Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

2011, Affäre um die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit: Misswirtschaft, schwarze Kassen, Amigo-Seilschaften bei der Auftragsvergabe. Herr Staatsminister Dr. Spaenle, Sie werden sich noch daran erinnern. Die SPD machte einen bislang geheim gehaltenen Bericht des Obersten Rechnungshofs öffentlich.

2012, auch Misswirtschaft bei der Bayerischen Landesstiftung: Wegen einer falschen Anlagestrategie kommt es zu 60 Millionen Euro Verlust, obwohl es Warnungen gegeben hatte. 2013 gibt es nun die Verwandtschaftsaffäre.

Meine Damen und Herren, in dieser Legislaturperiode verging mit diesem Ministerpräsidenten und mit diesem CSU-Vorsitzenden kein einziger Sommer ohne eine eigene, große CSU-Affäre. Das darf hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden. Diese Verwandtschaftsaffäre ist kein Einzelfall. Sie ist ein Beweis dafür, dass es ein System gibt, das offensichtlich nicht passt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Meine Damen und Herren, das ist ein Verfall der politischen Kultur, das Fazit von verkrusteten, verfilzten Strukturen eines halben Jahrhunderts selbstherrlicher CSU-Alleinherrschaft. Es wird Zeit, dass die Wähler der CSU ab Oktober eine Möglichkeit zur Selbstfindung in der Opposition einräumen. Bayerns Demokratie braucht einen politischen Wechsel. Bayerns Demo

kratie braucht einen neuen Stil. Die letzten Tage und Wochen haben gezeigt: Jetzt erst recht.

(Anhaltender Beifall bei der SPD - Zurufe: Bravo!)

Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der Fraktion der FREIEN WÄHLER. Herr Kollege Aiwanger, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den Punkt gebracht kann man sagen: Das CSU-Establishment hat uns hier eine Suppe eingebrockt, an der wir alle zu würgen haben. Das ist die Situation, die wir jetzt zu analysieren haben.

(Unruhe und Lachen bei der CSU)

Nicht weniger als 17 Abgeordnete der CSU hatten bis vor wenigen Wochen ihre Ehepartner beschäftigt, und das über Jahrzehnte hinweg, ohne dass es ihr persönliches oder ihr politisches Umfeld gewusst hat, ohne dass das der Ministerpräsident gewusst hat, ohne dass das die Öffentlichkeit gewusst hat.

(Unruhe bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wenn der Ehepartner eines Politikers in einer Höhe von mehreren tausend Euro im Monat bezahlt wird und das Umfeld das nicht weiß, und wenn diese Eheleute auf Rückfrage auch nichts sagen, wenn sie auf ihre Arbeitsbeziehung angesprochen werden, -

(Zuruf von der CSU: Das steht doch auf der Homepage!)

- Niemand weiß, dass sie auf der Homepage stehen, niemand ruft dort an, und wenn, dann hebt dort die Frau ab. Von einigen Ausnahmen abgesehen, meine Damen und Herren, da stimmt doch etwas nicht! Das ist der Kern der Debatte, die wir heute hier zu führen haben: Wurde für dieses Geld gearbeitet, oder wurde die Familienkasse aufgefüllt, ohne dass das Umfeld das wusste und ohne dass dafür die Arbeit geleistet worden ist?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Die Aufklärung ist die CSU bis heute schuldig geblieben. Meine Damen und Herren, Sie sind auch eine Erklärung darüber schuldig geblieben, wie es sein kann, dass noch im Jahr 1999 45 Abgeordnete Eheleute angestellt hatten. Im Jahr 2000 waren es dann plötzlich 79. Kurz vor Ladenschluss, kurz bevor die Altfallregelung ausgelaufen ist, wurde wohl eine Unsumme von neuen Arbeitsverhältnissen geschaffen,

um die Vergünstigung noch mal eben so mitzunehmen. Dann wurde dieses Ding durchgeschleppt bis zum Jahr 2013. Jetzt wird gesagt: Ihr habt das gewusst bzw. ihr habt nicht gefragt, woher die Äpfel sind. Ihr habt nicht gefragt, ob wir die Äpfel gestohlen haben oder woher sie sind.

Meine Damen und Herren, ich hätte erwartet, dass dem Ältestenrat und den Fraktionsvorsitzenden der neu eingezogenen Gruppierungen reiner Wein eingeschenkt worden wäre mit der Aussage: Wir haben hier noch so und so viele Altfälle, und die werden jetzt verlängert. Da ist doch eine Informationspflicht gegeben. Da können Sie doch nicht einfach sagen: Ihr habt nicht gefragt!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Und jetzt frage ich: Wie viele Ehe-über-Kreuz-Verhältnisse wurden abgewickelt? Wie viele Abgeordnete haben die Frau des anderen angestellt im Gegenzug dafür, dass die eigene Frau beim anderen angestellt wurde? Wenn ich das jetzt frage, dann wird es heißen: Das unterliegt der Schweigepflicht, das unterliegt irgendeinem nicht auszusprechenden Punkt. Das akzeptiere ich aber nicht, meine Damen und Herren. Ich will nicht, dass uns FREIEN WÄHLERN hier in einem Jahr der Vorwurf gemacht wird, wir hätten nicht gefragt, wie viele Über-Kreuz-Verhältnisse überhaupt existiert haben. Das heißt, wir diskutieren und beschließen heute ein Gesetz, ohne zu wissen, ob überhaupt eine Betroffenheit da ist oder ob man das jetzt eben mal so tut, um Missbrauch auszuschließen. Man hätte schon 2009 oder früher fragen müssen, ob noch Altfälle bestehen. Ja, das steht eben so auf dem Zettel noch drauf, aber keiner fragt.

Die Botschaft ist ganz klar: Hier wurden Dinge, die nicht sauber sind, durchgeschoben. Hier wurden die neuen Kräfte im Landtag nicht darüber informiert, welche Leichen im Keller liegen. Es gab nur eine allgemeine Empörung, als man erfahren hat, dass die Frau des Abgeordneten XY bei eben diesem Abgeordneten seit Jahrzehnten auf dem Gehaltszettel stand. Das ist der Punkt. Ich setze jetzt noch einen drauf: Wenn man weiß, dass die Ehefrau über Jahre und Jahrzehnte für den Abgeordneten gearbeitet hat, dann will ich, dass hier der Beweis angetreten wird, ob sie gearbeitet hat oder nicht. Darum geht es.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Weidenbusch?

Nein. Es geht uns heute auch darum, zu kritisieren, wie diese 13

jährige, ich möchte sagen, Trauergeschichte, aufgearbeitet werden soll. Der ganz schnelle Durchwink-Prozess im Huckepack-Verfahren wurde von der Opposition gerade noch gestoppt. Wir sind heute aber nicht sehr viel weiter, meine Damen und Herren. Gestern haben wir im Rahmen der Besprechung der Fraktionsvorsitzenden diese Verwandtschaftsverhältnisse rauf und runter diskutiert. Was ist überhaupt ein Schwager dritten Grades? Wer ist das überhaupt, wenn man von Verwandten des dritten, vierten oder fünften Verwandtschaftsgrades spricht?

(Christa Stewens (CSU): Wir wissen das!)

- Sie wissen das? – Sie haben das gestern noch nicht gewusst.

(Thomas Hacker (FDP): Wir haben seit zwei Wochen versucht, das zu erklären! - Zuruf der Abgeordneten Christa Stewens (CSU) - Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, bis gestern, ja, bis heute, haben wir keine Klarheit darüber, ob das, was wir heute beschließen sollen, überhaupt verfassungsrechtlich auf sicheren Beinen steht. Meine Damen und Herren, 13 Jahre lang wurden diese Altfälle mitgeschleppt. Im Jahr 2011 hat es von Herrn von Arnim schon Kritik am Landtagsamt gegeben, dass man hier genauer hinschauen müsste. Der ist abgefertigt worden, der wurde noch vor wenigen Wochen abgefertigt, nach dem Motto: Was mischt der sich hier überhaupt ein? – Im Nachhinein musste man feststellen, dass er in vielen Fällen recht hatte, und zwar mehr, als uns das damals bewusst war, weil wir von dieser Vielzahl von Altfällen gar nichts wussten.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

Heute frage ich jeden, der hier im Haus ist: Wer weiß, ob das, was wir heute beschließen sollen, verfassungsrechtlich konform ist? – Ich habe von mehreren Juristen die Aussage bekommen: Was wir heute beschließen sollen, steht verfassungsrechtlich auf sehr dünnem Eis und kann eventuell gekippt werden. Niemand ist hier, der sich sicher ist, dass das in Ordnung ist. Ich kritisiere diese Schnellschussaktion. Man hat sich die notwendige Zeit nicht nehmen können, weil der Wahlkampf vor der Tür steht. Das Ding muss abgeräumt werden; deshalb wird jetzt schnell etwas durchgeboxt, obgleich niemand weiß, ob die Regelung morgen wieder gekippt wird, nur um schnell Gras über die Sache wachsen zu lassen.

(Jörg Rohde (FDP): Das ist anderswo über Jahre nicht gekippt worden!)

Die Frage, ob das verfassungsrechtlich in Ordnung ist, ist also weiterhin ungeklärt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine Damen und Herren, es geht auch darum, dass wir nicht sicher sein können, dass die Dinge jetzt erledigt sind. Wir FREIEN WÄHLER haben den Antrag für ein Fraktionsgesetz eingebracht, wonach die Mittel für die Vorstandsbezüge gedeckelt werden sollen. Derzeit ist es so, dass sich die Fraktionen für ihre Vorstände nach eigenem Gutdünken aus der Fraktionskasse so bedienen können, wie sie das gerade für richtig erachten. Das hat zur Folge, dass sich die CSU für den Vorstand und die Arbeitskreise nicht weniger als 800.000 Euro jährlich aus dieser Kasse nimmt. Die Opposition liegt in diesem Bereich bei 100.000 bis 200.000 Euro. Unser ernstzunehmender Vorschlag geht dahin, diese Summe auf 5 % der Gesamtsumme zu deckeln, damit über die Fraktionskasse nicht weiterhin in der Höhe eines Ministergehalts Zahlungen an die Fraktionen geleistet werden. Bisher werden den Fraktionsvizes bis zu 5.000 Euro pro Monat bezahlt. Dafür hat die Öffentlichkeit kein Verständnis. Ich bitte Sie, unserem Vorschlag, über den in den nächsten Wochen diskutiert wird, zuzustimmen und die Selbstbegrenzung der Mittel für die Vorstände mitzutragen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Weitere Baustellen werden auf uns zukommen. Es geht um die Themen Abgeordnetenpensionen, Pauschalen und so weiter. Es ist noch sehr vieles zu regeln, was in der öffentlichen Debatte nicht durchgehalten werden kann, wenn keine Einsicht vorhanden ist. Beginnen wir zumindest einmal mit den Vorstandsbezügen, um einen öffentlich vertretbaren Deckel draufzulegen und nicht, wie es die CSU macht, 17 % der Fraktionsmittel in den Vorstand zu steuern. Das sind 800.000 Euro pro Jahr. Das akzeptiert die Bevölkerung nicht, das müssen wir hinterfragen.

Wir müssen auch einen anderen Sachverhalt hinterfragen, der heute nicht Kern des Gesetzentwurfs ist, aber den ich trotzdem immer wieder anspreche: Es handelt sich um die Konzernspenden an Parteien. Wir von den FREIEN WÄHLERN haben in den letzten Jahren mehrmals Vorstöße gemacht, die Konzernspenden an Parteien zu deckeln. Die FDP hat traurige Erfahrungen damit machen müssen, wie eine Mövenpick-Spende in der Öffentlichkeit ankommt, obwohl sie nach den Buchstaben des Gesetzes legal ist. Die FREIEN WÄHLER schlagen vor, sich gemeinsam darauf zu verständigen – das ist natürlich Bundespolitik -, diese Konzernspenden auf 20.000 Euro pro Jahr zu deckeln und nicht Hunderttausende von Euros einzuschieben. Es steht offen der Vorwurf in der öffentli

chen Diskussion im Raum, die Politik werde gekauft. Wenn Sie den Bürgern diese Spendenlisten auf den Tisch legen und die Bürger von den Hunderttausenden und Millionen lesen, die von Wirtschaftsverbänden und Lobbyisten in die Parteikassen wandern, dann hat niemand Verständnis dafür. Betrachten Sie das nicht als Generalangriff, sondern als Tipp eines Vertreters einer Partei, der noch nicht in dieser Falle sitzt. Wir haben bis heute Konzernspenden zurückgewiesen. Vor Kurzem haben wir erst eine Wirtschaftsspende in Höhe von mehreren Zehntausend Euro abgelehnt, um in genau diese Falle nicht zu geraten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das führt natürlich dazu, dass Sie in Wahlkampfzeiten mehr Plakate an die Laternen hängen können als wir. Wenn die Öffentlichkeit allerdings von diesen Zahlen erfährt, spricht sie von gekaufter Politik. Wir müssen uns gemeinsam aus dieser Falle befreien. Das ist heute noch genauso legal, wie es auf dem Papier die Altfallregelung war, und genauso legal wie viele andere Dinge, die man am Ende doch kassieren musste. Ich hoffe, Sie haben die notwendige Einsicht, auch wenn ich die geballte Ablehnungsfront schon sehe. Legen Sie Ihren Wählern diese Zahlen auf den Tisch und schauen Sie in die Gesichter, wie diese darauf reagieren, ob sie den Kopf schütteln oder sagen, das sei genau richtig so. Die Öffentlichkeit akzeptiert das nicht mehr. Sehen Sie das ein und akzeptieren Sie das, damit wir auch aus dieser Falle herauskommen.

Abschließend gesagt: Das Vorgehen, das wir zur Kenntnis nehmen mussten, hat wieder einmal bewiesen, dass wir als Mitglieder dieses Parlaments nicht ernst genommen werden, sondern dass man meint: Die merken es ja eh nicht; das winken wir irgendwie im Ältestenrat durch, und es wird schon keiner fragen. Wenn einer fragt, dann bekommt er keine Antwort. Und wenn einer fragt, will keiner gesagt haben, dass es siebzehn Fälle sind. Allein die Reaktion bei Ihnen – auch die Reaktion des Ministerpräsidenten, der selbst nicht wusste, dass diese Leute beschäftigt waren – zeigt, dass man mit verdeckten Karten gespielt hat.

Herr Staatssekretär Sibler ist vor Kurzem auf einem Wahlkampfauftritt gewesen, und zwar kurz bevor er selbst einräumen musste, dass seine Frau bei ihm beschäftigt war. Er hat bei dem Wahlkampfauftritt gesagt, er habe Verständnis dafür, dass die Bürger das nicht akzeptierten, und hat darüber die Nase gerümpft. Kurz darauf hat er zugegeben, seine Frau beschäftigt zu haben. Das Arbeitsverhältnis kann also nicht so transparent gewesen sein, sonst hätte es jeder gewusst, und er hätte nicht wenige Tage vorher so tun können, als sei das eine Situation der anderen. Es ist also exemplarisch und handelt sich nicht nur

um einzelne Fälle. Insofern geht es darum: Wurde für dieses Geld gearbeitet? Wie wir im Parlament behandelt wurden und wie wir von wichtigen Informationen abgeschnitten wurden, ist nicht akzeptabel und eines Parlaments nicht würdig. Das ist unsere Ansage.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Für eine Zwischenintervention erteile ich Herrn Kollegen Weidenbusch das Wort.

Herr Kollege Aiwanger, im Gegensatz zu Ihnen ist der Ministerpräsident nicht Mitglied des Parlaments, darum hat er nicht fünfmal das Formular zur Abrechnung für Mitarbeiterentschädigungen ausgefüllt. Man muss bei dem Formular als Erstes ausfüllen, ob man mit dem Beschäftigten verwandt oder verschwägert ist und ab wann der Vertrag läuft, damit man die Kosten erstattet bekommt. Was haben Sie sich denn die fünf Mal gedacht, als Sie es ausgefüllt und unterschrieben haben, wenn Sie heute sagen, Sie hätten nicht damit gerechnet, dass es solche Fälle gibt?

(Beifall bei der CSU)

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass noch 17 Fälle dieser Dimension mitgeschleppt werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)