Protokoll der Sitzung vom 16.07.2013

immer auf die Daten in unserem Land. Wir messen dem Wirtschaftsschutz schon seit einigen Jahren eine ganz zentrale Bedeutung in der präventiven Spionageabwehr bei.

Ich betone an dieser Stelle aber auch, meine Damen und Herren: Wenn sich die Meldungen über das angebliche Vorgehen der NSA bestätigen sollten, besteht die Alternative jedenfalls nicht darin, dass wir sicherheitspolitisch sozusagen gar nichts tun. Wir haben natürlich auch in diesem Staat eine Schutzpflicht; wir haben die Pflicht, die Menschen in unserem Land gegen Terror, Mord und welche Angriffe auch immer zu schützen und dafür unsere Sicherheitsbehörden entsprechend aufzustellen. Deshalb kann die Alternative zu dem, was hier behauptet wird, nur in einem klaren rechtsstaatlichen Programm bestehen, in einer klaren Ordnung, die festlegt, was Nachrichtendienste dürfen und was nicht. Das ist unser Weg in Deutschland.

Deshalb ist in dieser Diskussion festzustellen: Was angeblich andere machen, ist insgesamt zum Beispiel für unseren Verfassungsschutz in Deutschland völlig indiskutabel. Auf Bundes- und Länderebene gilt die klare Regelung, dass der Verfassungsschutz nur diejenigen Überwachungsmaßnahmen ergreifen darf, die die G-10-Kommissionen der Parlamente, also etwa die G-10-Kommission des Bayerischen Landtags oder die G-10-Kommission des Deutschen Bundestags, ausdrücklich genehmigen. Wir müssen selbstverständlich streng darauf achten, dass dies eingehalten wird; im Parlamentarischen Kontrollgremium wird regelmäßig darüber berichtet. Gerade eine freiheitliche Demokratie bedarf dringend eines funktionierenden und zugleich rechtsstaatlich handelnden Nachrichtendienstes. Sowohl der NSU-Prozess als auch der Fall der Sauerland-Attentäter zeigen uns, wie nötig effektive Strukturen auch bei Nachrichtendiensten sind.

Das gilt übrigens auch für das Thema der Mindestspeicherfristen bei den Telekommunikationsdiensten. Auch dafür haben wir ein Programm vorgesehen, das eine klare Alternative zu dem bietet, was mutmaßlich in den USA läuft. Wir wollen nicht, dass irgendein Nachrichtendienst oder irgendeine Sicherheitsbehörde beliebig, massenhaft, millionenfach auf Telekommunikationsdaten zugreifen darf, sondern wir fordern ausdrücklich, dass diese Daten bei den Telekommunikationsdiensten bleiben müssen. Nur im Einzelfall, aufgrund eines richterlichen Beschlusses, darf in einem konkreten Verdachtsfall, bei einer konkreten Ermittlung oder bei einer konkreten Terrorabwehrmaßnahme gegen einzelne Personen oder Unternehmen oder gegen einzelne Telefonanschlüsse ein Eingriff möglich sein. Das darf aber nicht massenhaft oder millionenfach ermöglicht werden. Darin besteht

unsere rechtsstaatliche Alternative zu dem, was Gegenstand von Vorwürfen ist.

(Beifall bei der CSU - Horst Arnold (SPD): Was ist dann mit den Stammdaten?)

- Herr Kollege Arnold, es ist durchaus richtig, wenn man auf dem Standpunkt steht: Nicht jeder Zweck heiligt die Mittel. Hierin stimme ich völlig mit Ihnen überein. Aber das, was Sie in diesem Zusammenhang erklärt haben, ist typisches Oppositionsgerede. In der Innenministerkonferenz werden immer wieder intensive Diskussionen über diese Fragen geführt. In Deutschland gibt es 16 Landesinnenminister, davon gehören zurzeit acht der Union und acht der SPD an, Herr Kollege Arnold. Die Position, die Sie hier vorhin vertreten haben, vertritt kein einziger SPD-Innenminister in Deutschland. Das ist Oppositionsgerede. Wer in der sicherheitspolitischen Verantwortung steht, kann sich solche Traumtänzereien nicht erlauben, Herr Kollege Arnold.

(Beifall bei der CSU - Horst Arnold (SPD): Ja, ja, so ist das mit den Koalitionspartnern!)

Ich sage Ihnen auch angesichts der aktuellen Debatten in unserem Land: Ich habe in den letzten Monaten festgestellt, dass eine breite Mehrheit in unserem Land befürwortet, dass auch gestohlene private Steuerbankdaten angekauft werden, um Steuerbetrüger vor Gericht zu bringen. Dieses Vorgehen erfreut sich einer breiten parlamentarischen Mehrheit. Da erlaube ich mir schon zu sagen: Die Maßstäbe, nach denen ich in diesem Land Terror abwehren darf, können sicherlich keine strengeren sein als die für die Verfolgung von Steuerbetrügern. Offensichtlich gibt es doch eine Frage dazu, was erlaubt ist, um gegen eine bestimmte Straftat vorzugehen; und ich denke, die Diskussion über die Abwägung der Zulässigkeit von Maßnahmen, um bestimmte Straftaten zu verfolgen oder noch besser zu verhindern, ist notwendig.

Die Fragen, die Sie an die Staatsregierung gerichtet haben, werde ich Ihnen gerne beantworten, sobald mir die Antwort der Bundesregierung dazu vorliegt, an die ich die meisten dieser Fragen weitergereicht habe, weil die meisten dieser Fragen – und das wissen Sie auch, Herr Kollege – über das hinausgehen, was im Kompetenzbereich der Bayerischen Staatsregierung liegt.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Ich darf, liebe Kolleginnen und Kollegen, schließlich noch eine ganz persönliche Anmerkung hinzufügen: Ich nehme die von diesem Herrn Snowden publizierten Vorwürfe ernst, und sie müssen rückhaltlos aufgeklärt werden. Ich verhehle aber nicht, dass es bei mir

mehr als Stirnrunzeln verursacht, wenn ein Kämpfer für Freiheit und Datenschutz ausgerechnet in Russland Zuflucht sucht, meine Damen und Herren,

(Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN – Glocke des Präsidenten)

in einem Land – Sie müssen das schon im Zusammenhang sehen –, aus dem in den letzten sechs Monaten immerhin zehntausend Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Haben Sie ihm Asyl angeboten?)

Aus den USA sind keine Asylanten nach Deutschland gekommen.

(Beifall bei der CSU - Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Aber wenn wir die rechtsstaatlichen Maßstäbe auch noch ein wenig zurechtrücken – wo denn eigentlich nicht? – gibt es Dinge, die wir uns nicht gefallen lassen, auch nicht von amerikanischen Freunden.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Aber die Maßstäbe für das, was in unserer Welt geschieht, einigermaßen aufrechtzuerhalten, halte ich schon für notwendig.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb wende ich mich Ihnen zu, lieber Herr Kollege Arnold, weil Sie ja so viele wichtige Fragen haben.

(Zuruf: Sie hätten ihn ja ausgeliefert! - Ludwig Wörner (SPD): Sie lassen ihn ja gleich gar nicht rein!)

Von 1998 bis 2005 saß Frank-Walter Steinmeier im Bundeskanzleramt, von 2005 bis 2009 im Auswärtigen Amt. Er hat insgesamt lange Zeit Verantwortung im Zusammenhang mit all diesen Themen wahrgenommen.

(Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

- Herr Kollege Arnold, warten Sie erst einmal ab und überlegen Sie dann, wie Sie sich dazu positionieren. Ich persönlich habe nach wie vor zu Frank-Walter Steinmeier mehr Vertrauen als zu Herrn Snowden. Wenn Sie es anders sehen, stellen Sie sich bitte hierher und sagen Sie es.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich zu meinen abschließenden Feststellungen kommen. Erstens: Wir brauchen dringend ein internationales Datenschutzübereinkommen. Zweitens: Ein Freihandelsabkommen mit den USA kann es nur geben, wenn darin auch klare Datenschutzbestimmungen verankert sind.

(Beifall bei der FDP)

Die Bayerische Staatsregierung steht ein für Datenschutz in unserem Land, aber sie steht auch ein für bestmöglichen Schutz gegen Mord und Terror. Dafür werden wir auch in Zukunft stehen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Staatsminister. Nachdem das Mitglied der Staatsregierung seine Redezeit von zehn Minuten überzogen hat, haben die Fraktionen das Recht, selbst nochmals Redezeit zu beantragen. Davon hat die Fraktion der FREIEN WÄHLER Gebrauch gemacht. Herr Kollege Pohl hat das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Staatsminister Herrmann! Vielen Dank dafür, dass Sie mir Gelegenheit geben, auf Ihren Wortbeitrag und auf die Debatte kurz einzugehen.

Zunächst einmal denke ich, die Angelegenheit hängt nicht von der Parteipolitik ab; denn Sie regieren zwar in Bayern schon seit über 50 Jahren, aber in Berlin gibt es wechselnde Regierungen. Ich glaube nicht, dass das Ausspähen von Daten durch ausländische Geheimdienste erst in den letzten Jahren zutage getreten ist. Leider sind Sie mir eine Antwort darauf schuldig geblieben, wann Sie gedenken, uns, die Mitglieder dieses Parlaments und insbesondere die Mitglieder des Innenausschusses, über Ihre Erkenntnisse zu informieren. War das, was Sie heute hier zum Besten gegeben haben, alles?

Herr Staatsminister, ich stimme mit Ihnen überein, dass hier auf deutschem Boden deutsches Recht gilt, zumindest öffentliches Recht. Es gibt keine Sonderbefugnisse für ausländische Geheimdienste, weil Deutschland ein vollsouveräner Staat ist. Keiner von Ihnen – das finde ich bezeichnend – konnte ausschließen, dass die Amerikaner deutsches Recht verletzt haben, obwohl der Bundesinnenminister – das sagte ich schon – in relativ devoter Art und Weise nach Amerika gefahren ist, um für Klarheit zu sorgen. Was soll eine solche Reise, wenn man von einem befreundeten Staat nicht rückhaltlos Aufklärung darüber erhält, was in Deutschland gelaufen ist?

Über die Sicherheitsbelange der deutschen und bayerischen Bevölkerung und der deutschen und bayerischen Wirtschaft haben Sie auch nichts gesagt. Das betrifft das Thema Industriespionage. Wenn der USamerikanische Präsident Clinton – Kollege Arnold hat bereits darauf hingewiesen – sagt, dass Industriespionage ein legitimes Mittel der Politik sei, sollte uns das schon zu denken geben.

Ein Letztes: Kollege Dr. Weiß, in unserem Dialog haben wir leider nicht klären können, auf welcher rechtlichen Grundlage die Amerikaner tätig sind. Wenn es diese rechtliche Grundlage zum Eingriff in die Grundrechte – da gibt es keinen Graubereich, Herr Kollege – nicht gibt, handelt derjenige, der in Grundrechte eingreift, illegal, egal ob es sich um einen ausländischen Geheimdienst oder einen Inländer handelt. Das ist mit deutschem Recht nicht zu vereinbaren. Das ist ein ernster Vorgang.

Ich wiederhole noch einmal, was ich vorhin gesagt habe: Ich hätte erwartet, dass die Bundeskanzlerin den amerikanischen Botschafter einbestellt, anstatt ihren Innenminister devot nach Washington zu schicken, damit dieser fragt, was die Amerikaner auf deutschem Hoheitsgebiet getan haben. Freund hin, Freund her – Sie sagten es völlig zu Recht: Es gibt Grenzen. Diese Grenzen sind eindeutig überschritten worden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Kollegin Kamm das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat uns doch sehr verwundert. Verwundert haben mich die Ausführungen von Herrn Heike, der gesagt hat, man müsse etwas tun. Leider habe ich nicht erfahren können, was Sie eigentlich tun wollen. Das blieb vollständig offen. Noch mehr habe ich mich über die Ausführungen des Innenministers gewundert, der gesagt hat, ihn wundere es sehr, dass Herr Snowden in Moskau Schutz suche und nicht in Deutschland, wo so vielen Asylbewerbern Asyl gewährt werde. Diese Ausführung ist sehr bemerkenswert. Herr Snowden, der nach wie vor den Transitbereich des Moskauer Flughafens nicht verlassen kann, sollte von Ihnen die Zusage erhalten, hier in der Bundesrepublik Deutschland Schutz zu bekommen, damit er nicht sofort in die Vereinigten Staaten abgeschoben wird. Das wäre sonst zu befürchten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wäre interessant, von Ihnen zu hören, was Herrn Snowden passieren würde, wenn er morgen in München wäre. Das würde mich doch sehr interessieren. Vieles, was über die Geheimdienstaktivitäten geschrieben worden ist, kann er belegen. Er liefert Beweise für das, was die Nachrichtendienste tun. Herr Innenminister, es müsste in Ihrem Sinne sein, ihn zu befragen, was er über die Gesetzesverstöße weiß. Offenbar bekommen Sie von der Bundesregierung keine Informationen. Ansonsten könnten Sie unsere Anfragen beantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 1)

Ausgenommen von der Abstimmung sind die Listennummern 161, 162 und 218, die einzeln beraten werden sollen. Die Listennummer 161 soll zusammen mit Tagesordnungspunkt 29, die Listennummer 162 zusammen mit den Tagesordnungspunkten 12 bis 16 einzeln beraten werden. Über die Listennummern 220, 229 und 240 muss einzeln abgestimmt werden. Die Einzelabstimmung über die Listennummer 240 soll in namentlicher Form erfolgen.

Zunächst lasse ich über die Listennummer 220 abstimmen. Das ist der Antrag der Abgeordneten Rinderspacher, Aures, Halbleib und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Einrichtung des Studiengangs ‚Bachelor of Laws’ am Standort Hof der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (BayFHVR)", Drucksache 16/17552. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfiehlt auf Drucksache 16/17734 die Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP, der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Zwei. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Listennummer 229. Das ist der Antrag der Abgeordneten Heckner, Jörg, König und anderer (CSU) betreffend "Bachelor of Laws am Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege (BayFHVR) in Hof", Druck