Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Verbraucherschutzpolitik gilt, was Franz Josef Strauß schon 1980 in seinen "Geboten der Freiheit für die Sozialpolitik" ausgeführt hat. Er sagte:

Freiheitliche Politik hat den Auftrag, die Würde des Menschen in seinen vielfältigen Lebenslagen und Lebensbezügen zu sichern. Freiheit und Würde eines Menschen bestehen zu wesentlichen Teilen gerade auch darin, dass er zu einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung fähig ist.

Die Bayerische Staatsregierung hat in den vergangenen Monaten beim Verbraucherschutz die richtigen Akzente im Sinne einer Liberalitas Bavariae gesetzt. Wir, die CSU-Fraktion, werden die Staatsregierung in diesen Fragen weiterhin unterstützen. Wir sagen ein klares Nein zur Bevormundung der Bürger. Wir werden aber dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, die Schutzmechanismen zugunsten des Verbrauchers weiter voranbringen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Nächster Redner: Herr Kollege Arnold von der SPD. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin überrascht von dem breit gefächerten Vortrag meines Kollegen, Herrn Professor Dr. Bausback. Was das Thema anbelangt, so fühle ich mich zurückversetzt in die Zeiten der Vorlesungen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich meine, in diesem Hause muss man Politik betreiben und den Verbraucherschutz operativ angehen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

- Ich werde Ihnen dazu etwas vorlesen. Hören Sie doch einmal zu.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Dann lesen Sie doch mal vor!)

- Ja, das tue ich.

Oberstes Leitbild und Ziel meiner Verbraucherpolitik ist der mündige Verbraucher, der selbstbestimmt und verantwortungsbewusst am Marktgeschehen teilnimmt.

Das hat Ihre Frau Ministerin bei der Pressekonferenz zum Besten gegeben. Ich gehe davon aus, dass sie das auch ernst meint. Wir haben feststellen müssen, dass ein neues Ministerium geschaffen wurde, Justiz und Verbraucherschutz. Herr Kollege Prof. Dr. Bausback hat dies als einen Fortschritt gewertet. Ich sehe das nicht als einen Fortschritt; denn ich stelle darauf ab, dass der Verbraucherschutz grundsätzlich rechtlich und wirtschaftlich gesehen breiter zu fassen und auf den Bereich Ernährung auszudehnen ist, da auch entsprechende Marktmechanismen eingreifen. Es ist vollkommen klar: Da haben wir unterschiedliche Ressorts. Diese Ressorts werden letztendlich von diesem Ministerium nicht erfasst; denn wenn in dem Bereich ein Bürger sagt, ich hätte eine Anfrage, ich möchte über den Verbraucherschutz etwas wissen, wird er sich sicher an das Staatsministerium für Justiz und für Verbraucherschutz wenden. Nun war aber Folgendes: In Fürth, wo ich wohne, wollte zu Beginn des Monats November ein Elternverband die Schirmherrschaft über ein Event haben, das die Ernährung von Kindergartenkindern betraf, und zwar durch die Staatsregierung. Der Elternverband hat sich dann an die Staatskanzlei gewandt mit der Frage, welches Ministerium denn zuständig sei. Nun begann es: Die Staatskanzlei hat eine Zuweisung erteilt, und zwar zuerst einmal an das Sozialministerium zu Frau Kollegin Haderthauer. Dort ruhte der Vorgang circa drei Wochen lang. Nach einer Monierung kam der Vorgang dann wieder zurück, und er wurde an das Ministerium für Verbraucherschutz abgegeben. Das Ministerium für Verbraucherschutz hat dann den Vorgang - Frau Ministerin, dankenswerterweise ziemlich schnell - an das zuständige Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten abgegeben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Damit steht fest, dass jetzt im Juni diese Veranstaltung unter der Schirmherrschaft von Herrn Brunner tatsächlich stattfinden kann. Wenn Sie in diesem Zusammenhang selber nicht einmal wissen, wer zuständig ist, dann nennen Sie das Ministerium nicht "Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz", sondern "Minsterium für Justiz und rechtlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutz", und lassen Sie bei den Bürgern doch den

Eindruck nicht aufkommen, dass eine Hoffnung bestehe, diesbezüglich eine umfängliche Kompetenz aufzuweisen.

(Beifall bei der SPD)

Aber nichtsdestroweniger hatten wir im Dezember beim Verbraucherschutz Probleme extremster Art; ich erinnere etwa an den Dioxin-Skandal. Die Frau Ministerin hat im Rahmen der Überleitungszuständigkeit in ihrem Ministerium auch eine Initiativ- und Koordinierungsfunktion. Bei dieser Situation stellt sich heraus, dass für das mit Dioxin belastete Fleisch natürlich das Umweltministerium zuständig war. Dieses Thema ist sehr gut "gehandlet" und in einem gemeinsamen Ausschuss besprochen worden. Allerdings war dann meine Frage an das Umweltministerium: Worüber haben Sie denn mit dem Verbraucherschutzministerium eigentlich kommuniziert? Weiß das Verbraucherschutzministerium etwas, wenn Sie irgendwelche Kenntnisse haben, was diese Problemlösung betrifft? Gab es da ein Briefing, eine Kommunikation, eine Beiordnung? Frau Ministerialdirigentin Gernbauer hat hierzu gesagt, das Initiativrecht des Justizministerium bedeute, dass die Justizministerin die Möglichkeit habe, im Bereich einer anderen Zuständigkeit, etwa beim Umweltministerium, Initiativen anzustoßen. Ich frage: Welche Initiativen wollen Sie ergreifen, wenn Sie nicht einmal von den zuständigen Ministerien als Initiativministerium für Verbraucherschutz wahrgenommen werden? Das ist mir nach wie vor schleierhaft.

Eine weitere interessante Geschichte ist die Feststellung, dass die Agenda im Verbraucherschutzministerium unter anderem auch Anlegerschutz enthält. Die Frau Ministerin sagte in ihrer Pressekonferenz:

Der dritte Bereich, den ich erwähnen möchte, ist der Anlegerschutz. Die Finanzmarktkrise hat überdeutlich gemacht, dass hier einiges im Argen liegt. Ich unterstütze die Forderung nach einer Verlängerung der Verjährungsfristen der Pflicht zur Dokumentation, der Beratung und der Beweislastumkehr der Finanzdienstleister.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt!)

Und am 06.02.2009 muss man in der "Financial Times" Deutschlands lesen:

Bayern plant Mauer um Finanzaufsicht. Mitten in der Finanzkrise plant der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der sicherlich die Richtlinienkompetenz hat, das Informationsfreiheitsgesetz einzuschränken. Danach sollen Bürger bei der BaFin keine Akteneinsicht mehr haben. Der Bundesrat hat schon zugestimmt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sauber! Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Die "Financial Times" - sicherlich kein sozialdemokratisches Magazin - führt weiter aus:

Künftig sollen Bürger, Anleger, Wissenschaftler und Medien keine Akteneinsicht mehr erstreiten können, wenn es um die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen - BaFin - und die Bundesbank geht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Der Verstoß würde die Transparenz für die Verbraucher so gut wie abschaffen und Politikern und Banken helfen, Fehler zu vertuschen.

(Beifall bei der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD))

Da frage ich mich schon: Welche Initiative haben Sie da ergriffen, um dieses zu verhindern? Haben Sie einmal mit Ministerpräsident Seehofer darüber geredet, dass diese Maßnahme eine zutiefst verbraucherfeindliche Sache ist?

(Beifall bei der SPD)

Oder läuft es wie so oft nach dem Motto: "In Bayern hui, in Berlin pfui", um die Schuldenlast entsprechend zu verteilen? Bei diesem Spiel ist übrigens auch die FDP zu erwähnen; denn sie hat dieser ganzen Sachlage aufgrund ihres Koalitionsvertrags zugestimmt. Da ist es schon sehr verwunderlich, dass sich dann einzelne Kollegen im Bundestag dankenswerterweise zu den ganzen Vorgängen höchst bestürzt äußern.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Das ist praktischer Verbraucherschutz, wie er nicht sein sollte. Das ist im Gegenteil eine Nebelkerzenwischerei ohne Ende.

(Beifall bei der SPD)

Wer sich die Verbraucherschutzinitiativen anschaut, kommt im Internet sehr schnell auf ein Zehn-PunkteProgramm. Diesbezüglich ist die Forderung sehr einheitlich: Alle Verbraucherverbände wünschen sich für ihre Fragen einen einheitlichen Ansprechpartner.

Frau Ministerin, Sie haben jetzt angegeben, einen Ombudsmann bzw. Verbraucherlotsen schaffen zu wollen, und zwar die nächsten Jahre zunächst probeweise in einem Landkreis je Regierungsbezirk. Das wären also sieben Verbraucherlotsen, die dem, was der Herr Pro

fessor Dr. Bausback vorher als Bedürfnis der Verbraucher definiert hat, entgegenkommen. Nun ist aber wieder das Problem: Die Fragen des Verbrauchers sind nicht nur auf das Recht und auf die Wirtschaft beschränkt, sondern sie beziehen sich genau auf die Ernährung, auf Auszeichnungen und sonstige Bereiche, rauf und runter. Frau Aigner, Mitglied des Deutschen Bundestags, kann Ihnen dazu ein Lied singen. Deshalb ist es wirklich notwendig, dass auf diesem Gebiet Koordinierungen und Ausbildungen stattfinden. Ich habe mir im Haushalt die betreffende Stelle angesehen und festgestellt, für diese Ombudsleute bzw. für diese Verbraucherlotsen ist dort bislang nichts vorgesehen. Sie haben in Ihrer Pressekonferenz angekündigt, Sie würden mit den betreffenden Regierungsbezirken bzw. Landräten darüber verhandeln.

Ich weise darauf hin: Es besteht immer noch die Situation, dass Sie es auch zahlen müssen, wenn Sie etwas Neues erfinden, das die Landkreise oder Städte in irgendeiner Art und Weise belastet. Ich sehe nicht ein, dass Sie zulasten der Gemeinden und Städte große Dinge erfinden. Dann bitte ich, dass diese Kosten umfänglich aus dem ministeriellen Staatshaushalt beglichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Über alles Weitere können und müssen wir reden. Aber das ist die erste Marke, die man setzen kann, um auf dieser Ebene über den Verbraucherschutz zu diskutieren.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Stühle sind zwar drehbar, aber während der Aktuellen Stunde müssen Sie nicht unbedingt gedreht werden.

(Zuruf von der SPD: Wie im Wirtshaus!)

Gehen Sie halt bitte hinaus, wenn Sie etwas zu besprechen haben. Dann fällt es nicht weiter auf. Ansonsten bitte ich, in der Aktuellen Stunde mit etwas mehr Ruhe, zumindest mit etwas niedrigerem Lärmpegel fortzufahren.

Nächster Redner ist Herr Kollege Pohl von den Freien Wählern. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mir den Weg bereitet haben. Es ist gespenstisch still.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Professor Dr. Bausback - wo ist er denn? Da hinten. Auch ich möchte mit einem Zitat von Franz Josef Strauß beginnen: "Everybody's darling ist everybody's Depp". Ich sage Ihnen auch, warum ich dieses Zitat gewählt habe. Man kann

nicht in der Früh bei den Wirtschaftsverbänden aufschlagen und sich über immer mehr Bürokratie beklagen und am Abend einen überbordenden Verbraucherschutz predigen. - Ich bin der Letzte, der sagt, Verbraucherschutz sei überflüssig und unsinnig. Natürlich ist er das nicht. Aber, meine Damen und Herren wenn das Thema schon so weit gefasst ist, dann gestatte ich mir jetzt auch etwas allgemeinere Ausführungen - wir müssen beim Verbraucherschutz schon sehr genau im Blick haben, dass alles, was wir als "Schutz" bezeichnen, zwangsnotwendig mehr Gesetze, mehr Beamte und mehr Einschränkungen bedeutet. Die Beschränkung der Freiheit des einen ist der Schutz des anderen. Darauf sollen und müssen wir achten.

Wir haben in Deutschland, wir haben in Bayern schon einen umfassenden Verbraucherschutz. Das heißt nicht, dass wir die Augen zumachen können und sagen: Okay, alles gut, wir schlafen fünf Jahre und tun nichts. Nein. Dort, wo es notwendig ist, muss nachjustiert werden. Aber grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass wir eher weniger als mehr Vorschriften benötigen. Da hätte ich mir gerade vonseiten der CSU, die ja auch beklagt, dass die mittelständische Wirtschaft mit sehr viel Bürokratie belastet ist, ein paar Worte gewünscht. Die liberalitas Bavariae, Herr Professor Bausback, ist es gerade, die überbordenden Schutzmechanismen entgegensteht. Deswegen ist im Einzelfall sehr genau abzuwägen, ob eine Vorschrift notwendig ist oder nicht.

Ich sage Ihnen auch, dass ein weitergehendes Klagerecht von Verbrauchern aus meiner Sicht überflüssig ist. Die Frau Staatsministerin hat im Ausschuss das Beispiel gebracht, dass ein Zahnpastahersteller statt 100 Milliliter Zahnpasta nur 90 in seine Tube packt, aber 100 ml draufschreibt. Sie hat gefordert, dass sich der einzelne Verbraucher in einer Art Sammelklage wirksam wehren können soll. Ich sehe kein Bedürfnis für eine derartige neue Klageform. Wir haben das Wettbewerbsrecht, das das wesentlich effektiver verhindert. Wir haben Verbraucherschutzverbände, die mit anderen Mitteln als denen des Gerichts vorgehen können.