Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

tie und Toleranz, in dessen Beirat Abgeordnete und namhafte Wissenschaftler sitzen, geehrt wurde. Zuletzt bekam a.i.d.a. den "Förderpreis Münchner Lichtblicke". Der Vereinsvorsitzende arbeitet inzwischen in einer von der Stadt München eingerichteten und finanzierten Recherchestelle.

Herr Innenminister, Sie stellen hier eine Gruppe aktiver, nachweislich anerkannter Experten, die in einzigartiger und unvergleichlicher Weise rechtsextreme, rassistische Tendenzen und Strukturen erfassen, an den Pranger. Sie diffamieren einzelne Personen dieses Vereines und nehmen in Kauf, dass die bundesweit anerkannte Arbeit von a.i.d.a. nicht weitergehen kann und dass Sie diskreditiert und zerstört wird. Sie nehmen darüber hinaus in Kauf, dass die gewünschte, von Ihnen ins Leben gerufene Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus praktisch nicht mehr arbeiten kann; denn ohne a.i.d.a. - das sagen diejenigen, die in dieser Koordinierungsstelle arbeiten - ist diese Einrichtung nicht mehr arbeitsfähig.

Ich verhehle meine Meinung nicht, dass diese Vorgehensweise fatal an den Radikalenerlass der 70er-Jahre erinnert.

(Christian Meißner (CSU): Das ist weit übertrieben!)

- Nein, ich bin auf diesem Gebiet vielleicht etwas sensibler als Sie. Das erinnert mich tatsächlich an die Situation in den 70er-Jahren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt beachtliche Solidaritätsbekundungen - Frau Kollegin Tausendfreund hat das schon genannt - von Gruppen und Personen, die nicht im Verdacht stehen, linksextremistisch zu sein, zum Beispiel vom Bayerischen Jugendring, von den Jusos, den GRÜNEN, vom Kreisjugendring München, vom Ausländerbeirat München. Sie alle, die bisher eng mit a.i.d.a. zusammengearbeitet haben, betrachten Ihre Vorwürfe, Herr Innenminister, und die des Verfassungsschutzes als aus der Luft gegriffen. Sie alle erkennen die gute fachliche Arbeit von a.i.d.a. an. Ich frage Sie deshalb ernsthaft, Herr Innenminister: Was bezwecken Sie mit dieser Diffamierungskampagne?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Fakt ist: Sie zerstören die außerordentlich gute Arbeit des Beratungsnetzwerkes, und Sie tun den Neonazis und anderen Rechtsradikalen einen großen Gefallen. Wollen Sie denn das tatsächlich?

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Anschuldigungen, die Sie, Herr Innenminister, und die zuständigen

Behörden bisher nicht einmal gegenüber den Betroffenen konkretisiert haben - wohl gegenüber der Presse, aber nicht gegenüber den Betroffenen -, sind haltlos und inzwischen vollkommen entkräftet. Deshalb fordern wir Sie dringend auf, erstens diese haltlosen Anschuldigungen zurückzunehmen, zweitens die wertvolle Recherchearbeit und das zivilgesellschaftliche Engagement von a.i.d.a. anzuerkennen und drittens dafür zu sorgen, dass die Weisung zurückgenommen und a.i.d.a. wieder in die Landeskoordinierungsstelle aufgenommen wird. Die SPD stimmt dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zu und bittet um Zustimmung zu ihrem Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die CSUFraktion erteile ich Herrn Kollegen Christian Meißner das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich allen Ernstes, ob Sie sich, ohne nachzurecherchieren, vor so einen Karren spannen lassen. Die sonst so geschätzte Kollegin Tausendfreund hat nicht einmal eine Minute bis zu ihrem Schwenk auf den "bösen Rechtsextremismus" gebraucht, der jetzt schalten und walten könnte, weil der Verfassungsschutz seiner eigentlichen Tätigkeit nachgeht.

Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, ich begrüße, was Sie am Anfang Ihrer Rede gesagt haben. Sie haben das aber mit Ihrer Ankündigung der Unterstützung dieses Dringlichkeitsantrags wieder ad absurdum geführt. Wir müssen uns darüber klar sein, dass der Extremismus bekämpft werden muss, egal, woher er kommt. Es gibt keinen Extremismus erster und zweiter Klasse. Ich bin dankbar dafür, dass dies der Verfassungsschutz in Bayern genauso sieht.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Frau Kollegin Tausendfreund, Sie haben gemeint, die Vorwürfe gegen a.i.d.a. seien entkräftet. Ich sehe das nicht so. Der Minister wird sicherlich auch noch darauf eingehen. Ich möchte einen anderen Aspekt aufgreifen: Wir haben momentan eine verkehrte Welt. A.i.d.a. wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Die GRÜNEN haben nichts Eiligeres zu tun, als zu fordern, dass diese Beobachtung wieder zurückgenommen wird. Das gilt auch für den Bayerischen Jugendring und den Münchner Stadtjugendring. Ich fordere alle, die sich sofort hinter a.i.d.a. gestellt haben, auf, einmal zu schauen, wie sich die Verantwortlichen bei a.i.d.a. selbst verhalten haben, und dann zu prüfen, ob sie auf dem richtigen Weg sind.

Die Reaktion von a.i.d.a. auf diese Beobachtung müsste eigentlich anders sein. Das ging los, als a.i.d.a. aufgefordert wurde, die Links auf ihrer Homepage zu überprüfen. Nun könnte man einwenden, dass es einen Hinweis gebe, wonach a.i.d.a. für die Inhalte der verlinkten Seiten keine Verantwortung übernehme. Auf dieser Homepage wird jedoch - ich habe es heute Vormittag noch überprüft - auf großartige und interessante Seiten verwiesen. Dies wurde bis heute nicht geändert. Ich werde Ihnen nachher noch ein paar Zitate nennen. Es geht weiter: Im "Radio Lora" in München wurde am 10. April von einem Vertreter von a.i.d.a., den ich hier nicht nennen will, erklärt: Wir waren einfach zu faul, diesen Satz zu den großartigen und interessanten Seiten zu ändern. Dazu kann ich nur sagen: Das ist nicht zu fassen.

Das Radio hat daraufhin - weil das ja höfliche Leute sind - nachgefragt, dass es bestimmt kein Problem wäre, diese Links aus der Homepage herauszunehmen. Ich zitiere wieder den Vertreter von a.i.d.a.: Wir haben momentan keine Veranlassung, irgendwas zu ändern. Der Verein, den Sie hier in Schutz nehmen wollen, sagt nach wie vor, er sei entweder zu faul oder er habe keine Veranlassung, etwas zu ändern. Diese Homepage ist verlinkt auf Seiten wie die der Antifa NT. Ich zitiere aus dieser Seite: Wir wollen unsere Arbeit als radikale Kritik der Verhältnisse begreifen, mit dem Ziel, diese Verhältnisse zu überwinden. Auf einer anderen Seite, die mit der Seite von a.i.d.a. verlinkt ist, ist zu lesen: Somit ist der politische Kampf für sozialrevolutionäre Änderung auch immer ein Kampf gegen den Staat und die Polizei. Ein weiteres Zitat: … denn die einzige Sprache, die der Staat und seine Organe verstehen, ist die Sprache der Gewalt.

Meine Damen und Herren, a.i.d.a. war zu faul, den Link zu entfernen. Dann wundert es mich nicht, wenn diese Stelle vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ich verstehe auch nicht, warum Sie Anträge einbringen, um an dieser Beobachtung etwas zu ändern.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

A.i.d.a. würde es gut zu Gesicht stehen, diese Trägheit zu überwinden. Frau Kollegin Tausendfreund, Sie haben uns die Theorie vorgeführt. Ich habe mir auch über die Antifaschismus-Theorie Gedanken gemacht und möchte aus einem Gutachten der Bundeszentrale für politische Bildung zitieren. Wenn wir uns über dieses Thema unterhalten, müssen wir die Begriffe sauber definieren. Die Definition für Antifaschismus, worauf sich die Links von a.i.d.a. immer beziehen, lautet in diesem Gutachten: Damit beabsichtigt konsequenter Antifaschismus in diesem Sinn die Abschaffung der Wirtschaftsordnung, des Kapitalismus und damit der als bürgerlich geltenden parlamentarischen Demokratie.

Meine Damen und Herren, das sind wir und der Freistaat Bayern. Ich meine, hier muss eine solche Stelle ihre Trägheit überwinden und zumindest die Kraft aufbringen, ihren Internetauftritt zu ändern, vor allem, weil sie in einer öffentlichen Debatte steht.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass unser Verfassungsschutz wachsam ist. Er hat auch allen Grund, wachsam zu sein. Im Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN wird gefordert, die Weisung bezüglich der Landeskoordinierungsstelle Bayern gegen Rechtsextremismus zurückzunehmen. Dieser Antrag ist auf keinen Fall zustimmungsfähig. Aus meiner Sicht hat der Verfassungsschutz richtig gehandelt. Derzeit gibt es keinen Anlass, diese Weisung zurückzunehmen. A.i.d.a. und die Betroffenen hätten die Möglichkeit, diese Anordnung zu überwinden, wenn sie nicht gar so faul und träge wären.

Ich möchte mir zum Schluss noch eine Bemerkung erlauben: Wir im Parlament sind sozusagen auf dem Oberdeck der Demokratie. Wir liegen selten im Liegestuhl, weil wir viel arbeiten. Wir sollten daran denken, dass wir einen Verfassungsschutz haben. Dieser arbeitet sozusagen im Maschinenraum dieser Demokratie. Wir sollten ihn seine Arbeit tun lassen. Wenn jemand in das Visier des Verfassungsschutzes gerät, kann er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entkräften. Wenn er nicht zu träge ist, seinen Internetauftritt zu ändern, kann auch die Beobachtung wieder aufgehoben werden, und alle sind glücklich. Zum jetzigen Zeitpunkt und mit diesen Erkenntnissen ist der Dringlichkeitsantrag abzulehnen. Darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich gebe bekannt, dass zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN namentliche Abstimmung beantragt wurde.

(Harald Güller (SPD): Wer hat das beantragt?)

Die CSU-Fraktion.

(Harald Güller (SPD): Haben wir wieder Präsenzprobleme? - Margarete Bause (GRÜNE): Zu faul, ins Plenum zu kommen!)

Ab jetzt tickt die Uhr. Die Abstimmung kann in einer Viertelstunde erfolgen. Für die Fraktion der Freien Wähler erteile ich Herrn Kollegen Streibl das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir alle sind uns in diesem Hause einig, dass rechtsradikales nationalsozialistisches Gedankengut eines der größten Übel ist, welches unser Planet jemals gesehen hat. Unzählige Menschen und Familien litten und leiden immer noch

unter diesem Gedankengut und den Folgen. Jede Gesellschaft und jede Politik muss ihr Augenmerk darauf richten, dass der braune Sumpf trockengelegt wird. Das ist aber nicht durch irgendwelche Vereine möglich. Wir haben ein gesellschaftliches Problem: Der französische Staatspräsident Sarkozy sagt: Politik folgt der Gesellschaft. Wenn dem so ist, sind wir in den Parlamenten aufgefordert und berufen, zu handeln.

Wir haben in Deutschland eine Situation, in der ungefähr 10 % unserer Bevölkerung von staatlichen Zuwendungen und Unterstützungen leben müssen. Menschen mit mittlerem Einkommen können inzwischen durch Hartz IV innerhalb von wenigen Jahren in eine Sozialhilfe-Falle geraten. Die Volksparteien leiden unter einem zunehmenden Glaubwürdigkeitsverlust. Nach Umfragen ist jeder dritte Deutsche davon überzeugt, dass die Demokratie unsere Probleme nicht mehr lösen kann. Das ist ein ganz gefährlicher Nährboden für alle extremistischen Tendenzen, ob von rechts oder von links. Wir als bürgerliche Mitte, die wir noch an Demokratie glauben und demokratische und rechtstaatliche Werte verteidigen, sind hier gefordert.

(Beifall bei den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Zu a.i.d.a.: Ich muss zugeben, bis vor einiger Zeit habe ich Aida für eine Oper von Verdi gehalten. Ich habe mich inzwischen eines Besseren belehren lassen. Wenn ich mir die Sachen ansehe, stelle ich fest, dass darin schon ein Jargon der Linksextremen gepflegt wird. Ich lese, dass eine Verlinkung mit wichtigen, großartigen Seiten angekündigt wird. Auf diesen Seiten stehen Zitate, die weitgehend schon vorweggenommen wurden. Ein Zitat möchte ich aber doch erwähnen: "Wir sehen die Gewalt jedoch als ein notwendiges Mittel, um die aktuellen Zustände endgültig zu überwinden." Zu revolutionären Unruhen aufzurufen kann nicht im Sinne einer Demokratie sein. Dazu kann man nur sagen: Deine Sprache verrät dich.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Für uns gibt es zurzeit keine Veranlassung, dem Verfassungsschutz zu misstrauen. Er wird schon nicht aus Jux und Tollerei solche Bemerkungen in seinen Bericht schreiben.

(Zuruf von den GRÜNEN: Doch!)

Er wird schon seine Gründe dafür haben. Unser Vertrauen in den Verfassungsschutz ist höher als unser Vertrauen in einen Verein.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Aus diesem Grund können wir die Anträge leider nicht unterstützen. Trotzdem müssen wir unser Augenmerk

darauf richten, dass es Sache eines rechtsstaatlichen, demokratischen und freiheitlichen Volkes ist, allen extremistischen Tendenzen, egal ob von links oder rechts, standhaft und wehrhaft entgegenzutreten und für eine humanitäre Politik in Deutschland einzutreten.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Ich darf bekanntgeben, dass auch für den SPD-Antrag namentliche Abstimmung beantragt wurde. Wir werden beide Abstimmungen gemeinsam in zirka elf Minuten durchführen. Als nächstem Redner darf ich für die FDP-Fraktion Herrn Dr. Andreas Fischer das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag richtet sich darauf, die antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München nicht länger als linksextremistische Organisation einzustufen und den Bayerischen Jugendring nicht länger zu verpflichten, die Zusammenarbeit mit a.i.d.a. einzustellen. Dies wird vor allem damit begründet, dass sich a.i.d.a. antifaschistisch engagiere.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ganz klar: Faschisten sind gegen die Demokratie und müssen deshalb von uns bekämpft werden. Der Rückschluss, dass deshalb alle Antifaschisten für die Demokratie sind, ist in dieser Pauschalität aber nicht richtig. Auch die Linke wirbt mit dem Slogan "Rechte Ideen, Naziideen aus den Köpfen". Der Antifaschismus war erklärtermaßen die Staatsdoktrin der DDR, eines Unrechtsregimes, das, so glaube ich, von keinem von uns als Vorbild gesehen wird. Dies zeigt, dass der Begriff Antifaschismus von Linksradikalen missbraucht wird. Deshalb ist hier höchste Wachsamkeit geboten.

Der Übergang zwischen denjenigen, die aus demokratischer Überzeugung gegen rechte Extremisten eintreten, und denen, die selbst diese Demokratie bekämpfen, ist fließend. Wir müssen auch diejenigen schützen, die aus demokratischer Überzeugung gegen Antisemitismus, Rassismus, Militarismus, Totalitarismus und Nationalismus eintreten. Wir müssen sie davor schützen, dass sie in einen Topf mit anderen Totalitaristen von der linken Seite geworfen werden.

(Beifall des Abgeordneten Bernhard Pohl (FW))

Darüber sollte zwischen Demokraten genauso Konsens bestehen wie über den Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Deswegen vertritt die FDP die Position, dass wir mit Augenmaß vorgehen. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger, Sie fordern eine Politik mit Augenmaß. Deshalb bitte ich