Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/1684 - das ist der Antrag der SPD-Fraktion - seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der SPD, der Freien Wähler und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? - Das sind die Fraktionen der CSU und der FDP. Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag 16/1700. Das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer dem seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der Freien Wähler. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
stimmung über den Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 16/970 bekannt. Mit Ja haben 94 gestimmt, mit Nein 70, und es gab 2 Stimmenthaltungen.
Das Gesetz ist damit in der Fassung des Hochschulausschusses angenommen. Es hat den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes, des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes, des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes und anderer Gesetze".
Dringlichkeitsantrag der Abg. Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Prof. (Univ Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FW) "Soziale Gesundheitsversicherung" (Drs. 16/1685)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Kathrin Sonnenholzner, Sabine Dittmar u. a. und Fraktion (SPD) "Solidarische Bürgerversicherung" (Drs. 16/1703)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Kollege Professor Dr. Bauer. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen heute noch einmal die "Soziale Gesundheitsversicherung" der Freien Wähler vorstellen zu dürfen. Die Ausgangslage ist klar. Das jetzige System ist nicht reformfähig, und es kann der Aufgabe, eine moderne medizinische Versorgung für alle Bürger sicherzustellen, nicht mehr gerecht werden. Die Dualität von GKV und PKV ist nicht mehr zeitgemäß; das hat sich im Laufe der Jahrzehnte einfach überholt. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen, mit Ausnahme von heute. Sie wissen, dass heute politisch bedingt die Beitragssatzsenkung als Wahlgeschenk bekannt gegeben wurde. Das kann man aber vergessen. Die Beiträge werden weiter steigen, wenn es so bleibt, und der Leistungsumfang wird weiter abnehmen. Jeder Arzt, der in einer Praxis tätig ist, und jeder Patient, der mit Ärzten zu tun hat, kann das täglich selbst feststellen.
Gleichzeitig wird den Ärzten eine überbordende Bürokratie angelastet. 40 % der ärztlichen Tätigkeit, so sagen die Untersuchungen, sind heute schon bürokratische Aktivitäten; lediglich 60 % verbleiben für die Patientenversorgung. Gerade jetzt müssen auch Fachärzte wieder auf ihre Honorarbescheide warten; denn bei diesem unseligen Gesundheitsfonds wissen wir nicht
Die logisch zwingende Konsequenz ist: Ein grundlegend neues Gesundheitssystem, nämlich die "Soziale Gesundheitsversicherung" muss eingeführt werden. Das jetzige System ist so verkommen, dass es einfach nicht mehr reformierbar ist; ich habe es schon erwähnt. Das ist die Schlüsselüberlegung, um überhaupt weitere Schritte andenken zu können. Die zahlreichen Reformversuche - insgesamt 400 Reformgesetze und 38 ganz große Reformgesetze - haben sich damit beschäftigt. Ich bedauere, dass Herr Ministerpräsident Seehofer jetzt nicht da sein kann; denn er war einer der ersten, der 1992 mit diesem Gesundheitsstrukturgesetz - - Entschuldigung, ich habe Sie übersehen. Das tut mir leid. Ich freue mich, dass Sie hier sind. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es ging los mit dem Gesundheitsreformgesetz und dem Gesundheitsstrukturgesetz. Zwischenzeitlich hat sich das noch gesteigert. Der Höhepunkt ist das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz. Diese Gesetze haben nur ansatzweise zum Erfolg geführt. Dass die Gesetze nicht zum Erfolg führen konnten, liegt eigentlich auf der Hand; denn die Ursachen sind klar benennbar. Das sind die negative demografische Entwicklung, der medizinische Fortschritt und die Aufnahme von versicherungsfremden Leistungen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung führt zu steigenden Ausgaben. Das alles kann mit der Trennung von PKV und GKV nicht mehr geleistet werden. Die versicherungsfremden Leistungen - ich nenne das den Verschiebebahnhof in der Sozialpolitik - umfassen zurzeit einen Betrag von ungefähr 45 Milliarden Euro. Man muss sich das vorstellen: Bei einem Gesamtetat von 160 Milliarden Euro sind alleine 45 Milliarden Euro versicherungsfremde Leistungen.
Ein solches neues Konzept, wie es die "Soziale Gesundheitsversicherung" der Freien Wähler vorschlägt, kann nur jemand erarbeiten, der frei von Einflüssen der Lobbyarbeit ist und der nicht damit beschäftigt ist, sich für die Fehlentscheidungen der Vergangenheit rechtfertigen zu müssen.
Die neue "Soziale Gesundheitsversicherung" - der Name ist Programm - ist eine soziale Versicherung im Gegensatz zum Kopfpauschalen-Modell. Sie ist eine Versicherung für alle Bürger dieses Landes, und es geht um die Gesundheit. Sie heißt deshalb "Soziale Gesundheitsversicherung". Sie wird getragen von der Pflicht zur Versicherung für alle Einwohner. Nur so kann gewährleistet werden, dass wirklich jeder Bürger die erforderliche moderne medizinische und ethisch verantwortliche Versorgung erhält.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Wahlfreiheit der Versicherten, bei welcher Krankenversicherung sie sich versichern wollen. Diese Wahlmöglichkeit erstreckt sich auf alle Krankenversicherungen. Deshalb wird die Pflichtversicherungsgrenze, nebenbei auch die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben. Jeder Bürger kann sich entscheiden, ob er sich für die öffentlichrechtliche Versicherung, also die GKV, oder für eine jetzt privat-rechtliche Versicherung, die PKV, entscheidet.
Herr Kollege Dr. Bauer, ich möchte auf Ihren Antrag eingehen, nachdem Sie einige Bemerkungen gemacht haben, was landläufig in der Gesundheitspolitik schief läuft. Wir beschäftigen uns mit einem Antrag der Freien Wähler. Dazu stellt sich eine Frage zu Punkt 4, in dem es um die Kosten geht. Haben sich die Freien Wähler Gedanken gemacht, was alleine das kosten wird und wer das aufbringen soll?
Zu Punkt 6 sagen Sie aus, dass die Kostenerstattung eingeführt werden soll. Ich habe die Frage an Sie, was passieren wird, wenn der Patient die Rechnung einfach mitnimmt aber weder bezahlt noch bei der Krankenversicherung einreicht? - Ich glaube das wird ein massives Loch in die Finanzierung des Gesundheitssystems reißen, was man nicht verantworten kann.
Zur ersten Frage: Wir haben das mit Zahlen belegt. In unserem Büro ist eine Machbarkeitsstudie hinterlegt. Sie können sie gerne einsehen. Darin sind die 160 Milliarden Euro danach aufgeschlüsselt, wer welchen Beitrag zahlen muss. Die Machbarkeitsstudie zeigt klipp und klar, dass mit diesem System eine moderne medizinische Versorgung, die ethisch verantwortbar ist, zu finanzieren ist und dass es zu keinen Beitragssatzsteigerungen wie jetzt auf 15,5 % kommt. Das ist logisch, weil alle 82 Millionen Bundesbürger in dieser Sicherung einbezogen werden. Die 10 Millionen Privatversicherte bleiben nicht außen vor. Es werden alle einbezogen. Der zweite wichtige Grund ist, dass alle Einkommensarten zur Beitragsbemessung herangezogen werden. Deshalb ist es logisch, dass der Beitrag sinken muss.
Herr Kollege Rohde, Sie wissen, dass das SGB V tausende Seiten umfasst. Eine solche Reform kann deshalb nicht in Kurzform klar gemacht werden. In unseren näheren Ausführungen können Sie das alles nachlesen.
Die Rechnungstellung funktioniert im Privatbereich auch. Im täglichen Leben funktioniert es auch. Es ist die klare Lebenserfahrung, dass jeder Mensch in diesem Staat für eine Leistung eine Rechnung bekommt. Wo liegt das Problem? - Wir sind es nur nicht gewohnt. Aber im Privatbereich funktioniert es auch. Jeder, der die Rechnung nicht begleichen kann - darauf komme ich später - wird sozial abgefedert; er kann sie abtreten und so weiter. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um das sozial zu gestalten. Das ist also keine unbeantwortete Frage.
Die Frage nach der Finanzierung ist wichtig. Wir haben die Finanzierung durchgerechnet. Sie steht auf sicheren Beinen.
Zur Pflichtversicherung habe ich schon etwas gesagt. Der Name ist Programm. Es besteht Wahlfreiheit zwischen den privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen. Die Pflichtversicherungsgrenze wird aufgehoben, und - das ist ganz wichtig - durch dieses neue System besteht nicht die Notwendigkeit, irgendeine Krankenkasse, weder eine PKV noch eine GKV, abzuschaffen. Jeder kann sich an dem System beteiligen.
Die Aufhebung der Pflichtversicherungsgrenze hat für den Versicherten den Vorteil, dass sich zwischen allen Versicherungen ein Wettbewerb um die Versicherten entwickeln wird. Dieser war bisher im PKV-Bereich fast unmöglich. Im gesetzlichen Bereich gab es ihn sowieso nicht.
Für die privaten Krankenversicherungen eröffnet sich deshalb ein neuer Markt. Im Dringlichkeitsantrag der SPD, der etwa vor einer Stunde bei mir eingeflattert ist, wird gefordert, die Versicherungspflichtgrenze anzuheben. Das ist ein Spielball, um die jetzt einzig funktionierende Gesundheitsversicherung, nämlich die privaten Krankenversicherungen aufzuheben. Das kann es nicht sein.
- Ich stimme Ihnen zu, das ist hervorragend. Ich war lange Zeit Beratungszahnarzt bei der AOK, Herr Maget. Ich kann Ihnen aus dem internen Verwaltungsbereich einiges sagen. Ich war damit sehr zufrieden. Nun sind
Die gesetzlichen Krankenversicherungen werden von dem neuen System ebenso profitieren, weil ein Markt für Zusatzversicherungen eröffnet wird. Im Verhältnis der Versicherten zu den Krankenversicherungen - auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, der sich von dem Anliegen der FDP unterscheidet - ist der Kontrahierungszwang. Ohne den geht es nicht, auch nicht ohne Risikozuschläge. Sie können nicht ernsthaft behaupten, eine Versicherung für 82 Millionen Bundesbürger machen zu wollen und die in das Risiko einzuraten. Das funktioniert nicht. Deshalb schlagen wir vor, dass es für alle die, die sich an dem festgelegten Rahmen der neuen "Sozialen Gesundheitsversicherung" beteiligen wollen, einen Kontrahierungszwang geben muss. Die Versicherung, die das nicht will, braucht sich nicht zu beteiligen.
Der Leistungsumfang ist gesetzlich vorgeschrieben. Das ist sehr wichtig; denn unter dem wettbewerblichen Aspekt können die Krankenversicherungen verschiedene akzentuierte Zusatzversicherungen anbieten. Die Finanzierung der "Sozialen Gesundheitsversicherung" erfolgt über Beiträge, die einkommensabhängig gestuft werden. Hierzu gibt es einen Gegenvorschlag der SPD. Das Zwei-Säulen-Modell hat den großen Nachteil, dass massiver Bürokratieaufbau stattfindet, nämlich die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung festzustellen. Das kann man nicht mehr leisten. Deshalb muss der Beitrag über die gesamten Einnahmen gehen.
Auch unser System sieht die Beitragsfreigrenze vor, nämlich das Existenzminimum. Es ist Aufgabe des Sozialstaates, für Menschen, die nur das Existenzminimum haben, die Versicherung zu zahlen.
Die Umstellung auf das umlagefinanzierte System - ein weiterer Vorschlag - ist aufgrund der Ausweitung der Einnahmebasis bei der "Sozialen Gesundheitsversicherung" nicht mehr erforderlich. Die Weiterführung der Umlage würde bedeuten, dass auf alle zusätzliche Beiträge zukommen würden; denn es muss erst der Kapitalsockel aufgebaut werden. Wir wissen seit der Finanzkrise, was mit angelegten Geldern passiert. Ich erinnere nur an die Amerikaner.
Der Leistungsumfang der "Sozialen Gesundheitsversicherung" muss auf dem aktuellen Stand der modernen medizinischen Wissenschaft stehen. Die Ausgestaltung dieses Leistungskatalogs - auch das ein Schlüsselwort - erfolgt durch eine Ethik-Kommission, die, und das ist das Entscheidende, erstmals auch von Patientenvertretern mit besetzt werden kann.
Ich möchte jetzt gerne noch auf die Rechnung zurückkommen. Jeder Patient muss eine Rechnung bekommen, das habe ich vorhin schon erwähnt. Mit diesem Versicherungssystem bieten wir ein solides, finanzierbares und zukunftssicheres Versicherungssystem an. Dafür muss Bayern im Bundesrat kämpfen. Es kann nicht so weitergehen wie bisher. Es geht um die Gesundheit der Bevölkerung, es geht um ihre Gesundheit, es geht auch um ihre täglichen Besuche beim Arzt.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Eines vorne weg: Wir haben eines der besten, aber auch eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. 243 Milliarden Euro geben wir für die Gesundheitswirtschaft aus, davon kommen allein 170 Milliarden Euro von der gesetzlichen Krankenversicherung. Angesichts dieses Finanzvolumens von einem Kollaps des Systems zu sprechen, erscheint mir doch absurd. Unbestritten ist, dass der demographische Wandel und die glücklicherweise immer älter werdenden Menschen sowie der medizinische Fortschritt uns vor neue Herausforderungen stellen.