Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, aufgrund der seit vielen Jahren anhaltenden Überlastung der Justiz nimmt insbesondere in Richtervereinigungen die Diskussion über Formen der Selbstverwaltung der Justiz erheblich zu. Die Diskussion ist nicht aus Profilierungssucht entstanden, sondern wegen der Unzufriedenheit vieler Justizangehöriger darüber, wie mit ihnen umgegangen wird. Es muss erschrecken, wenn zur Begründung der Forderung nach Selbstverwaltung der Justiz auf angeblich gehaltlose Gesetze und administrative Rationalisierungen und auf die sogenannte Verbetriebswissenschaftlichung der Justiz verwiesen und wenn behauptet wird, dass ein exekutivisch gesteuertes justizielles Beförderungs- und Beurteilungswesen durch psychologische und soziale Zwänge zu einem System richterlichen Opportunismus und damit zu einer ernst zu nehmenden Gefahr für die richterliche Unabhängigkeit geführt habe. Ich mache mir nicht jede dieser Einschätzungen zu eigen und habe größte Bedenken, was die demokratische Legitimation einer selbstverwaltenden Justiz betrifft. Theoretische Diskussionen reichen aber nicht aus, um die Argumente für die Selbstverwaltung der Justiz zu entkräften.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich will und kann nicht unter den Tisch kehren, dass es an manchen Stellen in der Justiz in Bayern ganz erheblich knirscht. Man müsste jetzt reden über den Vorgang in Nürnberg, als Untersuchungsgefangene freigelassen werden mussten, weil die Hauptverhandlung nicht rechtzeitig terminiert worden ist, nachdem eine Überlastungsanzeige der zuständigen Kammer nicht beachtet worden ist.

Man müsste auch reden über die sonstigen Vorkommnisse bei der Justiz in Nürnberg. Das kann ich angesichts der Zeit nicht. Ich sage nur so viel: Uns geht es darum, diese Vorkommnisse im Detail aufzuklären, weil uns daran liegt, dass das Ansehen der Justiz nicht beschädigt wird.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb wollen wir Aufklärung - zu keinem anderen Zweck.

Man müsste auch über den Streit innerhalb der Koalition über die Besetzung der Stelle eines Generalstaatsanwalts in Bamberg reden. In München, meine Damen und Herren, warten wir gespannt, was eigentlich aus den Anzeigen gegen die Verantwortlichen bei der Bayerischen Landesbank wird.

Meine Damen und Herren, die alte Regierung, das Ancien Régime, wie es genannt worden ist, hat in der letzten Periode bei der Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes noch ein beachtliches Tempo vorgelegt. Wir warten aber bis heute auf einen Gesetzentwurf zum Vollzug der Untersuchungshaft. Nachdem die Länder jahrzehntelang Bemühungen des Bundes, den Vollzug der U-Haft auf gesetzliche Grundlagen zu stellen, boykottiert haben, stellt sich schon die Frage, warum die Staatsregierung jetzt so zögerlich ist, auch diese neue Kompetenz auszufüllen.

Meine Damen und Herren, noch ein paar Anmerkungen zum Justizvollzug. In der letzten Periode ist nach intensiven Beratungen ein neues Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet worden. Die Probleme des Strafvollzugs sind damit aber nicht gelöst worden. Der Gefangenenstand ist nach wie vor auf hohem Niveau. Trotz des Neubaus in Landshut, der Erweiterung in München und den geplanten Neubauten besteht weiterhin ein Defizit an Haftplätzen. Von dem Ziel, langfristig alle Gefangenen in Einzelhafträumen unterzubringen, sind wir noch ganz weit entfernt. Es gibt keine Gewissheit, meine Damen und Herren, sondern nur die Hoffnung, dass es in Bayern, wenn es Nacht wird, in einer Gemeinschaftszelle mit bis zu acht Mann nicht auch zu Vorfällen wie in Siegburg kommt.

Meine Damen und Herren, die seit Jahren anhaltende Überbelegung in den Anstalten, die Umstände, dass ein Großteil der Strafgefangenen deutlich sozialisationsgeschädigt ist, dass viele auch Alkohol- und Drogenprobleme haben, dass fast ein Drittel Ausländer sind und die Verständigung nur mit Gesten möglich ist, dass über die Hälfte der jugendlichen Strafgefangenen wegen Gewaltdelikten einsitzt, dass etwa 700 Stellen im Justizvollzug fehlen, dass in den Anstalten Mitarbeiter in vier verschiedenen Wochenarbeitszeiten nebeneinander Dienst tun, dass die Beschäftigten Schichtdienst leisten und auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen, erschweren den ohnehin nicht leichten Dienst ganz erheblich. Dennoch wird dort eine hervorragende Arbeit geleistet. Dafür möchte ich auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich danken.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schindler. Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Alexander Radwan. Bitte schön, Herr Radwan.

Herr Präsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu meinem Vorredner gibt es zumindest einen Konsens: Das ist der Dank an die Justiz für den Einsatz der Justiz, der Richter, der Staatsanwälte, des Justizvollzugs für die her

vorragende Leistung, die dazu beiträgt, dass das Justizwesen in Bayern ein hohes Ansehen hat, eine hohe Verlässlichkeit und Grundlage für die Demokratie und für die Wirtschaft in unserem Staate ist. Das sollten wir immer wieder zu Beginn der Diskussion hochhalten und den Diskussionen zugrunde legen.

Zu dem hohen Ansehen nenne ich einige Zahlen. In Bayern beträgt die Dauer bei Zivilverfahren bei Amtsgerichten 3,9 Monate im Schnitt, deutschlandweit sind das 4,5 Monate. Bei der Staatsanwaltschaft sind es in Bayern 1,2 Monate, im Bundesdurchschnitt 1,7 Monate. Da ist Bayern Nummer eins. Beim Landgericht erster Instanz haben wir in Bayern 7,7 Monate im Schnitt, bundesweit 8,2 Monate. Bei Strafsachen erster Instanz sind es in Bayern 5,6 Monate, bundesweit 6,3 Monate.

Bayern ist im Bereich der Justiz im bundesweiten Vergleich hervorragend positioniert. Wenn ich eine Haushaltsdiskussion führe und ich mich in Etatberatungen entsprechend äußere, muss ich dieses zugrunde legen.

Das heißt, wir müssen das hohe Niveau der bayerischen Justiz halten und ausbauen. Wir dürfen die bayerische Justiz nicht runterreden.

Der Haushaltsplan 2009/2010 sieht für das Jahr 2009 eine Steigerung um 4,9 % - um 85,7 Millionen Euro und im Haushaltsjahr 2010 um 40 Millionen Euro und damit um 2,6 % vor. Im Rahmen des Konjunkturprogramms fließen 12,3 Millionen Euro insbesondere in Umbauten und Erweiterungen, in den Kfz-Bestand, in die Info-Plattformen und in die Modernisierung der Informationstechnik - IT -.

In der Koalitionsvereinbarung wurden 400 zusätzliche Stellen festgelegt. In den Jahren 2009 und 2010 sind dementsprechend 229 Stellen vorgesehen. Für die Bewährungshelfer - die Zahlen wurden bereits genannt gibt es 15 Stellen und im Justizvollzug - der größte Anteil - 214 Stellen. Ich glaube, die Opposition stimmt zu, dass die Personalaufstockungen notwendig sind. 30 davon gibt es für den Jugendstrafvollzug, und 92 Personen werden für die neue Justizvollzugsanstalt in Augsburg benötigt. 12 Stellen gibt es zusätzlich für ganz Bayern. Sehr wichtig ist für das Personal auch die Perspektive, nämlich über 600 Stellenhebungen.

Für Richter und Staatsanwälte haben wir zehn Stellen vorgesehen. Dafür danke ich dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der, obwohl ich mit ihm rede, fluchtartig den Raum verlässt. Ich danke auch dem Finanzminister und der Justizministerin, dass dies möglich ist. Es ist ein wichtiges Zeichen an die Richter und Staatsanwälte für ihre Arbeit. Wir sehen das als einen Einstieg in die Weiterentwicklung und Optimierung der bayerischen Justizpolitik. Wichtig ist aber auch, dass es in diesem Bereich erhebliche Stellenhebungen gibt.

Von den 652 Stellenhebungen sind 581 kostenwirksam und 71 kostenneutral.

Der Sachhaushalt hat eine Steigerung für den Betrieb von Gerichten von 5 Millionen Euro erfahren und entsprechend 8,9 Millionen Euro Erhöhung für das Jahr 2009 auf 86,8 Millionen und 2010 um 4,2 Millionen Euro auf 91,1 Millionen Euro. Für die Baumaßnahmen zum Erhalt sind 827.000 Euro vorgesehen. Wichtig ist der Hochbau, der für die Justiz vorgesehen ist. Dafür werden für jedes Jahr 27 Millionen Euro vorgesehen. Das sind 3,28 Millionen Euro mehr pro Jahr als bisher. Das betrifft insbesondere die Justizvollzugsanstalt in Augsburg.

Lassen Sie mich etwas zu den Projekten sagen. In der Justiz haben wir die ersten beiden Public-Private-Partnership-Projekte - PPP-Projekte -, die im Hochbau als Probe laufen. Der Haushaltsausschuss hat sich letzte Woche die neue JVA Stadelheim für Frauen und Jugend angesehen. Sie wird in Kürze in Betrieb gehen. Wir werden mit der Realisierung der Justizvollzugsanstalt in Augsburg beginnen.

Bei meinen Diskussionen im Ausschuss und mit der Verwaltung - der Obersten Baubehörde, im Justiz- und dem Finanzministerium - äußerte ich die Bitte: Gehen wir an die PPP-Projekte ohne Vorbehalte heran. Es handelt sich um zwei Testläufe. Man hat bestimmte Erwartungen. Manche Diskussionen zeigen, dass es bestimmten Leuten darum geht, die Probleme, die bei neuen Projekten auftreten, als Argumente darzulegen, warum ein solches Projekt scheitern muss. Man kann eine solche Diskussion unter dem Gesichtspunkt führen, Argumente für das Scheitern zu suchen. Man kann die Diskussion aber auch unter dem Gesichtspunkt führen, etwas optimieren zu können. Geben Sie den PPPProjekten im Hoch- und im Tiefbau eine realistische Chance. Ich bin der Meinung, Sie haben diese Chance verdient. Die CSU-Fraktion wird alles daran setzen, zu beweisen, dass das ein zukunftsfähiges Modell zur Finanzierung von staatlichen Ausgaben ist. Eines habe ich in der gesamten Haushaltsberatung erkannt; denn ich höre der Opposition aufmerksam zu. Die Lösung des Zielkonflikts haben Sie uns bisher nicht dargelegt.

(Beifall bei der CSU)

Bis jetzt ist es so: Auf der einen Seite fordern Sie - nicht nur für den Justizhaushalt, sondern für alle Bereiche mehr Stellen und mehr Ausgaben. Andererseits stehen Sie positiv zu sparsamen Haushalten. Sie wollen die Bürger nicht belasten. Das alles sind wunderbare Forderungen. Vielleicht könnte aber im Rahmen der gesamten Haushaltsdebatte ein Mitglied der Opposition hervortreten und kundtun, wie dieser Zielkonflikt gelöst

werden soll. Ansonsten ist zu sagen: Ihre Politik ist unseriös. Sie gaukeln den Menschen etwas vor.

(Zuruf von der SPD: Stichwort Steuerentlastung!)

- Kommen Sie her. Ich habe Sie aufgefordert, das darzulegen.

Wir sind diejenigen, die regelmäßig sagen, es gäbe mehr Wünsche, diese seien aber nicht realisierbar. Das Einzige, worum ich Sie bitte, ist, uns zu erklären, wenn Sie in einem Ressort mehr Ausgaben wollen, wo Sie einsparen. Das ist ein ganz frommer Wunsch, dies darzulegen.

(Beifall bei der CSU)

Ansonsten war das Stichwort "Entlastung der Bürger". In der Situation, in der die Haushalte deutschlandweit explodieren, ist es das Gebot der Stunde, haushaltstechnisch seriös zu handeln.

Nachdem wir heute den Haushalt zur Justiz und zum Verbraucherschutz beraten, schließe ich eine Anmerkung zum Verbraucherschutz an. Meine Damen und Herren, Sie dürfen den Verbraucherschutz in der heutigen Zeit nicht als ideologisches Vehikel verwenden. Verbraucherschutz, um Menschen zu bevormunden und ihnen zu erklären, was sie zu machen oder zu unterlassen haben, ist nicht der richtige Weg.

(Christine Stahl (GRÜNE): Wer will denn das?)

Verbraucherschutz darf keine Ersatzideologie werden. Wir können uns gerne bei den thematischen Bereichen darauf einlassen, inwieweit über den Verbraucherschutz den Menschen Vorgaben der eigenen Vorstellungen gemacht werden. Mein Credo ist: Die Bürger müssen entsprechend ihrer eigenen Verantwortung Transparenz und Informationen bekommen. Es darf keinen Zielkonflikt geben, dass am Montag bürokratische Monster bekämpft werden und am Dienstag neue geschaffen werden. Das ist kein effizienter Verbraucherschutz für die Menschen und für die Unternehmen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Wer will das denn?)

- Frau Kollegin, Sie können sich darauf verlassen, dass ich dann, wenn die entsprechenden Vorschläge und Initiativen kommen, Sie darauf hinweisen werde. Dann können Sie mir erklären, ob das mehr oder weniger Bürokratie ist und inwieweit der Verbraucher ideologisch bevormundet wird. Das ist mein Wunsch an das neue Gebiet im Justizministerium, Frau Ministerin. Die CSUFraktion wird gemeinsam mit Ihnen daran arbeiten.

(Beifall bei der CSU)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Bernhard Pohl das Wort. Bitte schön, Herr Pohl.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu früheren Zeiten waren die Bereiche innere Sicherheit und Rechtspolitik einmal das Markenzeichen der CSU. Heute ist das Profil der CSU ein Gemischtwarenladen. Das Profil der CSU wechselt wie die Farben in der Allianz-Arena am Abend.

(Erwin Huber (CSU): Immer noch besser als bei den Freien Wählern!)

- Herr Kollege Huber, zu Ihren Zeiten war natürlich alles besser. Aber diese Zeiten sind eine Zeitlang vorbei.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Seit dieser Legislaturperiode, meine Damen und Herren, zeigt sich der Gemischtwarenladen auch im Ressort des Justizministeriums; denn man hat, weil das Justizministerium für sich genommen als zu unbedeutend angesehen wird, auch den Verbraucherschutz hinzugenommen. Man könnte auch sagen, man will eine Ministerin zur Superministerin hochstilisieren. Man hat ihr neben dem Bereich der Justiz auch den Verbraucherschutz gegeben. Unsere Superministerin setzt aber falsche Schwerpunkte; denn der Begriff Justiz wird ganz klein geschrieben. Ganz groß prangt nun über dem Ministerium der Verbraucherschutz. Die Belange der Justiz müssen dahinter zurücktreten.

Der Bedeutungsschwund der Justiz innerhalb der CSU hat sich in den vergangenen Jahren schon deutlich gezeigt. Ich beklage nach wie vor die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, eines Markenzeichens bayerischer Justiz. Ich nenne Professor Dr. Hans Putzo oder Professor Dr. Walter Odersky, der Präsident des Bayerischen Obersten Landesgerichts war und später Präsident des Bundesgerichtshofs wurde. Das sind exzellente Richter, exzellente Wissenschaftler, die das Bayerische Oberste Landesgericht hervorgebracht hat.

Dieses Markenzeichen, diesen Exportschlager rationalisieren wir weg, weil damit eine Million Euro im Jahr eingespart werden. Daran sieht man schon die Durchsetzungsfähigkeit einer Justizministerin innerhalb eines Kabinetts und deren Stellenwert.

Wenn Sie sich ansehen, wie wir anfangs der Legislaturperiode die Vorsitze der Ausschüsse verteilt haben, erkennen Sie, dass es kein Zufall ist, dass die CSU weder den Vorsitz im Innenausschuss noch den Vorsitz im Justizausschuss haben wollte, sondern andere Prioritäten gesetzt hat.

Sichtbarstes Zeichen dieses Bedeutungsverlustes der Justiz ist die Personalausstattung. Ja, Frau Justizministerin, Sie haben gekämpft; das glaube ich Ihnen, Sie sagen, Sie hätten sich mehr vorstellen können. Es ehrt Sie, dass Sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben. Aber Sie haben verloren. Seit 1998 sind es 15 Richterstellen weniger. Von 2007 auf 2008 waren es dann 7,4 Stellen mehr; das ist eine Steigerung um 0,37 %. Davor waren es 15 Richter weniger! Aber der Verbraucherlotse ist der große Wurf; das freut Sie selbstverständlich. Der Verbraucherlotse steht an erster Stelle in diesem Ministerium. Dass wir demgegenüber vielleicht darüber nachdenken sollten, die Zahl der Richterstellen zu erhöhen, weil die Richter mit ihrer Arbeit nicht mehr zurande kommen und weil die Staatsanwaltschaften überlastet sind und damit natürlich auch die Qualität mittel- und langfristig leidet, das wird nicht gesehen. Das wird einfach negiert.

(Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Michael Piazo- lo (FW))

Eine funktionierende Justiz - da rede ich nicht nur von der Strafjustiz, sondern auch von der Zivilgerichtsbarkeit, die so gut wie gar nicht in Ihrem Vortrag vorkam, Frau Justizministerin - ist und bleibt ein wichtiger Standortfaktor auch für die Wirtschaft. Sie wissen, was es bedeutet, fünf Jahre in langwierigen Verhandlungen zu stecken, wie das im europäischen Ausland teilweise der Fall ist.