Sabine Dittmar

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Sehr geehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.
Dieses Zitat wird Albert Einstein zugeschrieben. Es ist nicht so ganz klar, was er wirklich gesagt hat; aber das Hohe Haus weiß, dass Bienen einen existenziellen Beitrag zur Nahrungsversorgung leisten und aus unserem Ökosystem nicht wegzudenken sind. Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass Bienenvölker
weder geschwächt noch vergiftet noch getötet werden.
Aber genau das passiert beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mit neonicotinoiden Wirkstoffen, wie uns 2008 ganz eindrucksvoll bewiesen worden ist, als über 11.500 Bienenvölker zugrunde gingen. Mir ist auch klar, dass das damals gebeiztes Saatgut war, dass Santana auf Granulatbasis arbeitet; aber, meine Vorrednerin Frau Brendel-Fischer hat es ebenfalls gesagt, Clothianidin wirkt systemisch. Das ist das Problem, das auch Santana zu einer Gefahr macht. Deshalb wird die SPD-Fraktion den Antrag der GRÜNEN unterstützen − schon aus dem Grund, weil wir ein halbes Jahr vorher, im April 2012, einen inhaltsgleichen Antrag gestellt haben, der leider ebenfalls abgelehnt worden ist.
Dass wir mit unserer Einschätzung aber gar nicht so verkehrt liegen, sieht man auch, wenn wir den Blick nach Brüssel richten. Denn dort hat inzwischen auch die EU-Kommission erkannt, nachdem die ESFA die Datenlage eruiert und dargelegt hat, dass diese neonicotinoiden Wirkstoffe bzw. Pestizide sehr gefährlich für die Bienenvölker sind. Sie hat deshalb ihren Mitgliedstaaten ein zweijähriges Moratorium vorgeschlagen. Auch wir werden die Staatsregierung in einem separatem Antrag nochmals explizit auffordern, dies zu tun, und ich muss Ihnen sagen: Ich erkenne in dem Berichtsantrag, den die Regierungskoalition in Drucksache 16/15452 vom 28. Januar 2013 vorgelegt hat, schon kleine Trippelschritte in Richtung einer erneuten Wende in der Einschätzung dieser Positionierung. Deshalb appelliere ich heute hier an Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Drehen und wenden Sie sich diesmal ein wenig schneller! Denn wir möchten, dass der Vorstoß der EU-Kommission, der erst zum 1. Juli umgesetzt werden kann, wesentlich früher umgesetzt wird.
Unser Ziel sollte es sein, dass bei der kommenden Aussaat schon keine neonicotinoiden Pflanzenschutzmittel mehr zum Einsatz kommen. Was in Italien, Frankreich und den Niederlanden möglich ist − diese Staaten streben ein nationales Verbot an −, das sollte auch in Bayern und in Deutschland möglich sein. Stimmen Sie deshalb heute dem Antrag zu − für die Bienenvölker und für unsere Zukunft.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich habe heute schon ganz fest damit gerechnet, dass aus den Reihen der FDP-Fraktion ein gesundheitspolitischer Dringlichkeitsantrag kommt. Allerdings ging ich davon aus, dass Sie sich heute eine große parlamentarische Mehrheit für die Abschaffung der Praxisgebühr suchen,
nachdem auch der ehemalige bayerische Gesundheitsminister dies befürwortet hat. Aber anscheinend sind die Positionen in der Koalition doch wieder nicht ganz so klar. Deshalb jetzt ein "echtes" Problem, das die Welt und die Menschen bewegt: Kein Verbot von Schnupftabak.
Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Bertermann -
- Zwischenfragen lasse ich nicht zu. Machen Sie das am Ende.
Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Bertermann: Auch die SPD-Fraktion wird diesem Antrag in seiner ganzen Banalität zustimmen.
Dabei erschließt sich uns die Notwendigkeit dieses Dringlichkeitsantrags nicht ganz. Denn nach dem medialen Tanz, den der Abgeordnete Weber aufgeführt hat, hat die EU noch einmal klargestellt - ich habe das persönlich noch einmal recherchiert -, dass eigentlich nie geplant war, Tabak zu verbieten. Der Kollege Hünnerkopf hat es zitiert: Es bestünde keine Absicht, traditionelle Formen des Tabakkonsums zu verbieten. Das ist auch verständlich, denn es hat auch niemand, auch wenn die Debatte über das Nichtraucherschutzgesetz heftig geführt wurde, jemals ein Verbot der Zigarette gefordert.
Uns Sozialdemokraten ist es wichtig, dass über die Gesundheitsgefahren aufgeklärt wird, und zwar deutlich, und dass der Nichtraucher vor Passivrauch geschützt wird. Diesen umfassenden und konsequenten Nichtraucherschutz haben wir in Bayern dank eines sehr klaren und deutlichen Bürgervotums.
Aber jetzt doch ein bisschen ernsthafter zu dem Thema dieser Tabakrichtlinie, die noch gar nicht vorliegt, die heiß diskutiert wird, die zwischenzeitlich zum Rücktritt des zuständigen EU-Kommissars geführt
hat, und zwar wegen eines bislang noch nicht begründeten Korruptionsverdachts. Ich denke, auf diese Richtlinie warten wir noch ein Weilchen. Aber die gesundheitspolitischen Schwerpunkte möchte ich jetzt nicht einfach wegwischen, sondern ich denke, wir müssen uns damit schon beschäftigen, über die Warnhinweise, die im Übrigen jetzt schon auf der Schnupftabakdose stehen, und auch über die Einschränkung des Verbots von Zusatzstoffen.
Die Begründung im FDP-Antrag - Herr Kollege Bertermann, das muss ich Ihnen schon sagen - verharmlost den Gebrauch von Schnupf- und Kautabak. Wenn wir heute über die Begründung abstimmen würden, würde ich Ihnen als Gesundheitspolitikerin und als Ärztin meine Zustimmung verweigern. Denn dass Tabakprodukte, ganz egal ob sie inhaliert, gekaut oder geschnupft werden, krebserregend sind, ist eine unbestrittene Tatsache. Wenn Sie es nicht glauben, können Sie es auf den Seiten des Deutschen Krebsregisters nachlesen.
Ich gestehe Ihnen zu, dass die Zigaretten die Rangliste anführen, einfach weil durch den Verbrennungsprozess unkalkulierbare chemische Prozesse in Gang gesetzt werden. Aber zweifellos ist es so, dass auch Schnupftabak Tabak ist und deshalb die tabakspezifischen krebserregenden Nitrosamine und das süchtig machende Nikotin enthalten.
Deshalb müssen wir uns mit den Zusatzstoffen schon beschäftigen, denn sie machen die Tabakprodukte gefälliger: Menthol, schmerzlindernd, damit man den Rauch tiefer inhalieren kann, Erdbeere, Vanille und Lakritze, damit der Tabakgeschmack überdeckt wird. Es liegen uns Studien vor - Herr Kollege Bertermann, das werden Sie mir bestätigen -, die zeigen, dass zum Beispiel Mentholzigaretten das Schlaganfallrisiko deutlich erhöhen. Es liegen dem Krebsforschungszentrum auch Studien vor, die zeigen, dass es einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Schnupf- und Kautabak sowie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Mundschleimhautkrebs gibt.
Deshalb ist es richtig, dass die EU diese Zusatzstoffe auf den Prüfstand stellt. Deshalb ist es wichtig, dass man Stoffe, die krebserregend sind, verbietet, dass man Stoffe verbietet, die im Verbrennungsvorgang krebserregend sind, dass man Stoffe verbietet, die im Zusammenhang mit der Verbrennung krebserregend sind, und dass man Stoffe verbietet, die die Abhängigkeit erhöhen und den Gebrauch vereinfachen.
Ob das - und da sind wir wieder beieinander - für rauchfreie Zigaretten und für Rauchtabak identische Stoffe sind, müssen uns die Experten sagen. Es kann durchaus sein, dass es da Differenzen gibt. Aber in
Ihrem Antrag - das muss man auch sagen - geht es gar nicht darum. Da geht es einfach um das Verbot von Schnupftabak. Dieses Verbot hat niemals jemand gewollt, es wird auch in Zukunft niemand wollen. Deshalb stimmen wir Ihrem Antrag zu.
Richtig, wunderbar! Es wäre schön, wenn wir heute diesbezüglich ein eindeutiges Votum aus dem Hohen Hause nach Berlin schicken könnten. Herr Kollege Bertermann, bezüglich der WHO-Studie muss ich Sie ein bisschen korrigieren. In der WHO-Studie von 2004 wurde festgestellt, dass der Kautabak und der Schnupftabak nicht in dem Maße krebserregend seien. Von gesundheitsschädlich war nie die Rede. Deshalb hat die Tabakindustrie auch den Aufkleber "krebserregend" austauschen müssen gegen "gesundheitsgefährdend". Das finden Sie nach wie vor auf jeder Schnupftabakdose von heute.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in der Tat zum wiederholten Mal mit der hausärztlichen Versorgung. Ich denke aber, dass das auch dringend notwendig ist. Herr Kollege Vetter hat die Zahlen genannt, und ich muss sie nicht wiederholen. Hinsichtlich der primärärztlichen Versorgung wird in den nächsten zehn Jahren eine Versorgungslücke auf uns zurollen, über die wir uns noch wundern werden.
Den vorgelegten Anträgen, die sich in der Hauptsache mit den Weiterbildungsverbünden beschäftigen, werden wir zustimmen. Das gilt auch für den Antrag der CSU, obwohl er uns in den Punkten 2 und 3 nicht weit genug geht. Man muss jedoch sagen, dass die Forderungen besser sind als der Ist-Zustand. Wir haben in unserem Antrag explizit die Bereitstellung von finanziellen Mitteln im Umfang von 200.000 Euro für das Institut für Allgemeinmedizin an der TU München gefordert. Die Zahl ist deshalb explizit genannt, weil sie mit den Verantwortlichen besprochen worden ist. Die Finanzausstattung wird dringend benötigt, damit nicht nur die erfolgreiche Koordination und Organisation von bisher zehn bestehenden Weiterbildungsverbünden gewährleistet werden kann, sondern darüber hinaus weitere Verbünde organisiert werden können.
Wir schlagen vor, die 200.000 Euro aus den Mitteln zu nehmen, die im Titel "Zuschüsse an Sonstige zur Förderung des Gesundheitsstandorts" zur Verfügung stehen. Hinter dieser Titelgruppe verbergen sich 4 Millionen Euro, die Ihr Vorgänger, Herr Minister Huber, Herr Minister Söder, der damals noch für Gesundheit zuständig war, uns in seiner Regierungserklärung angekündigt hat. Es ist ein Sondertopf zur Förderung der allgemeinmedizinischen Versorgung. Wir meinen, dass in diesem Zusammenhang das Geld gut aufgehoben wäre.
Die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin gestaltet sich in der Tat oft recht kompliziert; denn man hat wechselnde Fachgebiete und einen häufigen Wechsel der Arbeitgeber, oftmals aber auch Leerzeiten zwischen den Ausbildungsabschnitten. Deshalb ist es umso wichtiger, dass diese Weiterbildungsverbünde eine Organisation, Planungssicherheit, strukturierte Rotation und vor allem eine feste Vergütung über alle Ausbildungsabschnitte garantieren. Das ist von unschätzbarem Wert.
Leider gibt es diese Verbünde noch nicht flächendeckend. Vor allem in Schwaben, in der Oberpfalz sowie in Ober- und Unterfranken bestehen erhebliche Lücken. Bei mir zu Hause im Landkreis Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld ist vor vier Wochen ein solcher Verbund gegründet worden. Ich habe mich mit Kollegen unterhalten, und sie haben das Dilemma aufgezeigt: Der Verbund ist jetzt zwar da. Aber weit und breit ist kein Kollege in Sicht, der sich ausbilden lassen will. Gespräche mit Kollegen in Oberfranken zeigen ein ähnliches Bild. Allerdings gibt es in Oberbayern durch das Engagement von Professor Schneider sehr gut laufende Weiterbildungsverbünde. Genau dies untermauert unsere Forderung nach einem Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an allen bayerischen medizinischen Fakultäten. Das ist im Übrigen auch Kabinettsbeschluss. Wir warten schon seit zwei Jahren auf die Umsetzung. Ich bin auf den von der CSU-Fraktion geforderten Bericht der Staatsregierung und vor allem auf den Zeitplan gespannt. Wenn die Hochschulen aus welchen Gründen auch immer, das müssen wir heute nicht diskutieren - kein Interesse daran haben, einen Lehrstuhl zu installieren, dann sollte sich die Politik vermehrt einmischen und das Ganze zur Chefsache machen.
Deshalb fordern wir einen Lehrstuhl für die Allgemeinmedizin für jede medizinische Fakultät und, verbunden damit, die Einrichtung von Koordinationsstellen für die Weiterbildungsverbünde, ähnlich dem Beispiel Baden-Württembergs mit der VerbundweiterbildungPlus. In Baden-Württemberg wird das übrigens nicht aus dem Hochschuletat allein finanziert, sondern mit erheblicher Beteiligung des Ministeriums für den ländlichen Raum und den Verbraucherschutz.
Allerdings nützen alle Weiterbildungsverbünde nichts, wenn wir, wie Herr Kollege Dr. Vetter bereits angedeutet hat, nicht schon im Studium die Weichen stellen und das Interesse an der echten Königsdisziplin der Medizin wecken. Deshalb sehe ich mit großer Spannung und Erwartung dem 11. Mai entgegen, an dem sich der Bundesrat erneut mit der Approbationsordnung für Ärzte beschäftigen wird. Ich bin gespannt, was darin zu den versorgungsorientierten Inhalten stehen wird und ob die Allgemeinmedizin freiwillig
oder verpflichtend in das praktische Jahr einbezogen wird.
Wir halten es für notwendig, dass Studenten über einen längeren Zeitraum in einer Hausarztpraxis arbeiten angesichts des Stellenwerts, den die primärärztliche Versorgung in unserer Gesellschaft haben muss, und angesichts dessen, dass man hier für die verschiedenen Versorgungsebenen ein anderes Verständnis bekommt. Wir wundern uns, warum Bayern dem Änderungsantrag von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat nicht zugestimmt hat. Der 11. Mai wird also, wie gesagt, spannend. Wir wissen auch, dass es im Bundesrat zwischen dem Gesundheitsausschuss und dem Kulturausschuss Konflikte gab. Aber ich warte voller Hoffnung auf das Ergebnis des 11. Mai.
Ich habe noch ein bisschen Redezeit. Deshalb möchte ich auch das Zulassungsverfahren zum Studium ansprechen. Dieser Punkt hängt unmittelbar mit den Hochschulen zusammen. Die Studierendenauswahl muss neben der Abiturnote auch die soziale und die berufliche Kompetenz berücksichtigen. Solange wir in Bayern zu über 50 % die Abiturnote gewichten, kommen wir da nicht weiter. Ich möchte Ihnen folgenden Fall aus meiner Bürgersprechstunde vor 14 Tagen erzählen: Damals kam eine junge Frau mit einem AbiSchnitt von 1,9, also eigentlich nicht schlecht, die keinen Studienplatz bekam. Anschließend machte sie die Ausbildung zur Gesundheitspflegerin und schloss mit 1,0 als Jahrgangsbeste ab, bekam aber wieder keinen Studienplatz für Medizin. So etwas darf es nicht geben.
Ich musste zum Beispiel im "Ärzteblatt" lesen, dass ein Famulant in der Allgemeinmedizin das alles zwar sehr interessant und abwechslungsreich findet, aber niemals als Hausarzt arbeiten würde, weil er da - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, da fällt einem der Unterkiefer nach unten - zu nahe am Patienten sei. Dazu muss ich sagen: Irgendetwas stimmt an unserem Auswahlverfahren nicht. Deshalb ist mein Appell an die Staatsregierung, endlich entsprechende Auswahlverordnungen vorzulegen. Rheinland-Pfalz hat es getan. Dort wird der AbiSchnitt nur noch mit 30 % gewichtet.
Herr Minister Heubisch und Herr Minister Huber, das liegt in Ihren Händen. Im CSU-Antrag heißt es vollmundig: Hausarztversorgung in ländlichen Regionen weiter verbessern. Aber dazu gehört mehr als die Nachwuchsgewinnung. Die im Antrag aufgeführten Punkte sind wichtig. Aber wir müssen natürlich auch über die Rahmenbedingungen und über die Infrastruktur reden, angefangen von der Kita über den
ÖPNV bis zum attraktiven Arbeitsplatz für den Partner des Mediziners oder der Medizinerin. Wir müssen auch über die Hausarztverträge reden - da hat Herr Kollege Dr. Vetter recht -; denn wenn wir den Hausärzten Planungssicherheit geben wollen, müssen wir zurück zum alten § 73 b des SGB V. Diesen Paragrafen haben Sie in Berlin - Sie, Herr Zimmermann, vielleicht nicht, aber Ihre Kollegen der CSU - mit der Einführung des GKV-Finanzierungsgesetzes vergeigt. Diese Fehler haben Sie beim Versorgungsstrukturgesetz nicht korrigiert. Deshalb sollten Sie nicht immer mit dem Finger nach Berlin zeigen, sondern das, was man in Bayern tun kann, auch tun.
Herr Kollege Zimmermann, ich verlängere jetzt Ihre Redezeit noch ein bisschen.
Ja, so bin ich. Ich wollte nur kurz feststellen, dass die Weiterbildungsverbünde, die bisher existieren und beispielsweise auch bei uns in Bad Kissingen zu finden sind, natürlich mit Leben erfüllt werden müssen. So etwas gelingt viel besser, wenn ich mich vorher an der Universität intensiv mit dem Thema Allgemeinmedizin auseinandersetze, so wie es in der TU München möglich ist. Das wünschen wir uns für alle Universitäten.
Die 200.000 Euro, die für Aufgaben benötigt werden, wie sie Professor Schneider mit seinem Team freiwillig und ehrenamtlich neben seinem eigentlichen Job erledigt, wie das Organisieren von Fortbildungsveranstaltungen für in Weiterbildung befindliche Medizinerinnen und Mediziner und das Einbestellen von Referenten, werden im Moment zusammengestrichen. Damit steht nach Professor Schneiders Auffassung zur Disposition, ob diese Organisation der zehn Verbünde, die von ihm betreut werden und auch mit Leben erfüllt sind, am Leben erhalten bleiben kann. Dieses Modell ist aus Baden-Württemberg übernommen. An der Universität Heidelberg läuft es hervorragend, und ich glaube, Herr Professor Schneider kommt auch aus Baden-Württemberg. Dort läuft das Experiment sehr erfolgreich. Deshalb bitte ich, noch einmal darüber nachzudenken, ob das denn nicht auch eine Alternative für Bayern wäre.
Herr Minister, ich habe eine Nachfrage: Ist es nicht so, dass Abiturienten nur bis zu einer Abiturnote von 2,3 zum Medizinertest eingeladen werden? Dann würde mich noch interessieren, welches Gewicht künftig dem Ergebnis des Tests, der
beruflichen und sozialen Kompetenz und der Abiturnote beigemessen wird. Darauf hätte ich gerne eine Antwort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt, der die Staatsregierung auffordert, Lehren aus Müller-Brot zu ziehen, die Lebensmittelkontrolle neu zu organisieren und für eine neue Transparenzkultur zu sorgen.
Nicht zuletzt der Hygieneskandal um Müller-Brot hat das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen in eine effiziente Lebensmittelüberwachung und einen konsequenten Vollzug sowie in eine verbraucherfreundliche Informationspolitik erschüttert. Auch der seit Oktober 2011 vorliegende Bericht des Bundesrechnungshofes - Frau Aigner hatte ihn in Auftrag gegeben - zeigt, dass es in der Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Defizite gibt und Nachbesserungsbedarf besteht.
Das fängt bei der Personalausstattung an. Seit Jahren fordern wir eine Aufstockung. Von unseren 470 Kontrolleuren ist jeder im Schnitt für 600 Betriebe zuständig. Dazu kommen die exorbitant angestiegenen EUSchnellwarnungen, das Kontrollieren von Rückrufaktionen und so weiter. De facto heißt das, dass unsere Kontrolleure mehr Zeit am Schreibtisch verbringen als in den Betrieben vor Ort. Das ist nicht
nur dem Personalmangel geschuldet, sondern auch der mangelnden technischen Ausstattung. Ein Laptop für die Kontrolleure, um die Mängel vor Ort zu dokumentieren, sollte in der heutigen Zeit eine Selbstverständlichkeit sein. Dass die Kontrollfrequenzen anhand der Risikobewertung schon lange nicht mehr eingehalten werden, ist ein offenes Geheimnis. Die notwendigen Kontrollen werden wie eine Bugwelle vor sich hingeschoben.
Wenn dies von der Staatsregierung abgestritten wird, kann ich an dieser Stelle nur sagen: Die Nichtbeantwortung meiner Mündlichen Anfrage von vor 14 Tagen war Antwort genug. Es war eine sehr deutliche Beantwortung. Denn wenn ich frage, ob die Kontrollfrequenzen im Landratsamt Freising eingehalten wurden und wenn nein, bei wie vielen Betriebe die Kontrolleure in Verzug sind, und Sie mir dann antworten, dass Sie mir das nicht sagen könnten, weil die Datenerhebung mit einem erheblichen Rechercheaufwand verbunden sei, dann ist das ein Eingeständnis Ihres Versagens.
Verschärft wird die Situation noch durch eine widersinnige Wiederbesetzungssperre. Wir wissen, dass in Bayern in den nächsten zehn Jahren ein Drittel der Kontrolleure in Pension geht und eine freigewordene Stelle letztendlich drei Jahre nicht besetzt wird, weil der Staat erst dann mit dem Ausbilden anfängt, wenn die Stelle frei ist. Das ist für diesen sensiblen Bereich ein untragbarer Zustand. Das gleiche gilt für die Orientierung des Personalschlüssels an der Einwohnerzahl. Hier muss vielmehr die örtliche Wirtschaftsstruktur, das Risikopotenzial des einzelnen Betriebes und dessen Größe eine entscheidende Rolle spielen.
Die Personalausstattung ist das eine. Die behördliche Ansiedlung der Lebensmittelkontrolle ist ein weiterer Punkt. Der Skandal um Müller-Brot hat deutlich gezeigt, dass eine unmittelbare Nähe zwischen Landratsamt, Landrat und Unternehmen nicht immer zu den Konsequenzen im Vollzug, zu der Transparenz führt, die der Verbraucher zu Recht erwartet. Interessenkonflikte sind vorprogrammiert. Auf der einen Seite will der Landrat verständlicherweise ein unternehmensfreundliches, wirtschaftsfreundliches Klima für seinen Landkreis schaffen, aber auf der anderen Seite kann genau dies zum Hemmschuh werden, wenn ein hartes, konsequentes Durchgreifen im Sinne des Verbraucherschutzes notwendig wird. Deshalb, meine Herren und Damen Kollegen, deshalb Herr Schmid, sollte die Lebensmittelkontrolle dem Ministerium unterstellt werden, um eine größere Distanz zwischen Überwachungsbehörde und Unternehmen zu erzielen.
Dies ist im Übrigen nicht nur unsere Forderung, sondern es ist auch das Anliegen vieler Lebensmittelkontrolleure.
Abschließend noch ein Wort zur Transparenz und zur Verbraucherinformation. Die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes wird ganz gewiss nicht das Mehr an Information bringen, das Sie sich erhoffen, Herr Minister. Da muss ich durchaus etwas Wasser in den Wein gießen. Zwischenzeitlich hat das die FDP auch erkannt. Ich erinnere an die Pressemitteilung von vor 14 Tagen.
Was steht nun im Gesetz? Zwingende Information der Öffentlichkeit bei 350 € Bußgeld plus wiederholtem Verstoß oder eines Verstoßes nicht unerheblichen Ausmaßes. Ich frage Sie, was bedeutet "nicht unerheblich"? Das ist ein wie Kaugummi dehnbarer Begriff. Und was bedeutet "wiederholt"? Zweimal? Fünfmal? Zehnmal? Wer legt nach welchen Richtlinien das Bußgeld fest? Das Landratsamt nach Ermessen. Denn einen einheitlichen Bußgeldkatalog gibt es nicht.
Deshalb meine ich: Die Reform des § 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches bleibt ein zahnloser Tiger, solange es keine Verpflichtung zur Veröffentlichung sämtlicher behördlicher Untersuchungsergebnisse gibt.
Denn Sie hätten auch nach dem alten § 40 über die Ekelzustände bei Müller-Brot informieren können, wenn Sie die Courage gehabt hätten, das öffentliche Interesse auf Information über das Interesse eines Unternehmens zu stellen, das nach Aussagen aller Beteiligten keinerlei Compliance in der Zusammenarbeit gezeigt hat. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum Sie sich hinter Paragraphen, hinter Datenschutz und der EU verschanzen. Wenn das Landratsamt, aus welchen Gründen auch immer, keine Entscheidung pro Verbraucherschutz traf, dann hätte der Minister handeln müssen, spätestens dann, als staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen wurden.
Wir haben bis heute keine Antwort darauf bekommen, wie es sein kann, dass das Ministerium und Minister Söder seit dem 10. Dezember über die unhaltbaren Zustände bei Müller-Brot informiert waren, im Laufe des Jahres neun weitere Berichte auf den Tisch kamen und sich niemand im Ministerium zum Handeln veranlasst sah.
Das Ministerium wird nur bei gravierenden Verstößen eingeschaltet. Die Problemberichte stießen wohl nicht auf großes Interesse; denn wie sonst kann es sein, dass es im ersten Halbjahr 2011 überhaupt keine Kontrollen mehr bei Müller-Brot gab? Warum lässt man es durchgehen, dass ein für den 22. September bei der Regierung von Oberbayern angesetztes Gespräch von Müller-Brot abgesagt wird und es erst am 7. Dezember stattfindet? - Ich frage Sie: Warum hat Minister Söder im Sinne eines vorausschauenden Verbraucherschutzes nicht dafür gesorgt, dass dieses Gespräch ein ganzes Jahr früher stattfand, nämlich im Dezember 2010, als sein Ministerium von den Problemen erfuhr? - Jeder wusste Bescheid, nur die Verbraucher nicht. Das ist keine Transparenz. So kann man mit den mündigen Verbrauchern nicht umgehen. Wir fordern deshalb die grundsätzliche Offenlegung der behördlichen Untersuchungsergebnisse. Die Steuerzahler finanzieren die Kontrollen und haben einen Anspruch auf Information. Was in Dänemark seit über zehn Jahren möglich ist, muss auch in Deutschland und in Bayern möglich sein. In Dänemark werden seit 2001 alle Ergebnisse veröffentlicht, egal, ob positive oder negative. Genauso lange gibt es den Smiley. Ich frage Sie: Warum wollen Sie die Schmuddelbetriebe und Schmuddelrestaurants schützen?
Ein sauer dreinblickender Smiley an der Tür wird die betroffenen Unternehmen eher zum raschen Handeln motivieren als ein Bußgeldbescheid, von dem die Öffentlichkeit nichts weiß.
90 % wollen das Transparenzsystem. 15 von 16 Verbraucherschutzministern wollen es, nur Bayern nicht. Ich fordere Sie auf: Geben Sie Ihren Widerstand auf. Sorgen Sie für eine neue Transparenzkultur. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben einen Anspruch darauf.
Ich wollte noch ein Wort zu der von Ihnen angesprochenen Spezialeinheit sagen. Sie ist eine begrüßenswerte Einheit, die wir beim LGL angesiedelt haben, und leistet wirklich eine ganz hervorragende Arbeit. Sie ist mit 90 Personen ausgestattet, wovon nur 30 in der Kontrolle arbeiten. Der Rest sind oft Chemiker oder Juristen.
Ich möchte jedoch ganz explizit von Ihnen wissen: Aufgabe der Spezialeinheit ist auch, die Kontrolleure vor Ort bei den Kommunen zu unterstützen, und ich möchte wissen, ob Sie eine Erklärung dafür haben, warum die Spezialeinheit niemals aktiv vom Landratsamt Freising zur Unterstützung angefordert worden ist, obwohl es doch solche Probleme bei Müller-Brot gab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Aus Gründen der Zeitökonomie versuche ich mich kurz zu fassen und mich auf ein paar Fakten zu beschränken.
Erstens. Die Studie des BUND liegt seit 2010 vor und weist signifikant höhere Phthalat-Belastungen des untersuchten Staubes in den Kindertagesstätten im Vergleich zum gewöhnlichen Hausstaub auf. Die Erklärung hierfür ist eigentlich recht einsichtig, denn die Kitas sind gewöhnlich mit mehr Produkten aus WeichPVC ausgestattet. Sie haben es aufgezählt: abwaschbare Tischdecken, Turnmatten, Gymnastikbälle.
Der zweite Fakt ist, dass wir seit 2009 den Kinderumweltsurvey haben. In dieser deutschlandweit angelegten Studie wurden knapp 1.800 Kinder repräsentativ bezüglich der Umweltbelastung untersucht. Zusammengefasst ergaben diese Daten eine zum Teil bedenkliche Belastung der Kinder mit Diethylhexylphthalat, Benzylbutylphthalat, Dibutylphthalat und die Diisodecylphthalat. Ich will auf Details wie die deutliche Überschreitung des Human-Biomonitoring-Wertes oder der täglich tolerablen Aufnahmemenge und die Nichtberücksichtigung von Kombinationswirkungen nicht eingehen. Das Entscheidende ist, dass die Berechnungen des Bundesumweltamtes dazu kommen, dass angenommen wird, dass bis zu 80 % der Kinder eine zu hohe Belastung aufweisen. Die Phthalate, um
die es in der Diskussion geht, sind folgende - ich versuche, das auszusprechen, denn für mich als Fränkin ist das eine wirkliche Herausforderung -: DEHP, DBP, BBP und DIBP.
Ich denke, das ist gut gelungen.
Diese Phthalate werden als reproduktionstoxisch eingestuft, und Kollege Dr. Vetter hat diese Farce eigentlich schon aufgezeigt, wonach eine chemische Verbindung unter 0,5 % das Totenkopfsymbol bekommen muss und die Giftig-Kennzeichnung. Aber selbst in Konsumgütern wie Turnmatten, in denen bis zu 50 % DEHP enthalten sein können, gibt es keine Kennzeichnung. Das ist eine Farce und das zeigt, dass wir noch Meilen vom vorsorgenden Verbraucherschutz, Herr Kollege Dr. Bertermann, entfernt sind.
Im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit wurde von der Staatsregierung auf die EU-Chemikalienverordnung REACH verwiesen und die Verantwortung auf die EU abgewälzt.
Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen sagen, ich werde mich nicht damit zufriedengeben, dass ab 2015 eventuell drei besonders gefährlich Phthalate einer generellen Zulassungspflicht unterworfen werden sollen. Das ist zu wenig. Wir fordern ein generelles Verbot, eine Politik der Null-Toleranz.
Ich bin wirklich froh, dass sich Dänemark aufgemacht hat und eine Gesetzesinitiative für ein europaweites Verbot auf den Weg gebracht hat. Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass die CSU die Initiative unterstützen will, bedauere aber, dass nicht Deutschland auf die Idee gekommen ist, diese Initiative zu starten, oder dass die Bayerische Staatsregierung eine Bundesratsinitiative gestartet hätte.
Herr Staatsminister Dr. Huber, hier hätte man dem Motto "Bayern ist vorn" wirklich Leben einhauchen und die Ministerin Aigner zum Jagen tragen können.
Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, ich kann Ihre zögerliche Haltung des Abwartens und Be
richtens nicht nachvollziehen, die Sie heute noch einmal untermauern, indem Sie den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen werden und auf Ihrem nicht weiterführenden, nichtssagenden Antrag auf Berichterstattung beharren. Staatsminister Sackmann hat Sie mit seiner Pressemitteilung auf der linken Spur überholt.
Mitte 2012 soll die Staatsregierung berichten, wie sie mit den Untersuchungsergebnissen der BUND-Untersuchung aus dem Sommer 2010 umgehen will. In der Diskussion haben Sie erläutert, dass Sie eine weitere Studie des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - LGL - abwarten, weil Ihnen Informationen zur Analytik und zur Probenaufbereitung fehlen. Die Vertreterin des Umweltministeriums, nicht des Sozialministeriums, hat in der Ausschusssitzung dreimal explizit auf die Nachfragen des Kollegen Dr. Zimmermann und der Kollegin Sonnenholzner wiederholt, dass es keine ausreichende Korrelation zwischen Phthalatgehalten im Staub und einer internen Belastung des Menschen gebe.
Am Ende bitte, ich weiß nicht, ob meine Zeit ausreicht.
Die Bundesregierung antwortet auf eine Schriftliche Anfrage, dass sich im Kinderumweltsurvey des Bundesumweltamtes für kurzkettige Phthalate eine signifikante Korrelation ergab und dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass kausale Beziehungen vorliegen. Was ist denn nun gültig? - Die Aussage des Bundes oder des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit?
- Das scheint hier nicht von Interesse zu sein. Herr Kollege Schmid, Sie werden diese halbe Stunde noch aushalten.
- Das ist schön.
Es gibt noch Forschungsbedarf. Das darf uns aber nicht als Vorwand dafür dienen, alles auf die lange Bank zu schieben. Wir können doch nicht angesichts deutlicher Hinweise auf eine Phthalat-Belastung, der
unsere Kinder in den Kitas ausgesetzt sind, warten, bis das letzte wissenschaftliche Fragezeichen beantwortet ist. Da sind die Kollegen in den Bundesländern weiter. Herr Kollege Dr. Bertermann, Sie kennen die Position Ihres Kollegen aus Nordrhein-Westfalen, der einen dringlichen Handlungsbedarf sieht. Auch das Land Berlin hat sich bereits für ein nationales Verbotsverfahren ausgesprochen. Ich denke, dies stünde auch dem Freistaat Bayern gut an.
Uns stünde es gut an, unverzüglich Schutzmaßnahmen auf nationaler Ebene einzuleiten und gesundheitsgefährdende Weichmacher in allen Produkten zu verbieten, die im Umfeld unserer Kinder verwendet werden. Dies sollte unser gemeinsames Ziel sein. Dies wäre ein weiterer dringend notwendiger Schritt, die Gesundheit von Kindern präventiv und nachhaltig zu schützen. Wir alle wissen, wie langsam die europäischen Gesetzesmühlen mahlen und wie sich manches in unverbindlichen Initiativen verliert. Ich möchte die Fachkollegen nur an das Herumgeeiere beim Verbot von Bisphenol A erinnern. Diesem Stoff wurde einmal eine Unbedenklichkeit attestiert, bis es letztlich zum Verbotsverfahren kam. Auch hier sind wir national tätig geworden. Dies stünde uns bei diesem Problem auch gut an.
Herr Kollege Dr. Bertermann, die Erkenntnisse liegen aber doch vor. Dänemark hat die Gesetzesinitiative aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse eingeleitet. Der Staatssekretär im Sozialministerium, Herr Sackmann, hat anerkannt, dass es eine Datengrundlage gibt. Ich sehe keinen Grund mehr, warum Sie den Antrag der FREIEN WÄHLER ablehnen könnten.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bereits zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen beschäftigen wir uns mit der medizinischen Versorgung. Erst hatten wir die Regierungserklärung, jetzt haben wir eine Interpellation der FREIEN WÄHLER vom Mai 2010. Nach eineinhalb Jahren sind einige Themenkomplexe schon abgehandelt. Ich frage mich aber, warum die Staatsregierung fast 18 Monate für die Beantwortung gebraucht hat. So schwierig und anspruchsvoll waren die Fragen nicht, Herr Kollege Vetter. Manche Fragen hätte man auch mit einem Blick ins Internet klären können. Die Fragen waren manchmal etwas verschwurbelt. Auch mir hat sich manchmal der Sinn der Fragen nicht ganz erschlossen. Ein Beispiel dafür ist die Frage nach den Auswirkungen der Zwangsmitgliedschaft für Ärzte in der Krankenversicherung. Ich vermute, dass Sie damit sicher die Zwangsmitgliedschaft in der Kassenärztlichen Vereinigung gemeint haben. Die Diskussion über dieses Thema wäre wirklich spannend gewesen.
Alles das rechtfertigt aber nicht den Zeitraum von 18 Monaten für die Beantwortung der Interpellation. Dafür gibt es für mich nur zwei Erklärungen: Entweder hat das Thema nicht die Priorität, die es verdient, oder Minister Söder befindet sich wieder einmal im Wettstreit mit dem Sozialministerium. Den hätte das Sozialministerium diesmal allerdings gewonnen, denn es hat für die Beantwortung der Interpellation zur Inklusion nur ein Jahr gebraucht.
Nun zu den Inhalten: In Ihrer Interpellation geht es um mehr als um die Versorgungsstruktur. Sie beschäftigen sich auch mit den Strukturen des Gesundheitswesens, mit Transparenz, mit Kostenerstattung und mit dem Verhältnis zwischen der GKV und ihren Versicherten.
Zur primärärztlichen Versorgung möchte ich nicht mehr so viel sagen. Dieses Thema hat in der Plenardebatte der vergangenen Woche einen sehr breiten Raum eingenommen. Ich möchte nur noch an die Herausforderungen erinnern, die auf uns zukommen werden. Auf der einen Seite verursacht der demografische Wandel einen höheren Behandlungsbedarf, auf der anderen Seite werden in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren 50 % der Hausärzte ausscheiden. Dazu muss ich in der Erklärung der Staatsregierung lesen, dass aufgrund der bestehenden Versorgungsdichte nicht mit Versorgungsproblemen gerechnet werden müsse. Diese Aussage empfinde ich als Hohn; sie erklärt mir aber auch, warum Sie nicht zu Potte kommen. Sie verlieren sich nur in Ankündigungen, egal ob es die Problematik der Lehrstühle, die Voraussetzungen für den Zugang zu einem Studium oder die Studienplätze an sich betrifft. In der Beantwortung der Interpellation haben Sie konkrete Zahlen genannt. Sie stocken die Zahl der Studienplätze um 80 auf. Das ist eine klare Aussage, denn in der Regierungserklärung der letzten Woche haben Sie noch von 438 Plätzen für drei Jahre fabuliert. Das wären im Anfangssemester auch nur 73 Plätze. Allerdings klingt es ein bisschen besser.
Ihr Hinweis, dass jährlich mehr als 1.300 Medizinstudenten ihr Studium erfolgreich absolvieren, ist wenig hilfreich, denn Sie verlieren kein Wort darüber, dass davon nur 40 % in die ambulante Versorgung und nur ein Bruchteil davon in die hausärztliche Versorgung gehen. Wir müssen wirklich effiziente Maßnahmen ergreifen, damit die Versorgungslücke nicht wie eine Lawine auf uns zurollt. Ich gebe zu, dass das Versorgungsstrukturgesetz ansatzweise versucht, diese Probleme zu lösen. Den Erfolg müssen wir abwarten.
Eine Maßnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren aber schon die Hausarztverträge. Sie garantierten den Patienten eine hochwertige primärärztliche
Versorgung und gaben den Hausärztinnen und Hausärzten Planungssicherheit. Planungssicherheit ist für eine Niederlassungsentscheidung wichtig. Diese Hausarztverträge haben Sie mit dem GKV-Finanzierungsgesetz praktisch erledigt. Ich sage es hier noch einmal: Das Beruhigungsbonbon der Anschlussverhandlungen bis 2014 ist letztlich eine bittere Pille, weil sich diese Versprechungen als leer erweisen.
Kollege Zimmermann, eines muss ich schon richtigstellen: Sie haben recht, dass die Kündigung der Hausarztverträge im letzten Jahr von den Hausärzten mit der Androhung des Systemausstiegs provoziert wurde. Das erkenne ich ganz klar an. Diese Androhung verurteile ich auch aufs Schärfste. Das möchte ich hier schon sagen. Sie wissen aber auch, dass die Hausarztverträge spätestens im Dezember 2011 gekündigt worden wären, weil sie bis Dezember 2011 befristet waren. Wir hätten jetzt diese Situation. Hier gibt es aber noch keinen Abschluss. Das Schiedsgericht wurde angerufen. Die Rechtssicherheit ist also doch nicht so hoch, wie uns der Minister immer vorgaukelt. Ich würde vorschlagen: Sie sorgen in Berlin dafür, dass der alte § 73 b SGB V wiederhergestellt wird. Dann haben wir wieder Ruhe an der Front und Sicherheit für die primärärztliche Versorgung.
Die Ausführungen zur notfallmedizinischen Versorgung in der Antwort auf die Interpellation sind mir zu rosig. Ich pflichte der Aussage bei, dass wir nicht mehr Notarztstandorte brauchen. Ich hätte mir aber deutlichere Hinweise darauf erwartet, dass es bei uns in Bayern Regionen gibt, die Probleme haben, alle Standorte immer adäquat zu besetzen. In Bayern gibt es auch Regionen, in denen die Rettungsfristen nicht immer eingehalten werden können. Wir wissen, dass die Kassenärztliche Vereinigung den Sicherstellungsauftrag, den sie hat, oftmals nur mit Hilfe der Krankenhäuser aufrechterhalten kann. Zu überlegen wäre, inwieweit Hausärzte mit der Fachbezeichnung "Rettungsdienst" besser eingebunden werden könnten. In der Praxis gibt es viel zu viele Probleme durch Schnittstellen und Kompetenzgerangel.
Bei der Bewertung der stationären Versorgung macht es sich die Staatsregierung sehr einfach, wenn sie lediglich auf die innerorganisatorische Verantwortung der Krankenhäuser verweist und uns außerdem mitteilt, dass sich ein nennenswerter Ärztemangel zahlenmäßig nicht belegen lasse. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft hat uns mitgeteilt, dass aktuell in der stationären Versorgung 700 Ärzte fehlen. Das ist sehr alarmierend.
Lassen Sie mich noch bei den Krankenhäusern bleiben; denn sie werden doppelt in die Zange genommen. Auf der einen Seite haben sie mit gedeckelten
Betriebskosten zu kämpfen, auf der anderen Seite kämpfen sie mit Investitionskosten, die immer weiter heruntergefahren werden. Ich freue mich, in der Antwort auf die Interpellation zu lesen: "Um eine leistungsfähige moderne Krankenhauslandschaft zu erhalten, müssen den Krankenhäusern Investitionsmittel in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden." Ich muss Ihnen sagen: Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Die Tatsache, dass die Investitionskosten im letzten Haushalt wieder ein bisschen hochgefahren worden sind, macht die erheblichen Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre nicht wett. Wir haben einen enormen Investitionsstau. Ich begrüße es, dass die Staatsregierung fordert, dass die Kosten für die Weiterbildung in den DRGs aufgenommen werden. Gleichzeitig müssen wir aber auch darüber reden, dass sich der Pflegeaufwand und der Aufwand für die Dokumentation in den Fallpauschalen widerspiegeln müssen.
Eine ganz neue Brisanz hat in den letzten Monaten das Thema Prüfungen durch den MDK, den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, erhalten. Die Auseinandersetzung zwischen der Krankenkasse, dem MDK und den Krankenhäusern ist dabei, zu eskalieren. Ich habe dazu eine Schriftliche Anfrage gestellt. Allerdings bringt mich die Antwort darauf nicht sehr viel weiter. Der Gesundheitsausschuss des Bundestages wird sich morgen mit der Prüfpraxis des MDK beschäftigen. Vielleicht wird es dabei ein bisschen mehr Klarheit geben.
Ich freue mich, dass in der Antwort auf die Interpellation der Mythos MVZ - Medizinische Versorgungszentren - endlich entzaubert wird. Sie stellen klar, dass sich die Mehrheit dieser Zentren, nämlich 60 %, in ärztlicher Trägerschaft befinden. MVZ sind eine notwendige Ergänzung der ambulanten Versorgung und als solche auch nicht mehr wegzudenken. Sie haben richtigerweise festgestellt, dass sich diese MVZ häufig in den Ballungsräumen ansiedeln und keine Alternative für den ländlichen Raum sind. Gerade deshalb wäre es wünschenswert, wenn sie sich auf Bundesebene dafür einsetzten, dass die Interdisziplinarität aufgegeben wird. Wir brauchen die Möglichkeit, hausärztliche Versorgungszentren zu gründen. Das wäre für die Fläche eine echte Alternative und ein Gewinn.
Zur Bedarfsplanung haben Herr Kollege Dr. Vetter und vor allem Herr Kollege Dr. Zimmermann schon einiges ausgeführt. Ich habe in der letzten Woche etwas dazu gesagt. Ich möchte es Ihnen ersparen, dies zu wiederholen. Einen Vorwurf werde ich Ihnen aber nicht ersparen, nämlich dass Sie auf der Basis einer regionalisierten und realistischen Bedarfsplanung keine Abschläge für überversorgte Gebiete verlangen, sondern lediglich für Zuschläge in unterver
sorgten Gebieten eintreten. Diese Aussage findet sich in der Antwort auf die Interpellation. Sie haben sie heute unterstrichen. Diesen Fehler begehen Sie auch im Versorgungsstrukturgesetz. Damit geben Sie freiwillig ein wirklich wichtiges Steuerungsinstrument aus der Hand.
Kolleginnen und Kollegen, interessant in der Antwort auf die Interpellation ist auch die Ausgabenentwicklung bei den Krankenkassen. Wir müssen feststellen, dass sich die Ausgaben für Rehabilitation und Versorgung fast halbieren. Dies bestätigt, was wir im Versorgungsalltag erleben: Geriatrische Rehabilitationsmaßnahmen werden nur zurückhaltend genehmigt. Der Grundsatz "Rehabilitation vor Pflege" hat bei den Kostenträgern in der Praxis nicht den Stellenwert, den die Politik einfordert. Dieses Thema regt mich wirklich auf. Mir wurde von den Krankenkassen gesagt: Die geriatrische Reha wollen wir nicht zahlen, weil der eigentliche Profiteur die Pflege ist. Da packt mich der heilige Zorn. Hier sind Reformen dringend angesagt. Ich weiß nicht, worauf Herr Minister Bahr in Berlin wartet.
Das Gleiche gilt für die Mutter/Vater-Kind-Kuren. Mittlerweile beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der mangelnden Umsetzung des gesetzlichen Anspruches. Das muss man sich einmal vorstellen. Demnächst werden wir im Ausschuss dazu einen Bericht bekommen. Dann werden wir sehen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
In der Antwort auf die Interpellation wurde ein Lieblingsthema der FREIEN WÄHLER angesprochen. Mich wundert es, dass Sie dazu heute nichts gesagt haben; denn im Ausschuss haben Sie uns mit Anträgen dazu malträtiert. Ich spreche von der elektronischen Gesundheitskarte. Eigentlich ist dieses Thema obsolet; denn diese Karte gibt es seit dem 1. Oktober. Der Datenschutzbeauftragte hat dazu sein Plazet gegeben. Ich möchte aber trotzdem dazu etwas sagen, weil mir dieses Thema wirklich wichtig ist und ich Ihre ablehnende Haltung nicht verstehen kann. Der administrative Teil der Karte wird verbessert. Wir haben einen besseren Schutz vor Missbrauch. Die Karte wird aber auch um einen medizinischen Teil erweitert, der vor allem Notfalldaten und Medikationen enthält. Der Versicherte selbst bestimmt, ob und welche Daten gespeichert werden und wer darauf zugreifen kann. Ich bin davon überzeugt, dass die elektronische Gesundheitskarte ein Mehr an Patientensicherheit bringt. Inwieweit sie auch wirtschaftliche Vorteile haben wird, zum Beispiel Abbau von Doppelverordnungen und Doppeluntersuchungen, bleibt abzuwar
ten. Ich kann nur an Sie appellieren: Geben Sie Ihren Widerstand auf.
Zum Schluss noch ein paar Sätze zur Kostenerstattung - denn auch damit beschäftigt sich die Antwort auf die Interpellation. Ich kann Ihnen für meine Fraktion nur sagen: Das lehnen wir ab. Die Patienten sollen nicht in Vorkasse gehen und sich dann mit der Versicherung herumstreiten müssen, was erstattet wird und was nicht. Dadurch würden viele Patienten überfordert. Arztbesuche werden dann hinausgezögert und notwendige Medikationen nicht eingenommen. Für die Schaffung von mehr Transparenz - bei diesem Ziel sind wir an Ihrer Seite - gibt es andere Wege als die Kostenerstattung. Die Staatsregierung hat in der Antwort auf die Interpellation zu Recht geschrieben, dass es sich bei der Kostenerstattung um einen drastischen Systemwechsel handeln würde, der einen nicht absehbaren immensen Verwaltungsaufwand für Praxen und Krankenkassen bedeutet. Besonders wichtig ist: Die Mechanismen der Mengen- und Qualitätssteuerung würden nicht mehr funktionieren.
Ich frage mich, warum Sie in Berlin für die Erleichterung des Einstiegs in die Kostenerstattung gestimmt haben. Warum haben Sie hier die Tür ein Stück weit aufgemacht? Das ist ein weiterer Beleg dafür, dass Sie in Berlin meist anders handeln als Sie in München reden.
Herr Kollege Bertermann, zwei Aussagen haben mich zu einer Zwischenintervention bewogen. Erst noch etwas ganz Generelles zum Honorar. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld in Bayern, weil wir eine andere Qualität bezahlen müssen. Das sagt das KVB-Qualitätsprogramm mit "Pay for performance". Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld in Bayern, weil wir besondere Versorgungsstrukturen mit Belegarztwesen und ambulantem Operieren haben. Ich gebe Ihnen aber nicht recht und widerspreche Ihnen heftig, wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Geld, weil wir höhere Löhne haben, weil wir höhere Personalkosten und höhere Mieten haben. Ich sage: Es ist nicht angebracht, dass die Solidargemeinschaft das bezahlt. Das haben Sie weder in der GOÄ, das haben Sie nicht bei den Berufsgenossenschaften, auch in den Apotheken werden in Hamburg die gleichen Abgabepreise verlangt wie in München. Eine Blinddarmoperation in München muss nicht teurer sein als in einem anderen Bundesland. Und bei den regionalen Investitions- und Betriebskosten - das ist schon des Öfteren nachgewiesen worden - gibt es keinen Unterschied zwischen den Bundesländern, sondern nur in den Bundesländern. Das heißt, bei mir in der Rhön ist es anders als in München. Da kostet die Leberkässemmel halt auch nur halb so viel. Aber deswegen gibt es auch kein anderes Honorar.
Nun zu Ihrer anderen Bemerkung zur Freiberuflichkeit. Sie erwecken hier immer den Eindruck - das zieht sich auch durch die Interpellation und durch das Versorgungsstrukturgesetz -, dass Freiberuflichkeit mit einer Tätigkeit in selbstständiger Praxis zu tun habe. Freiberuflichkeit heißt lediglich, nicht weisungsgebunden gegenüber Nichtmedizinern zu sein. Das ist völlig unabhängig vom Berufsstand und davon, ob sie abhängig beschäftigt sind oder selbstständig arbeiten. Das hat auch Dr. Hoppe klargestellt. Was hier passiert, ist wirklich ein Affront gegenüber angestellten Ärzten. Auch die Klinikärzte geben an der Türklinke ihre Ethik, ihre berufliche Moral, ihre Verantwortung für die Patienten nicht ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bertermann, den Vorwurf, dass wir nicht zugehört hätten, muss ich Ihnen leider zurückgeben. Keiner der Oppositionspolitiker hat hier die Qualität unseres Gesundheitssystems angezweifelt. Wir haben sie alle bestätigt, und wir wissen, dass unser Gesundheitssystem im Weltvergleich auf einem sehr hohen Niveau ist. Wir wissen aber auch, dass es Defizite und Herausforderungen gibt. Es ist die Aufgabe eines verantwortungsbewussten Gesundheitspolitikers, genau darauf hinzuweisen.
Wir haben - das wurde schon erwähnt - laut einer kürzlichen Zählung so viele Ärzte wie nie zuvor. In Bayern ist ihre Zahl um 3 % angestiegen. Meine Damen und Herren, jeder, der sich in der Materie ein bisschen auskennt oder im medizinischen Bereich tätig ist, weiß aber auch, dass diese höhere Anzahl von Ärzten eine bessere Versorgungsqualität bloß suggeriert. Der Beruf steht vor ganz neuen Anforderungen. Entscheidend ist, dass das individuell geleistete Arbeitsvolumen wesentlich geringer ist. In unseren Krankenhäusern hat sich die Zahl der stationären Ärzte im Zeitraum von 2000 bis 2007 um 8 % erhöht, aber die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sind um 0,3 % zurückgegangen. Dann wissen Sie, wie wir den ständigen Ärzteanstieg zu bewerten haben. Auch die ärztlichen Kollegen wollen ihre Familien nicht nur vom Schreibtischfoto her kennen.
Fakt ist, dass die Ärzte in der ambulanten Tätigkeit nicht da sind, wo wir sie brauchen, und auch nicht in den Fachrichtungen, in denen wir sie brauchen. Ich höre hier immer, dass 1.400 Einwohner auf einen Hausarzt kommen. Herr Minister, sagen Sie dann bitte auch, dass in der Rhön 2.500 Einwohner auf einen Hausarzt kommen und in München nur 500. So nämlich kommen solche statistischen Zahlen zustande.
Viele Menschen erleben faktisch bereits eine Unterversorgung, gerade in strukturschwachen Gebieten. Viele Hausärzte - allein aus dem Landkreis Bad Kissingen könnte ich Ihnen sofort drei nennen - finden keine Nachfolger für ihre Praxen. Deshalb fordert meine Fraktion schon seit Langem, dass die Bedarfsplanung in eine patientenorientierte, umfassende Versorgungsplanung weiterentwickelt wird, die den Bedarf an Medizin, Pflege und auch an Rehabilitation in der Region wirklich widerspiegelt und dabei auch Demografie, Morbidität und die Infra- und Sozialstruktur berücksichtigt. Das ist ganz wichtig.
Zum Teil ist das mit dem Versorgungsstrukturgesetz auch gelungen. Die Aufhebung der Sektorengrenze wird vorgenommen. Herr Minister, Sie geben mir sicher darin recht, dass sich im Kabinettsentwurf von den Ideen der Rösler-Kommission nicht mehr viel Regionales wiederfindet. Zwei Ländervertreter werden im Bundesausschuss künftig gemeinsam mit am Tisch sitzen und werden mitreden; sie dürfen sogar Vorschläge machen, aber sie dürfen nicht mitentscheiden. Der gemeinsame Bundesausschuss wird nach wie vor die bundeseinheitlichen Richtlinien vorgeben und bundeseinheitliche Standards definieren. Das finde ich besonders bedauerlich. Er wird hierbei zwar die Demografie berücksichtigen, aber nicht die Morbidität und nicht die Sozial- und Infrastruktur.
Dafür gibt es jetzt glücklicherweise Öffnungsklauseln für spezifische Regelungen. Der Landesausschuss erhält Gestaltungsspielraum, um die regionale Bedarfsplanung an den konkreten Versorgungsbedarf anzupassen. Das ist sehr zu begrüßen. Die Finanzierung ist in dem Fall aber nur gesichert, wenn das Ganze im Einvernehmen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Ländervertretungen der einzelnen Krankenkassen geschieht. Sie haben gesagt - das habe ich eigens mitgeschrieben -, in welcher Region welcher Arzt benötigt wird, wird künftig von der Selbstverwaltung in Bayern entschieden.
Dann müssten Sie aber dazusagen, dass es natürlich gilt, bundeseinheitliche Standards einzuhalten.
Was passiert denn, wenn wir in Bayern an die Versorgungsqualität höhere Maßstäbe anlegen, als es der bundeseinheitliche Standard vorgibt? Was passiert, wenn das Land Bayern von seinem Beanstandungsrecht Gebrauch macht? Zu den Kosten sagt das Gesetz, dass je nach Ausgestaltung ein nicht quantifizierbarer Mehraufwand auf die Länder zukommen wird. Sie werden in Bayern für innovative Versorgungskonzepte vier Millionen Euro bereitstellen. Das ist gut so. Ich sage Ihnen aber auch: Diese Mittel brauchen Sie allein für den Fahrdienst für ältere Patienten. Auch das möchte ich hier erwähnen. Gerade im ländlichen Raum haben wir Personengruppen, die aufgrund des schlechten öffentlichen Personennahverkehrs auf solche Fahrdienste für Fahrten zum Arzt angewiesen sind.
Zu den anderen innovativen Maßnahmen wie JobSharing oder Teilzeitarbeit, die Sie vorschlagen, muss ich Ihnen sagen, dass ich das in den Neunzigerjahren schon selbst praktiziert habe. So neu sind diese Initiativen nicht. Auch die fachgruppenübergreifenden ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaften - so heißen sie übrigens, den Terminus Gemeinschaftspraxis gibt es nicht mehr - existieren schon längst. Sie werden auch schon überörtlich eingerichtet.
Zurück zum Bedarfsplan. Mit dem realen Bedarfsplan ist unser Problem nicht gelöst. Wir wissen dann zwar, wo wir welche Ärzte brauchen und wie viele es sein müssen. Wir haben sie aber nicht. Wir haben sie nicht für die hausärztliche Versorgung, und wir haben sie auch nicht als Entlastungs- und Sicherungsstellungsassistenten. Es sagt sich so leicht, dass wir Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren und die Sicherstellungsassistenten dafür länger einstellen dürfen. Finden Sie die erst einmal! Uns allen ist bekannt, dass wir in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren 4.000 Hausärzte ersetzen müssen, wenn wir nur den Status quo erhalten wollen. Dabei ist ein prognostizierter Mehrbedarf an Leistungen in Höhe von 20 %, der auf uns zukommen wird, überhaupt nicht berücksichtigt.
Das Thema interessiert Herrn Hacker offensichtlich nicht so sehr, aber es wäre auch für ihn wichtig.
- Das ist wunderbar, obwohl Sie ein Mann sind. Klasse!
Wir wissen auch, dass die Facharztanerkennungen kontinuierlich sinken. In den letzten Jahren haben sich nur noch 200 Ärztinnen und Ärzte für die Weiterbil
dung in Allgemeinmedizin entschieden. Damit wird Ihnen doch ganz schnell klar, dass diese 4.000 Hausärzte nicht zu ersetzen sind.
Diese Entwicklung macht aber auch deutlich, wo wir ansetzen müssen, nämlich bei der Ausbildung. In diesem Zusammenhang - das muss ich Ihnen ganz klar sagen - ist das Versorgungsstrukturgesetz Enttäuschung pur. Im Referentenentwurf wurde noch sehr viel von der Aufstockung von Studienplätzen, von der Veränderung der Zulassungskriterien, von der Berücksichtigung sozialer und beruflicher Kompetenzen und von der Änderung der Approbationsordnung hin zu einer versorgungsorientierten Ausbildung fabuliert. Nichts ist passiert. Alles wurde angedacht, es wurde darüber diskutiert, und dann ist es irgendwann in Ihrem Planungsnirwana verschwunden.
Die zunehmenden Probleme der ärztlichen Versorgung schlagen sich leider auch in der Versorgung von Pflegeheimen nieder. Kollege Beyer hat erst vorgestern eine Studie der AWO vorgestellt, die wirklich erschreckend ist. Die hausärztliche Versorgung von Pflegeheimen wird vor allem in strukturschwachen Räumen immer schwieriger.
Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass es mit der fachärztlichen und zahnärztlichen Versorgung in den Heimen noch schwieriger ist. Die geriatrischen Praxisverbünde der KVB sind ein vielversprechendes Modell, aber es wird von viel zu wenigen Praxen genutzt. 2010 gab es 33 Praxisverbünde für 80 Pflegeheime. Wir haben in Bayern aber über 1.500 Pflegeheime. Das kann uns nicht zufriedenstellen.
Auch die Heimarztmodelle, die es bei der AOK in Berlin oder bei der AWO in München gibt, sind äußerst erfolgreich. Leider sind sie aber nur Modelle und nicht die Regelversorgung. Ein weiteres Defizit haben wir bei der geriatrischen Versorgung, Herr Minister. Das Fachprogramm Akutgeriatrie ist wirklich gut.
- Es interessiert ihn nicht so sehr. Das Programm ist aber wirklich sehr gut. Allerdings machen wir die Erfahrung, dass die Krankenhäuser, die solche Abteilungen eröffnen möchten, es nicht können, weil Ihnen die Geriater und vor allem die für die Geriatrie geschulten
Pflegekräfte fehlen. Die Geriatrie führt auch an den Universitäten genauso wie die Allgemeinmedizin ein Schattendasein. Das ist sehr traurig. Angesichts der demografischen Entwicklung ist eine gute geriatrische Ausbildung immens wichtig.
Herr Minister, ich begrüße Ihre Absicht, gemeinsam mit dem Sozialministerium ein Konzept für die Hospizund Palliativversorgung vorzulegen. Es ist ganz wichtig, den sterbenden Menschen in seiner letzten Lebensphase würdevoll zu begleiten und ihm ein Sterben zu Hause zu ermöglichen. In der "Süddeutschen Zeitung" lese ich, dass das neue Bündnis den Hospizvereinen bei der Ausschöpfung der Fördermittel der Krankenkassen behilflich sein will. Das ist mir zu wenig. Ich gehe davon aus, dass Sie auch dafür ordentlich Geld ausgeben.
Das Gleiche gilt für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Zwischenzeitlich, nämlich seit 2007, also seit vier Jahren, haben wir nach meiner Information zwölf Dienste. Sie haben heute sechzehn genannt. Das ist zwar besser, aber nach wie vor nicht zufriedenstellend. Für eine flächendeckende Versorgung bräuchten wir laut Ihrer Auskunft von Anfang Februar 50 Teams. Heute haben Sie von 60 Teams gesprochen. Ich habe heute aber das Gefühl, dass Sie sehr zu Superlativen neigten.
Warum geht der Ausbau dieser Versorgung so zögerlich voran? - Zum einen gibt es auch dafür nicht das qualifizierte Personal, weder in der Ärzteschaft noch bei den Pflegerinnen und Pflegern. Der andere Grund sind die immens hohen Anlaufkosten, die die Teams in der Anlaufphase haben, für die es aber keine Vergütung durch die Krankenkassen gibt. Ich erkenne an, dass es im bayerischen Staatshaushalt dafür eine Anschubfinanzierung gibt. Ich gehe davon aus, dass diese Finanzierungshilfen auch weiterhin beibehalten werden, nachdem das Bündnis ins Leben gerufen worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, es gibt viele gute Versorgungsmodelle. Sie kranken aber daran, dass wir nicht genügend Ärzte haben, die bereit sind, in strukturschwachen Regionen die primärärztliche Versorgung zu übernehmen. Deshalb müssen natürlich Anreize finanzieller Art geschaffen werden, um den Ärzten das Leben und Arbeiten auf dem Land schmackhaft zu machen. Ich sage Ihnen aber auch eines in aller Deutlichkeit: Wenn wir auf der Grundlage eines realen Bedarfsplanes Zuschläge in unterversorgten Gebieten zahlen - das Gesetz sieht das so vor -, müssten wir im Gegenzug Abschläge in überversorgten Gebieten abverlangen. Dazu fehlt Ihnen der Mut.
Sie geben damit ein ganz wichtiges Steuerungselement der Versorgungsplanung aus der Hand. Nebenbei sorgen Sie dafür, dass sich die Beitragsspirale nach oben dreht und die Versicherten die Zeche zahlen. Die Versicherten werden sie doppelt zahlen, weil zwischenzeitlich auch der Finanzminister die Risiken des Gesetzes erkannt und die Notbremse gezogen hat. Der steuerfinanzierte Sozialausgleich steht auf dem Spiel. Das Versorgungsstrukturgesetz und im Übrigen auch Sie geben auf die Überversorgung keine Antwort. Wenn man über Versorgung spricht, dürfen Über- und Fehlversorgung in Bayern nicht außer Acht gelassen werden. Das hat im Übrigen auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme ganz klar zum Ausdruck gebracht. Beim Bund hat er dafür aber wenig Gehör gefunden.
Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die KV in überversorgten Gebieten bleibt es bei einer Kann-Regelung. Dramatischer ist noch, dass der Anbieter den Preis diktieren wird. In bestimmten Regionen Bayerns wird die Ausübung des Vorkaufsrechts für die KV ganz schön teuer werden. Deshalb wird diese Regelung ins Leere laufen. Sie ist ein stumpfes Schwert, das Sie zum Einsatz bringen. Aus dem "Kann" im Versorgungsgesetz muss ein "Muss" werden, und dies zu Bedingungen, die die Kassenärztliche Vereinigung auch erfüllen kann.
Wieder zurück zur hausärztlichen Versorgung. Die Situation der Hausärzte hätten Sie auch einfacher verbessern können. Hätten Sie der faktischen Zerschlagung der Hausarztverträge in Berlin nicht zugestimmt, wäre die Situation der Hausärzte heute anders. Ihr Zuckerl für die bayerischen Hausärzte, die Anschlussverhandlungen nach altem Recht bis 2014, ist nicht so unmissverständlich, wie Sie es darzustellen versuchen, sonst hätten wir schon längst wieder funktionierende Hausarztverträge in Bayern.
Kolleginnen und Kollegen, noch ein Wort zu den Eigeneinrichtungen: Ich halte die Eigeneinrichtungen für ein hilfreiches Instrument. Ich bin froh darüber, dass das Gesetz die Rechtsgrundlagen dafür schafft. Herr Minister, Sie müssen mir aber schon noch die Regelung im Gesetz zeigen, die es den Kommunen erlaubt, Ärztehäuser und Praxen zu betreiben. Ist es denn nicht eher so, dass es nur der KV erlaubt sein sollte, diese zu gründen, und der kommunale Träger dies nur im Ausnahmefall machen darf, nämlich dann, wenn es der KV nicht gelingt, einen Arztsitz zu besetzen? Ich sage Ihnen: Unsere Kommunen sind weder Lückenbüßer noch werden sie der KV den Sicherstellungsauftrag abnehmen. Wenn sie Versorgungsverantwortung übernehmen, dann auf einer freiwilligen
Basis, weil für sie der Arzt vor Ort im Hinblick auf die Bedarfsplanung ein ganz wichtiger Standortfaktor ist.
In kommunalen Eigeneinrichtungen können junge Ärztinnen und Ärzte ohne das Investitionsrisiko das Landarzt-Dasein testen. Es wird nicht wie in der Vorabendserie sein. Aber viele von ihnen werden feststellen, dass es ein wirklich befriedigendes Arbeiten ist, ein Job, in dem man sehr viel geben muss, in dem man aber auch sehr viel zurückbekommt. Ich bin mir sicher, dass aus der Testphase für viele eine Lebensentscheidung wird. Ich halte es auch für notwendig, dass wir unsere Medizinischen Versorgungszentren zu Hausärztlichen Versorgungszentren weiterentwickeln.
Zum Schluss ein paar Sätze zur Honorarverteilung. Lassen Sie mich vorweg feststellen: Deutschlands und Bayerns Ärztinnen und Ärzte betreiben eine Spitzenmedizin, und sie gehören nach wie vor zu den Spitzenverdienern. Von 2007 bis 2011 sind über fünf Milliarden Euro mehr in die ambulante ärztliche Versorgung geflossen. Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt rechnet für das Jahr 2012 mit einem erneuten Anstieg in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Dieses Geld wird von den Versicherten und den Arbeitgebern aufgebracht.
Mit dem neuen Gesetz erhalten die KVs bezüglich der Honorarverteilung große Kompetenzen. Die Krankenkassen müssen nur noch ins Benehmen gesetzt werden. Herr Minister, Sie haben das bei uns im Gesundheitsausschuss als großen Erfolg dargestellt und dem Sinn nach gesagt: Die KV verteilt das Geld jetzt selbst. Das hat auch den Vorteil, dass wir, die Politik, uns nicht mehr beschimpfen lassen müssen. Das mag richtig sein. Mir stellt sich jedoch schon die Frage, ob dieses Mehr an Ihrer Lebensqualität auch mit einem Mehrwert für die Versorgungsqualität der Versicherten einhergeht. Wenn ich mir so manche Verteilungskämpfe innerhalb der Ärzteschaft in den vergangenen Jahren ins Gedächtnis rufe, habe ich hier meine berechtigten Zweifel. Deshalb halte ich die Forderung der Krankenkassen, bei den Regelungen zur Honorarverteilung mitzuentscheiden, für absolut berechtigt; denn nicht nur die Interessen der Ärzteschaft, sondern vor allem Versorgungsgesichtspunkte sind bei der Honorarverteilung zu berücksichtigen.
Zusammenfassend muss man sagen: Die Bund-Länder-Kommission ist gut in dieses neue Gesetz hineingestartet. Letztendlich bleibt das Gesetz jedoch hinter den Erwartungen zurück. Auf viele Fragen gibt es keine Antworten. Bei der Finanzierung bleibt es schwammig. Die Aussage "Ein großer Wurf ist dieses
Gesetz nicht.", stammt nicht von mir, sondern vom Präsidenten der Bayerischen Landesärztekammer. Ich kann dem beipflichten.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Herr Minister, Sie haben zu Recht gesagt - ich habe es mir mitgeschrieben -, die Politik solle sich nicht über Expertenmeinungen hinwegsetzen, bevor sie eine Entscheidung treffe. Haben Sie dann eine Erklärung dafür, warum die CSU-Fraktion, der Sie ja auch angehören, den von der SPD-Fraktion eingeforderten Berichtsantrag - wir wollen über den Verlauf der Seuche, über Therapieoptionen, über personelle Kapazitäten in den zuständigen bayerischen Behörden, gerade in der Lebensmittelüberwachung, aber auch in den Gesundheitsämtern, informiert werden ablehnen wird?
Herr Minister, Sie behaupten immer wieder, es habe keine Differenzen in der Bewertung der Messwerte zwischen Bundesumweltministerium und bayerischer Atomaufsicht gegeben. Ich bezweifle dies. Denn letztendlich sind völlig unterschiedliche Konsequenzen aus diesen Messergebnissen gezogen worden.
Die bayerische Atomaufsicht hat die Befunde als sicherheitstechnisch unbedenklich eingestuft und die Anlage schließlich mit der Maßgabe, dass der Befund bei weiteren Revisionen im Auge behalten werden müsse, wieder ans Netz gelassen.
Das Bundesumweltministerium hat irgendwie Wind davon bekommen, hat die Reaktorsicherheitskommission zur Beratung hinzugezogen und ist am 16.12. zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Jahresrevision 2011 das besagte Thermorohr herausgenommen und einer materialwissenschaftlichen Untersuchung unterworfen werden müsse.
Das sind für mich zwei völlig unterschiedliche Bewertungen der Messergebnisse. Ich frage Sie: Warum sind die bayerische Atomaufsicht und der TÜV Süd im Juni noch nicht zu diesem Ergebnis gekommen? Welche neuen Ergebnisse haben Sie am 14. Dezember im Fachgespräch mit dem Betreiber gewonnen, dass Sie diesen dann veranlasst haben, das Rohr auszutauschen?
Ein weiterer Punkt: Sie wissen, dass es bereits im Jahre 2001 an dieser Stelle Auffälligkeiten gab. Diese Messkomponente war damals im kerntechnischen Regelwerk noch nicht vorgesehen. Bayern hat trotzdem überprüft und ein Prüfintervall von acht Jahren vorgegeben.
Dazu meine erste Frage: Warum wurde dieses Prüfintervall um ein Jahr überschritten und warum wurde erst nach neun Jahren überprüft?
Zweite Frage: Ist es nicht so, dass die Vorgabe von Prüfungsintervallen bei unauffälligen Befunden eine Wiederholungsprüfung sein soll, dann aber, wenn ich
eine Auffälligkeit entdecke, die Prüfung deutlich früher durchgeführt werden muss?
Zwischenzeitlich ist diese Messkomponente in das kerntechnische Regelwerk aufgenommen worden. Zu welchem Zeitpunkt geschah das? Und warum ist nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt die Untersuchung erneut vorgenommen worden?
Herr Minister, ich werde Sie jetzt zum eigentlichen Thema der heutigen Fragestunde befragen, zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung; denn das Nachkarten hilft uns angesichts der bestehenden, wirklich dramatischen Situation nichts. In den nächsten zehn bis 15 Jahren müssen 4.500 Hausärzte ersetzt werden. Prognosen gehen sogar davon aus, dass der Leistungsbedarf in der Primärversorgung um 20 % zunimmt. Wir müssen gleichzeitig feststellen, dass die Zahl der Facharztanerkennungen im Fach Allgemeinmedizin deutlich zurückgeht: Im Jahr 2006 gab es noch 450 Facharztanerkennungen, im Jahr 2010 nur noch 220. Die Niederlassungszahl ist deutlich geringer.
Sie haben im Hearing gesagt, es kämen gewaltige, fundamentale Herausforderungen auf uns zu. Die ich zitiere Sie - demografische Entwicklung rollt wie eine Lawine auf uns zu und ein Großteil sitzt am Bergrand und knabbert Kekse. - Herr Minister, mein Eindruck ist: Sie knabbern nicht nur Kekse. Sie haben vor einem Jahr ein Maßnahmenpaket angekündigt. Seitdem schlummern Sie im Dornröschenschlaf, während die Menschen in den ländlichen Regionen in den sauren Apfel beißen und zusehen müssen, wie ihre Hausärzte verschwinden.
Wir brauchen deshalb keine vollmundigen Ankündigungen, sondern Taten. Meine erste Frage lautet: Bis wann sind die von meiner Fraktion im November 2008 geforderten und vom Kabinett im März 2010 angekündigten Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen medizinischen Fakultäten installiert? Was haben Sie bislang unternommen, um die Auswahlverfahren im Studienfach Medizin zu verändern? In RheinlandPfalz werden 40 % der Studienplätze in Auswahlgesprächen vergeben.
Dann möchte ich gerne die Position der Staatsregierung zur Landarztquote wissen, die Bundesminister Rösler favorisiert. Die Kollegen entscheiden sich im klinischen Abschnitt für eine Fachrichtung. Ist es nicht so, dass es letztendlich in eine Geldstrafe mündet, wenn diese Vertragsverpflichtung nicht eingehalten wird? Das bedeutet doch im Klartext: Wer hier im Land Geld hat, der kauft sich einen Medizinstudienplatz. Damit hätten wir wieder Ihr neoliberales Klientel bedient.
Ein Wort zum Thema Hausarztverträge: Diese sind ein wichtiges Instrument in der Steuerung der hausärztlichen Versorgung. Das ist ganz klar. Auch sage ich ganz ungeschminkt: Mit Hilfe Ihrer Partei in Berlin,
mit Ihrer Zustimmung sind diese Verträge größtenteils ausgehöhlt worden.
Diese Diskussion nützt uns jetzt nichts. Die bayerischen Hausärzte müssen verhandeln und möchten wissen, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie das tun können. Deshalb ganz konkret die Frage: Ist es auch die Rechtsauffassung Ihres Hauses, dass bei den jetzt anstehenden Verhandlungen Anschlussverträge mit Fortgeltungsdauer des alten Rechtes, also § 73 b ohne Absatz 5 a, zutage kommen? - Habe ich noch ein bisschen Zeit? - Letzte Frage: Infrastruktur spielt neben dem Honorar eine große Rolle. Wie wollen Sie Kommunen in ihren Bemühungen unterstützen, Hausärzte in der Region finanziell und organisatorisch anzuwerben? Als Letztes: Haben Sie sich bereits Gedanken gemacht, in welche Richtung die ärztliche Bedarfsplanung zu einer umfassenden patientenorientierten Versorgungsplanung weiterentwickelt werden kann, das heißt zu einer Planung, die Demografie, Morbidität und Infrastruktur in der Region berücksichtigt und den tatsächlichen Bedarf an Medizin, Pflege und Rehabilitation widerspiegelt?
Genau.
Frau Kollegin Stewens, Sie haben uns gerade wunderbar den bundeseinheitlichen Behandlungsbedarf erklärt, aber nicht die asymmetrische Verteilung. Denn wenn Sie in den Ausführungen zum Referentenentwurf nachlesen, stellen Sie ganz klar fest, dass sich die asymmetrische Verteilung nur auf die 0,5 % Honorarzuwachs, der linear gewährt werden soll, bezieht und dass letztlich die Meinung sowohl im Bundesgesundheitsministerium als zwischenzeitlich auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen dahin geht, dass von dieser asymmetrischen Verteilung Bayern und Baden-Württemberg profitieren.
Das hat folgenden Hintergrund: Asymmetrische Verteilung deshalb, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer, die in der letzten Honorarreform 2009 benachteiligt worden sind - und dazu gehört Bayern mit einem nur dreiprozentigen Zuwachs -, durch diese asymmetrische Verteilung besonders bevorzugt werden. Ich habe heute früh erst noch mit der KVB telefoniert. Dort wurde mir das bestätigt.
Frau Staatssekretärin, welche konkreten Vorschläge aus Bayern zur Kostendämpfung nehmen Sie mit, wenn Sie am Wochenende in die Klausur gehen?
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Gesundheitsausschuss mit dem Antragspaket zu Maßnahmen gegen riskanten Alkoholkonsum von Jugendlichen, aber auch von schwangeren Frauen befasst. Die Anträge wurden leider von CSU und FDP in Bausch und Bogen abgelehnt, obwohl die Notwendigkeit der Maßnahmen auch in den Reihen der CSU bestätigt wurde. Sie haben sich letztendlich auf einen lauen Berichtsan
trag beschränkt, in dem Sie die Staatsregierung auffordern, über Dinge zu berichten, die eigentlich längst bekannt sind. Die Staatsregierung soll über Maßnahmen berichten, die Ihre Minister schon seit Langem fordern. Meine Damen und Herren, das ist für mich nichts anderes als eine Beschäftigungstherapie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Das bringt uns in der Sache kein Stück weiter.
Die Zeit des Redens, die Zeit des Berichtens ist vorbei. Wir müssen handeln. Bei der Antragstellung haben wir uns noch mit den Zahlen aus dem Sucht- und Drogenbericht 2009 beschäftigt. Inzwischen liegen uns die Zahlen aus dem Jahrbuch "Sucht 2010" vor. Den Bericht in der für uns gewohnten Form werden wir leider nicht mehr erhalten, weil sich Berlin allem Anschein nach entschieden hat, künftig über legale und illegale Drogen nur noch getrennt zu berichten. Das mag politisch sinnvoll sein, medizinisch oder wissenschaftlich kann ich darin aber keinen Sinn erkennen, zumal angesichts der Tatsache, dass in Deutschland siebenmal mehr Krankheits- und Todesfälle durch legale als durch illegale Drogen verursacht werden.
Ganz egal, in welcher Form wir zu den Zahlen kommen, Fakt ist: Sie werden nicht besser, im Gegenteil. Sie dokumentieren auf eindrucksvolle, um nicht zu sagen auf schockierende Art und Weise den dringenden Handlungsbedarf. Das gilt gerade auch für Bayern. Ich möchte deshalb feststellen, dass das Problem des riskanten Alkoholkonsums kein Problem der Jugendlichen alleine ist, sondern dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. 9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren Alkohol in einer gesundheitlich riskanten Form. Das sind mehr als 12 % der Gesamtbevölkerung vom Säugling bis zum Greis gerechnet. Über zwei Millionen davon konsumieren den Alkohol missbräuchlich, 1,3 Millionen Menschen sind alkoholabhängig. Wir registrieren eine leicht rückläufige Tendenz beim Alkoholkonsum.
Frau Kollegin Meyer, hier muss ich Ihnen widersprechen, das belegen die Zahlen. Tatsache ist aber auch, dass Deutschland im internationalen Vergleich mit dem Konsum von 12 Litern reinen Alkohols pro Kopf und Jahr an führender Stelle steht. Meine Zahlen ergeben den fünften Platz; wenn Sie sagen, Deutschland habe den dritten Platz inne, dann ist das umso dramatischer. Grund hierfür ist sicher auch, und hier gebe ich auch Ihnen recht, Herr Dr. Barfuß, dass wir einen weitverbreiteten unkritischen Umgang und eine unkritische Einstellung gegenüber Alkohol haben. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass das Einstiegsalter beim Alkoholkonsum immer weiter sinkt. Bei jedem
zehnten Jugendlichen stellen wir einen riskanten oder gefährlichen Alkoholkonsum fest. Jeder fünfte Jugendliche betrinkt sich mindestens einmal pro Monat. Besonders dramatisch aber ist die Zahl der Alkoholintoxikationen bei jungen Menschen. Im Jahr 2009 ist sie in Deutschland auf über 25.000 angestiegen. Wenn wir über Prävention und ordnungspolitische Maßnahmen reden, dann haben wir diese Jugendlichen im Blick.
Sehr geehrter Herr Kollege Thalhammer, jetzt bitte ich vor allem um Ihre Aufmerksamkeit; Sie sind gerade in etwas anderes vertieft. Was ich jetzt sage, richtet sich ganz speziell an Sie.
- Sie waren richtig, nicht wahr?
Uns geht es nicht darum, die Jugendlichen per se zu verunglimpfen, es geht uns auch nicht darum, mahnend den Zeigefinger zu heben, wenn ein 16-Jähriger auf einer Fete Bier trinkt oder auch einen über den Durst. Ich bin mir ziemlich sicher, wir alle hier in diesem Hause haben das schon einmal getan. Wenn wir wirksame Maßnahmen fordern, dann geht es um die Probleme des exzessiven Trinkens, des, das sage ich jetzt in Anführungszeichen, "Koma-Saufens". Es geht uns um die Jugendlichen, die bewusstlos auf Parkbänken oder an Haltestellen aufgefunden werden, von Jugendlichen und Erwachsenen bis zur Besinnungslosigkeit abgefüllt oder weil Wirte, Händler oder Verkäufer den Jugendlichen in verantwortungsloser Art und Weise Alkohol besorgt oder verkauft haben.
Ich möchte deshalb noch einmal die Anträge im Einzelnen vorstellen. Herr Kollege Dr. Fahn hat es gesagt, das A und O bleibt die Prävention. Wenn ich aber von Prävention spreche, dann meine ich nicht nur Aufklärungskampagnen, sondern wir müssen dann auch über Schulsozialarbeit sprechen, über Gelder für Raum- und Freizeitangebote für junge Menschen und über effiziente Jugendarbeit. Ich gestehe auch zu: Es gibt schon eine ganze Palette von Präventions- und Beratungsangeboten. Die psychosozialen und ambulanten Beratungsstellen sind aber sehr ungleichmäßig über den Freistaat verteilt. Die personellen und finanziellen Ressourcen sind mehr als ausgeschöpft. Es gibt äußerst erfolgreiche Projektarbeit wie beispielsweise "DiscoFieber", "mindzone", "Elterntalk" oder auch "HaLT". "HaLT" ist als einziges Projekt evaluiert worden und hat seine Wirksamkeit und Nachhaltigkeit unter Beweis gestellt. Wir fordern das auch für die anderen Projekte, denn unser Ziel, meine Damen und Herren Kollegen, muss es doch sein, dass die Jugendlichen durch adä
quate, wirkungsvolle Kampagnen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol befähigt werden.
"HaLT" arbeitet äußerst erfolgreich, es arbeitet proaktiv und reaktiv, aber es arbeitet eben leider nicht flächendeckend. Eine Implementierung in lediglich 28 von über 70 Landkreisen ist einfach nicht bedarfsgerecht. Nach einer Anschubfinanzierung soll die Weiterfinanzierung durch die Kommunen laufen. Wir alle wissen aber, wie prekär die Finanzsituation der Kommunen ist. Ich befürchte, so manches "HaLT"-Projekt wird so manchem Rotstift zum Opfer fallen. Außerdem arbeiten nicht alle Krankenkassen mit den "HaLT"-Projekten zusammen, sodass vor allem die Finanzierung des reaktiven Teils ungewiss ist. Wir brauchen also dringend eine zukunftssichere, stabile Finanzierung des Projektes. Die 100.000 Euro sind sehr lobenswert, aber bei Weitem nicht ausreichend.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass trotz Prävention, Beratung und Projektarbeit die Anzahl der stationär behandelten Jugendlichen mit Intoxikation zunimmt; dies gilt nicht nur für Jugendliche, sondern auch - Frau Sonnenholzner hat es gesagt - für Seniorinnen und Senioren. Umso notwendiger ist es deshalb, über ordnungspolitische Maßnahmen zu sprechen. Unsere Anträge zum nächtlichen Verkaufsverbot an Tankstellen und dem Verbot von Flatrate-Partys sind zwischenzeitlich Gesetzentwürfe. Frau Kollegin Schmitt-Bussinger hat sie ausführlich begründet; ich muss das nicht wiederholen. Der im CSU-Antrag erneut geforderte Bericht - ich sage Ihnen das klar und deutlich - ist überflüssig wie ein Kropf.
Es liegen entsprechende Studien und auch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen genügend Daten vor. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern sollten endlich Nägel mit Köpfen machen. So fordert es auch Minister Herrmann, und ich würde mir sehr wünschen, dass er heute aus den Reihen seiner eigenen Fraktion die notwendige Unterstützung erfährt.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der FDP, das alles nicht für notwendig erachten, weil Ihrer Meinung nach nur die bestehenden Gesetze eingehalten werden müssen, dann wundert es mich schon sehr, dass Sie auch unseren Antrag, der sich mit dem Einsatz jugendlicher Testkäufer befasst, ablehnen. Erfahrungen in Niedersachsen zeigen erschreckenderweise, wie wenig das Verkaufspersonal die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes eingehalten hat. In 77 % der Fälle wurde Hochprozentiges an Minderjährige verkauft. Das zeigt uns auch in aller Deutlichkeit, dass die damals vom Handel freiwillig geschlossenen Vereinba
rungen - grotesk ist es dabei, zur Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen freiwillige Vereinbarungen zu benötigen - das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.
Für mich heißt das in aller Konsequenz: Der Druck auf Ladeninhaber und Verkaufspersonal, bei illegalem Verkauf von Alkohol erwischt zu werden, muss durch landesweite Testkäufer deutlich erhöht werden. Klar ist, dass dies strengen Bedingungen unterliegen muss. Zwischenzeitlich können auch in Bayern Testkäufe durchgeführt werden. Die Ministerin hat entsprechende Vollzugshinweise an die Kreisverwaltungsbehörden herausgegeben. Trotzdem hätten wir gerne ein zustimmendes Votum des Parlaments, denn der Presse war auch zu entnehmen, dass die Entscheidung im Kabinett nicht unumstritten war. Nachzulesen ist dies im "Münchner Merkur".
Unser vierter Antrag befasst sich mit der Meldepflicht an Jugendämter. Hierzu nur so viel: Eine Meldepflicht ist der falsche Weg. Das Schreiben von Frau Haderthauer hat bei den ärztlichen Kollegen eine große Verunsicherung hervorgerufen. Sie selbst wissen, dass es bereits jetzt in der Verantwortung der Ärzte liegt, bei besonderen Risiken und Gefährdungen des Kindeswohls das Jugendamt einzuschalten. Eine generelle Meldepflicht würde letztendlich das Vertrauensverhältnis stören und könnte fatalerweise dazu führen, dass Jugendliche ihre bewusstlos betrunkenen Freunde aus Furcht vor einer Meldung an das Jugendamt keiner ärztlichen Hilfe mehr zuführen. Auch von den Regierungsfraktionen wird immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie gegen die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht sind. Ich frage mich: Was spricht dagegen, das in einem Abstimmungsverhalten zu dokumentieren?
Nun zum ersten Antrag: Hier geht es nicht mehr um Jugendliche, sondern um den riskanten Alkoholgenuss in der Schwangerschaft. Ich bitte Sie, wirklich etwas ruhiger zu sein, weil es sehr beunruhigende Zahlen sind, die ich Ihnen nenne. Circa 10.000 alkoholgeschädigte Kinder werden jährlich geboren, davon 4.000 mit dem fetalen Alkoholsyndrom. Es zählt somit zu den häufigsten angeborenen Missbildungen und tritt doppelt so häufig auf wie das Downsyndrom. Wachstumsstörung, körperliche Deformierungen und Verhaltensauffälligkeiten sind die Folgen. Das fetale Alkoholsyndrom kann nicht geheilt werden. Es kann aber zu 100 % verhindert werden, wenn in der Schwangerschaft kein Alkohol getrunken wird.
Dem Thema Alkohol in der Schwangerschaft wird bislang viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Eine
schwangere Frau wird oftmals mehr schlecht als recht bei der Vorsorgeuntersuchung mit dem Thema konfrontiert. Häufig herrscht die Meinung vor, ein Gläschen schade nicht. Das Dramatische ist: Eine sichere Alkoholgrenze gibt es nicht. Schon in kleinen Mengen wirkt Alkohol als Zellgift. Jedes Glas kann für das Ungeborene ein Glas zu viel sein. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig und stetig auf die Folgen von Alkoholkonsum für das ungeborene Kind aufmerksam zu machen. Deshalb fordern wir von der Staatsregierung, eine Aufklärungskampagne über die Gefahren von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft nach dem Vorbild der französischen Aktion "Null Promille in der Schwangerschaft" zu initiieren.
Die Bundesfamilienministerin übernahm vor wenigen Tagen - unser Antrag ist schon vom November - die Schirmherrschaft über die Aktion "0,0 Promille in der Schwangerschaft - Prävention aus Liebe zum Kind", initiiert von der Stiftung für das behinderte Kind und dem Deutschen Brauerbund. Das ist eine Postkartenaktion; es gibt auch Plakate für die Wartezimmer, die auf die Problematik aufmerksam machen sollen. Das ist zu begrüßen, und es ist auch zu begrüßen, dass sich Frau Dr. Schröder hier engagiert. Es ist aber nicht ausreichend. Warum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, diesem Antrag ebenfalls nicht zustimmen können, sondern einen Bericht über mögliche Maßnahmen einfordern, erschließt sich mir nicht. Ich hoffe nicht, dass der einzige Grund - Kollege Fahn hat es vorhin schon angedeutet - darin liegt, dass der Antrag von der SPD kommt. Angesichts des Leides, das man vielleicht verhindern könnte, wäre das der Situation nicht angemessen. Ich fordere Sie deshalb auf, heute über Ihren Schatten zu springen und den Anträgen der Opposition zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach den Medienberichten in der vergangenen Woche über den Einsatz von Enzymen, mit deren Hilfe rohe Fleischstücke zu Rohschinken - ich sage jetzt einmal ganz plastisch - zusammengeklebt wurden, ist die Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern groß. Ich spreche hier nicht von einem erneuten Fleisch- oder Lebensmittelskandal oder gar von illegalen Verfahren; denn die Rechtslage ist in solchen Fällen in Deutschland leider nicht ganz eindeutig. Bei uns ist es nämlich durchaus möglich, Fleisch mittels eines solchen Verfahrens zusammenzukleben, ohne es entsprechend kennzeichnen zu müssen. Im Deutschen Lebensmittelbuch, das die Leitsätze für die verschiedenen Produkte enthält, die zum Ausdruck bringen sollen, wie die eigentliche Verkehrsauffassung eines Produktes sei, ist zum Beispiel zum Schinken interessanterweise zu lesen: Muskel und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang
gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, können ohne besonderen Hinweis zu größeren Schinken zusammengefügt sein.
Ich muss Ihnen aber sagen: Nach Analogkäse, nach Schinkenimitat, nach ESL-Milch ist das für mich die nächste große Verbrauchertäuschung.
Oberste Maxime im Lebensmittelverkehr sind der gesundheitliche Verbraucherschutz und der Schutz vor Täuschung. Qualität, Transparenz und Sicherheit sind die obersten Ziele. Alle drei Anforderungen werden hier deutlich missachtet. Ein Kunde, der einen Rohschinken kauft, erwartet ein edles Stück Fleisch, ein am Stück gewachsenes Muskelfleisch, nicht aber zusammengeklebte Teilstücke. Die Vermutung liegt doch nahe, dass der Grund für das Verkleben eine kostensparende, preisgünstige Produktion ist. Die Qualität bleibt dabei auf der Strecke. Preiswert ist das deshalb, weil der Einkauf von Teilstücken um die Hälfte billiger ist als der Kauf eines ganzen Schlegels, preiswerter auch deshalb, weil sich Restfleischstücke so mitverwerten lassen. Natürlich muss man auch darüber reden, dass man mit dieser neuen Technologie, die, wenn ich den Lebensmittelchemiker von der Freien Universität Berlin, Professor Hildebrandt, zitieren darf, ganz neue Wege der Produktion aufweist, die bislang nicht einmal in wissenschaftlichen Zeitschriften beschrieben wurden, um neben hochwertigem Muskelfleisch auch minderwertiges Fleisch zu verarbeiten, ohne dass dies sichtbar auffällt. Das muss nicht sein, das kann aber sein.
Nachdem ich mit Fraktionskollegen gesprochen habe, die im Untersuchungsausschuss den Gammelfleischskandal begleitet haben, muss ich sagen: Manchen Produzenten scheint es vor nichts, aber auch vor gar nichts zu grauen.
Spätestens hier kommt die Sicherheit des Verbrauchers ins Spiel. Dieses Verfahren wird nämlich dann gesundheitsgefährdend, wenn minderwertiges Fleisch oder auch Fleisch von hygienisch minderwertiger Qualität zum Einsatz kommt. Das Enzym an sich, die Transglutaminase, gibt noch keinen Hinweis auf eine gesundheitsschädigende Wirkung. Allerdings spielt die Transglutaminase bei der Zöliakie, also der Glutenunverträglichkeit, eine zentrale Rolle. In der Fachwelt wird darüber diskutiert, ob eine durch die Nahrung zugeführte Transglutaminase bei Zöliakie-Patienten eine Reaktionsverstärkung oder eine Autoimmunreaktion hervorrufen kann.
Aus diesem Grunde ist in der Schweiz die Verwendung dieses Enzyms vom Bundesamt für Gesundheit zu bewilligen. In der Schweiz ist auch eine Kennzeichnung zwingend vorgeschrieben. In der EU ist das noch nicht der Fall, da die Transglutaminase immer noch als Hilfsstoff und nicht als Zusatzstoff gilt und deshalb nicht kennzeichnungspflichtig ist.
Kollegen und Kolleginnen, ich werde heute nicht über die Kennzeichnungspflicht sprechen, obwohl dieses Beispiel deutlich macht, dass es noch einen sehr großen gesetzlichen Regelungsbedarf gibt. Die Kennzeichnung von Zusatzstoffen, Hilfsstoffen und Allergenen muss noch massiv ausgebaut und verbraucherfreundlicher gestaltet werden. Das ist nach unserer Meinung unbestritten.
Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, heute möchte ich darüber sprechen, dass wir als Verbraucherinnen und Verbraucher diesen zusammengeklebten Schinken schlicht und einfach nicht brauchen. So etwas ist überflüssig.
Im Einkauf ist ein solcher Klebeschinken für den Endverbraucher nicht preiswerter. Er ist teuer und weist eine mindere Qualität auf. Das gesundheitsgefährdende Potenzial ist nicht einzuschätzen. Im Übrigen: Wir haben gestern eine Geschmacksprobe gemacht. Dieses Produkt kann in keiner Weise mit einem Schinken konkurrieren, der nach guter handwerklicher Tradition hergestellt wurde.
- Herr Kollege Dr. Bertermann, Sie durften nicht mitessen. Ich kann Sie aber vielleicht einmal privat einladen.
Das Klebeverfahren ist in diesem Fall keine Innovation, wie das die CSU in ihrem Antrag schreibt. Ein solches Produkt erhöht lediglich den Profit der industriellen Produzenten und bringt kleine mittelständische handwerkliche Metzgereien in Bedrängnis. Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, sich umgehend über eine Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass das Verkleben von Fleisch mit der Zugabe von Enzymen unzulässig wird. Am Ende soll ein Herstellungs- und Vertriebsverbot für solche Produkte erreicht werden. Wünschenswert wäre es, wenn eine solche Regelung EU-weit erreicht werden könnte.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit dieser Forderung in sehr guter Gesellschaft. Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert ein solches Verbot. Zu den beiden nachgezogenen Anträgen
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der CSU und der FDP werden wir uns der Stimme enthalten, da sie uns schlicht und ergreifend nicht weit genug gehen.
Frau Kollegin Stamm, ich wollte Sie darauf aufmerksam machen, dass unser Antrag nicht auf ein Verbot der Transglutaminase abzielt, sondern auf ein Verbot des Klebeverfahrens bei rohem Fleisch. Zum Kleben können auch Algen verwendet werden. Die Transglutaminase wird schon seit Ewigkeiten im Joghurt und der Wurst verwendet. Das nur zu Ihrem besseren Verständnis.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Vor genau neun Wochen haben wir uns mit dieser Thematik hier im Parlament befasst. Die lokalen Abgeordneten sind seitdem ständig an dem Thema dran. Ihr Antrag, Herr Aiwanger, ist inhaltlich absolut deckungsgleich mit dem Antrag, den die SPD-Fraktion am 4. Februar eingebracht hat.
Deshalb sage ich: Guten Morgen! Sie sind angekommen. Ich freue mich.
Im Übrigen irritiert es mich, auf wie wenig Interesse Ihr Dringlichkeitsantrag in der eigenen Fraktion stößt. Ich hätte mir da etwas mehr Unterstützung gewünscht.
Vor neun Wochen habe ich hier geschildert, wie die Ankündigung der Siemens AG, in Bad Neustadt 840 Arbeitsplätze abzubauen, die Region unter Schock gesetzt hat. Die Empörung hält an. Ich muss Ihnen sagen: