderen auch. Jedes Telefon ist ein Empfangsgerät, vielleicht ist in zwei, drei Jahren unser Kühlschrank das Empfangsgerät.

(Heiterkeit - Alexander König (CSU): Wahrscheinlich sogar!)

- Wahrscheinlich sogar, ganz genau!

Wir wollen nicht zurück zur GEZ-Schnüffelei. Über all die Jahre hatten wir Hunderte, Tausende von Petitionen zur GEZ-Schnüffelei. Die Situation, dass wir uns im Ausschuss mit Petitionen zur Rundfunkgebühr beschäftigen müssen, ist doch nicht neu. Was hatten wir denn über all die Jahre, was wir kaum mehr ertragen konnten? Immer wieder die berechtigten Beschwerden über das Vorgehen und die Schnüffelei der GEZ.

(Zuruf von der CSU)

Ich will dahin nicht zurück.

Was mir grundsätzlich fehlt von allen Ihnen hier, ist ein echtes und ehrliches Bekenntnis dazu, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk für unsere Gesellschaft eigentlich ist. Er ist für mich wirklich ein wesentliches konstituierendes Element auch dieser funktionierenden Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und deshalb verteidige ich diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da ist es eigentlich, wenn ich das konsequent zu Ende denke, völlig egal, ob ich selber das Angebot nutze oder nicht. Aber ich kann mir vorstellen, wie diese Gesellschaft beisammen wäre, wenn wir so etwas nicht mehr hätten.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Aus Steuern bezahlt!)

- Nein, nicht aus Steuern. Wenn wir es aus Steuern zahlen, ist die Staatsferne überhaupt nicht mehr gewährt; deshalb geht es aus Steuern gar nicht. Des

halb sollten wir wirklich dieses System verteidigen, und ich versuche, das jedem zu erklären.

Es gibt keinen, der sagen kann, ich nutze doch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gar nicht. Jeder profitiert von seinen positiven Auswirkungen dieser Gesellschaft − dass wir eine stabile Demokratie sind, die auf einer guten Informationsgrundlage funktioniert, dass jeder die Möglichkeit hat, sich bei einem öffentlichrechtlichen Rundfunk zu informieren, auch über Angebote zu informieren. Allein das, auch wenn man es nicht selbst aktiv mit einem Fernseher nutzt, ist ein Nutzen, den man nicht hoch genug bewerten kann.

Darin liegt für mich eigentlich die tiefere Rechtfertigung für diese Haushaltsabgabe. Es ist sehr wohl richtig, dass jeder Haushalt zahlt, weil wir alle davon profitieren, ganz egal, wie intensiv wir jetzt die einzelnen Angebote nutzen.

(Alexander König (CSU): Aber die Befreiungstatbestände stimmen nicht mehr!)

Wenn wir uns in dieser Form hinter den öffentlichrechtlichen Rundfunk stellen, Frau Sandt, dann können wir auch vehement bessere Qualität einfordern, einen besseren Mitteleinsatz beim Bayerischen Rundfunk, verstärkte Sparanstrengungen dort im Haus; denn da wird sicherlich viel Geld auch sinnlos ausgegeben. Dann können wir sagen, sie sollen sich nicht auf das Niveau der Privaten begeben

(Alexander König (CSU): Alles richtig!)

und nicht für überteuerte Sportrechte zahlen. Das können wir dann mit Fug und Recht alles einfordern.

Also: Wir wollten diesen Wechsel, aber wir hatten Bedenken, die wir auch im Zuge des Staatsvertrages und lange davor schon geäußert hatten. Ich erinnere Sie jetzt einmal daran, dass wir 2010 bereits einen Antrag dazu eingebracht haben, der die Datenschutzproblematik aufgegriffen hat. Da haben Sie alle nicht zugestimmt. Wo waren Sie denn da? Da wäre die Zeit gewesen, im Staatsvertrag noch etwas zu ändern; da liefen die Verhandlungen noch, da war es einmal nicht zu spät, sonst, wenn er auf dem Tisch liegt, können wir ja eh nichts mehr ändern, aber da hätten wir noch etwas ändern können, und da sind Sie uns nicht gefolgt.

Es gibt bei den Befreiungstatbeständen Systembrüche; das habe ich damals auch schon gesagt. Der Dienstwagen wurde schon genannt. Das ist für mich ein Systembruch, der eigentlich auch nicht erklärbar ist. Wir müssen schauen, ob alle sozialen Härten erfasst sind. Aber ich sage auch klar: Wir müssen uns das anschauen. Es sind jetzt sieben Wochen vergan

gen, Leute, sieben Wochen sind das! Wir wissen doch noch überhaupt nicht, wie viel Geld hier wirklich hereinkommt. Wir wissen noch nicht, wie viele Härten es tatsächlich gibt.

Es gibt − das wurde schon gesagt − die Spielräume bei den Rundfunkanstalten, die auch jetzt schon genutzt werden können. Wir haben also im Prinzip viele Instrumente in der Hand, um hier gegenzusteuern bzw. um uns dann auch nach einem geeigneten Zeitraum anzuschauen, ob das alles so auskommt, wie wir uns das überlegt hatten.

Es betrifft auch die Auswirkungen auf die Kommunen. Das war ja ein bisschen ein Sturm im Wasserglas. Die Stadt Köln hatte doch überhaupt nicht angedroht, nicht zu zahlen, sondern sie war nur mit der Berechnung noch nicht fertig. Das wurde ja dann auch wieder dementiert; sie ist längst in Verhandlungen mit dem WDR, und ich denke, auch da wird es eine gute Lösung geben.

Ich glaube, es muss klar sein: Ein Systemwechsel in diesem Ausmaß ist niemals einfach und geht niemals geräuschlos vonstatten. Er muss erklärt werden, und das ist mühsam. Er muss überprüft und evaluiert werden. Das ist längst beschlossen, wir haben es heute schon gehört. Eventuell muss auch nachgebessert werden. Wenn wir erst einmal wirklich gefestigte Daten haben, werden wir sehen, was da hereinkommt. Wir haben doch auch schon beschlossen, dass wir uns das anschauen wollen. Wir haben doch für Juni im Ausschuss schon einen Termin, zu dem der BR kommt und berichtet. Wir schauen, wie es im nächsten Jahr ist, und dann haben wir doch alle Möglichkeit, hier voranzugehen.

Also: Kein Zurück zur Gerätegebühr! Ich wünsche mir von Ihnen allen wirklich mehr Mut, zum öffentlichrechtlichen Rundfunk zu stehen und sich dann dort auch sinnvoll für Reformen und für mehr Qualität einzusetzen.

Wir lehnen den Antrag der FREIEN WÄHLER ab. Beim SPD-Antrag enthalten wir uns, weil in ihm im Grunde das steht, was wir beschlossen haben, und eigentlich auch schon dem Ergebnis der Evaluation vorgegriffen wird. Außerdem fehlen die Datenschutzaspekte völlig.

Auch den CSU/FDP-Antrag werden wir ablehnen, weil − ich sage das ganz klar − in ihm steht: Wir wollen die Belastungen generell senken. Das wollen wir nicht. Wir haben immer gesagt, wir wollen dasselbe Aufkommen haben, denn wir wollen nicht grundsätzlich die Bürger und die Wirtschaft entlasten; sie sollen in etwa dasselbe zahlen wie vorher, nicht weniger. Und wir wollen auch nicht − das ist wohl der FDP geschul

det −, dass es nur noch den Kernauftrag gibt, wie Sie den Kernauftrag verstehen, und der Öffentlich-Rechtliche dann keine Unterhaltung mehr machen darf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Sinner hat eine Zwischenbemerkung angemeldet.

(Zuruf von der CSU: Kein Doktor! − Zuruf: Nicht mehr?!)

Ich habe keinen Doktortitel, habe ihn auch nicht verloren.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das ehrt Sie!)

Das ehrt mich, ja. - Frau Kollegin Gote, Sie haben ein wunderbares Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgelegt, dem sich wahrscheinlich jeder anschließen kann. Das war auch der Kern des Gutachtens von Professor Kirchhof. Wir wollen keineswegs, dass die Finanzierungsgrundlage erodiert. Es geht uns um den individuellen Beitrag. Sie wissen, es könnte sein, dass mehr Geld in die Kasse hereinkommt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann das nicht einfach behalten. Er kann nur das behalten, was ihm die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten zumisst. Wenn mehr Geld hereinkäme, könnte man den individuellen Beitrag senken. Das ist der Hintergrund. Das möchte ich nur zur Erklärung sagen.

Wenn Sie aber zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen, dann müssten Sie eigentlich auch zur Finanzierung stehen. Wenn alle hier im Hause Ihrer Intention gefolgt wären, dann gäbe es keine Haushaltsabgabe, die Sie wollen. Auch wir sehen natürlich die Mängel. Ich kann mich dunkel daran erinnern, dass Baden-Württemberg diesem Rundfunkstaatsvertrag ebenso zugestimmt hat. Die Regierung Kretschmann hat dem Staatsvertrag zugestimmt und hat das Ganze mitgetragen. Ein einziges Land hätte all das verhindern können. Denn ein Staatsvertrag setzt die Einstimmigkeit von 16 Ländern voraus. Also auch die GRÜNEN haben zugestimmt. Insofern nehmen Sie eine etwas elitäre Position ein.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das ist doch in Ordnung!)

Sie sagen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ja, aber bei der Finanzierung bin ich so lieber nicht dabei, weil es ein paar Problemchen gibt. Seien Sie so ehrlich und erkennen Sie an, dass wir etwas eingeführt haben, bei dem Sie nach der Evaluierung die Chance haben, etwas zu verbessern. Wenn wir das nicht eingeführt

hätten, dann hätten Sie nicht einmal diese kleine Chance.

Danke, Herr Kollege Sinner. Bitte, Frau Gote.

Herr Sinner, was Sie hier betreiben, ist Spiegelfechterei.

(Alexander König (CSU): Na, na!)

Ich möchte Sie daran erinnern, dass es die GRÜNEN waren, die das Modell der Haushaltsabgabe schon vor Jahren betrieben haben.

(Zuruf des Abgeordneten Eberhard Sinner (CSU))

Ich habe das, glaube ich, auch deutlich verteidigt.

Was Sie am Anfang gesagt haben, Herr Sinner, ist richtig. Wenn das Aufkommen höher wird, als es war, dann kann man über eine Beitragssenkung nachdenken. In Ihrem Antrag steht das so aber nicht drin. Darin steht, Ziel sei die generelle Beitragssenkung für den Einzelnen und für die Wirtschaft. So kann man das einfach nicht formulieren.