Protokoll der Sitzung vom 16.07.2013

Die zweite und schlimmere Dimension ist aber: Es handelt sich nicht um ein Agieren des eigenen Staates, sondern es handelt sich um einen Angriff eines fremden Staates. Spionage – darauf wird immer rekurriert – findet normalerweise gegenüber anderen, fremden Staaten statt, aber nicht unbedingt gegenüber fremden Bürgern. Hier geht es um grenzüberschreitende Überwachung von Menschen. Die Amerikaner haben die Deutschen überwacht, und das geht unter Freunden überhaupt nicht. Da hilft auch nicht ein einfacher Satz "Man tut das unter Freunden nicht", sondern das muss entschieden deutlich gemacht werden. Das vermisse ich sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der Bayerischen Staatsregierung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Tobias Thalhammer (FDP): Wo ist jetzt Ihr Satz anders als unserer? Subjekt, Prädikat, Objekt!)

Ich sehe Hilflosigkeit aufseiten Deutschlands und Bayerns. Auch heute habe ich gehört: Wir wissen nichts. Der Innenminister weiß nichts. Es kann doch nicht sein, dass bei uns millionenfach Daten ausspioniert werden und die Innenminister sowohl des Bundes als auch des Landes, beide von der CSU, sagen: Wir wissen nichts. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie wissen nichts – dann erledigen sie nicht die Aufgaben, die sie in ihrem Amt eigentlich erfüllen sollten.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Was wissen Sie?)

- Ich bin aber nicht der Innenminister, Herr Herrmann, sondern das sind Sie. Sie sollten sich vielleicht mehr erkundigen und die Rechte der Bürger mehr schützen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Darauf sind Sie übrigens auch vereidigt worden. Darauf sind Sie und auch der Bundesinnenminister vereidigt worden. Deshalb glaube ich, dass man es sich nicht so leicht machen und einfach nur sagen kann: Wir wissen nichts. Jetzt geht es um intensive Aufklärung. Es geht auch nicht um einen Freundschaftsbesuch des Bundesinnenministers. Klare Worte müssen gesprochen werden. Das haben wir alle vermisst. Es

war doch verdächtig leise. Das war eher das Schnurren der Katze als das Fauchen des Tigers, das ich mir an dieser Stelle schon gewünscht hätte.

Schauen Sie sich einmal den Artikel 48 der Bayerischen Verfassung an – das ist das Notstandsrecht. Sehen Sie sich einmal an, was darin steht. Das sind Dinge, die jetzt durch die Amerikaner passiert sind. Wir leben aber in keinem Notstand. Es kann nicht sein, dass sich die Amerikaner Rechte herausnehmen, die wir im Grunde genommen in einem Notstandsartikel stehen haben. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Dann wird ein Staat im wahrsten Sinne des Wortes zu einem "Gemeinwesen", und das kann es nicht sein. Wir müssen die Bürger schützen. Das Argument, dass dies der Sicherheit dient, nutzt nichts. Hier sind zunächst einmal die Freiheit und das Recht auf Privatheit gefragt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Als Nächster hat Herr Kollege Professor Dr. Winfried Bausback von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, dass wir uns als Bayerischer Landtag auch mit internationalen Themen beschäftigen, wenn es denn notwendig ist, um den Grundrechtsschutz für unsere Bürger zu diskutieren und voranzubringen. Von dem berühmten amerikanischen Philosophen Benjamin Franklin stammt der Satz:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Was Snowden gesagt hat!)

Wer die Sicherheit auf Kosten der Freiheit gewinnen will, wird beides verlieren.

Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die USA eine andere Rechtstradition als wir in Deutschland pflegen, auch was den Datenschutz angeht, tut es unseren amerikanischen Freunden sicherlich gut, wenn sie aus Deutschland in Debatten wie der heutigen daran erinnert werden, was ihre ureigensten Ideale, die Ideale der Freiheit, sind. Deshalb meine ich, dass wir uns an diesem Punkt durchaus noch einig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Herr Kollege Pohl und Herr Kollege Arnold, dem Schutz der Bürger genügt es mit Sicherheit nicht, wenn wir hier den strammen Max markieren. Wir müssen vielmehr schauen, welche vernünftigen Schritte wir fordern können.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Meines Erachtens ist es relativ naiv, anzunehmen, dass wir in Bayern oder in Deutschland insgesamt Information, Aufklärung und vielleicht Abhilfe dadurch bekommen könnten, wenn in Berlin der amerikanische Botschafter einbestellt wird.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Zum Mittagessen vielleicht!)

Wir sollten uns Information und Aufklärung auf sachliche Art und Weise besorgen. Das tun die Kolleginnen und Kollegen auf der Bundesebene sowie die Bundesminister bereits.

Herr Kollege Arnold, es ist schon ein bisschen seltsam, wenn Sie sich als Vertreter der SPD hinstellen und der Bundeskanzlerin und den Kabinettsmitgliedern Vorträge halten, was sie alles tun müssten. Was hat denn die Regierung Schröder in der Zeit des IrakKriegs getan, als es um die Zusammenarbeit zwischen dem BND, der CIA und wahrscheinlich auch der NSA gegangen ist?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Probleme sind bekannt, genauso wie die Probleme des Völkerrechts, die mit diesen Punkten verbunden sind. Wir werden kein einziges der Reservatrechte, des sogenannten versteinerten Besatzungsrechts, oder die Feindstaatenklausel, die sich nach wie vor in der Satzung der Vereinten Nationen befindet, beseitigen oder tilgen können, indem wir gegen Verbündete in einer undifferenzierten Art und Weise vorgehen. Wichtig ist, dass wir der Schutzpflicht, die wir in Bayern gewährleisten müssen, in der bestmöglichen Art und Weise nachkommen. Dies gilt zum Beispiel beim Aufbau staatlicher Bildungsplattformen oder für die Verwirklichung von "Bayern 3.0".

Das gilt aber auch für das eigene Verhalten. Ich bin fast ein Jahr der Kollegin Tausendfreund im Untersuchungsausschuss gegenübergesessen und konnte feststellen, dass sie eine "Apple"-affine Art der Datenkommunikation pflegt. Ich weiß nicht, wie es beim Herrn Kollegen Pohl ist. Ich glaube, er benutzt Blackberry. Viele Kollegen verwenden Produkte internationaler Firmen bei ihrer Kommunikation. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen und überlegen, was wir eigentlich tun, um den Datenschutz derjenigen sicherzustellen, die mit uns kommunizieren.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn wir mit dem Problem ernsthaft und ehrlich umgehen, werden wir feststellen, dass wir bei dem Thema des internationalen Datenschutzes nur dann vorankommen werden, wenn wir versuchen, auf der europäischen Ebene Verbündete zu finden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist ein Ausweichmanöver!)

Wenn wir die Informationen, die in der Presse widergespiegelt werden, kühl und mit Abstand analysieren, wird deutlich, dass im Moment das getan wird, was notwendig ist, um in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist ein Ausweichmanöver von Frau Dr. Merkel, sonst nichts!)

Das gilt auch für die eigenen Freunde in der Welt. Das ist besser und wirksamer, als wenn wir uns wechselseitig in einem in die Endphase kommenden Wahlkampf Vorwürfe an den Kopf werfen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Als Letzter hat nun Herr Staatsminister Joachim Herrmann das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Artikel 1 unseres Grundgesetzes beginnt mit dem Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Daraus hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Urteilen ein Individualrecht auf Datenschutz entwickelt. Dieser Schutz des Persönlichkeitsrechts und der privaten Daten ist diesem Parlament und der Bayerischen Staatsregierung sehr wichtig. Insgesamt hat der Datenschutz in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert und ein sehr hohes Niveau, das in nur wenigen anderen Staaten dieser Welt erreicht wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Zumindest auf dem Papier!)

Der Datenschutz ist aber in der globalisierten und digitalisierten Welt nicht nur ein besonders hohes Gut, sondern er ist auch ein besonders gefährdetes Gut. Unsere Daten, seien es persönliche Daten oder Informationen von Unternehmen, sind durch Spionage anderer Länder gefährdet, egal, ob das nun Russland, China oder vielleicht befreundete westliche Länder sind. Ich habe an dieser Stelle vor wenigen Wochen in meiner Regierungserklärung zur Cyber-Sicherheit ausdrücklich darauf hingewiesen. Unser gemeinsames Anliegen muss es sein, den Bürger und auch unsere Wirtschaftsunternehmen vor Ausforschung zu schützen, und zwar gegenüber jedem in der Welt.

Bei dem mutmaßlichen oder behaupteten Handeln der NSA müssen wir natürlich klar zwischen dem Handeln auf deutschem Territorium und dem Handeln außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets unterscheiden. Klar ist: In Deutschland gilt deutsches Recht. Dieses Recht ist uneingeschränkt von jedem, der sich auf unserem Territorium aufhält, zu beachten. Es gibt auch keine Abkommen oder dergleichen, die irgendjemanden davon freistellen würden, deutsches Recht auf deutschem Boden zu beachten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wir wissen im Moment nicht sicher, ob US-amerikanische Nachrichtendienste oder US-Behörden auf deutschem Boden gegen deutsches Recht verstoßen haben. Das muss geklärt werden. Deshalb brauchen wir eine möglichst lückenlose Aufklärung. Deswegen begrüße ich es, dass sich der Bundesinnenminister bei seinem Besuch in Washington darum bemüht hat, die Sachverhalte weiter aufzuklären. Die amerikanische Seite hat hier weitere Informationen in Aussicht gestellt.

Wenn es tatsächlich zu den behaupteten Verstößen gekommen ist, müssen wir mit allem Nachdruck Konsequenzen einfordern. Letztlich stellt sich dann natürlich die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz eines solchen Verhaltens. Dafür wäre gegebenenfalls der Generalbundesanwalt unmittelbar zuständig. Weil Sie so nett gefragt haben, stelle ich ausdrücklich fest: Soweit ich es überblicken kann, gibt es bei bayerischen Behörden gegenwärtig keine konkreten Erkenntnisse über Verletzungen deutschen Rechts auf deutschem Boden durch amerikanische Behörden. Nach gegenwärtigem Stand ist mir keine andere Landesregierung in Deutschland bekannt, der konkrete Erkenntnisse über die Verletzung deutschen Rechts auf deutschem Boden durch ausländische Behörden vorliegen.

(Horst Arnold (SPD): Aber einen Anfangsverdacht haben wir doch!)

- Ich habe darauf hingewiesen, dass sorgfältig ermittelt werden muss. Dafür ist der Generalbundesanwalt unmittelbar zuständig.

Wenn Sie mich nach meinen Erkenntnissen fragen, muss ich sagen: Ich habe im Moment keine konkreten Erkenntnisse. Die Vorwürfe, die durch die Medien in den Raum gestellt werden, müssen natürlich sorgfältig betrachtet werden. Klar ist: Außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets haben wir keinen unmittelbaren Zugriff. Wir müssen aber auch dort unser Interesse an einem ordentlichen Datenschutz wirksam verfolgen. Dazu gehört natürlich der Dialog mit unseren Partnern.

Wir müssen in Gesprächen mit unseren amerikanischen Partnern die Notwendigkeit wirksamen Datenschutzes mit allem Nachdruck vertreten. Dieser Schutz unserer Daten ist Ausdruck unserer gemeinsamen Wertvorstellungen und unverzichtbare Grundlage des vertrauensvollen partnerschaftlichen Miteinanders. Die NATO ist gegründet worden, um die Freiheit der Menschen zu verteidigen. Es kann aber keine vernünftige Verteidigung der Freiheit geben, wenn Datenschutz nichts gelten sollte. Das muss man auch innerhalb der NATO unmissverständlich klarmachen.

(Beifall bei der CSU, der FDP und den FREI- EN WÄHLERN)

Wir müssen aber nicht nur mit staatlichen Stellen reden. Wir müssen auch immer wieder unsere Bürgerinnen und Bürger im eigenen Land darüber informieren, dass niemand eine Garantie dafür hat, dass die Daten, die er ins Netz stellt und ausländischen Firmen anvertraut, auf dem weiteren Weg nach deutschen Standards behandelt werden. Ich werde mich in den nächsten Tagen an die amerikanische Firma Microsoft und die britische Firma Vodafone, mit denen wir in Bayern unmittelbar zu tun haben, wenden

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): McDonald’s!)

und um konkrete Auskunft darüber bitten, wie ihre jeweiligen Mutterunternehmen mit Daten umgehen, die ihnen Kunden in Bayern und Deutschland anvertraut haben.

Laut den Pressemeldungen über die Veröffentlichungen von Herrn Snowden haben Nachrichtendienste in Amerika einen unmittelbaren Zugriff auf alle Daten dieser Mutterunternehmen. Diese Mutterunternehmen haben wiederum Zugriff auf die Daten ihrer Tochterunternehmen rund um die Welt. Ich denke, dass auch in den Kundenbeziehungen Menschen in unserem Land einen Anspruch darauf haben, zu erfahren, wie mit ihren Daten, die sie im Geschäftsverkehr jemandem anvertrauen, umgegangen wird. Wichtig ist, dass wir auch die eigenen Schutzstrukturen weiter ausbauen. Für die Schädigung der bayerischen Wirtschaft durch Know-how-Verlust und den Schutz unserer Privatsphäre ist es nämlich letztendlich völlig unbedeutend, welcher Staat oder welches Konkurrenzunternehmen sich der Daten bemächtigt. Wir brauchen einen umfassenden Schutz.

Deshalb haben wir übrigens zum 1. Juli unser CyberAllianz-Zentrum in Betrieb genommen, das letztlich die Wirtschaftsunternehmen in unserem Land noch besser beraten und damit letztlich die Bürger noch besser schützen soll vor Hacker-Angriffen, vor Wirtschaftsspionage oder vor welchen Angriffen auch

immer auf die Daten in unserem Land. Wir messen dem Wirtschaftsschutz schon seit einigen Jahren eine ganz zentrale Bedeutung in der präventiven Spionageabwehr bei.