Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

(Unruhe)

Darf ich auch die an den Lippen des Herrn Ministerpräsidenten hängenden Kollegen höflich bitten, ihre Plätze einzunehmen? Wir wollen die heutige Tagesordnung ordnungsgemäß zu Ende bringen.

(Unruhe)

Bevor wir in die Aussprache eintreten, mache ich nochmals darauf aufmerksam, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hierzu namentliche Abstimmung beantragt hat.

Ich eröffne nun die Aussprache. Es ist eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion vereinbart. Als erste Red

nerin hat Frau Tausendfreund das Wort. Bitte schön, Frau Tausendfreund.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt ist gestern Abend und vorgestern Abend von der Tagesordnung genommen und heute auf die Tagesordnung gesetzt worden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Frau Tausendfreund, einen Moment bitte. Ich bitte, dass wir auch dem letzten Tagesordnungspunkt die nötige Aufmerksamkeit widmen. Bitte schön, Frau Tausendfreund, Sie haben das Wort.

Ich bitte Sie, diese Ermahnung nicht von meiner Redezeit abzuziehen.

Selbstverständlich.

Die Autobahndirektion Südbayern hat im letzten November das erste Zwischenergebnis der Machbarkeitsstudie zum Bau des Autobahn-Südrings präsentiert. Es geht, wie Sie wissen, um die seit Jahrzehnten schwelende Autobahnplanung quer durch die Wälder und Gemeinden südlich von München. In regelmäßigen Abständen haben die Autobahnfetischisten die Debatte immer wieder angezettelt, zuletzt in der vorletzten Legislaturperiode die Kollegin Roswitha Riess und der Kollege Prof. Dr. Peter Paul Gantzer mit der leeren Versprechung der Verkehrsentlastung für die Bevölkerung im Norden und Osten von München zum Preis blinder Naturzerstörung im Süden.

Der damalige Innenminister Günther Beckstein hat den Ball aufgegriffen und dieses Projekt zu einem seiner Lieblingsprojekte gemacht. Dieses Mal geistern wieder besonders absurde Argumente durch die Lande: Ein Autobahnring sei nur ein Ring, wenn er geschlossen sei; die Erholungsfunktion sei nicht beachtenswert, weil die Anzahl der Erholungssuchenden verschwindend gering sei;

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

an Autobahnböschungen entstünden wieder neue Naturräume, und nicht zu vergessen das Märchen von der Öko-Autobahn im Tunnel. Der ADAC hat extra ein A 99Ringbuch herausgebracht, ein ziemliches Lobbymachwerk.

Die Vernunft hat sich dieses Mal nicht durchgesetzt. Stattdessen sind in der Geisterdebatte um den untoten

Autobahnsüdring die verkehrspolitischen Geisterfahrer unterwegs. Die Machbarkeitsstudie wird uns als ergebnisoffen verkauft. Die Autobahnbefürworter wollen mit der Machbarkeitsstudie aber gerade belegen, dass der Nutzen dieser Autobahn über allen anderen Argumenten steht. Wir wissen, mit welchen statistischen Tricks der Nutzen-Kosten-Faktor in die Höhe getrieben werden kann. Zu hohe Entlastungswirkung hier - herunter gerechnete Kosten dort.

Nach dem vorgestellten Zwischenergebnis steht jetzt schon fest: Der Bau der Autobahn ist unter keinem Gesichtspunkt vertretbar. Der verkehrliche Nutzen ist fragwürdig. Das Projekt ist nicht finanzierbar - schon gar nicht, wenn Teile im Tunnel verlaufen -, und es ist ökologisch eine Katastrophe. Nach diesem Zwischenergebnis wollen wir den Befürwortern der Autobahn nicht das Hintertürchen offen lassen, an den Stellschrauben der Bewertungskriterien so lange herumzudrehen, bis das Ergebnis passt. Die Analyse der sogenannten Raumwiderstände hat ergeben, dass im gesamten Untersuchungskorridor fast ausschließlich äußerst hohe und sehr hohe Raumwiderstände bestehen. Der ganze Untersuchungskorridor ist hier in dunkelrot und lila eingezeichnet, obwohl die einzelnen Kriterien sogar zu niedrig eingewertet worden sind. Es existiert kein geeigneter Straßenkorridor. In einem so bewerteten Gebiet wird heutzutage in ganz Deutschland keine Autobahn mehr geplant.

Mit Raumwiderstand ist nicht der zu erwartende Widerstand der Bevölkerung gemeint. Der ist im Übrigen auch äußerst hoch und äußerst hartnäckig und wird von den Kommunalpolitikern aller Couleur, gerade auch von den CSU-Bürgermeistern, unterstützt und getragen. Mit dem untersuchten Raumwiderstand sind die Werte gemeint, auf die zwingend Rücksicht genommen werden muss: Wohngebiete, Lebens- und Erholungsflächen, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, FFH-Flächen, Bannwälder, Trinkwasserschutzgebiete, Biotope und Biotopverbünde. Wir haben es hier mit einem äußerst sensiblen und wertvollen Gebiet zu tun, bei dem diese Kategorien jeweils vielfach zutreffen. Damit ist jetzt schon die Nichtmachbarkeit belegt. Wollen Sie bei dieser Faktenlage 18 Planungsvarianten weiterverfolgen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie müssen sich dieses Gebiet zwischen dem Würmtal, dem Isartal und dem Hachinger Tal genau ansehen. Die wenigsten von Ihnen werden es kennen, sonst würden Sie mir zustimmen, dass dieses einzigartige zusammenhängende Gebiet nicht durchschnitten und damit zerstört werden darf. 500 Hektar Wald müssten gerodet werden. Viele Rote-Listen-Arten wären betroffen. Die Erholungsfunktion für viele Menschen ginge verloren. Vom Lärmteppich, mit dem die Bevölkerung in den Gemeinden überzogen würde, ganz zu schweigen.

Wir wollen die Machbarkeitsstudie jetzt stoppen. Wir wollen jetzt klare Entscheidungen für die Menschen und die Natur, und wir wollen die Autobahnplanung endgültig begraben.

(Beifall eines Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir wollen uns wegen des eindeutigen Zwischenergebnisses der Machbarkeitsstudie keine angeblich machbare Planungsvariante unterjubeln lassen. Wer jetzt sagt, er sei zwar gegen die Autobahn, wolle aber erst abwarten, wie das Ergebnis aussieht, der überlässt denen das Feld, die den Bau der Autobahn ohne Not unbedingt durchsetzen wollen.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist aber nicht logisch, das ist unlogisch!)

Ich verstehe die Kolleginnen und Kollegen beim besten Willen nicht, die vor Ort gegen die Planung sind, aber heute unseren Antrag ablehnen wollen.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

Das müssen Sie den Menschen vor Ort erklären.

Frau Tausendfreund, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Kollege Prof. Dr. Gantzer hat um eine Zwischenbemerkung gebeten. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Frau Kollegin! Sie verschweigen die Situation im Münchner Norden. Dort haben wir die höchstbelastete Autobahn Europas. Dort sind die Menschen für jede Entlastung dankbar. Deshalb ist das Projekt angedacht. Sie vergessen auch, dass sie vom Süden aus - auch aus Pullach, wo Sie wohnen - den gesamten Müll angeliefert bekommen. Wir haben den höchsten Müllberg in Bayern. Deswegen müssen Sie Verständnis haben, dass wir eine Machbarkeitsstudie haben wollen, um zu sehen, ob das Projekt realisierbar ist.

Die Rede war typisch für die GRÜNEN. Sie argumentieren, wie es Ihnen gerade ins Konzept passt. Sie haben heute Morgen Herrn Magerl wohl nicht zugehört, als es um die Machbarkeitsstudie zum Nationalpark ging. Er hat hier fast Tränen geweint, weil die Machbarkeitsstudie abgelehnt worden ist. Es wurde gejammert ohne Ende, dass eine Machbarkeitsstudie nur feststellen solle, ob ein Projekt machbar ist. Jetzt argumentieren Sie 180 Grad entgegengesetzt.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Tausendfreund, es wurde versichert, dass die Machbarkeitsstudie ergebnisoffen sein wird.

Ich habe öffentlich erklärt, wenn die Machbarkeitsstudie zeigen sollte, dass das Projekt nicht machbar ist, werde ich nicht weiter dafür eintreten. Ich habe so viel Vertrauen zu den Behörden, dass ich glaube, dass dies auch so sein wird, wenn sie sagen, die Machbarkeitsstudie sei ergebnisoffen. Sie sollen nicht einmal hü und einmal hott sagen. Das gefällt mir nicht.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Lieber Kollege Gantzer! Wenn jemand unbedingt eine Straße durchsetzen will, bekommt er das schon hin, dass sie machbar ist. Das ist eine Frage der Kosten und wie weit man die Natur bewertet und einschätzt. Das ist das eine.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob es um eine Machbarkeitsstudie zum Bau einer Straße geht, die wertvolle Natur zerstört, oder um eine Machbarkeitsstudie, bei der es darum geht, für die Natur etwas zu tun, nämlich einen Nationalpark einzurichten. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Machbarkeitsstudie ist Machbarkeitsstudie!)

Sie gaukeln der Bevölkerung im Norden und im Osten Münchens vor, sie würden vom Verkehr entlastet werden. Das ist absoluter Humbug. Die Straßen werden nicht zurückgebaut. Die A 99 und die Seitenstraßen sind überlastet, aber der Entlastungseffekt wird kaum spürbar sein. Sie erkaufen das mit der Zerstörung der Natur in einem anderen Gebiet. Nur deshalb, weil Sie nicht im Süden, sondern im Norden wohnen und dort Ihre Wählerschaft haben, wollen Sie das so verkaufen. Das geht wirklich nicht. Die Erholungsfunktion im Münchner Süden kommt allen Münchnerinnen und Münchnern und der Bevölkerung im Norden und Osten von München zugute. Würde dort ein Autobahnring durchgebaut, müssten sie weiterfahren, weil dann das Gebiet nicht mehr geeignet wäre, Ruhe und Erholung zu finden.

Frau Tausendfreund, bleiben Sie bitte noch am Rednerpult, weil sich Kollege Weidenbusch zu einer Zwischenbemerkung gemeldet hat. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Tausendfreund, Sie sagten, es gebe Kollegen, die vor Ort dagegen seien und hier anders abstimmen würden. Sagen Sie bitte, welchen Kollegen Sie das unterstellen - am besten mit Namen.

Vor Ort setzt sich die Kollegin Natascha Kohnen gegen den AutobahnSüdring ein. Sie hat mir vorhin gesagt, sie müsse leider gegen unseren Antrag stimmen. Soweit mir bekannt ist,

setzt sich auch die Kollegin Kerstin Schreyer-Stäblein gegen den Autobahn-Südring ein. Die namentliche Abstimmung wird dann zeigen, wie sie sich entscheidet.

(Zurufe von der CSU)

Auch Herr Wörner ist kein Befürworter des AutobahnSüdrings, und wie ich von der SPD gehört habe, wird auch sie gegen unseren Antrag stimmen.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Frau Kollegin, wäre es nicht fair gewesen, die Kollegin Schreyer-Stäblein zu fragen?)

- Ich hab gesagt, wir werden sehen, wie sie abstimmt. Ich habe vorhin keinen Namen genannt.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist doch einfach unverschämt, was Sie da machen. Die Kollegin ist da und Sie hätten sie fragen können!)

Ich habe anfangs keinen Namen genannt.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Schäbig ist das!)

Und weil ich vorhin keinen Namen genannt habe, haben wir auch namentliche Abstimmung beantragt, damit sich jeder hier persönlich entscheiden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ernst Weidenbusch (CSU): Lesen Sie doch einmal Ihren Redebeitrag nach! Unverschämt!)