Protokoll der Sitzung vom 27.05.2009

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Sie dürfen sich nach Ihrer Rede jetzt ausnahmsweise mit einem Glas Milch stärken.

Ich eröffne die Aussprache. Im Einvernehmen mit den Fraktionen wurde eine Redezeit von 30 Minuten pro Fraktion vereinbart. Wir sehen die 30 Minuten insofern als erweiterungsfähig an, als der Herr Staatsminister um drei Minuten und 53 Sekunden überzogen hat. Diese drei Minuten und 53 Sekunden können natürlich auch von den Fraktionen genutzt werden.

Als Nächste hat Frau Kollegin Noichl das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es wäre gut gewesen, wenn Herr Brunner in Sachen Biolandwirtschaft oder Hygienepaketumsetzung vielleicht Nachhilfe von den Österreichern bekommen hätte. Die hätten wir jetzt gebraucht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Brunner, in einem haben Sie recht, dass nämlich Bayern eine ganz andere Struktur als die restliche

Landwirtschaft in Deutschland hat. Sie haben auch recht, dass wir einen bayerischen Weg brauchen. Aber, ich muss ehrlich sagen, ich kann den bayerischen Weg bei Ihnen nicht erkennen.

Sie haben gesagt: Alles hat sich bewährt, alles ist gut. In den letzten fünf Minuten Ihrer Rede haben Sie nur noch ausgeführt, wie gut die Dinge in Bayern laufen. Aber wir stehen hier doch, weil es in der Landwirtschaft in Bayern brennt. Sie wollen uns erklären, dass der bayerische Weg, den Sie eingeschlagen haben, gut und richtig ist und genauso weitergegangen werden soll.

Da können wir natürlich nicht mithalten. Ich denke mir: Sie sind in der Pflicht, für die Besonderheiten der bayerischen Landwirtschaft zu kämpfen und die Politik an den richtigen Stellschrauben zu gestalten. Dass Sie dies tun, können wir aber nicht erkennen. In der Vergangenheit - das wissen Sie alle - konnten es auch die Bäuerinnen und Bauern nicht mehr erkennen.

(Beifall bei der SPD)

Wer Werte auf Dauer erhalten will, muss bereit sein, den Rahmen zu verändern. Dazu hätten wir in Ihrer Rede gern etwas Substanz gehört. Leider kam nichts.

Sie wollen weiterhin kaum eigenes Geld in die Hand nehmen. Sie wollen weiterhin den Milchbauern nicht mit eigenem Geld helfen. Der bayerische Agrarhaushalt ist seit Stoiber im Vergleich zum Gesamthaushalt um ein Drittel gekürzt worden. Das vergessen Sie immer zu erwähnen. Sie erwähnen zwar, dass der EU-Haushalt gleichbleiben soll und es auf keinen Fall eine Kürzung geben darf, aber Sie kürzen selber Jahr um Jahr.

Andere Bundesländer haben die Ausfälle - zum Beispiel nach den Ausfällen der EU-Mittel vor zwei Jahren - zu 100 % kompensiert. Wir haben in Bayern Ausfälle in Höhe von 80 Millionen Euro wegstecken müssen, aber nur 10 Millionen Euro wurden von der bayerischen Regierung ersetzt. Damit zeigen Sie ganz genau, Herr Brunner - auch Herr Seehofer, auch wenn er heute nicht da ist -, wo die Landwirtschaft bei Ihnen angesiedelt ist.

(Beifall bei der SPD )

Als Abgeordnete des Bayerischen Landtags erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich für die bayerischen Belange einsetzen und vehement dafür kämpfen, damit in Zukunft nicht wieder das Kleingeld für die kleine Landwirtschaft und das Großgeld für die große Landwirtschaft ausgegeben wird.

Lassen Sie mich konkret zu der Milcherzeugern kommen. Sie führten aus - das hat mich schon in Ihrem Skript stutzig gemacht -, die EU habe sich aus Kosten

gründen aus der Steuerung des Milchmarktes zurückgezogen. Glauben Sie wirklich, dass sich die EU aus Kostengründen aus der Milchmarktsteuerung zurückgezogen hat? Ich bin der Meinung: Die EU will keine Mengensteuerung mehr, weil sie die Weltmärkte besetzen, billigsten Rohstoff haben und ganz sicher nicht auf die kleinen Betriebe schauen will. Hier geht es um Masse, nicht um Klasse. Das sind die Gründe der EU.

(Beifall bei der SPD)

Wir von der SPD in Bayern haben ein anderes Modell im Blick. Wir sagen ein klares Ja zur Mengensteuerung, ein klares Ja auch zur Marktsteuerung. Eine Gegebenheit, die in der Wirtschaft draußen völlig üblich ist, ist nicht typisch für die Landwirtschaft. Ihre Art, den Markt zu beeinflussen, liegt ausschließlich im Absatzbereich. Ich lese bei Ihnen immer nur Dinge, die die Marktbeeinflussung über den Absatz betreffen. Ich lese nichts zu dem anderen Bereich.

Sie wollen wieder mehr Exportförderung haben, mehr Marktanteile erreichen. Sie wollen mehr Schulmilch. Das muss man sich einmal vorstellen. Ein klares Bekenntnis zur Mengensteuerung ist dagegen von Ihnen nicht zu hören.

Sie sprechen andererseits vom Marktgleichgewicht als Ziel. Ich finde keinen einzigen Satz darüber, wie Sie das Marktgleichgewicht erreichen wollen. Ich lese nur, dass es kommen soll. Es fehlt das Wie.

Für uns sage ich ganz deutlich: Die bayerische multifunktionale Landwirtschaft ist zu Weltmarktpreisen nicht zu haben, weil wir nämlich mehr wert sind.

(Beifall bei der SPD)

Es wirkt abstrus, wenn Sie, Herr Brunner, Stallbauprogramme anführen. Anscheinend ist es seligmachend, wenn noch neue Ställe gebaut werden. Da geht es um Ställe ohne Quotennachweis. Aber noch mehr Kuhschwänze in Bayern stabilisieren den Marktpreis nicht, Herr Brunner, gerade wenn wir noch mehr für den Stallbau tun.

Ihre Denkansätze treiben die Bauern eher in den Ruin, nämlich dadurch, dass sie sich verschulden, um Ställe zu bauen, während der Milchpreis unten bleibt. Wenn einer groß gebaut hat, muss er noch mehr melken. Auf diese Weise sind schon jetzt viele Landwirte in der Zwickmühle.

Ihr Lieblingsthema ist Agrardiesel. Es ist eigentlich eine Never-ending-Story. Alle Bauern haben in Deutschland durch den Wegfall des Selbstbehalts jetzt ein Plus von 350 Euro. Die bayerischen Bauern hätten das vorher von der Landesregierung bekommen. Bei den bayeri

schen Bauern bedeutet das eigentlich kein Plus. Im Ergebnis ist es plus/minus null.

Was die 350 Euro betrifft, so haben wir darüber schon abgestimmt und wir als SPD auch zugestimmt. Es ist sehr interessant: Die 350 Euro, die der Bauer bekommt, haben ungefähr den Gegenwert einer viertel Kuh, deren Milchpreis bei 40 Cent liegt. So viel geben Sie den Bauern!

5 % der Bauern werden durch den Wegfall der Obergrenze - das ist der zweite Teil des Gesetzes - zusätzlich entlastet. Aber diese Bauern sind nicht in unserer kleinen Landwirtschaft zu finden. Diese Bauern gibt es hauptsächlich im Osten Deutschlands; das wissen Sie genau.

All diese Gelder sollen durch Steuern aufgebracht werden. Wie erklären Sie das, Herr Brunner, einem Nebenund Zuerwerbslandwirt, der nebenbei zur Arbeit geht, dass er mit seinen Steuern die Kappung der Obergrenze im Osten mitfinanziert, also seine eigene Konkurrenz mitfinanziert? Sie haben sich wirklich schuldig gemacht, dass es zu dieser Obergrenzenkappung jetzt kommt.

Gestern haben Ihnen die Milchbauern schon erklärt, dass die neue Agrardieselregelung ihnen fast nichts bringt. Das haben im Vorfeld alle gewusst. Fast die Hälfte der Rede zu diesem Bereich betraf den Agrardiesel. Wir haben mit Ihnen Seite an Seite für den Wegfall des Selbstbehalts gekämpft, denn dort liegt wirklich eine Ungerechtigkeit. Wir haben auch zugestimmt, dass der Selbstbehalt im schlimmsten Falle auch von Bayern bezahlt werden müsste.

Für mich bleibt eine Frage: Welche Gelder werden jetzt anderweitig für die Milchbauern verwandt? Jetzt sind Gelder frei, die für den Selbstbehalt zur Verfügung gestellt worden wären. Diese Gelder müssten wir jetzt sofort konkret einsetzen.

In der ?FAZ? ist heute zu lesen ?Hochmut kommt vor der Kuh?. Ein Satz hat mir ganz besonders gefallen: ? Im Kampf um die Bauern, ihre einstigen Stammwähler, setzt die CSU auf eine Politik der kleinen Gesten und der kleinen Worte.? Ganz genau so war es heute, Herr Brunner: kleine Gesten und kleine Worte.

(Beifall bei der SPD)

Die Aufzählung der Landesmaßnahmen, die Sie so hoch haben anklingen lassen, klingt wie eine Märchenstunde. Da geht es um Sonderkulturen, da geht es um Beratung, um Bildung, um Forschung, um die Einkommenskombinationen. Das ist viel bunter Sand, den Sie den Bauern ins Gesicht streuen. Wie schaut es denn wirklich aus? Wo ist denn die Bauern-Uni? Das ist

etwas, was nie umgesetzt wurde. Weihenstephan verliert Jahr um Jahr mehr Studenten. Immer mehr wandern ab. Haben Sie vergessen, dass die Hälfte der Lehrstühle von der TU abgebaut wurde, dass es für Sonderkulturen beim Gemüseanbau kaum noch Lehrangebote gibt?

Auf dem Bayerischen Tierärztetag am letzten Freitag in Rosenheim war auch zu hören, dass der wichtige Lehrstuhl für Fischgesundheit seit vielen Monaten unbesetzt ist. Man hat das Gefühl, bei Forschung und Lehre stehen wir ganz hinten. Nur wenn es um die Gentechnik geht, sind wir bei der Forschung und bei der Lehre dabei. Und, Herr Brunner, dass Sie nicht einen Satz zur Gentechnik sagen, wenn es um die Zukunft der Landwirtschaft geht, ist eigentlich ein Desaster.

(Beifall bei der SPD ? Zuruf der Abgeordneten Jo- hanna Werner-Muggendorfer (SPD))

Ich gebe Ihnen recht, dass nachwachsende Rohstoffe ein großes Zusatzeinkommen für Landwirte werden können. Wichtig ist aber auch, dass wir Mindeststandards festlegen. Zu einem Mindeststandard muss gehören, dass es keine Intensivlandwirtschaft geben soll, dass es keine Konkurrenz zu Lebensmitteln geben soll und dass es natürlich auch keine Gentechnik geben soll. Nur wenn diese Dinge erfüllt sind, kann man davon sprechen, dass es positiv ist, wenn nachwachsende Rohstoffe erzeugt werden. Sie degradieren Landwirte zu bloßen Rohstoffbeschaffern. Das Geld machen dann die Konzerne. Sie wissen das ganz genau. Dieses Geld landet sicherlich nicht bei uns in der Region.

Sie haben eben die Vermarktungskonzepte angesprochen. Herr Brunner, wie soll es Ihnen gelingen, Bayern und seine Produkte besser zu vermarkten, wenn es Ihnen nicht einmal gelingt, eine Milchtüte so kennzeichnen zu lassen, dass man sieht, dass bayerische Milch darin ist?

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen ein ganzes Bundesland vermarkten und scheitern schon an der Milchtüte. Ich finde, das ist wirklich ein Desaster.

(Beifall bei der SPD)

Im Bereich der Einkommenskombinationen ? ich bin ja neu auf diesem Gebiet ? lese ich Sachen, die ich vor 15 Jahren auch schon habe lesen können. Das stelle ich fest, wenn ich in die älteren Papiere schaue. Wo bleiben die Bereiche Naturschutz, Handwerk, Kunsthandwerk, ökologischer Landbau, Landschaftspflege usw.? Sie haben sich wieder auf den Urlaub auf dem Bauernhof konzentriert, auf ein paar Dinge. Es wäre dort viel zu

denken und viel zu entdecken. Ich denke, da muss auf jeden Fall der Kopf noch weiter werden.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Lassen Sie mich noch einen Satz zum Biodiesel sagen. Biodieselerzeugung bedeutet, dass der Landwirt Rohstoffe für die Mineralölindustrie produziert. Der Landwirt wird von dieser Wertschöpfungskette immer nur das Allerwenigste abbekommen. Darüber müssen Sie auf jeden Fall noch nachdenken. Da gibt es ganz andere Konzepte. Diese Art der Biodieselerzeugung wird unseren Landwirten nicht wirklich weiterhelfen.

Fast schon verärgert habe ich den Bereich ?Ernährungsbildung als Zukunftsaufgabe? gelesen. Man hat sich ein neues Wort überlegt, nämlich das Wort ?Ernährungsbildung?, ein vortreffliches Wort. Alles ist anders. Wir hatten einmal 263 hoch qualifizierte Ernährungsberaterinnen. Heute gibt es 20 Ernährungsbildner.

(Heiterkeit bei der SPD)

Jetzt weiß man, wie die Dimensionen aussehen und was das Wort ?Bildner? eigentlich bedeutet. Sie stellen dem jetzt acht Regionalstellen in der Fläche gegenüber. Wissen Sie, Herr Brunner ? ich komme beruflich wirklich direkt aus diesem Bereich -, Ernährung kann man nicht modellhaft lernen. Ein Projekt wie ?Das gesunde Pausenbrot? reicht nicht. Es reicht auch nicht das Projekt ?Fünfmal Gemüse am Tisch?, und das macht man dann einmal im Jahr. Gesunde Ernährung muss zur Gewohnheit werden. Nur dann verinnerlichen Kinder das und nehmen das in ihre eigene Familie mit.