Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

Die Klage selbst ist ein sehr eindrucksvoller Beleg, in welchem Ausmaß die bayerische Regelung zur OnlineDurchsuchung verfassungsrechtliche Grundsätze missachtet. Es sind sowohl durch die Polizei als auch durch die Maßnahmen des Verfassungsschutzes zwangsläufig immer Dritte beteiligt. Die bayerische Regelung zur Online-Durchsuchung verstößt gegen das neu geschaffene Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Mit der heimlichen Wohnungsbetretung und der Computerausforschung ist zwangsläufig immer der Kernbereich privater Lebensgestaltung und die Unverletzlichkeit der Wohnung betroffen. Die Eingriffsschwelle ist sehr niedrig. Außerdem

kann der Richtervorbehalt umgangen werden. Man geht erst einmal in die Wohnung hinein, manipuliert zuerst den Computer und fragt hinterher den Richter, ob die Maßnahme von ihm auch gestattet worden wäre. Dann ist es natürlich zu spät.

Es gibt erhebliche Mängel bei den Benachrichtigungspflichten. Es kann sein, dass ein Betroffener nicht benachrichtigt wird, weil das Verfahren noch läuft und er sich in dieser Zeit gegen eine unrechtmäßige Maßnahme überhaupt nicht wehren kann. Dieser tiefe Eingriff in Grundrechte steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Damit fangen Sie keine Terroristen.

Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik. Es kann nicht angehen, dass das Bundesverfassungsgericht permanent gefordert ist, die Politik zu korrigieren. Hierzu darf ich Prof. Dr. Lepsius vom Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Universität Bayreuth zitieren:

In den letzten vier Jahren hat das Bundesverfassungsgericht jedes neue Sicherheitsgesetz, das im Zusammenhang mit der Antiterrorgesetzgebung auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand kam, für verfassungswidrig erklärt. Immer wieder stellte das Verfassungsgericht fest: Neue Sicherheitsgesetze schränken die individuellen Freiheitsrechte zu stark ein und verstoßen gegen Grundrechte.

Zu den heimlichen Maßnahmen sagt er:

Der Rechtsstaat zeigt kein offenes Gesicht mehr und geht vom verdächtigen Bürger aus. Die Maßnahmen zielen strukturell auf die Errichtung eines heimlich operierenden Überwachungsstaates ab. Sicherheitspolitiker und Parlamente haben das hinlängliche Gespür für den freiheitlichen Geist des Grundgesetzes verloren.

Dem wollen wir ein Ende setzen. Wir wollen, dass beide Gesetze so schnell wie möglich kassiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Andreas Fischer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben zum wiederholten Male eine Geisterdebatte. Ich habe eigentlich keine Lust, die Argumente alle noch einmal vorzutragen. Wir sind der Meinung, dass die Online-Durchsuchung verfassungswidrig ist. Wir sind der Meinung, dass es hier eine Änderung geben muss.

(Harald Güller (SPD): Dann sagen wir das in der Stellungnahme!)

- Das sagen wir doch deutlich. Deswegen gibt es jetzt zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit besteht darin, sich an einem Rechtsstreit zu beteiligen, und die andere Möglichkeit besteht darin, das Gesetz so zu reformieren, wie wir es gemeinsam mit dem Koalitionspartner tun werden, damit es verfassungskonform ist und unseren Vorstellungen entspricht. An diesem Weg sind wir dran.

(Harald Güller (SPD): Solange es nicht geändert ist, gibt man keine Stellungnahme ab! So einfach ist das für Sie also!)

Jeder weiß, dass dieses Gesetz früher in Kraft treten wird, also bevor eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung überhaupt ergehen kann.

Sie können beruhigt sein. Für uns ist es kein Problem, wie immer die Stellungnahme des Innenministeriums ausfallen wird. Auf diese Stellungnahme wird es genauso wenig ankommen wie auf die Stellungnahme, die Sie gerne hätten. Wir wissen, dass wir das Gesetz gemeinsam mit dem Koalitionspartner verändern werden, und das wird bald erfolgen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als letztem Redner in dieser Runde erteile ich das Wort Herrn Staatssekretär Dr. Bernd Weiß für die Staatsregierung.

(Harald Güller (SPD): Jetzt erklärt die Staatsregierung schon, ob wir eine Stellungnahme abgeben sollen! Ein interessantes Rechtsverständnis!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Güller, genau das wäre meine erste Adresse an Sie gewesen. Wir können Ihnen in diesem Hohen Hause natürlich nicht erklären, ob hier eine Stellungnahme abgegeben wird oder nicht. Ich erinnere mich an schöne Diskussionen im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags: Wenn denn eine Mehrheit in diesem Haus da wäre, die sagen würde, das sei alles verfassungswidrig - so wie Sie das tun -, dann wäre es eigentlich unsinnig, eine Stellungnahme abzugeben. Dann müsste das Gesetz vom Landtag geändert werden, weil es ein Landesgesetz ist.

(Harald Güller (SPD): Da haben Sie recht! Das sagen wir der FDP schon lange! Das Gesetz aufheben!)

Eine Stellungnahme in Ihrem Sinne abzugeben, das wäre ein bisschen absurd. Dass die Staatsregierung eine Stellungnahme abgibt, das ist selbstverständlich. Das wurde am 10. März im Kabinett beschlossen. Um das zu präzisieren: Die Koalition hält wie in der Koalitionsvereinbarung am Instrument der Online-Durchsuchung fest. Wir werden nur die gesetzlichen Umstände ausformen, sodass wir uns da auf einen Kompromiss zwischen zwei Koalitionspartnern einigen, den beide für tragbar halten. Das wollen wir hier ganz klar sagen.

(Zuruf des Abgeordneten Horst Arnold (SPD))

Das Grundgesetz erlegt dem Staat für seine Bürger auch Schutzpflichten auf. Sie können nun einmal nicht von der Hand weisen, dass sich die Welt geändert hat und terroristische Bedrohungen auch bei uns vorkommen können. Auch wenn mit solchen Überwachungsmaßnahmen ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre verbunden ist - ich habe bei mir im Innenministerium im Staatssekretärsbüro auch schon Berufsverbände beim Erlass des BKA-Gesetzes da gehabt -, so muss ich Ihnen doch vorwerfen, dass Sie einen Popanz von Überwachungsstaat aufbauen, der bei der Bevölkerung für eine Begriffsverwirrung sorgt. Dass der Begriff Online-Durchsuchung inzwischen als Synonym steht für Überwachungsstaat, ja schon fast für Orwell-Staat, das schürt bei den Bürgern Ängste, die erstens durch nichts gerechtfertigt sind. Zweitens wird es irgendwann unmöglich, dass der Schutz, den der Staat seinen Bürgern gewähren muss, überhaupt noch Akzeptanz findet. Die Bürger können nach dem, was vorliegt und was wir uns mit dem Koalitionspartner vorgenommen haben, auf den Schutz ihrer Privatsphäre vertrauen.

Wir werden an dem bestehenden Gesetz Änderungen vornehmen. Wir werden die Befugnis zur Wohnungsbetretung streichen. Wir werden auch Änderungen bei der parlamentarischen Kontrolle und bei der richterlichen Kontrolle vornehmen. Und wir werden den Schutz von Berufsgeheimnisträgern da, wo es notwendig ist, präzisieren.

Herr Arnold, ich sage es ganz deutlich, ich bin der Auffassung - das sieht der Koalitionspartner anders -, dass es verfassungsrechtlich nicht zwingend ist. Das sieht meine Partei mit mir so. Was wir hier tun, ist schon gar keine Beihilfe zum Verfassungsbruch. Wir werden also eine gemeinsame Lösung in der Koalition suchen, wie es Kollege Fischer gesagt hat. Wir werden das rechtzeitig tun, sodass sich die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht spätestens dann auch in den Augen unseres Koalitionspartners komplett erledigt haben wird. Für mich und für diejenigen, die dem Gesetz in seiner alten Fassung zugestimmt haben, ist es ohnehin jetzt schon der Fall.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz schlägt vor, dass der Landtag im Verfahren keine Stellungnahme abgeben sollte. Wer der Beschlussempfehlung des Verfassungsausschusses auf Drucksache 16/598 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Vielen Dank. Gegenprobe. - Danke schön. Enthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung Folge geleistet mit den Stimmen der CSU und FDP gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen. Somit also beschlossen.

Wenn Sie sich alle disziplinieren, dann schaffen wir noch Tagesordnungspunkt 17.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Eingabe betreffend Beschwerde gegen die Erweiterung eines Betriebsgebäudes mit gastronomischer Einrichtung (EB.0024.16.B)

Der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden hat sich mit der Eingabe in seiner Sitzung am 10. Februar 2009 befasst. Er hat beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären.

Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen.

Ich eröffne nun hierzu die Aussprache. Ich bitte, mit der Redezeit sparsam umzugehen. Als erster Rednerin darf ich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Scharfenberg das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Petitionsausschuss erleben wir immer wieder, dass Bauherren Tatsachen schaffen, die nur sehr schwer wieder aus der Welt zu bringen sind. Mit Bauen ohne Baugenehmigung haben die Ämter natürlich Tag für Tag ihre liebe Not. Im Petitionsausschuss erfahren wir aber auch, dass die zuständigen Bauordnungsämter oft sehr unterschiedlich mit solchen Vergehen umgehen.

Einen besonders krassen Fall erleben wir mit der vorliegenden Petition eines Bürgers aus dem Landkreis Berchtesgadener Land. Es muss festgestellt werden, dass das Landratsamt nur sehr verzagt vorgegangen

ist. Es hat keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, die sichergestellt hätten, dass die Einstellung des Schwarzbaus tatsächlich hätte durchgesetzt werden können. Das möchte ich ihm vorwerfen.

In der Gemeinde Bischofswiesen wurde Ende 2007 die Erweiterung eines bestehenden Gewerbebetriebes durch ein Ausstellungscenter genehmigt. Da es sich nach dem gültigen Flächennutzungsplan um landwirtschaftliche Nutzflächen handelt, wurde die Genehmigung im Rahmen der Teilprivilegierung nach § 35 BauGB erteilt. Am 30. April 2008 wurde mit dem Bau begonnen. Am 30. Juli wurde vom Landratsamt nach Hinweisen der Gemeindeverwaltung der Bau in zwei nicht genehmigten Bereichen eingestellt und ein Zwangsgeld von 4.500 Euro für den Fall der Nichteinhaltung angedroht. Das betraf im nördlichen Komplex Technik und Seminarräume, die zum Teil in den Hang hineingebaut wurden, und im südlichen Teil einen Wintergarten mit Restaurant-Betrieb mit 120 Sitzplätzen.

Über die Baueinstellung in den ungenehmigten Bauabschnitten berichtete auch die örtliche Presse. Trotzdem wurde munter weitergebaut. Am 30. September hat der Gemeinderat das Landratsamt auffordern müssen, ihn darüber zu informieren, weshalb die Baueinstellung nicht vollzogen werde. Der zuständige Baukontrolleur hatte am 8. August 2008 noch behauptet, keine Feststellung zum Baufortschritt in den Schwarzbauten machen zu können. Erst die Regierung von Oberbayern musste rührig werden und hat das Landratsamt dann im November dazu bewegen können, dass sich der Baukontrolleur ein Bild vor Ort machte. Erst am 7. November ist die Versiegelung der Baustelle angeordnet worden. Diese Versiegelung erfolgte am 11. November. Und da wurde noch vier Tage und vier Nächte lang munter weitergebaut, bis es dann wirklich zur Versiegelung kam. Und was schreibt das Innenministerium nun dazu in seiner Stellungnahme? Eine solch kurze Stellungnahme habe ich noch nie in meinem Leben gesehen, eine so dünne erst recht nicht. Es heißt dort: "Ein Fehlverhalten des Landratsamtes ist nicht erkennbar. Dieses hat im Rahmen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung den ihm zur Durchsetzung der baurechtlichen Vorschriften zur Verfügung stehenden Zwangsmitteln Gebrauch gemacht."

Das Innenministerium schreibt natürlich nicht, dass das viel zu spät erfolgte. Mehr schreibt es nicht. Warum wohl? - Jedes weitere Wort hätte gegen das Ministerium verwendet werden können. Da hält man sich lieber raus und ganz still; denn sonst kriegt jeder, der das liest, einen Anfall.

Die Mehrheit im Ausschuss hat diesen Umstand in der Petition zwar bedauert, aber darauf verwiesen, dass es halt hartnäckige Bauherren gibt. Dieser Ausschuss be

scheinigt genau wie das Innenministerium dem Landratsamt, alles richtig gemacht zu haben. Das entspricht nicht meiner Vorstellung, wie mit einer solchen Petition umzugehen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich halte das für ein ganz starkes Stück. Deshalb habe ich veranlasst, die Petition ins Plenum hochzuziehen, damit alle hier im Hohen Hause darüber entscheiden können. Denn die Gelegenheit, eine solche falsche Entscheidung des Petitionsausschusses zu revidieren, bekommen Sie, meine Damen und Herren, so schnell nicht wieder.

Wenn der Petitionsausschuss hier so viel Milde walten lässt, ist das doch eine Einladung an jeden Bauherrn, jede Bauherrin, sich genauso zu verhalten. Oder hat die Milde damit zu tun, dass der Bauherr Mitglied des örtlichen CSU-Vorstandes ist?

(Zuruf von den GRÜNEN: Hört hört!)

Auch die für die Einhaltung der Bauordnung zuständigen Behörden könnten dies missverstehen und ebenfalls mit oder ohne Absicht dazu beitragen, dass Schwarzbauten praktisch zur Vollendung gelangen. Das kann doch wohl nicht sein, meine Damen und Herren! Das ist keine gerechte Politik, das ist Klientelpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wird immer wieder auf die hohen Zwangsgelder und das noch laufende Ordnungswidrigkeitsverfahren mit einer zu erwartenden hohen Geldbuße hingewiesen.

Da Bauherr und Architekt von Anfang an auf einer Werbetafel den Restaurantbereich dargestellt haben, muss man von Vorsatz sprechen. Das machen wir nicht mit, und deswegen beantragen wir GRÜNE, bezüglich dieser Petition einen Berücksichtigungsbeschluss zu fassen.