Protokoll der Sitzung vom 12.06.2013

Was den Knoten München angeht, so hatte ich vor sechs Wochen Gelegenheit, mit Herrn Wiesheu zu sprechen. Er hat mir meine Erinnerung bestätigt, dass wir uns bereits im Jahr 2005 einig gewesen sind, die Neufahrner Kurve, der Erdinger Ringschluss und die Walpertskirchener Spange seien Projekte, die unmittelbar zur Verwirklichung anstünden. Im Jahr 2013 haben Sie für das kleinste Teilstück, die Neufahrner Kurve, gerade einmal den Realisierungs- und Finanzierungsvertrag unterzeichnet. Gleichzeitig sagen Sie, Sie hätten Hoffnung und würden sich intensiv für die Verwirklichung bis zum Jahr 2018 einsetzen. Das ist das Tempo, in dem wichtigste Infrastrukturmaßnah

men in Bayern vorankommen. Dort geht es übrigens nicht um Proteste, sondern es geht schlicht und einfach darum, ob man Vorhaben tatsächlich auf den Weg bringen will oder ob man das schleifen lässt. In diesem Zusammenhang ist vor allem Herr Ramsauer gemeint.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu weiteren Infrastrukturthemen: Der Sanierungsbedarf bei den Staatsstraßen beläuft sich auf 720 Millionen Euro; durch die Flut dürfte er noch größer geworden sein. Jede dritte Brücke in staatlicher Trägerschaft ist erheblich geschädigt, sodass Verkehrsbeschränkungen drohen. 800 von 1.000 Bahnhöfen sind nicht barrierefrei. Das aktuelle, bis 2018 laufende Programm sieht sage und schreibe weitere 26 Stationen vor! So wird endlich Barrierefreiheit auch auf den noch ausstehenden Stationen des Nürnberger S-Bahn-Netzes erreicht. Darum haben wir lange miteinander gerungen, vielen Dank.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die SPD in ihr Regierungsprogramm ein Sonderprogramm "Barrierefreiheit für Bahnhöfe in Bayern" im Umfang von 200 Millionen Euro aufgenommen hat. In Zeiten der Inklusion wollen und müssen wir auch bei diesem Thema schneller vorankommen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER))

Herr Staatsminister Zeil, Sie sind auf die Arbeitslosigkeit eingegangen und haben zu Recht betont, dass sie bei uns im Vergleich mit anderen Ländern niedrig ist. Aber der Vergleich ist immer ein in beide Richtungen weisendes Instrument; im Vorjahresmonat lagen wir nicht bei 3,7 %, sondern bei 3,5 %. Wesentlich interessanter finde ich, dass die Bundesagentur betont hat, der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr sei "überwiegend konjunkturell bedingt". Das ist ein weiterer Hinweis auf die sich eintrübende Konjunktur.

Herr Staatsminister, Sie waren am Anfang Ihrer Regierungserklärung sehr empathisch, nah bei den Menschen. Sie haben Ihr Gefühlsleben geöffnet; das ist völlig in Ordnung. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch die großen Risiken, die der Konjunktur in Bayern drohen, nicht verschweigen. Vor wenigen Tagen, am 10. Mai, haben Sie sich noch anders geäußert. Sie mahnten nämlich, die Gefahren für die konjunkturelle Eintrübung ernst zu nehmen. Darauf haben Sie heute verzichtet; aber das war auch eine Wahlkampfrede bzw. eine Bilanz, die Sie in eigener Sache ziehen wollten.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Das war keine Wahlkampfrede!)

In der "Süddeutschen Zeitung" vom vergangenen Samstag fanden wir einen Kommentar, der sich damit beschäftigte, dass die Kanzlerin und Herr Rösler nicht wahrhaben wollen, wie es tatsächlich um die konjunkturelle Situation steht und welche wirtschaftliche Lage in Deutschland bald zu erwarten ist. Ich darf zitieren:

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass nach der Bundestagswahl im September der Blick auf die Realität nüchterner wird und Wahlgeschenke sowie letzte optimistische Wachstumsprognosen wieder kassiert werden. Dann wird die Enttäuschung groß sein. Deshalb geht ein Risiko ein, wer in Berlin hofft, mit der Strategie des Ignorierens noch ein paar Monate durchzukommen.

Der Autor schließt mit dem Satz:

Die Wähler haben es nicht verdient, (über die wirtschaftliche Lage) getäuscht zu werden.

Ersetzen wir "Bund" durch "Land" und "Berlin" durch "München", haben wir den passenden Kommentar zum zweiten Teil Ihrer Regierungserklärung. Es war der Versuch, Bayern ausschließlich in einem positiven Licht erscheinen zu lassen. Sie haben die Chance verspielt, die Sie im ersten Teil Ihrer Rede durchaus ergriffen haben: deutlich zu machen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, für deren Bewältigung wir alle Kraft, die wir haben, brauchen, und dass wir das gemeinsam tun sollten.

Wir bieten Ihnen heute Zusammenarbeit und gemeinsames Vorgehen an, was die Hochwasserhilfe angeht, aber auch, wenn es darum geht, Bayern trotz der zu erwartenden konjunkturellen Eintrübung auf einem Kurs zu halten, der die Menschen in unserem Land in eine gute Zukunft führt.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Beyer, ich habe übersehen, dass sich ein Kollege zu einer Zwischenbemerkung gemeldet hat. Ich darf Sie deswegen noch einmal an das Redepult bitten.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Gibt es die Zwischenbemerkung bei der Regierungserklärung?)

Bitte schön, Sie haben das Wort.

Lieber Kollege Beyer, ich würde gern zwei Anmerkungen machen. Zum einen haben Sie versucht, unser 500-Millionen-Euro-Programm für den Breitbandausbau ganz nebenbei abzutun. Sie wissen genau, dass es als Ergebnis dieses Programms in den nächsten Jahren in jeder Gemeinde deutliche Verbesserungen geben wird und wir

damit zum modernsten Bundesland Deutschlands werden. Nennen Sie einmal ein anderes deutsches Bundesland, das auch nur annähernd eine solche Summe für den Breitbandausbau zur Verfügung stellt.

Zum anderen haben Sie Defizite im Bereich der technischen Keramik dargestellt. Ich würde Sie bitten, nicht die gesamte Branche so darzustellen. Wenn Sie ein Unternehmen herausgreifen, steht dies noch lange nicht für die gesamte Branche. Zum Beispiel gibt es einen weltweit agierenden Konzern, der in diesem Jahr in Marktredwitz 90 Millionen Euro in den Bereich Technische Keramik investiert. 70 % der weltweit verbauten Hüftgelenke aus Technischer Keramik kommen aus Bayern. Dies alles sind deutliche Hausnummern. Sie dürfen nicht die gesamte Branche anhand eines Unternehmens, das Sie nennen, abqualifizieren.

Herr Dr. Beyer, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. Herr Kollege Schöffel, ich habe kein Unternehmen negativ herausgegriffen. Ich habe ein Unternehmen positiv herausgegriffen. Ich meine, das ist zulässig, da es in meinem Stimmkreis liegt. Im Übrigen ist das ein Unternehmen, das von der Rosenthal AG irgendwann versilbert wurde, damit man die dortigen Geschäfte weiter betreiben konnte, und das heute Weltmarktführer ist. Wer hier konsequente Unternehmenspolitik betreibt, lasse ich dahingestellt sein.

Ich sage Ihnen eines: Mein Petitum bleibt, dass mit der Fixierung auf eine immer währende zusätzliche Hightech-Ausrichtung all das, was wir in Bayern haben, in den letzten Jahren zu wenig gewürdigt wurde, zum Beispiel die Technische Keramik, zu der ich ausdrücklich betont habe, dass wir Weltmarktführer haben. In Ihrer Region hätte man noch viel mehr Arbeitsplätze erhalten können, wenn die Staatsregierung dies, so wie es andere Regierungen gemacht haben, konsequent gefördert hätte. Erstens.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Herr Kollege, bleiben wir einfach ganz nüchtern bei den Fakten. Sie haben nicht bestritten, dass Fachleute sagen, dass der Breitbandausbau auf 50 Mbit in der Bundesrepublik 80 Milliarden Euro kostet. Normalerweise teilen wir für Bayern alles durch zehn.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Horst Seehofer)

- Moment! Er kostet für Bayern etwa 10 Milliarden Euro. Ich sage: 500 Millionen Euro sind daher einfach zu wenig.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Wir dürfen nicht!)

- Herr Ministerpräsident, ich habe von Ihnen -

Wir führen hier keine Zwiegespräche. Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Sie haben doch vorgestern gesagt: Wenn die EU-Regeln im Weg stehen – ich glaube, es ging um die Pkw-Maut –, dann ändern wir sie eben. Sind wir Mannsbilder, oder sind wir es nicht, Herr Kollege Seehofer?

(Beifall bei der SPD)

Kollege Huber wird mich sowieso gleich eines Besseren belehren, obwohl er weiß, dass ich auch in diesem Punkt völlig recht habe. Als die Kollegin Hildegard Kronawitter in der letzten Legislaturperiode, 2006 oder früher, gesagt hat, lasst uns in Bayern das Programm machen – Sie wollten ein Beispiel –, das das Bundesland Rheinland-Pfalz, SPD-regiert, damals aufgelegt hat, um sämtliche Gewerbegebiete und Freiberufler in Rheinland-Pfalz zu erschließen

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Es ist ein bisschen klein!)

- sie haben auch weniger Haushaltsmittel als wir, lieber Freiherr –, hat es damals geheißen: Das ist nicht Aufgabe des Staates, das macht der Markt. Wir sind heute Gott sei Dank klüger, aber wir sind dadurch eben auch viel zu spät dran. Hätten wir rechtzeitig gehandelt, wäre vieles auch billiger geworden. Nicht jede Gemeinde bekommt nach Ihrem Programm 50 Mbit. Wer schon einmal gefördert wurde, bekommt nichts. Deshalb haben wir jetzt das Problem, dass sich Bürgermeister die Haare raufen, weil sie mit viel eigenem Geld schlechte Funklösungen – Ein-, Zwei-, Drei-Mbit-Lösungen – erhalten haben und jetzt nicht mehr gefördert werden. Das ist die Stopselei, die wir Ihnen vorwerfen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Kollege Erwin Huber von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister und auch Kollege Dr. Beyer haben zu Recht mit dem Thema begonnen, das die Menschen derzeit am meisten bewegt, der Hochwasserkatastrophe. Wir haben in der letzten Woche nach der Erklärung des Ministerpräsidenten dazu bereits diskutiert. Auch

heute liegen mehrere Dringlichkeitsanträge vor. Ich glaube aber, dass heute erneut eine gute Gelegenheit ist, die Solidarität des Bayerischen Landtags mit der betroffenen Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen. Ich möchte auch im Auftrag der CSU-Fraktion deutlich sagen: Wir werden diese Menschen nicht im Stich lassen. Ich habe größte Hochachtung vor der Tapferkeit der Menschen, die Hab und Gut verloren haben, die aber nicht pessimistisch sind und jetzt wieder den Mut haben, anzupacken. Sie verdienen unsere Unterstützung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

In unserer niederbayerischen Heimat müssen Dörfer wie Fischerdorf oder Natternberg möglicherweise neu aufgebaut werden. Wenn man die Bilder sieht, auf denen eigentlich nur noch Wasserflächen und einige Dächer zu sehen sind, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie tief die Katastrophe die Menschen trifft, deren Hab und Gut, möglicherweise das Wohnzimmer und die Möbel davonschwimmen oder Sperrmüll werden. Für viele Menschen und auch für viele Betriebe bedeutet dies eine Existenzgefährdung. Selbstverständlich ist der Staat gefordert.

Ich möchte aber auch in unserem Namen den Hilfsorganisationen danken, all denjenigen, die ganz spontan Hilfe geleistet haben, beispielsweise den Studenten in Passau oder auch in Deggendorf und in anderen Städten, den Nachbarn, den Bauern, die Platz für Tiere von Berufskollegen frei gemacht haben, aber natürlich auch den Hilfsorganisationen. Hier hat sich bewährt, dass Bayern diese Hilfsorganisationen neben Feuerwehr und Rotem Kreuz und anderen über viele Jahre hinweg tatkräftig unterstützt hat und dass wir Lebendigkeit im Ehrenamt haben, das sich in dieser Stunde außerordentlich bewährt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich möchte weiter die Kommunalpolitiker herausheben, insbesondere die Landräte, die Oberbürgermeister und die Bürgermeister, die vor Ort in einer Krisensituation kühlen Kopf bewahrt haben. Für alle stellvertretend möchte ich einen nennen: Landrat Christian Bernreiter aus Deggendorf, in dessen Landkreis möglicherweise Schäden in Höhe von 500 Millionen Euro aufgetreten sind, der aber mit Übersicht, Klarsicht und Weitblick an der Spitze des Katastrophenschutzes stand. Ihm und allen anderen größte Hochachtung für diese Leistung der Kommunalpolitik!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte aber auch für die CSU-Fraktion Ihnen, Herr Ministerpräsident, und

der Staatsregierung für das Krisenmanagement höchste Anerkennung aussprechen. Man kann nur sagen: Note 1 mit Stern.

(Beifall bei der CSU - Ministerpräsident Horst Seehofer: Bitte nehmen Sie das ins Protokoll auf!)

- Ich bin immer für Überraschungen gut, Herr Ministerpräsident. Was wahr ist, muss man auch sagen. Sowohl die Einrichtung des Krisenstabes als auch – das möchte ich ausdrücklich hervorheben – die Besuche des Ministerpräsidenten und der übrigen Minister vor Ort waren notwendig.