Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dazu einen Dringlichkeitsantrag eingereicht, sodass wir diese Thematik am späteren Nachmittag verdeutlichen können.

Ich bitte Sie inständig, Folgendes zu bedenken: Nachdem Sie Jahre für die Beratung des LEP-Entwurfs gebraucht haben, wird jetzt über das Rumpfprogramm gestritten. Ich sage Ihnen eines: Das Programm bietet Anlass für mehr Zersiedelung, für mehr Versiegelung und weniger Retentionsflächen. Haben Sie wenigstens vor dem Hintergrund des jetzigen Ereignisses den Mut, das LEP zurückzuziehen und diese Punkte im Hinblick auf den Hochwasserschutz auf den Stand des Erforderlichen zu bringen!

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Dr. Huber hat gestern in der Kabinettssitzung wesentlich anders formuliert. Er sagte: Wir werden jetzt konsequent handeln und das Aktionsprogramm Hochwasserschutz intensivieren. Wir wollen die Planungen mit aller Kraft vorantreiben, notwendige Projekte vorziehen und bereits geplante Maßnahmen weitestmöglich umsetzen. Hierfür werden wir unsere Investitionen erhöhen.

Herr Zeil, in Ihrer Rede eben klang eine solche Nüchternheit nicht an. Ich habe Respekt, wenn jemand in einer so schwierigen Situation als Mitglied der Staatsregierung und zuständiger Fachminister differenziert formuliert und deutlich macht: Ja, vieles ging zu langsam. Aber ich sage noch einmal: Wenn Sie jetzt Gas geben, haben Sie unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben große Worte für die Situation in Bayern gefunden. Wir freuen uns zwar über große Worte, aber wir würden uns mehr darüber freuen, wenn sie mit den Realitäten vollständig übereinstimmten.

Im schriftlichen Teil Ihres Manuskripts ist von einer "außergewöhnlichen Wachstumsdynamik" die Rede. In Ihren mündlichen Ausführungen eben haben Sie dieses Adjektiv weggelassen. Damit sind Sie der Situation in Bayern etwas nähergekommen; denn in Wahrheit ist unsere wirtschaftliche Entwicklung derzeit durchwachsen. Das Statistische Landesamt spricht vom "verhaltenen Wirtschaftswachstum" im

Jahre 2012. Konkret waren es 0,7 Prozentpunkte, Platz 9 im Schnitt aller Bundesländer. Bayern ist damit guter Durchschnitt, aber leider auch nicht mehr. Also, bitte keine falschen Aussagen!

Die Daten des Ifo-Geschäftsklimaindexes sind bei der gewerblichen Wirtschaft seit dem Monat März erneut eingetrübt, nachdem sie zuvor rückläufig waren. Der Konjunkturbericht aus Ihrem eigenen Hause, Herr Minister, vermerkt für den Monat März für das verarbeitende Gewerbe: Umsätze und Produktion im ersten Quartal "deutlich unter Vorjahresniveau". Beim Großund Einzelhandel ist die Geschäftslage "deutlich eingetrübt".

Das Statistische Landesamt zeigt Anfang Mai auf: Bayerns Außenhandel war im Februar rückläufig. Nehmen Sie Indikatoren wie die Luftfracht an den beiden großen bayerischen Flughäfen, dann sehen Sie: Die Zahlen dort sind deutlich rückläufig. Im ersten Quartal waren es in München minus 4 % und in Nürnberg minus 10,5 %. Die Bauwirtschaft zeigt 3,1 % weniger als im Vorjahr. All das geschieht zugegebenermaßen auf hohem Niveau, aber wenn wir von Dynamik sprechen, wünschen wir uns eigentlich eine Verbesserung und nicht das knappe Unterschreiten des Status quo. Deshalb stimmt es leider nicht, dass Sie beste Beschäftigungsmöglichkeiten für alle bieten. Sie haben nicht von den 90.000 Menschen gesprochen, die Aufstocker sind, nicht von den 60.000 Langzeitarbeitslosen und auch nicht von den 115.000 Kindern, die von Hartz IV leben.

Sie sagen: Wirtschaft ist kein Selbstzweck, aber vieles in Ihrer Rede bleibt dann doch CSR-Rhetorik und wird nicht wirklich hinterfragt.

Die Hot Spots, die Sie für die Digitalwirtschaft benennen, benenne ich für die reale Wirtschaft in Bayern. Dazu habe ich nichts von Ihnen gehört. Siemens erwägt den Abbau von 10.000 Arbeitsplätzen bei fünf Milliarden Euro Gewinn. Die Firma gibt weite Teile im Bereich der erneuerbaren Energien trotz der Energiewende und deren Chancen auf. Außerdem verspielt sie bei der Verkehrstechnik den letzten Kredit durch das Desaster bei Straßenbahnen und ICE.

Der aktuelle Abbau von Arbeitsplätzen macht sich in folgenden Zahlen bemerkbar. Bei Fehrer in Kitzingen 400 Arbeitsplätze, 500 Arbeitsplätze bei Delphi in Nürnberg, einem Automobilzulieferer. Sie haben diese Branche zu Recht angesprochen, aber uns anders informiert. Heute lesen wir in den Zeitungen: Schaeffler baut über 570 Arbeitsplätze in der Radlagerfertigung in Schweinfurt ab. Auch hier geht es um unser Paradestück, die Automobilindustrie und ihre Zulieferer. Sie stehen im Zentrum des Abbaus von Arbeitsplät

zen im drei- bis fünfstelligen Bereich. - Kolleginnen und Kollegen, das kann uns auch in Wahlkampfzeiten nicht kalt lassen; daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir bekennen uns zum Industriestandort Bayern und zum Innovationsstandort Bayern. Gleichzeitig sagen wir: Wir haben eine Schwerpunktsetzung, die sich von der Ihrigen unterscheidet; denn wir wollen auch die klassischen, traditionellen Branchen einbeziehen. Wir wollen nicht nur die Großindustrie, sondern gerade auch den Mittelstand bei den Möglichkeiten, Innovationen zu erschließen, mit an Bord nehmen. Denn nur so erhalten wir die kompletten Wertschöpfungsketten. Das ist das, was die VBW "hybride Wertschöpfung" nennt. Dazu brauchen wir alle Branchen, und deshalb wollen wir eine viel mehr am wettbewerbsstarken Mittelstand orientierte Innovationspolitik, Herr Minister Zeil.

Wir sagen immer wieder: Denken Sie gerade vor den Möglichkeiten neuer Technologien an die vielen Chancen, die wir für unsere klassischen Branchen haben. Ich nenne die Glasindustrie im Bereich der optischen Anwendungen bei der Telekommunikation. Ich nenne die Porzellanindustrie, die leider in vielen Fällen von Ihnen nicht entsprechend unterstützt wird, damit sie den Sprung zur Technischen Keramik schafft. Ich war dieser Tage in einem Leitbetrieb in Lauf an der Pegnitz, einer Weltstadt der Technischen Keramik. Was dort passiert und was dort angedacht ist in der Brücke vom Automobil bis hin zur Medizintechnik, zeigt, dass eine vermeintlich so alte Branche wie Porzellan, wenn sie richtig angewendet wird, eine wirkliche Hightech-Industrie ist. Das müssen wir unterstützen. Wir sollten weniger schwadronieren, sondern uns stärker für die konkreten Möglichkeiten engagieren. Das gilt auch für die Textilindustrie im Bereich Leichtbau beim Automobil.

(Beifall bei der SPD)

Also: Mehr maßgeschneiderte Konzepte für Bayern, mehr Konzepte für den Mittelstand. Danke für die Investitionsgutscheine, die Sie nun ausgeben. In früheren Zeiten gab es bereits eine Deluxe-Variante in Baden-Württemberg, schon lange, bevor Sie diese Gutscheine übernommen haben. Trotzdem sind sie richtig.

Sie sprechen von Digital Bavaria; der wirtschaftspolitische Teil der Digitalisierungsstrategie eröffne die vierte industrielle Revolution. Aus meiner Sicht haben Sie da perspektivisch recht, aber schauen wir uns einmal die Realität an: Sie kündigen an, 500 Millionen Euro in das Hochgeschwindigkeitsinternet investieren zu wol

len, also mindestens 50 Megabit. Sie sagen heute, die Digitalisierung bedeute eine Riesenchance für den ländlichen Raum. Herr Zeil, die Digitalisierung ist wahrscheinlich in vielen Bereichen die einzige Chance für den ländlichen Raum; deshalb müssen wir diese Chance konsequent ergreifen. Aber wie sieht es mit diesen Chancen aus, wenn Sie allein auf die Flächendeckung sehen? Sehen Sie sich die Zahlen an, die die Telekom uns nennt. Mit immerhin 1 Megabit versorgen Sie im April 2013 circa 91,7 % des Landes, mit 6 Megabit 63,9 % und mit 25 Megabit 40 %, mit 50 Megabit 33 %. Damit haben Sie gerade ein Drittel des Landes da, wo Sie es haben wollen. Wann soll es denn endlich flächendeckend losgehen, Herr Huber? Wir haben acht Jahre lang darüber gestritten. Sie haben es als Wirtschaftsminister verhindert.

(Beifall bei der SPD)

Heute heißt es, wir brauchen in Deutschland 80 Milliarden Euro, um flächendeckend dieses schnelle Internet einführen zu können. Sie nehmen eine halbe Milliarde in die Hand; so wird das nicht funktionieren, kommen Sie endlich in die Puschen!

(Beifall bei der SPD)

Herr Zeil, ich habe anerkannt, dass Herr Huber das blockiert hat und dass erst nach langer Zeit durch Sie Schwung in die Sache gekommen ist. Aber bis zum Ende Ihrer Regierungszeit werden wir die genannte Flächendeckung nicht erreichen. Dort, wo wir sie besonders bräuchten, haben wir sie teilweise überhaupt noch nicht.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Wir machen trotzdem keine Koalition mit Ihnen!)

Bei der von Ihnen angesprochenen Vorstellung des Berichtes über die Qualitäten des Industriestandortes Bayern wurde interessanterweise nicht gesagt, Bayern sei der drittstärkste Standort, sondern er sei der drittattraktivste. Das ist ein kleiner Unterschied, aber natürlich war es ein schönes Ergebnis, neben zwei anderen Hochlohnländern und hohe Sozialstandards aufweisenden Ländern wie Schweden und der Schweiz an dritter Stelle zu stehen.

Sie konnten leider nicht dabei sein; auch ein Kollege von der FDP war nicht dort, jedenfalls nicht mehr, als diese Themen erörtert wurden. Die Vertreter der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Wissenschaft haben sich übereinstimmend kritisch geäußert. Namentlich Herr Brossardt und der Wissenschaftler haben unter Verweis auf die Studie auf zwei zentrale Probleme hingewiesen: erstens das Fehlen einer flächendeckenden Breitbandversorgung, zweitens die ungleiche Landesentwicklung. Wenn Sie von der Koa

lition behaupten, das Land befinde sich im Gleichgewicht, dann stimmt das – leider – nicht. Sie mit Ihrer Politik wären übrigens die Allerletzten, die es dort hinführen würden.

(Beifall bei der SPD)

Die Forderung dort war -

(Thomas Hacker (FDP) im Gespräch mit Mitgliedern der Staatsregierung)

- Herr Hacker, ich habe zwar Verständnis dafür, dass der Fraktionsvorsitzende, wenn Herr Thalhammer nicht da ist, auch diesen Job erledigen muss – Sie können das ja bei der Höhe der Zulage berücksichtigen –, aber bitte schön ein bisschen leiser. Es ist unprofessionell, wie Sie sich hier aufführen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Thomas Hacker (FDP))

- Herr Hacker, noch einmal: Können Sie es leiser, oder können Sie es nicht?

(Zuruf von der CSU: Wer leitet eigentlich die Sit- zung?)

- Entschuldigung! Aber der Präsident hört das offensichtlich anders als ich. Ich möchte hier gern reden.

Herr Dr. Beyer, Sie haben natürlich das Wort. Ich glaube, diese kleine Nebenbemerkung kann man verschmerzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich weiß nicht. Aber wenn Herr Hacker das jetzt anders gestaltet, dann soll es mir recht sein.

Die Forderung der Experten war, es müsse gelingen, die Erkenntnisse der Hochschulen besser in die Region und zum Mittelstand zu bringen. Das ist deckungsgleich mit dem, was ich soeben vorgetragen habe, und mit dem, was Frau Kollegin Karl Ihnen immer wieder nahebringt.

Sie als Staatsregierung haben das Thema Breitbandversorgung insgesamt verschlafen, und Sie drohen auch beim Thema Energiewende zu scheitern. Dabei sind Ihre Formulierungen durchaus interessant. Herr Zeil, Sie sagten laut Pressemitteilung vom 10. Mai, es sei nur eine – wörtliches Zitat – "schleppende Umsetzung der Energiewende" festzustellen. Sie haben auf Ihrer "Jahresbilanzpressekonferenz", wie Sie sie nannten, gesagt, Sie hätten die Erwartung an die Bundesregierung – eine schwarz-gelbe Bundesregie

rung! –, dass insoweit endlich etwas passiere. Sie haben weiter erklärt, Umweltminister Huber, der für die Wasserkraft zuständig sei, müsse mehr tun; denn dort würde "etwas gehen". Ferner führten Sie aus, Sie ließen die Energiewende durch die Agentur Energie Innovativ "begleiten".

Nein, Herr Zeil, Sie sollen bei der Energiewende nicht zuschauen, Sie sollen sie managen. Das ist Ihr Job, und das sagen wir Ihnen heute noch einmal sehr deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Ein völlig unverdächtiger Zeuge, Heinrich Traublinger, unser langjähriger Kollege von der CSU, heute Präsident des Bayerischen Handwerkstages, sagt laut der "Süddeutschen Zeitung" vom 4. Mai, die bisherige Abwicklung der Energiewende lasse ihn jedoch daran zweifeln, dass alles richtig gemacht werde. Wir haben den Worten Herrn Traublingers hier nichts hinzuzufügen.

Lieber Herr Zeil, Sie haben über die anderen Themen der Infrastruktur vielleicht in Abänderung Ihrer ursprünglich geplanten Regierungserklärung nicht gesprochen. Sie wollten doch zur Infrastruktur in Bayern insgesamt reden. Heute haben Sie nur Andeutungen zur Digitalisierungsstrategie gemacht. Sie haben mir jedoch die Zeit gegeben, darauf noch einen Blick zu werfen. Was ist die Realität hinsichtlich der sonstigen Infrastruktur und der entsprechenden Investitionsmaßnahmen?

Bayerns wichtigste zur Realisierung anstehende Verbindung auf der Schiene ist die Ausbaustrecke 38 München – Mühldorf. Sie führt in das Chemiedreieck und weiter nach Freilassing. Gerade jetzt brauchten wir sie als Umleitungsstrecke für die Strecke München – Rosenheim. Nicht nur alle Experten haben das in den vergangenen beiden Wochen wieder erfahren. Der Ausbau ist aber in dieser Legislaturperiode – wortwörtlich – keinen Millimeter vorangekommen. Das ist ein Armutszeugnis.

Was den Knoten München angeht, so hatte ich vor sechs Wochen Gelegenheit, mit Herrn Wiesheu zu sprechen. Er hat mir meine Erinnerung bestätigt, dass wir uns bereits im Jahr 2005 einig gewesen sind, die Neufahrner Kurve, der Erdinger Ringschluss und die Walpertskirchener Spange seien Projekte, die unmittelbar zur Verwirklichung anstünden. Im Jahr 2013 haben Sie für das kleinste Teilstück, die Neufahrner Kurve, gerade einmal den Realisierungs- und Finanzierungsvertrag unterzeichnet. Gleichzeitig sagen Sie, Sie hätten Hoffnung und würden sich intensiv für die Verwirklichung bis zum Jahr 2018 einsetzen. Das ist das Tempo, in dem wichtigste Infrastrukturmaßnah