Protokoll der Sitzung vom 31.03.2009

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, schon das Thema Winnenden ansprechen - ein schrecklicher Vorgang, bei dem keiner von uns wirklich genau weiß, was da passiert -, so wissen wir übereinstimmend doch eines: Mehr Aufmerksamkeit und mehr Zuwendung für die Kinder außerhalb der Familie, an den Schulen -

(Ministerpräsident Horst Seehofer: In den Famili- en!)

- Dort sowieso, das ist unbestritten. Aber in der Schule bekommen die Kinder vor allem durch Schulsozialarbeit und durch Schulpsychologen mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung, weil diese die Zeit und die Ausbildung haben, um mit Kindern und mit Jugendlichen zu arbeiten. Wenn ich mir überlege, wie Ihre Ausbauschritte bei der Schulsozialarbeit aussehen, dann müssen wir 100 Jahre warten, bis an jeder Schule wenigstens ein Schulsozialarbeiter ist.

(Zuruf von der SPD)

Ich würde deshalb dringend bitten, dass wir an dieser Stelle mehr tun.

(Beifall bei der SPD)

Nächstes Thema: Hochschule. Die Studentenzahlen steigen. Der doppelte Abiturjahrgang kommt im Jahre 2011 an die Hochschulen. Ich glaube, Bayern ist darauf

nicht vorbereitet. Wir haben eine Überlast von 200 % an unseren Hochschulen, und die Zahl der Studienplätze, die jetzt geschaffen wird, ist an sich zwar positiv. Auch hierfür stehen 280 Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm des Bundes für Bayern zur Verfügung. Aber -

(Alfred Sauter (CSU): Sollen wir das Geld ablehnen? - Harald Güller (SPD): Nein, eigenes Geld dazugeben!)

- Nein, das ist wunderbar. Aber der Bund hilft Ihnen, die Dinge zu machen, zu denen Sie nicht in der Lage sind. Das ist es, was ich sagen will.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das wäre Aufgabe des Freistaates Bayern. Was haben die Bayern zu Recht in der Föderalismuskommission dafür gekämpft, die alleinige Zuständigkeit für Bildung und Hochschulen zu bekommen. Aber zahlen lassen Sie den Bund, oder?

(Zuruf von der CSU: Wir zahlen aber Milliarden!)

Sie wollen allein zuständig sein, aber Sie sind nicht in der Lage, die eigenen Aufgaben zu erfüllen.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin dankbar, dass der Bund uns hilft.

Zur Sozialpolitik nur einige wenige Bemerkungen: Der Armutsbericht ist da, viele Jahre zu spät, aber immerhin. Es ist gut, dass er nun vorliegt, denn es ist keine Schande, wenn es in einem Land Armut gibt. Es ist aber eine Schande, wenn man Politik macht, die Armut nicht bekämpft. Das müssten wir mehr tun.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben kein Konzept zur Bekämpfung der Kinderarmut.

(Georg Schmid (CSU): Aber wir machen gute Arbeitsmarktpolitik!)

Es gibt keine Verbesserungen bei der Pflege und weiterhin keine Förderung der stationären Altenhilfe. Den Arbeitsgemeinschaften Schwierigkeiten zu machen, ist kein guter Weg. Da hätte ich mir gewünscht, dass die CSU in Berlin dem Vorschlag der CDU-Ministerpräsidenten gefolgt wäre. Das hätte den Arbeitslosen und den Arbeitssuchenden geholfen.

Eine sozial gerechte Politik ist entscheidend für die gesellschaftliche Verfassung und für den Zusammenhalt unseres Landes. Dazu gehört die Integration der Migrantinnen und der Migranten. Ich möchte anregen,

Frau Präsidentin, wenn wir hier in diesem Hause 60 Jahre Grundgesetz feiern, gezielt Organisationen der Migrantinnen und Migranten einzuladen, um sie an einer Feier für unsere Verfassung teilhaben zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Bravo! - Beifall bei der SPD)

Das wäre gut und auch ein Zeichen des Bekenntnisses von Mitbürgerinnen und Mitbürgern ausländischer Herkunft zu unserer deutschen Verfassung.

Zum sozialen Zusammenhalt und zu einer sozialen Politik gehören auch Rechtsstaatlichkeit und Liberalität. Dazu gehört auch, erfreulicherweise, dass das Bundesverfassungsgericht Ihr Versammlungsgesetz zurückgewiesen hat. Wir erwarten von Ihnen auch, dass Sie beim Thema "Online-Durchsuchungen" zu einem Weg kommen, der ebenfalls rechtsstaatlichen Prinzipien gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zusammenfassend kann ich sagen: Bei Ihnen zählt nicht das Erreichte, Ihnen reicht das Erzählte.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das ist deswegen dürftig, weil ich möchte, dass es Bayern gut geht, dass wir mehr tun können, um uns gegen die dramatischen Folgen der Wirtschaftskrise zu stemmen und den Menschen die Angst vor ihrer Zukunft zu nehmen. Denn nicht Furcht ist gefragt, sondern Tatkraft, nicht Versprechungen, sondern Investitionen und Klarheit, nicht hin und her, heute so und morgen so, sondern ein wirklich klarer Kurs. Das wäre gut für unser Land.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Maget. Für die Fraktion der Freien Wähler erteile ich nun Herrn Kollegen Aiwanger das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo steht Bayern heute, und wo wollen wir hin, wo wollen wir auch mit diesem Doppelhaushalt hin? Es geht zunächst einmal darum, festzustellen, dass die jetzige Staatsregierung durchaus von dem abweicht, was bisher als der große, richtige Weg deklariert worden ist, dass die jetzige Staatsregierung zumindest Kritik zur Kenntnis nimmt und dass die jetzige Staatsregierung auf Vorschläge der Opposition, wenn auch nicht direkt, so aber doch in ihren Ankündi

gungen und in ihrem Regierungshandeln - so will ich es hoffen - reagiert.

Blicken wir zurück: Kurz vor der Landtagswahl, meine Damen und Herren, war in Bayern alles in Ordnung, da ist hier Milch und Honig geflossen, zumindest in den offiziellen Darstellungen. Da war auch bis zum Wahlabend das Problem der Landesbank ein sehr kleines. Es waren vielleicht 100 Millionen Euro, über die hier öffentlich diskutiert worden ist. Aber schon kurz darauf sind einige Nullen hinzugekommen. Das Thema Landesbank beschäftigt uns weiterhin und wird uns noch über Jahre hinweg massiv beschäftigen. Es wird mit Sicherheit im nächsten Doppelhaushalt voll durchschlagen. Bisher schaffen wir es ja noch über die angehäuften Rücklagen aus den guten Jahren, diesen Betriebsunfall der bayerischen Landespolitik einigermaßen zu kaschieren. Aber dieser Betriebsunfall wird sich in den nächsten Jahren sehr massiv auswirken, und er wird uns sehr massiv zu schaffen machen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin im Zusammenhang mit der Bildungspolitik die zunehmende Dialogbereitschaft angesprochen und auch Ihre Bereitschaft, auf Bevölkerungsgruppen zuzugehen, vielleicht auch auf die Opposition zuzugehen. Das begrüßen wir. Das begrüßen wir in aller Form.

Ich muss sagen, leider Gottes passiert das erst jetzt. Wenn man gerade im Bereich der Bildungspolitik, gerade im Bereich der kommunalen Themen eher auf die Betroffenen zugegangen wäre, hätte man viele Themen schon klären können, bevor es zu diesem massiven Vertrauensverlust und zum Verlust der absoluten Mehrheit gekommen ist. Aber ich sage noch einmal: Es war gut so, dass diese Mehrheit gefallen ist, weil damit die Diskussion offener geworden ist.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Die Bildungspolitik draußen, die angekündigten Dialoge in den Landkreisen mit der Schulfamilie, mit den Kommunalpolitikern, mit den Lehrern, diese Dialogforen begrüßen wir, meine Damen und Herren. Wir begrüßen sie ausdrücklich, aber natürlich muss diese Diskussion in der Fläche und sehr schnell passieren, und sie darf sich nicht auf Pilotprojekte beschränken.

Das scheint mir auch eine Erkenntnis zu sein: Man erkennt viele Dinge als nicht richtig, man sieht Handlungsbedarf und bietet Konzepte an, erstickt aber dann in Pilotprojekten.

Noch einmal zurück: Wir begrüßen es, dass bei vielen Themen ein Umschwung erkennbar ist, dass man sagt, wir müssen umsteuern. Ich werde das an einzelnen Themen noch weiter vertiefen. Leider bleibt man häufig in den Ankündigungen stecken. Man kündigt an, man

legt vielleicht noch gewisse Grundlagen für Pilotprojekte, dann ist es aber auch schon gut so. Das ist für uns eben nicht gut so. Wir fordern Sie auf - und damit würde ich auch vielleicht mein Referat überschreiben -, die Dinge zu Ende zu bringen, die Dinge nicht nur anzudenken, die Dinge nicht nur anzukündigen, die Dinge nicht nur anzustoßen, sondern sie zu Ende zu bringen.

Auf diesem Weg und bei dieser Arbeit können Sie sich auf das verlassen, was ich damals anlässlich Ihrer Regierungserklärung gesagt habe: Wir sind bereit, vernünftige Konzepte auf den Tisch zu legen. Wir sind bereit, diese Dinge zu begleiten, wenn Sie auf unsere Hilfe angewiesen sind. Aber in diesem Zusammenhang ist es dann - ich will nicht sagen - entmutigend, aber zumindest ernüchternd, wenn man Antrag für Antrag einbringt, gut fundierte Vorschläge macht, beispielsweise mehr Verwaltungspersonal in den Schulen einzusetzen, um Lehrkräfte freisetzen zu können, um die knappen Lehrerstunden zu entlasten, und wenn all diese Dinge dann ohne eine greifbare Begründung abgelehnt werden.

Meine Damen und Herren, das ist auch eine Botschaft an Sie, vielleicht genauer hinzuschauen, vielleicht die Dinge nicht unbedingt in den Papierkorb zu werfen, selbst wenn Sie ihnen heute nicht zu einer Mehrheit verhelfen, aber zumindest in einem halben Jahr, wobei wir dann schon gar nicht mehr sagen, dass der Vorschlag von uns kam. Ich bitte Sie also, das wieder auf den Tisch zu legen, das zu Ende zu bringen, weil uns an diesen politischen Inhalten etwas liegt.

Gerade im Bereich der Bildungspolitik ist, glaube ich, der Dialog der Weg, den wir beschreiten müssen, dieses Einbeziehen der Betroffenen und die Klarheit in den Zielen. Reden Sie draußen mit den Hauptschulvertretern, mit den Kommunalpolitikern. Sie sind in vielen Dingen völlig sprachlos, sie sind ohne Information. Sie bitten uns Abgeordnete: Bitte, hört einmal genau hin, ich habe da etwas läuten gehört, aber etwas Genaues erfahre ich nicht.

Meine Damen und Herren, allein der Umstand, dass die Basis draußen verunsichert ist, dass die Menschen an der Basis nicht wissen, was morgen in der Hauptschuldebatte auf dem Tisch liegen wird, zeigt, dass der Dialog noch nicht so funktioniert, wie er funktionieren müsste. Die Leute draußen warten auf klare Botschaften, warten auf eine Beteiligung. Daher fordere ich Sie auf, endlich die Angst abzulegen, das Volk könnte sich verselbstständigen. Wir müssen das Volk einbinden, weil wir sonst scheitern werden.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Meine Damen und Herren, Dialogforen zur Bildungspolitik sind das eine, die Kenntnisnahme der Sorgen

das andere. Gerade in der Bildungspolitik brauchen wir Perspektiven. Wir als Freie Wähler haben immer gesagt: Wir fordern hier nicht eine Revolution, nicht die ganz großen Strukturdebatten, die wieder die kleinen Baustellen zuschütten, aber wir fordern jetzt ganz konkret zur Zukunft der kleinen Hauptschulen eine greifbare Aussage.

(Beifall bei den Freien Wählern und des Abgeord- neten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Hier geistern wieder verschiedenste Aussagen durch die Öffentlichkeit. Gibt es eine Mindestschülerzahl, damit Hauptschulen eine Zukunft haben - in Klammern: 300 ? -, oder gibt es das nicht? Wir haben hierzu vor einigen Wochen einen Antrag eingebracht mit der Stoßrichtung, flexibler an die Mindestschülerzahl herangehen zu können, um kleine Schulstandorte retten zu können. Sie haben sich dem mit einem gleichlautenden Dringlichkeitsantrag in etwa angeschlossen. Dieser Antrag hat sich dann aber wieder darin erschöpft, Konzepte zu erarbeiten.