Auch für die beiden nächsten Redner haben ihre Fraktionen jeweils zehn Minuten Redezeit beantragt, zunächst für den Kollegen Blume.
Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich der Opposition zunächst danken, dass sie dieses Thema wieder einmal auf die Tagesordnung gesetzt hat; denn es ist eines, das für uns alle eine extrem große Zukunftsbedeutung hat, aber gerne einmal durch den Rost fällt.
Aber, lieber Kollege Hartmann, das, was Sie zu diesem Thema abgelassen haben, hatte ein schier unglaubliches Ausmaß an geistiger Dünnbrettbohrerei.
(Beifall bei der CSU und des Abgeordneten Tobi- as Thalhammer (FDP) - Widerspruch der Abgeordneten Natascha Kohnen (SPD))
Ich hatte gehofft, Sie würden etwas Zielgerichtetes zum Thema Klimaschutz sagen. Das ist extrem wichtig, darin sind wir uns alle einig. Aber Sie bringen ein Potpourri aus dem, was Ihnen gerade einfällt, von Bahnstrecke bis Schneekanone. Da muss ich einer großen deutschen Tageszeitung folgen, die diese Aktuelle Stunde mit den Worten kommentierte: "Auf die Idee muss man erst mal kommen." Dass Ihnen dazu auch nicht sehr viel eingefallen ist, haben Sie gerade gezeigt.
Die Ankündigung der Aktuellen Stunde ist auch wieder nur großes Getöse. Sie haben der Presse mitgeteilt, die bayerische Energiepolitik sei ein Desaster, und die energiebedingten Pro-Kopf-Emissionen seien seit 2007 unglaublicherweise von 6 auf 6,4 Tonnen jährlich gestiegen. - Wenn Sie die Zahlenreihe genau dargelegt hätten, Herr Kollege Hartmann, wäre ich Ihnen dankbar gewesen. Sie wissen genau, dass diese Zahlen auch von der Situation der Wirtschaft abhängen. In einem schwachen Jahr sinken sie, in einem starken Jahr steigen sie. Sie wissen sehr gut, dass der letzte gesicherte Wert um die 6 Tonnen liegt. Jetzt zu sagen, es gäbe einen Trend in die andere Richtung, das ist einfach falsch.
Ich möchte dennoch zu Beginn festhalten, dass das Thema Klimaschutz größte Bedeutung hat. Sie haben erstaunlicherweise gar nichts zu Ihren Zielen gesagt. Ich unterstelle einmal, wir sind uns einig, dass wir das globale Zwei-Grad-Ziel auf jeden Fall im Auge behalten,
dass wir, was Bayern betrifft, bis 2020 auf jeden Fall unter 6 Tonnen kommen wollen und bis 2030 die 5 Tonnen ins Auge fassen. Das sollte mit oder ohne Energiewende nicht verhandelbar sein.
Ich will an dieser Stelle auch sagen, lieber Kollege Hartmann: Die Energiewende hat es uns in diesem Fall paradoxerweise nicht einfacher gemacht. Denn die Schnelligkeit, mit der der Umstieg jetzt organisiert wird, führt natürlich dazu – das können Sie an den Statistiken ablesen, und das wollten wir immer vermeiden -, dass fossile Altkraftwerke wieder ans Netz gehen, weil sie im Moment gebraucht werden; denn der Zubau und die nötigen Ersatzkapazitäten lassen sich nicht so schnell organisieren.
Es war übrigens nie meine Auffassung, dass wir nur den Ausstieg aus der Kernenergie organisieren sollten. Meine Verantwortung geht eigentlich über diesen Zeitraum hinaus und beinhaltet den Ausstieg aus der nuklearen und fossilen Energieerzeugung. Auch dazu habe ich von Ihnen nicht viel gehört.
Insgesamt steht Bayern im internationalen Vergleich, auch wenn Sie davon reden, dass die Klimapolitik ein Desaster ist, hervorragend da. Der jährliche Pro-KopfAusstoß liegt bei uns, wie schon gesagt, bei ungefähr 6 Tonnen
und damit um 20 % unter dem EU-Durchschnitt und ebenfalls sehr weit unter dem Bundesdurchschnitt. Zum Vergleich: Die USA liegen bei 19 Tonnen. Vielleicht bekommen Sie jetzt ein Gefühl dafür, worüber wir überhaupt reden.
Wenn wir über den Klimaschutz reden, geht es vor allem um den Weg dahin. Da haben Sie nach meiner Auffassung heute einen Irrweg präsentiert, Kollege Hartmann. Für uns ist Klimaschutz vor allen Dingen Energiepolitik. Darin sind wir uns wahrscheinlich alle einig, und deshalb muss ich Ihnen, Herr Hartmann, heute im Plenum vorwerfen, dass Sie die Energiekommission leider in dem Moment verlassen haben, als es spannend wurde. Sie versuchen immer, einfache Lösungen zu präsentieren. Sie sagen, wir brauch
ten mehr Zubau; da gehe alles zu langsam. Und auch beim Klimaschutz generell sagen Sie, alles gehe zu langsam. Besonders werfe ich Ihnen vor, dass Sie sich nie der Mühe unterziehen, die verschiedenen Ziele, die wir gleichrangig verfolgen wollen, im Auge zu behalten. Sie versuchen stattdessen immer die Komplexität herauszunehmen und einfache Lösungen zu präsentieren. Diese Haltung wird am Ende nicht funktionieren; es gibt keine einfachen Lösungen.
Wir stehen für Klimaschutz; das ist völlig klar und daran wird auch nicht gerüttelt. Gleichzeitig aber stehen wir für Versorgungssicherheit in der Energieerzeugung und damit auch für Bezahlbarkeit und eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Dies alles in Einklang zu bringen ist die politische Kunst. Das geht nicht mit dem, was Sie uns heute hier im Hohen Hause präsentiert haben.
Wir müssen unsere Energiepolitik an wirksamen Instrumenten ausrichten und dürfen nicht nur Ziele benennen. Wo liegen die CO2-Vermeidungspotenziale? Darüber habe ich von Ihnen heute nur so ein bisschen Allerlei gehört, konkret sind Sie nicht geworden.
"Energieeinsparung" – der Umweltminister wird dazu noch etwas sagen – lautet eine der ganz großen Überschriften, die über der bayerischen Energiepolitik insbesondere im Umweltministerium stehen. Ich nenne nur die energetische Sanierung im staatlichen Bereich. Sie wissen selbst, wie viel Geld wir hier in den letzten Jahren in die Hand genommen haben: Aktuell sind 40 Millionen Euro für die energetische Sanierung staatlicher Gebäude vorgesehen. Auf diesem Gebiet müssen alle einschließlich der Kommunen tätig sein. Und dann geht auch einiges voran.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die CO2-arme Energieerzeugung. Wir müssen den Energiemix daran ausrichten, wie er volkswirtschaftlich sinnvoll ist, und wir müssen darauf achten, wo Vermeidungspotenziale liegen. Ich bin überrascht, Herr Hartmann, dass Sie die Staatsregierung dafür kritisieren, dass der Zubau der erneuerbaren Energien durch sie nicht so schnell vorangeht. Vielleicht müssen wir darüber noch einmal reden. Beabsichtigen Sie den Einstieg in die Planwirtschaft? Soll die Staatsregierung Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien bauen? Das ist selbstverständlich die Aufgabe privater Energieversorger. Wenn Sie anderes wollen, müssen wir uns grundsätzlich einmal darüber austauschen.
Ein Weiteres: Wir müssen die Energie intelligent nutzbar machen. Es ist eine Binsenweisheit, dass man, je
mehr fluktuierende erneuerbare Energie im Netz ist, desto mehr Regelung und mehr Intelligenz im Netz und desto mehr Speicher benötigt.
Da freue ich mich, von Ihnen zu hören, dass Sie plötzlich ein Fan von Pumpspeicherkraftwerken sind. Sie mahnen an, dass das Pumpspeicherkataster noch nicht vorliegt. Aber ich frage mich, Kollege Hartmann, warum Sie ein solches Pumpspeicherkataster wollen. Ich habe bisher noch keinen GRÜNEN getroffen, der vor Ort gesagt hätte, Pumpspeicher seien eine gute Idee. Ich muss Ihnen unterstellen, dass Sie dieses Pumpspeicherkataster haben wollen, um herauszufinden, wo Sie als Nächstes demonstrieren können. Das ist die Wahrheit.
Wenn wir über den regulatorischen Rahmen reden, der letztendlich die Gebiete absteckt, in denen wir den Klimaschutz organisieren, ist festzustellen, dass das EEG Schwächen hat und deshalb novelliert gehört. Denn es organisiert eben nur den Zubau, ohne in den Blick zu nehmen, wo die größten volkswirtschaftlich effizienten CO2-Vermeidungspotenziale liegen.
Wir sind uns – so hoffe ich – einig, dass wir auch den Handel mit CO2-Zertifikaten novellieren müssen. Nach dem jetzigen System führt das, was wir heute in Bayern einsparen, europaweit zu keinerlei Einsparung, solange die CO2-Zertifikate beispielsweise nicht verknappt werden. Das ist unter dem Strich ein absurdes Nullsummenspiel. Wir sind hier als Vorreiter unterwegs, während woanders zusätzlich CO2 ausgestoßen wird. Das kann in Zukunft nicht der richtige Weg sein.
Ich will in aller Kürze – die Kollegen werde noch mehr dazu sagen – und mit aller Vehemenz der Auffassung entgegentreten, es gebe keine Klimaschutzpolitik der Staatsregierung. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bayerische Staatsregierung hat bereits im Jahr 2000 als erste in Deutschland ein so umfassendes Klimaschutzkonzept aufgelegt. Im Jahr 2003 kam die Fortschreibung mit der Initiative "Klimafreundliches Bayern", und im Jahr 2009 kam das Klimaprogramm 2020. Bayern hat eine Spitzenposition im Klimaschutz, und die lassen wir uns von Ihnen nicht kaputt reden, lieber Kollege Hartmann.
Unser Klimaschutz in Bayern steht auf drei Säulen. Erstens ist das die Reduktion der Treibhausgasemissionen, und zweitens die Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels. Denn selbst wenn wir Vorreiter sind, heißt das noch lange nicht,
dass sich die anderen daran halten. Wir müssen also mit den Folgen umgehen. Die dritte Säule ist die Unterstützung dieser Ziele durch Forschung und Entwicklung.
Beim Klimaschutz darf es keine Kompromisse geben. Die Maßnahmen in Bayern sind Vorbild für viele andere Länder. Wir sind gut unterwegs und werden an unserem Kurs festhalten. Wenn Sie einen konstruktiven Beitrag leisten wollen, Herr Kollege, kommen Sie am besten wieder in die Energiekommission des Bayerischen Landtags zurück. Dort hatten wir, seit dem Sie sie verlassen haben, sensationelle Diskussionen.
Vielen Dank, Herr Kollege Blume. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Natascha Kohnen. Ihr folgt dann der Kollege Dr. Fahn. Bitte schön, Frau Kollegin Kohnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Blume ich habe Sie oft in den unterschiedlichsten Debatten erlebt. "Dünnbrettbohrer" passt nicht zu Ihrem Vokabular, und wie ich hoffe, auch nicht zu Ihrem Niveau. Deshalb wünschte ich mir ein wenig anderes.
Warum haben wir die Energiekommission verlassen? Die Energiekommission hat im ersten Halbjahr durchaus sehr, sehr gute Debatten geführt. - Frau Stewens nickt. Wir haben wirklich gut diskutiert. Die Opposition hat die Energiekommission zu dem Zeitpunkt verlassen, als es darum ging, haushalterische Entscheidungen zu treffen, die eigentlich in der Energiekommission einheitlich abgestimmt worden waren, denen von Ihnen dann später aber nicht zugestimmt wurde. Damit verlor die Energiekommission ihren Biss;
damit verlor die Energiekommission für uns schlicht und einfach ihre Glaubwürdigkeit. Daraus sollte man jetzt nicht eine so billige Nummer machen.
Warum wollen wir ein Pumpspeicherkataster? Das will die SPD schon ganz lange. Der Grund ist, dass man Datengrundlagen für eine Energiewende braucht. Es ist beklagenswert, wenn diese Datengrundlage nicht existiert und auch nicht in dem Zeitrahmen erstellt wird, wie wir uns das alle wünschen und auch brauchen. Es geht nicht darum, wer wo demonstriert oder nicht demonstriert. Entweder es wird etwas Vernünft
iges gemacht oder aber nicht. Deswegen sollte man an diesem Punkt nicht polemisieren, lieber Herr Blume.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen kurz ein Gefühl für das Thema Klimawandel geben. Seit 1906 ist die Temperatur weltweit um 0,7 Grad Celsius angestiegen. Allein in den letzten 50 Jahren waren es 0,6 Grad. Man geht davon aus, dass die Temperatur in den nächsten 87 Jahren – das ist für uns durchaus eine große Zeitspanne, für die globale Welt aber nicht - noch um weitere sechs Grad ansteigen wird. Da sagt natürlich der eine oder andere, der in einer Weinanbaugegend lebt, sei es Franken oder wo auch immer: Es wird wärmer; das ist prima für den Weinanbau. Ein anderer sagt: Das ist doch nett, wir bekommen ein bisschen wärmere Sommer. Aber was heißt das in der Folge tatsächlich? Es gibt da durchaus besorgniserregende Indikatoren. Der Malaria-Erreger, der von der Anophelesmücke übertragen wird, kann in unseren Breiten bereits sehr gut leben. Es kommt somit zu ungebetenen Einwanderern, die wir ernst nehmen müssen. Wir dürfen den gesundheitspolitischen Aspekt hier nicht außer Acht lassen.
Und was heißt das nun ganz konkret für Bayern? Es kommt zu einer Verdoppelung der Zahl der Heißtage mit über 30 Grad Celsius. Die Zahl der Eis- und Frosttage wird abnehmen, die Zahl der Trockentage wird zunehmen - mit negativen Auswirkungen für die Wasserversorgung der Land- und Forstwirtschaft. Herr Minister Huber, diese Probleme werden auf uns zukommen. Wir müssen sie angehen.
Die Zunahme der Niederschlagsmenge um 5 bis 20 %, in Unterfranken schon bis zu 35 %, ist beachtlich. Ich war vor nicht allzu langer Zeit in Baiersdorf, wo am 21. Juli 2007 eine Riesenüberschwemmung aufgrund von Starkregenfällen enorme Schäden in einer Höhe von hundert Millionen Euro verursachte. In den bayerischen Alpen erwartet man eine Erwärmung, die sogar doppelt so hoch ist wie im restlichen Bayern. In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden wir erleben, dass von den fünf existierenden bayerischen Gletschern nur noch einer übrig bleiben wird. Das wiederum hat Folgen auf die Trinkwasserspeicher.