Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Das Bayerische Gleichstellungsgesetz gilt jetzt seit 16 Jahren. Ein Gleichstellungsbericht um den anderen zeigt, dass dieses Gesetz kaum Wirkung hat. Es ist ein zahnloser Tiger! Das zeigen auch folgende Zahlen: In bayerischen Ministerien sind nur drei von zehn Abteilungsleitungen an Frauen vergeben. Es gibt nur einen einzigen weiblichen Amtschef, nämlich in der Staatskanzlei. Im Durchschnitt liegt der Frauenanteil unter den Abteilungsleitern der bayerischen Ministerien bei 18 %. Bei den Referatsleitern liegt er bei 22 %. − Allein der gegenwärtige Geräuschpegel zeigt, dass das Interesse der Mehrheitsfraktionen am Thema Frauen besonders groß ist.

(Walter Nadler (CSU): Vielleicht liegt es auch an der Rednerin!)

Das bisherige Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 1996 hat die Situation für Frauen kaum verbessert. Das zeigen auch die Neubesetzungen in der Führungsebene. 2011 gingen zum Beispiel nur vier von elf Abteilungsleiterstellen an Frauen. Nur 32 von 87 Referatsleiterstellen wurden mit weiblichen Perso

nen besetzt. Unter den drei neuen Amtschefs ist keine einzige Frau. Ich kann nur sagen: Traurig!

Es wird deutlich: Die Chancengleichheit von Männern und Frauen steht bei der schwarz-gelben Staatsregierung auf verlorenem Posten. Das geltende Bayerische Gleichstellungsgesetz hat Frauen im öffentlichen Dienst nicht wirklich weitergeholfen, obwohl gerade der öffentliche Dienst bei der Frauenförderung als Vorbild vorangehen sollte. Auch 16 Jahre nach Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes durch den Bayerischen Landtag kann von einer Chancengleichheit von Männern und Frauen in Bayerns Ämtern und Behörden keine Rede sein!

Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses Gesetz reformieren. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diskutieren wir heute über einen neuen Gesetzentwurf, den Gesetzentwurf der Sozialdemokraten, der im Vorfeld mit einer Vielzahl von Akteuren abgestimmt wurde. Wir wollen eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Gleichstellungsgesetzes. Wir wollen, dass es nicht nur bei den Behörden und Kommunen angewendet wird, sondern auch dort, wo die öffentliche Hand Anteile hält, zum Beispiel in öffentlichen Krankenhäusern und Ähnlichem. Wir wollen die Privatwirtschaft auffordern, sich entsprechend diesen Grundsätzen zu verhalten. Uns ist aber klar, dass wir die Privatwirtschaft nicht verpflichten können.

Wir wollen, dass detaillierte Gleichstellungskonzepte mit umfassenden Analysen der aktuellen Situation und konkreten Zielvorgaben erarbeitet werden. Wir wollen − das ist uns besonders wichtig − eine Schiedstelle im Finanzministerium einrichten, an die sich Gleichstellungsbeauftragte im Streitfall wenden können. Wir wollen, dass es Sanktionsmöglichkeiten gibt, wenn Dienststellen oder Gemeinden das Gleichstellungsgesetz nicht anwenden oder nicht umsetzen. Diese Dienststellen sollten darauf hingewiesen werden, dass sie hier tätig werden müssen.

Wir wollen, dass in allen Laufbahn- und Berufsfachrichtungen, in allen Leitungsebenen und Funktionsstellen bei gleicher Qualifikation ein Frauenanteil von mindestens 50 % angestrebt wird.

Zur Quote haben wir bereits einen Gesetzentwurf eingereicht. Es wird uns immer wieder gesagt, dass wir keine Quoten brauchen. Frauen bräuchten keine Quote, sonst gäbe es nur noch Quotenfrauen, und das sei doch nicht wünschenswert. Zitiert werden dann oft irgendwelche Vorzeigefrauen, zum Beispiel Maria Höfl-Riesch, eine bekannte Skifahrerin, die bekanntlich nicht gegen Männer fährt, sondern nur gegen Frauen. Es werden zum Beispiel fünf Töchter und Enkelinnen von Firmengründern zitiert, die per

Erbe in ihre Position gekommen sind. Oder es werden Schauspielerinnen zitiert, die bekanntlich auch nicht mit Männern um ihre Rolle konkurrieren.

Es ist richtig: Diese Vorzeigefrauen brauchen keine Quote. Aber ich sage Ihnen: Die alleinerziehende Mutter, die gut qualifiziert ist, oder die Frau, die zu Hause ihre Mutter pflegt und trotzdem Abteilungsleiterin werden möchte, obwohl sie vielleicht derzeit Teilzeit arbeitet − diese Frauen brauchen die Quote. Ich sage Ihnen noch eines: Von diesen Frauen gibt es viele.

Deswegen fordern wir mit diesem Gesetzentwurf erneut eine Frauenquote im öffentlichen Dienst von 50 % bei gleichwertiger Qualifikation. Kein Mann muss fürchten, dass ihm hierbei irgendetwas weggenommen wird − nur bei gleicher Qualifikation soll die Quote gelten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Quote ist es uns wichtig, dass die Fortbildung, die Teilzeit- und die Telearbeitsplätze ausgeweitet werden. Auch das ist wichtig für die Frauen, die vielleicht eine Auszeit nehmen wollen oder die zu Hause Familie und Kinder haben oder eine Pflege leisten müssen. Wir wollen eine Regelung zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Hierbei brauchen wir mehr Transparenz. Man muss mit diesem Thema offen umgehen, und Frauen, denen so etwas passiert ist, dürfen sich nicht scheuen, diese Vorfälle zu melden.

Wir brauchen auch ausreichend Freistellungen der Gleichstellungsbeauftragten, damit diese ihrer Arbeit nachkommen können. Wir schlagen bei 1.000 Beschäftigten eine halbe Stelle und bei 1.200 Beschäftigten eine ganze Stelle vor. Wir brauchen klare Definitionen, damit man diese Regelungen umsetzen kann.

Es ist uns auch wichtig, dass klar definiert ist, was die Gleichstellungsbeauftragten überhaupt machen sollen. Sollen sie nur nach innen, oder sollen sie nach außen wirken? Das sind die Fragen, die die Gleichstellungsbeauftragten haben. Wir meinen, beides ist wichtig, sowohl nach außen zu wirken, zum Beispiel Veranstaltungen organisieren und Ähnliches mehr, als auch nach innen zu wirken. Es ist wichtig, dass Gleichstellungsbeauftragte, wenn es gewünscht wird, zum Beispiel auch bei Personalangelegenheiten dazukommen können.

Wir brauchen einen aussagekräftigen Bericht vom Freistaat Bayern, aus dem hervorgeht, ob Dienstellen ihrer Pflicht nachkommen und ob sich die Gleichstellung von Männern und Frauen im Freistaat verbessert. Wir haben ein ganzes Maßnahmenbündel vorge

schlagen, um die Chancengleichheit von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst zu verbessern.

Gleichstellung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wichtig. Es ist das effektivste Mittel gegen Frauenarmut. Ich möchte Sie auffordern, diesen Diskurs mit uns sachlich zu führen, um gemeinsam für die Frauen in Bayern Besserstellungen zu erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Frau Kollegin Dr. Strohmayr. − Sie haben Begründung und Aussprache verbunden. Für die folgenden Rednerinnen und Redner bleiben jedoch nur fünf Minuten Redezeit. Für die CSU bitte ich Herrn Seidenath ans Mikrofon.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit schöner Regelmäßigkeit beschäftigt uns in diesem Hohen Haus das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst,

(Claudia Stamm (GRÜNE): Warum wohl!)

heute anlässlich der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes. Nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte − das ist richtig.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

Aber am Anfang der Behandlung dieses Themas hier im Landtag muss doch die Feststellung stehen, dass der öffentliche Dienst in Bayern bei der Gleichstellung von Frauen und Männern Vorbildfunktion und Beispielcharakter hat,

Zuruf von der SPD: Genau deswegen!

zu Recht, weil sich das seit fast 17 Jahren bestehende Bayerische Gleichstellungsgesetz bewährt hat. Nachholbedarf gibt es noch bei der Förderung von Frauen in Führungspositionen. Aber auch hier hat sich in den letzten Jahren viel getan.

Besonders der morgige Tag, der Equal Pay Day − er hätte auch als Aufhänger für die heutige Behandlung gelten können −, zeigt aber exemplarisch, wie gut die Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst in Bayern funktioniert. Diesen Equal Pay Day braucht man im öffentlichen Dienst in Bayern nicht: Frauen und Männer verdienen in gleicher Besoldungsstufe exakt dasselbe. Auch hierbei ist der öffentliche Dienst in Bayern Vorreiter und Vorbild für die Privatwirtschaft. Im öffentlichen Dienst ist der 1. Janu

ar der Equal Pay Day und nicht der 21. März wie in der Privatwirtschaft.

In dieser positiven Grundstimmung, meine Damen und Herren, was die Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes in Bayern anbelangt, können wir uns Ihrem Gesetzentwurf nähern. Wir werden ihn in den nächsten Wochen im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes intensiv beraten. Deswegen heute nur ein paar kursorische Anmerkungen und Hinweise.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Seidenath?

Machen wir es hinterher, dann habe ich mehr Zeit. − Die Datengrundlage, um die Qualität der Gleichstellung in Bayern beurteilen zu können, ist inzwischen sehr veraltet. Der Vierte Bericht der Staatsregierung über die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes stammt aus dem Jahr 2010. Die Daten sind also schon vier oder fünf Jahre alt. Frau Strohmayr, vielleicht ist es dem geschuldet, dass Sie übersehen haben, dass wir mittlerweile eine zweite Amtschefin in Bayern haben, nämlich die des Bundes- und Europaministeriums. Es sind also zwei Amtschefinnen. Das nur so als kleiner Tipp zur Datenaktualisierung.

Im nächsten Jahr werden die Daten für den Fünften Bericht der Staatsregierung erhoben, der im Jahr 2015 vorgelegt werden wird. Mit diesen in Kürze zu erhebenden Daten könnte man viel konkreter, viel ziel- und passgenauer an die Probleme herangehen, als das jetzt möglich ist. Das beste Beispiel dafür sind der von Ihnen vorgeschlagene neue Artikel 5 a und das Projekt zur betrieblichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Ohne die aktuellen Daten wäre dieses Projekt eine Operation mit der Schrotflinte und nicht, wie nötig, mit dem Präzisionsmesser.

Viele weitere Vorschläge in Ihrem Gesetzentwurf sind unter der Rubrik "Placebo oder weiße Salbe" einzuordnen, so etwa die Änderung des Artikels 1 Absatz 1 Satz 2. Dass das Gleichstellungsgesetz in Unternehmen, die sich überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand befinden, entsprechend gilt, ist schon jetzt gültiges Recht, nämlich über die Person, die die Aufsicht für die öffentliche Hand in dieser Einrichtung führt. In der von Ihnen vorgeschlagenen Neuregelung kann ich keinen Mehrwert entdecken.

Dies gilt auch für den neuen Artikel 1 Absatz 3, mit dem Sie Privatunternehmen zu Ähnlichem verpflichten wollen wie die öffentliche Hand. Juristisch ist diese Passage ein Nullum. Sie ist rechtlich ohne jede Bindung, ein einfacher Programmsatz. Er ist halt geschrieben; mehr nicht. Überzeugungskraft sieht anders aus. Auf diese Weise, liebe Kolleginnen und Kol

legen, kann man auch Achtung vor Gesetzestexten verbrauchen. Wir sollten insoweit vorsichtig sein.

In dem neuen Artikel 14 a beschäftigen Sie sich mit dem Thema der sexuellen Belästigung. Seit mehr als elf Jahren, seit dem 1. Januar 2002, existieren eigene Grundsätze des Freistaats zu exakt diesem Thema durch die Bekanntmachung der Staatsregierung über die Grundsätze des Schutzes der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Die einzige Konsequenz, die Sie normieren, ist der Satz in Absatz 3, dass sexuelle Belästigungen Dienstpflichtverletzungen sind. Das sind sie aber schon jetzt. Ich sehe keinen Mehrwert darin, den Text aus der Bekanntmachung in das Gesetz zu übernehmen. Auch das braucht es nicht.

Problematischer sind zwei andere Regelungen, die Sie vorschlagen. Dazu werde ich in meiner Antwort auf Ihre Zwischenintervention, Frau Dr. Strohmayr, später noch etwas ausführen.

Deshalb komme ich jetzt zur Zusammenfassung: Ihr Gesetzentwurf bringt in vielerlei Hinsicht nichts Neues. Hinter der aufwendigen Fassade verbirgt sich wenig Substanz. Wir sehen klarer, wenn die neue Datengrundlage vorhanden ist. Auf diese sollten wir warten, ehe wir neue Korsettstangen einziehen. Gefährlich wird es aber, wenn aus der angestrebten Gleichstellung von Frauen und Männern eine einseitige Benachteiligung wird, wie es an zwei Stellen Ihres Gesetzentwurfs durchklingt.

Auf dieser Grundlage und mit einer gehörigen Portion Skepsis gehen wir in die Ausschussberatungen, auf die ich mich freue. − Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich Frau Dr. Strohmayr gemeldet. Bitte sehr.

Herr Seidenath, bemerkenswert fand ich Ihre Aussage zum Equal Pay Day. Sie haben gemeint, dass wir ihn in Bayern nicht brauchen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass die Entgeltungleichheit in Bayern bei 26 % liegt? Damit sind wir Spitzenreiter in Europa. Selbst im öffentlichen Dienst gibt es auch in Bayern − man sollte es nicht für möglich halten − eine Entgeltungleichheit, die über 5 % liegt, sehr geehrter Herr Kollege.

Des Weiteren wollte ich Ihnen noch mitgeben, dass ich vor allem davon gesprochen habe, dass bei den Neubesetzungen der Amtschefs − im Jahr 2011 waren es drei; aktuellere Daten liegen mir nicht vor −

keine einzige Position an eine Frau ging. Ich denke, insoweit können Sie mir nicht widersprechen.

Bitte, Herr Seidenath.

Verehrte Frau Dr. Strohmayr, Sie hatten es bereits in Ihrer Rede erwähnt. In der Tat ist das, auf das letzte Jahr bezogen, richtig gewesen. Ich habe lediglich die Aussage inkriminiert, wonach es nur eine Amtschefin in Bayern gibt. Das ist falsch. Es gibt deren zwei.

Was den Equal Pay Day angeht, habe ich mich nicht auf die Situation in Bayern insgesamt inklusive der Privatwirtschaft bezogen, sondern ganz bewusst − da hätten Sie hinhören können − auf die Situation des öffentlichen Dienstes des Freistaates Bayern. Dort ist, weil die Besoldungsgruppen für Männlein und Weiblein gleich sind, kein Unterschied festzustellen. Das wollte ich Ihnen damit sagen.

Nun habe ich noch Gelegenheit, Ihnen zu sagen, welche zwei Punkte in Ihrem Gesetzentwurf sehr problematisch sind.

Erstens fordern Sie in Artikel 8 Absatz 1 Ihres Gesetzentwurfs − so haben Sie es eben in Ihrer Rede auch dargestellt, Frau Dr. Strohmayr − einen Frauenanteil von "mindestens" 50 % in allen Laufbahnen, Berufsfachrichtungen, Leitungsebenen und Funktionsstellen. Bei mehr als 50 % können Sie aber das andere Geschlecht nicht mehr gleichstellen. Dann beginnt unweigerlich die Diskriminierung. Das Wort "mindestens" müssten Sie also streichen; sonst besteht genau darin schon ein Verstoß gegen das AGG.

Zweitens formulieren Sie in Artikel 19 Absatz 4 eine rein weibliche Form der Gleichstellungsbeauftragten. Dort steht: "… kann sie … einholen". Das heißt, ein Mann könnte auf dieser Grundlage überhaupt nicht die Funktion eines Gleichstellungsbeauftragten wahrnehmen. Das wäre ebenfalls ein eklatanter Verstoß gegen die Gleichstellung von Frauen und Männern. Hier schlägt das Pendel in die falsche Richtung aus. Hier schütten Sie das Kind mit dem Bade aus. Ich kann nur sagen: Liebe Frau Dr. Strohmayr, liebe Kolleginnen von der SPD, bitte nicht übertreiben. Hier wird es gefährlich. − Vielen herzlichen Dank.