Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

Die Eingriffsvoraussetzungen sind erheblich. Es gibt zum Beispiel Ordnungswidrigkeitentatbestände wie das sinnlose Umherfahren im Straßenverkehr. Möglicherweise kann man daraus etwas stricken, wenn es zum Beispiel darum geht, Bewegungen festzustellen. Wollen Sie auf diese Ordnungswidrigkeit einen flächendeckenden Abruf von IP- und ID-Adressen gründen? Wer entscheidet denn, welche Daten von den Privatanbietern vorzulegen sind? In diesem Gesetz wird für die Bürgerinnen und Bürger nicht klar, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff stattfindet.

Zum Abruf und zur Erhebung von Daten haben wir keinen Richtervorbehalt gefunden, also nicht gefunden, dass der Abruf von Daten gerichtlich geprüft wird. Die Behörden entscheiden selbst. Nur das Ergebnis der Auswertung soll möglicherweise von einem Richter genehmigt werden. Das ist zu kurz gesprungen; denn die Eingriffsintensität ist zu gefährlich. Zudem handelt es sich hier um heimliche Eingriffe. Hier ist es notwendig, später Informationspflichten gegenüber den Betroffenen zu statuieren. Es muss eine Rechtswegegarantie bestehen, damit überprüft werden kann, ob die Verhältnismäßigkeit dieser Anordnung gewahrt ist. Wir brauchen eine Transparenz, damit diese Regelung bei der Bevölkerung Akzeptanz findet. Wir dürfen damit nicht Heimlichkeit und Schnüffelei legitimieren.

Zum privaten Kernbereich findet sich in dem Gesetzentwurf nichts. Jede Telefonüberwachungsmaßnahme muss abgeschaltet werden, wenn in den Gesprächen der private Kernbereich thematisiert wird. Sie ermöglichen mit Ihrem Entwurf automatische Aufzeichnungen, sodass niemand mehr abschalten kann, wenn es zu einer solchen Situation kommt. Das ist ein gravierender Mangel. Sie sagten, Sie hätten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingehalten. In diesem Bereich haben Sie die Vorgaben nicht eingehalten.

Wir sehen daher keine Möglichkeit, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen. Sie behaupten, in der Kürze der Zeit könnten all diese Belange nicht zur Geltung kommen. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben mit unserem umfangreichen Änderungsantrag die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geprüft und eingehalten. Herr Ländner, das gilt nicht nur für das PAG, sondern insgesamt für diese Details. Das ist nicht das Nähen auf Kante, sondern das ist tatsächlich auch die Aufgabe. Die SPD-Landtagsfraktion ist für die Sicherheit, ist für den angemessenen Schutz der Bevölkerung, aber sie ist auch dafür, diesen Schutz einheitlich und ganzheitlich zu gestalten. Wir als Gesetzgeber sind dazu aufgerufen, Bürger davor zu schützen, dass ihre Grundrechte durch staatliche Eingriffe unangemessen beeinträchtigt werden. Wir als Wächter sind

geradezu dazu aufgefordert, solche Eingriffe zu verhindern. In diesem Zusammenhang können wir dem so vorgelegten Entwurf nicht zustimmen; es sei denn, Sie würden unserem Änderungsantrag zustimmen.

Der FDP sei zugestanden, dass mit dem Schutz der Journalisten ein kleiner Schritt in die richtige Richtung unternommen worden ist, aber das, liebe Kolleginnen und Kollegen, genügt uns nicht; denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein wichtiges Recht. In der heutigen Zeit müssen wir über Datenschutz intensiver als je zuvor reden. Ich verweise auf die Diskussionen, die in Bezug auf die Vorhaben Amerikas stattfinden.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Hanisch hält sich schon bereit. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute geht es um die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes. Wir sind gezwungen, diese Änderung vorzunehmen, weil das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 24. Januar 2012 einzelne Regelungen des Telekommunikationsgesetzes wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung für verfassungswidrig erklärt hat. Übergangsweise dürfen diese Bestimmungen noch bis 30. Juni dieses Jahres gelten. Sie sehen: Es wird höchste Zeit, dass wir diese Änderung beschließen.

Meine Damen und Herren, insgesamt liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung sowie zwei Anträge vor, nämlich ein Antrag von der CSU und der FDP sowie ein Antrag der SPD.

Mit dem Gesetzentwurf der Staatsregierung sollen im Polizeiaufgabengesetz und im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz die nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen werden. Ziel des Gesetzentwurfes ist es im Wesentlichen, im Bayerischen Landesrecht für die Bereiche der bayerischen Polizei und des bayerischen Verfassungsschutzes klare Bestimmungen darüber zu treffen, wann Telekommunikationsanbieter zur Datenübermittlung gegenüber den auskunftsersuchenden Behörden verpflichtet sein sollen. Da geht es zum Beispiel auch um Kindsentführungen und Suizidgefahr, ohne dass die Aufgaben und Befugnisse der Polizei oder des Verfassungsschutzes erweitert werden sollen. Hierzu wird nichts geändert.

Der Gesetzentwurf orientiert sich weitgehend an dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom

21. März dieses Jahres. Damit sollen eine weitgehend vergleichbare normative Regelung und praktische Handhabung der Bestandsdatenauskunft im Bund und im Freistaat Bayern sichergestellt werden. Meine Damen und Herren, wir werden diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Mit dem Änderungsantrag der CSU und der FDP sollen Journalisten und Abgeordnete in den Kreis der besonders geschützten Berufsgeheimnisträger aufgenommen werden. Auch diesem Antrag werden wir zustimmen.

Dem SPD-Antrag werden wir nicht zustimmen. Er ist im federführenden Ausschuss nicht behandelt worden, weil er zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlag. Ich verstehe Ihr Argument der zeitlichen Knappheit; auf der anderen Seite werfen Sie aber der Staatsregierung vor, dass sie zeitlich relativ knapp dran ist.

(Horst Arnold (SPD): Sie hat die Zeit nicht genutzt!)

Das passt irgendwie nicht zusammen. Vielen Teilen Ihres Antrages können wir zustimmen. Wir sind aber der Auffassung, dass einmal grundsätzlich über eine Änderung des PAG beschlossen werden muss. Jetzt ist dies einfach zu kurzfristig und passt nicht dazu.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Frau Kollegin Kamm ist schon bereit. Für die Schlussabstimmung wurde von der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Dies ist hiermit bekannt gegeben. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes ist ein Gesetzentwurf, der offenbar sehr schnell mit sehr heißen Nadeln gestrickt wurde, der schnell noch am 30. April in den Landtag eingebracht wurde, um ihn in dieser Legislaturperiode noch schnell, quasi last minute durch das Parlament zu bringen.

Unter der Vorgabe, dies sei für die Terror- und Gefahrenabwehr notwendig, sollen durch diesen Gesetzentwurf die Internetdienste verpflichtet werden können, auf Anforderung Passwörter, PIN-Nummern, PUK, Zugangscodes und auch die dynamischen IP-Adressen an Polizei und Verfassungsschutz mitzuteilen, die diese über einen bestimmten Zeitraum auswerten können.

Wir kritisieren an diesem Gesetzentwurf, dass diese schwerwiegenden Eingriffe durch Abfrage privater Daten ja nicht nur zur Abwehr schwerer Gefahren und von Terroranschlägen möglich sein können, sondern dass damit gleich auch ein breites Scheunentor für alle möglichen Maßnahmen geöffnet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen diesen Datenabgriff auch zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten einsetzen. Sie wollen, dass Zugriffe unter verschiedenen Vorgaben getätigt werden können. Der Abruf von Daten ohne Richtervorbehalt ist möglich. Private Lebensbereiche, meine Kolleginnen und Kollegen, sind bei der Auswertung der Daten unzureichend geschützt, die Belange der Berufsgeheimnisträger ebenfalls. Die Benachrichtigung der Betroffenen nach Abschluss einer Maßnahme ist nicht geregelt. Löschfristen findet man ebenfalls nicht.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wer sich zu Recht über die Abgriffe der amerikanischen militärischen Geheimdienste von Internetdaten empört – das haben wir alle gemeinsam fraktionsübergreifend in der letzten Sitzung getan -, soll auch hier mit dem Datenschutz sensibler umgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aufgrund der massiven Mängel kann dieser Gesetzentwurf die Kritik, die das Bundesverfassungsgericht geübt hat, in keiner Weise ausräumen. Mit einem solchen Gesetz lösen Sie die Probleme leider nicht. Wir empfehlen Ihnen daher: Nehmen Sie das Angebot der SPD an, diese Probleme zu bereinigen; stimmen Sie dem Antrag der SPD zu, der natürlich sehr kurzfristig eingebracht werden musste. Ansonsten können wir nur diesen Gesetzentwurf ablehnen und davor warnen: Es ist wirklich ungeheuerlich, zu welchen Zwecken auf persönliche Daten zugegriffen werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Kollege Dr. Fischer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 24. Januar 2012 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes, die die Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet haben, bestimmte Bestandsdaten zu speichern, und die Regelungen zur Auskunftserteilung nicht verfassungsgemäß sind. Diese Entscheidung hat die FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßt.

Nun muss man aber bei den Daten unterscheiden. Auf der einen Seite sind die Verkehrsdaten: Wer hat mit wem telefoniert? Wer hat mit wem Mailverkehr gehabt? Welche Internetseiten hat jemand besucht? Um diese Fragen geht es heute ausdrücklich nicht.

Auf der anderen Seite sind die Bestandsdaten: Wem gehört diese Telefonnummer? Das ist wie das Nachschlagen im Telefonbuch. Zur Bestandsdatenauskunft gehört auch die Zuordnung einer dynamischen IP, der Internetprotokolladresse. Wem war diese IP-Adresse zu einer bestimmten Zeit zugeordnet?. Es geht um die Zugangssicherungsdaten.

Für die FDP-Fraktion war immer klar, dass für diese Bestandsdatenauskunft aus sicherheitspolitischen Gründen eine neue Rechtsgrundlage zwingend erforderlich ist. Das gilt zum einen beim repressiven polizeilichen Handeln, bei der Strafverfolgung. Da ist es eine Aufgabe des Bundes. Zum anderen gilt es beim präventiven polizeilichen Handeln, bei der Gefahrenabwehr. Da sind wir gefordert.

Die Redner der SPD haben mehrere Punkte kritisiert. Ich möchte diese Kritik in aller Kürze widerlegen.

Der erste Punkt ist der zeitliche Aspekt: Es sei zu spät, der Gesetzentwurf sei mit heißer Nadel gestrickt. Dazu muss ich sagen: Wir in Bayern haben die Regelung auf Bundesebene aus guten Gründen abwarten müssen und erst jetzt handeln können.

Der zweite Punkt: Der Gesetzentwurf sei ein Verstoß gegen den Datenschutz. Wir haben uns nicht nur an den Regelungen des Bundesgesetzes orientiert, sondern alles mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz eng abgestimmt, der keine Einwände erhoben hat.

(Horst Arnold (SPD): Der Bundesbeauftragte sagt etwas anderes!)

Wesentlich gravierender ist aus meiner Sicht aber der Vorwurf der SPD, der Gesetzentwurf sei in Teilen verfassungswidrig, es sei nämlich so – ich zitiere aus dem Innenausschuss –,

dass die Bestandsdatenabfrage als unverzichtbares Ermittlungsinstrument zur Erfüllung von Aufgaben der Sicherheitsbehörden bezeichnet werde, obwohl jeder Nachweis für den Umfang und den Erfolg solcher Maßnahmen fehle.

Ich muss Sie fragen: Um welche Maßnahmen geht es denn? – Es geht um die Verhinderung von Terroranschlägen, um die Verhinderung von Suiziden, um die Suche nach einem verschwundenen Kind.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE) - Horst Arnold (SPD): Das ist keine Ordnungswidrigkeit!)

Ich frage Sie: Wollen Sie, wenn Sie heute diesen Gesetzentwurf ablehnen, den Eltern eines vermissten Kindes am 2. Juli sagen, wir können nicht nachvollziehen, was passiert ist, weil wir diesen Gesetzentwurf abgelehnt und keine Rechtsgrundlage geschaffen haben? Dafür tragen dann Sie die Verantwortung.

(Widerspruch bei der SPD - Horst Arnold (SPD): Jetzt wird es aber zugespitzt liberal! - Christine Kamm (GRÜNE): Zwischenfrage!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, am Schluss. - Der nächste Kritikpunkt betraf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie vermissen diesen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Bestandsdatenauskunft. Selbstverständlich ist eine Datenabfrage nur dann rechtmäßig, wenn sie auch erforderlich und angemessen ist. Natürlich gilt dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wie überall im Polizeirecht auch in diesem Bereich.

(Horst Arnold (SPD): Und die Rechtskontrolle?)

Schließlich ist auch nicht richtig, dass das Bundesverfassungsgericht für die Abfrage von Bestandsdaten einen Richtervorbehalt verlangt habe. Das ist dem Urteil ausdrücklich nicht zu entnehmen.

(Horst Arnold (SPD): Ausdrücklich nicht!)

Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen – das ist angesprochen worden –, das ist ein Erfolg der FDP-Fraktion: die Sicherung der Privatsphäre von Berufsgeheimnisträgern. Natürlich liegt uns das am Herzen. Es ist nicht so, dass wir gemerkt hätten, wie Sie, Herr Kollege Arnold, das formulierten, dass hier noch Nachbesserungsbedarf ist. Wir arbeiten einen Punkt aus der Koalitionsvereinbarung ab. Die Berufsgeheimnisträger genießen zu Recht einen besonderen Schutz. Für uns Liberale gibt es keine Berufsgeheimnisträger erster oder zweiter Klasse. Es ist richtig, dass die Abgeordneten einbezogen werden, und noch wichtiger, dass die Journalisten einbezogen werden, damit die Pressefreiheit in diesem Land geschützt wird. Dafür haben wir gekämpft, und das haben wir durchgesetzt.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Vielen Dank. Herr Kollege, Sie sind gleich hier geblieben. – Darf ich fragen,