Protokoll der Sitzung vom 22.04.2009

Im letzten Regierungsprogramm der CSU stand, dass sie den Eingangssteuersatz auf 12 % senken wolle. Sie müssten doch mit den 10 %, welche die SPD vorschlägt, hoch zufrieden sein; denn wir übertreffen Sie damit in Ihrer Forderung. Außerdem stand in dem Programm, dass es weitere Schritte hin zu einer umfassenden Unternehmenssteuerreform geben und die Körperschaftsteuer auf 22 % gehen soll. Wir sind heute bei 15 %, und das in einer Koalition mit der SPD, die hier immer die entscheidenden Vorschläge gemacht hat. Ich bitte Sie sehr, in der ganzen Debatte etwas mehr Sachlichkeit walten zu lassen und sich genau zu überlegen, wem diese Regelungen letztendlich zugute kommen werden. Wenn Sie mit uns nicht übereinstimmen, dann muss man wieder einmal feststellen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land liegen Ihnen am allerwenigsten am Herzen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Blume. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Rupp, Sie haben jetzt viel von Leistungsträgern gesprochen und versuchen den Eindruck zu erwecken, als wäre die SPD die Partei des kleinen Mannes. Ich kann Ihnen versichern: Seit vielen Jahren ist das die CSU, und sie bleibt es.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich halte das Thema der heutigen Aktuellen Stunde angesichts der Zeiten, in denen wir uns befinden, für geradezu bizarr. Ich möchte gar nicht im Detail auf das eingehen, was wir täglich an Krisenmeldungen lesen können: Auftragsrückgänge, beginnende Insolvenzwelle, befürchteter Arbeitsplatzabbau. Jeder Unternehmer muss heute schauen, wie er durch diese Krise kommt

und wie er Arbeitsplätze erhalten kann. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD, ignorieren das alles und führen eine Umverteilungsdebatte, die uns nicht weiterhilft, sondern fahrlässig und gefährlich ist. Es ist fahrlässig, weil Sie wider besseres Wissen die Bevölkerung in der Krise spalten wollen, anstatt darauf hinzuwirken, dass alle an einem Strang ziehen. Es ist gefährlich, weil Sie damit nicht die Probleme lösen, sondern sie vielmehr verschärfen. Gerade habe ich gelesen, dass DGB-Chef Sommer soziale Unruhen in Deutschland befürchtet. Herr Maget, mit Ihren klassenkämpferischen Äußerungen bereiten Sie für solche Dinge geradezu den Boden.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD)

Sie haben zwar heute gesagt, dass Sie Steuergerechtigkeit für alle wollen, aber Sie machen Politik gegen die Leistungsträger, auf die wir gerade in der Krise angewiesen sind.

(Alexander König (CSU): So ist es!)

Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, dass das reichste Zehntel der Einkommensteuerpflichtigen, das Ihnen seit Jahren ein Dorn im Auge ist, mehr als die Hälfte der gesamten Einkommensteuer aufbringt.

(Hans Joachim Werner (SPD): Und zwei Drittel der Vermögen hat!)

0,1 % der Einkommensteuerzahler sind Spitzenverdiener und leisten immerhin noch einen Anteil von 8 %.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Daran sehen Sie, was diese Gruppe für Deutschland leistet. Es ist daher falsch, fahrlässig und gefährlich zu sagen, diese Gruppen würden sich aus der Verantwortung stehlen. Sie sagen heute zwar, dass Sie Steuergerechtigkeit für alle wollen, aber Sie haben in der Vergangenheit entsprechende Vorschläge der CSU immer abgelehnt. Frau Rupp, Sie haben es gerade erwähnt: Das Konzept der CSU "Mehr Netto für alle" liegt seit einem Jahr auf dem Tisch. Damals haben Sie gesagt, das sei ein steuerpolitisches Wunschkonzert, jetzt plötzlich halten Sie es auch für eine gute Idee, den Eingangssteuersatz zu senken.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Schlimmer noch: Sie haben ganz konkret mehr Steuergerechtigkeit in der Praxis blockiert. Ich erinnere nur an das monatelange Gezerre um die Erbschaftsteuerreform. Sie haben damals von Geschenken an Millionäre geredet. Die CSU und die Bayerische Staatsre

gierung aber hatten den bayerischen Häuslebauer im Blick, dessen berechtigtes Anliegen es ist, nicht schlechter gestellt zu werden als Steuerbürger in anderen Bundesländern. Das ist Steuergerechtigkeit, wie sie die CSU versteht und praktiziert hat. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Sie wollen zwar Steuergerechtigkeit für alle, aber spalten die Gesellschaft und vernachlässigen die Mittelschicht. Professor Falter, der nicht im Verdacht steht, der CSU besonders nahezustehen, hat gesagt, das SPD-Wahlprogramm, auf das Sie sich heute gestützt haben, habe den Umverteilungscharakter der alten Sozialdemokratie; dieses Programm sei gegen das obere Drittel der Gesellschaft geschrieben. Meine Damen und Herren, genau das werfe ich Ihnen vor: Sie spalten die Gesellschaft, anstatt darauf hinzuwirken, dass alle an einem Strang ziehen.

(Christa Naaß (SPD): Es ist solidarisch, was wir wollen!)

Die Kommentatoren in den Zeitungen sagen, dass durch Ihr Programm die Mittelschicht geschröpft würde und dass die SPD nicht mehr die Partei von Facharbeitern und der Mittelschicht sei. Reichensteuer, Sonderbonus, Erhöhung des Spitzensteuersatzes und Börsenumsatzsteuer - das ist ein absurdes Sammelsurium von Vorschlägen, die nichts bringen. Sie bringen keine Steuergerechtigkeit für alle, sie bringen nichts für die Mittelschicht,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Begründen Sie doch, warum!)

und sie geben vor allem keinen Wachstumsimpuls in Deutschland, den wir gerade in diesen Zeiten bräuchten.

Ich komme zum Ergebnis, dass es sich bei Ihrem Thema der Aktuellen Stunde heute um einen PR-Versuch gehandelt hat, um Ihr Wahlprogramm in diesem Hohen Hause zu verkaufen.

(Zurufe von der SPD - Unruhe)

Ich habe das Gefühl, dass Sie anstatt über eine positive PR bald wieder über Krisenkommunikation nachdenken müssen; denn Sie haben den falschen Kandidaten mit den falschen Inhalten. Die Linke hat gestern erklärt, dass Sie aus ihrem Programm abgeschrieben hätten. Das ist die Höchststrafe, die man für einen politischen Vorschlag in Deutschland kassieren kann. Insofern sieht man, dass Sie auf dem völlig falschen Weg sind. Wir von der CSU werden das nicht zulassen. Angesichts der Tatsache, dass nur noch 10 % der Menschen in Deutschland laut einer Umfrage von heute glauben, dass die SPD die Probleme lösen könne, sind wir zu

versichtlich, bei der Wahl im September ein entsprechendes Ergebnis zu erreichen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Fahrenschon um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jede Aktuelle Stunde hat auch einen gewissen Neuigkeitswert. Die Nachricht eins, die wir jetzt vermelden können, ist, dass gerade die Partei , die in den letzten Wochen und Monaten jegliche Bewegung an der Steuerfront konkret abgelehnt hat, heute vermeldet, sie sei aufgewacht. Guten Morgen, SPD! Wir gratulieren dazu.

(Beifall bei der CSU)

Die zweite Nachricht, die herausgearbeitet wurde: Das, was Sie in den Mittelpunkt Ihres Programms gestellt haben, ist ein absolut untauglicher Versuch, den Baumeister der Agenda 2020 zum Rächer der Enterbten zu machen. Alle drei Vorschläge führen zu keiner einzigen Verbesserung, sondern sie führen zu Verschlechterungen.

Wir können gerne die Diskussion über Steuergerechtigkeit führen. Dann müssten wir die Diskussion über die Verteilung zwischen direkten und indirekten Steuern in Deutschland führen. Dann müssten wir zum Beispiel eine Debatte darüber führen, dass wir, bezogen auf die indirekten Steuern, insbesondere auf die Mehrwertsteuer, ein System haben, das nach 40 Jahren an allen Ecken und Kanten Staub angesetzt hat. Deshalb müssen wir die Strukturen auf den Prüfstand stellen und deswegen müssen wir in Bayern als Tourismusland in Deutschland die Möglichkeiten nutzen, die uns das neue europäische Recht unter Zustimmung Ihres Bundesfinanzministers eröffnet hat. Alles andere wäre ein falsches Signal für die bayerische und die deutsche Hotellerie- und Gaststättenwirtschaft.

(Beifall bei der CSU - Franz Maget (SPD): Ordnungspolitischer Unsinn!)

Wir können uns auch mit dem Verlauf des deutschen Einkommersteuertarifs auseinandersetzen. Hinzu kommt, lieber Herr Maget, dass von Ihren Vorschlägen die Leistungsträger in der deutschen Wirtschaft, die Krankenschwester, der Facharbeiter und die Menschen mit mittleren und unteren Einkommen nicht viel haben. Ich habe mir extra die Mühe gemacht, Ihnen das mitzubringen, denn Sie finden offensichtlich niemanden, der Ihnen Ihren 300-Euro-Vorschlag erklärt. Viel

leicht glauben Sie mir, dass Ihr Vorschlag in die falsche Richtung geht.

Hier sehen Sie blau und rot und grau auf weiß, wie der aktuelle Einkommensteuertarif verläuft. Der Vorschlag, den die SPD gemacht hat, allein eine Senkung des Einkommersteuereingangssatzes auf minus 10 % -

Herr Staatsminister, legen Sie das bitte nachher dem Herrn Kollegen Maget hin.

Selbstverständlich. Dann müssen Sie aber auch Ihren Vorschlag einmal bewerten, lieber Herr Maget. Nehmen Sie zur Kenntnis: Eine Senkung des Eingangssteuersatzes ohne eine Änderung des Mittelsteuersatzes führt dazu, dass für jede Krankenschwester in Deutschland, jeden Busfahrer in Deutschland, für jeden Mann und jede Frau in Deutschland, die im unteren Einkommensbereich verdienen, durch Ihre steuerpolitischen Vorschläge die Progression weiter verschärft wird. Das ist das falsche Signal, lieber Herr Maget.

(Beifall bei der CSU)

Eine Senkung des Eingangssteuersatzes ohne Veränderungen am Mittelsteuersatz führt zu einer weiteren Verschärfung der Steuerprogression und damit auch zu einer Verschärfung des strukturellen Defizits des Einkommensteuertarifs.

Aus unserer Sicht muss eine Tarifreform, die dringend notwendig ist, die Leistung des Bürgers im Blickfeld haben. Deutschland braucht einen Einkommensteuertarif, der das berufliche Engagement aller Bürgerinnen und Bürger honoriert. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Reduzierung des Eingangssteuersatzes, sondern automatisch damit verbunden auch eine Reduzierung des Mittelsteuersatzes. Wer sich dieser Forderung nicht anschließt, verschärft die Progression bei kleinen Einkommen. Das ist unser Vorwurf: Sie haben nicht sauber gearbeitet.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Maget, wir sind auch davon überzeugt, dass Sie an dieser Stelle vollkommen in die verkehrte Richtung unterwegs sind. Es kann nicht sein - setzen Sie sich doch noch einmal damit auseinander -, dass der Staat momentan als Einziger von Lohnerhöhungen profitiert, die lediglich einen Inflationsausgleich darstellen. Verlierer ist die Krankenschwester, Verlierer ist der Facharbeiter und Verlierer ist der Angestellte, dessen Einkommen real nicht wächst, der aber immer höher in die Steuerprogression hineinrutscht. Sie verschärfen diesen Effekt noch. Das ist der Vorwurf: Sie haben sich nicht mit der Sache auseinandergesetzt und haben

halbe Sachen abgeliefert. Vor diesem Hintergrund gehen Ihre Vorschläge in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CSU)

Weil die von CSU und FDP getragene bayerische Staatsregierung eine Politik verfolgt, die die Leistung der Bürger honoriert, weil wir an einem gesunden Klima für Wachstum und Beschäftigung interessiert sind und weil wir die Familien in ihrer Entscheidungsfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit und Kindererziehung nicht beeinträchtigen wollen, haben wir seit geraumer Zeit steuerpolitische Vorschläge gemacht, die sich als richtig herausgestellt haben.

Schon heute beschreiben die Wirtschaftsfachleute in der Bundesrepublik Deutschland die Initiativen von CDU und CSU als richtige Maßnahmen, die dazu geführt haben, dass wir jetzt in der Krise den privaten Konsum stabilisiert haben, dass wir durch die Rückführung der Pendlerpauschale, durch die Erhöhung der Kinderfreibeträge und die Anhebung des Kindergelds zentrale Impulse ausgesandt haben, die in den ersten Monaten dazu geführt haben, dass der private Konsum nicht eingebrochen ist und wir insgesamt auf niedrigem Niveau, aber stabilisierend Gegenmaßnahmen eingeleitet haben. Die SPD war zu jeder Zeit dagegen. Wir mussten Sie zum Jagen tragen, lieber Herr Maget.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb sind Vorschläge, die mit Steuererhöhungen verbunden sind, in der aktuellen konjunkturellen Situation das absolut falsche Signal. So etwas ist Gift für eine wirtschaftspolitische Herausforderung, die die Bundesrepublik Deutschland so noch nicht gesehen hat. Die SPD zeigt ihr wahres Gesicht. Sie sind und bleiben eine Steuererhöhungspartei. Sie sind und bleiben eine Kraft, die für mehr Staat, mehr Regulierung und mehr Bürokratie steht. Deshalb halten wir dagegen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen weniger Bürokratie, wir brauchen weniger Regulierung. Wir müssen gerade jetzt auf Steuerentlastung setzen, um Wachstum zu entfesseln. Nur so können wir der aktuellen Situation Herr werden.

(Beifall bei der CSU)