− Nein. Aber in Ausnahmefällen kann man sich das überlegen. − Mir geht es darum: Wenn man spürt, dass ein Staatsvertrag in die falsche Richtung weist und bei der Umsetzung Härtefälle mit sich bringt, sollte man schnell, das heißt sofort reagieren. Wenn wir bis zum Vorliegen des Berichts im Frühjahr 2014 warten, bekommen wir vor dem Jahr 2015 keine Neuregelung. Deshalb werbe ich für unseren Antrag.
Wir werden auch dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen, obwohl uns die eine oder andere Aussage in der Begründung nicht gefällt. Aber von der Richtung her stimmt er.
Den Antrag der Koalitionsfraktionen müssen wir leider ablehnen, weil er wieder nur auf den Beschluss aus dem Jahr 2011 verweist und Versprechungen macht, die die ferne Zukunft betreffen. Wir sind gewählt, um zügig zu handeln und gerecht zu agieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Piazolo, in die falsche Richtung geht dieser Staatsvertrag nicht. Er geht in die richtige Richtung. Deswegen ist er nach jahrelangen Vorbereitungen und ellenlangen Diskussionen in allen Bundesländern von den Parteien, die dort jeweils die Regierung tragen, einmütig verabschiedet worden.
Richtig ist: Es tritt jetzt die eine oder andere Kinderkrankheit auf. Diese Kinderkrankheiten gilt es auszumerzen.
Es ist schon darauf verwiesen worden, dass die Evaluation jetzt, nicht erst im März 2014, erfolgen soll, nach zwei Jahren. Man ist also schon etwas flotter. Sie wird allerdings die Kinderkrankheiten nicht ausmerzen und die sozialen Ungerechtigkeiten nicht beseitigen. Bei der Evaluation geht es eigentlich nur darum, ob im Rahmen des neuen Systems dem öf
fentlich-rechtlichen Rundfunk auskömmliche Mittel zur Verfügung stehen. Wir können jetzt viel schneller handeln.
Das Heft dazu haben die Rundfunkanstalten selbst in der Hand. Deswegen unterscheiden wir uns mit unserem Antrag wesentlich von den übrigen vorliegenden Anträgen, soweit auf eine schnellere Evaluation gedrängt wird. Wir sagen: Die Verantwortlichen in den Rundfunkanstalten müssen jetzt handeln. Dass sie dazu in der Lage sind, haben sie übrigens schon bewiesen. Denken Sie an die Demenzkranken: Anfangs hatte es so ausgesehen, als ob sie bezahlen müssten. Es wurde rasch eine unbürokratische Lösung gefunden. Denken Sie an die Altenpflegeheime: Zunächst war vorgesehen, dass Bewohner von Doppelzimmern jeweils einen eigenen Rundfunkbeitrag bezahlen. Dieses Problem wurde sehr schnell ausgemerzt. Im Moment ist man dabei, für die Kommunen zu einer günstigeren Lösung zu kommen.
Das zeigt: Wir sind nicht vom Untergang des Abendlandes bedroht, wenn wir die Umsetzung dieses Rundfunkstaatsvertrages jetzt durchziehen. Die Probleme − einige haben sich schon herauskristallisiert − gilt es auszumerzen. Holen wir uns doch den Intendanten des Bayerischen Rundfunks in den Hochschulausschuss − warum denn nicht? − und diskutieren wir über diese Fragen mit ihm. Ich nehme an, dass er die gleichen Briefe wie wir bekommt.
Zu einer wie auch immer gearteten geräteabhängigen Lösung zurückzuwollen, wäre fatal. Davor kann ich nur warnen. Wir haben die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zukunftsfähig gemacht. Die eine oder andere Unschärfe gilt es noch zu beseitigen. Aber bitte schön nicht am Prinzip an sich rütteln!
Lassen Sie uns die von den Rundfunkanstalten noch nicht gelösten Probleme schnell aufgreifen. Den Verantwortlichen ist nahezubringen, dass sie jetzt den Hebel in der Hand haben und den Spielraum, den ihnen das Gesetz gibt − siehe Demenzkranke, siehe Altenpflegeheime -, ausnutzen, damit die Menschen, die wirklich hart betroffen sind, also die echten Härtefälle, entlastet werden. Das ist auch ohne großartige Evaluation möglich. Man muss es nur wollen.
Danke schön, Herr Kollege Werner. Bevor ich die nächste Wortmeldung zulasse, darf ich darauf hinweisen, dass die CSU-Fraktion für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat.
- Meine Damen und Herren, die Aufregung nützt nichts. Das Antragsrecht ist so, wie es ist. − Frau Kollegin Sandt, damit darf ich Ihnen das Wort erteilen. Bitte schön.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist zwanzig nach drei, aber ich kann Ihnen, liebe FREIE WÄHLER, nur ganz herzlich zurufen: Guten Morgen! Schön, dass Sie endlich aufgewacht sind. Bereits im Mai 2011 haben wir in unserem Entschließungsantrag gefordert − wer lesen kann, ist klar im Vorteil -, dass der Rundfunkbeitrag auf Basis des 19. Berichts der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten − KEF - evaluiert wird. Im Januar erst ist die neue Gebühr eingeführt worden.
- Aus Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit müssten Sie wissen, wenn Sie halbwegs seriös wissenschaftlich arbeiten, dass man nicht im Vorhinein evaluieren kann. Man kann doch nicht vorher in einem Wirrwarr evaluieren, wie Sie es gerade gestikulierend fordern. Wir haben ganz klar gesagt, und dabei bleiben wir auch: Ein gutes Jahr, nachdem der Rundfunkbeitrag eingeführt wurde - im März 2014 ist ein guter Zeitpunkt − haben wir den Bericht der KEF. Die Evaluation wird nicht, wie Sie es von der SPD sagen, durch die KEF, sondern auf Basis des KEF-Berichts vorgenommen. Aus dieser Evaluation wollen wir Konsequenzen ziehen. Das haben wir 2011 in unserem Entschließungsantrag klar formuliert. Die FREIEN WÄHLER haben sich in den Ausschüssen mal enthalten, mal dagegengestimmt, wie auch immer. Sie fordern jetzt in einem total schwammigen, unpräzisen Dringlichkeitsantrag, der inhaltlich weit hinter unserem damaligen Entschließungsantrag zurückbleibt, dass eine Evaluation vorgenommen wird. Das nenne ich politische Wachsamkeit, FREIE WÄHLER. Herzlich willkommen im Hier und Heute!
Wir Liberale halten fest: Die gerätebezogene Rundfunkgebühr war und ist aufgrund der Medienkonvergenz, also des Zusammenwachsens der Medien, nicht mehr zeitgemäß. Wir wollten nicht mehr akzeptieren, dass der GEZ-Schnüffler im Schlafzimmer steht und nachsieht, wo der Radiowecker ist. Das wäre doch noch weitergegangen. Als Nächstes hätte beispielsweise die Suche nach dem iPad unter der Matratze begonnen oder die Suche nach dem Smartphone in der Handtasche oder sonst wo − das Smartphone ist auch ein Rundfunkempfangsgerät. Eine Rückkehr zur gerätebezogenen Rundfunkgebühr, wie
sie gestern sogar seitens der SPD im Ausschuss indirekt gefordert wurde, ist mit uns nicht zu machen. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß und wird der veränderten Medienwelt überhaupt nicht gerecht.
Wir wollen die Belastungen für Bürger und Unternehmen senken. Wir fordern aber auch einen effizienten Mitteleinsatz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ja, wir stehen zum liberalen Rundfunksystem. Wir wollen den Kulturauftrag, den Bildungsauftrag, den Informationsauftrag stärken. Ja, wir fordern in unserem Entschließungsantrag auch einen effizienten Mitteleinsatz. Wir wollen natürlich nicht, dass sich ARD und ZDF mit der privaten Konkurrenz im Wettbewerb um teure Sportrechte überbieten. Eine Zwangsabgabe für Rosamunde-Pilcher-Kitsch halten wir ebenfalls für völlig inakzeptabel.
Sowohl in unserem damaligen Entschließungsantrag als auch in unserem jetzigen Antrag haben wir formuliert, dass zu einem effizienten Mitteleinsatz der Mehrwert gehört, und dazu gehören die barrierefreien Angebote. Ich habe mit Behinderten gesprochen, beispielsweise mit Vertretern des Blinden- und Sehbehindertenbundes. Sie haben gesagt: Es geht uns nicht darum, befreit zu werden, sondern es geht uns darum, dass wir barrierefreie Angebote bekommen. Dazu gehören die Audiodeskription für Menschen mit einer Sehbehinderung, die Gebärdensprache für gehörlose Menschen und weitere angemessene barrierefreie Angebote.
Weiter fordern wir sehr konkret einen sparsamen Umgang mit Daten. Das alles steht bereits in unserem Entschließungsantrag von 2011. Zur Erinnerung, liebe FREIE WÄHLER: Darin steht auch, dass wir die Evaluierung auf Basis des KEF-Berichts fordern. Wir wollen Bürger, Unternehmen und Kommunen entlasten. Individuelle Härtefälle müssen verhindert werden. Daran hat doch auch der Bayerische Rundfunk ein Interesse. Meines Erachtens steht und fällt die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Akzeptanz auch dieser Abgabe damit, dass individuelle Härtefälle vermieden werden.
Bitte, liebe FREIE WÄHLER: Der 19. KEF-Bericht ist für den kommenden März angekündigt. Schade, Herr Piazolo, dass Sie hier wieder dem Populismus verfallen. Eine Evaluierung mit Konsequenzen und mit Korrekturen ist nötig. Deshalb bekräftigen wir heute unseren Entschluss aus dem Jahr 2011, der richtig war. Das wird sich nächstes Jahr zeigen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Sandt. Herr Kollege Sinner, Ihnen darf ich jetzt das Wort erteilten. Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 1. Januar 2013 gibt es die neue Rundfunkgebühr als Rundfunkbeitrag. Sie knüpft an den Haushalt an und nicht mehr an das Gerät. Herr Kollege Piazolo, vorher gab es jede Menge von Petitionen, in denen die Aufregung ausgedrückt wurde, dass ein Nachweis des Gerätes notwendig war. Es gab Riesenprobleme hinsichtlich des Datenschutzes. Es gab die von Frau Kollegin Sandt schon erwähnte GEZ-Schnüffelei. Das alles wollen Sie jetzt wieder einführen, indem Sie in der Begründung Ihres Antrags 16/15704 formulieren: "die in ihrem Haushalt (nachweislich) lediglich ein Radiogerät besitzen". Sie wollen also den Bürger wieder zwingen, nachzuweisen, ob er ein Gerät hat.
Das ist die erste Feststellung. Das steht wörtlich so in Ihrem Antrag, das wollen Sie jetzt nur nicht wissen.
Der Verfassungsrechtler Paul Kirchhof hat in einem Gutachten mit einem Umfang von 85 Seiten vorher festgestellt, dass die alte Rundfunkgebühr verfassungswidrig war, weil sie gleichheitswidrig war. Vielleicht kommt hier eine Analogie zum Tragen. Gemäß dem heutigen Beitragsrecht zahlen Sie auch einen Erschließungsbeitrag. So definiert es Kirchhof. Wenn Sie wenigstens die letzte Seite des Gutachtens lesen würden! Dann kommt es auch nicht darauf an, wie viele Autos Sie haben oder darauf, was Sie ansonsten auf der Straße machen, sondern darauf, dass Sie den Erschließungsbeitrag für ein vorhandenes Angebot − in diesem Fall ist es die Straße − zahlen.
Heute gibt es die Konvergenz der Geräte. Man kann mit dem iPad, man kann mit dem Blackberry, man kann mit dem iPhone überall und jederzeit fernsehen. Wollen Sie alle diese Geräte erfassen? In dieser Problematik bestand die eigentliche Begründung des Haushaltsbeitrages. Uns allen war klar, dass wir uns hinsichtlich der ergebnisbezogenen Prognose im Bereich von Wahrscheinlichkeiten bewegen.
Ich komme auf die Kommunen zu sprechen. Vorher wurde eine Berechnung für Köln als Modellbeispiel vorgenommen. Die Stadt Köln regt sich jetzt auf. Warum wurde die Stadt Köln gewählt? Weil dort die GEZ und der WDR sitzen. Das wurde genau berechnet. Es stimmt nicht, dass der Friedhofsbagger gebührenpflichtig ist. Vieles von dem, was jetzt behauptet wird, stimmt nicht. Sie schildern Härtefälle, die jetzt nach eineinhalb Monaten auftreten. Es gibt Möglich
keiten, diese Härtefälle zu lösen, wenn man die Spielräume, die der Staatsvertrag hergibt, nützt. Wir haben im Rundfunkrat intensiv darüber diskutiert. Es gibt beim BR nämlich eine Satzung, wie der Vollzug gestaltet wird. Sie selbst haben soeben Beispiele gebracht, die zeigen, dass man Fälle lösen kann, weil der Staatsvertrag Spielräume hierfür bietet. Genau das fordern wir ein. Wir haben deshalb auf unseren alten Entschließungsantrag hingewiesen, der all diese Forderungen schon umfasst.
Ich komme zum SPD-Antrag. Herr Kollege Werner, die KEF führt die Evaluierung nicht durch. Die KEF verfasst einen Bericht. Die Evaluierung führt der Gesetzgeber durch. Hier müssen wir uns selber anstrengen. Einen Bericht zu welchem Thema auch immer, der hier ankommen sollte, können Sie vom BR verlangen, aber nicht von der ARD.
Ich bin sehr dafür, diese Fälle, die bei Petitionen und beim BR aufschlagen, zu behandeln. Ich bin überzeugt, dass wir 90 % der Fälle lösen können. Was wir nicht lösen können, muss sich in der Evaluierung niederschlagen. Im Gegensatz zu den anderen Antragstellern haben wir in unserem Antrag sehr konkret darauf hingewiesen, dass das Kraftfahrzeug absolut systemfremd ist. Darauf haben wir vorher hingewiesen, aber dieser Hinweis war unter den 16 Ländern, die einstimmig einen solchen Staatsvertrag aushandeln müssen, nicht mehrheitsfähig. Damit sind wir nicht durchgekommen. Jetzt kommt es darauf an zu betrachten: Wie sieht der Gesamtertrag aus? Dann wollen wir diesen Gesamtertrag, der möglicherweise größer ist, weil sich die Basis verbreitert, auch dazu nutzen, um die Gebühren für den Einzelnen zu senken, aber nicht, um die Gebührenbasis des öffentlichrechtlichen Rundfunks zu erodieren.
Eine vorletzte Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es gibt auch noch Überprüfungen vor dem Verfassungsgericht. Was wollen Sie jetzt verhandeln, wenn Verfassungsgerichte dann mit einem Urteil kommen und in die eine oder andere Richtung entscheiden? Dann hätten Sie verhandelt, ohne irgendwelche Ergebnisse zu haben.
Die letzte Bemerkung. Es gibt kein Zurück zur alten, gerätebezogenen Rundfunkgebühr, weil das letzten Endes die Privatsphäre des Bürgers ganz massiv beeinträchtigen würde. Ich darf noch einmal sagen, wer ein iPad und sonstige Geräte hat, der kann ab 1. Januar gleichzeitig im Live-Stream alle öffentlich-rechtlichen Programme empfangen; da ist er nicht mehr auf irgendeinen Fernseher angewiesen, und er kann über die Mediatheken zu jeder Sekunde des Tages über viele Wochen und auch Monate und Jahre zurück alle Programme abrufen. Das heißt also, der Empfang mit
diesen Geräten ist nicht nur eine theoretische Möglichkeit, er ist überall in Deutschland, in Bayern gegeben.
Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag, der das präzise anspricht. Wir werden die beiden Anträge, die sonst noch vorliegen, ablehnen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich schon ein bisschen absurd, lieber Kollege Piazolo: Jetzt komme ich hier in die Situation, dass ich den Rundfunkänderungsstaatsvertrag verteidigen muss, obwohl ich ihm gar nicht zugestimmt habe, nämlich genau aufgrund von Bedenken, die wir lange vorher, auch schon vor 2011, geäußert hatten. Wir haben vieles nicht umgesetzt gesehen, halten das Prinzip zwar nach wie vor für richtig, aber hatten damals deshalb Nein gesagt.
Ich finde es nur merkwürdig, dass hier jeder jedem Populismus vorwirft, vor allen Dingen auch Frau Sandt. Sie werfen den FREIEN WÄHLERN Populismus vor, laufen aber gleich mit einem ebenso populistischen Antrag hinterher. Also das kann ich auch nicht verstehen.
Für mich ist das, was sich hier heute Nachmittag mit diesen Anträgen abspielt, ein Ausdruck dessen, dass Sie der eigenen Wirkmächtigkeit Ihrer Argumente wohl nur sehr wenig trauen. Sonst stellt man sich halt mal hin und verteidigt das, was man für richtig gehalten hat.