Protokoll der Sitzung vom 15.07.2009

Herr Kollege Dr. Runge, Sie haben gleich am Anfang eine komplette Umsteuerung, eine Änderung unserer Wirtschaftspolitik gefordert. Ich halte es da mehr mit Minister Zeil, dem Kollegen Hacker und dem Kollegen Huber, der darauf hingewiesen hat: Wir brauchen die Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft, weil sie das erfolgreiche Wirtschaftssystem in der Bundesrepublik Deutschland gewesen ist und weiterhin sein wird, welches Wohlstand für alle garantiert hat.

Wir sind uns hier sicher einig, dass der Turbokapitalismus versagt hat, dass wir Vernunft und Augenmaß statt Gier und ungezügeltes Renditedenken brauchen und dass die Kontrolle versagt hat. Die Kontrolle hat zunächst in den USA versagt. Sie hat aber auch auf europäischer Ebene versagt. Sie muss verstärkt werden, selbstverständlich auch in der Bundesrepublik Deutschland.

Es ist schon bemerkenswert, wenn der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD hier völlig verdrängt, dass gerade die SPD seit elf Jahren das Bundesfinanzministerium innehat. Das betrifft nun einmal den Minister, der hier vor allen Dingen und zuallererst gefordert gewesen wäre.

Herr Kollege Muthmann hat mit den Worten geendet: Die Menschen wollen Taten sehen. Das ist sicher richtig. Aber er hat in seiner Rede völlig ausgeblendet, dass bereits in den letzten Jahren Taten geschehen sind und

dass aktuell im Doppelhaushalt, der 40 Milliarden Euro umfasst, 5 Milliarden Euro für Investitionen enthalten sind. Das sind immerhin 13,6 %. Ich würde mir noch mehr wünschen; das bekenne ich ausdrücklich. Er hat auch ausgeblendet, dass allein im kommunalen Finanzausgleich 6,3 Milliarden Euro an die Kommunen fließen, die dieses Geld wesentlich für Investitionen nutzen. Das ist das, was angesagt ist.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Wenn wir eine funktionierende Wirtschaft brauchen sie wird wieder anspringen; hoffentlich dauert es nicht allzu lange -, dann brauchen wir auch funktionierende Verkehrsadern. Denn die sind die Lebensadern unserer Wirtschaft. Die Verkehrsinfrastruktur muss weiter ausgebaut werden. Das gilt sowohl für Verbesserungen der bestehenden Straßen- und Schienennetze als natürlich auch für dringend notwendige Aus- und Neubaumaßnahmen.

Derzeit haben wir dank der Konjunkturprogramme eine sehr gute Finanzausstattung im Straßenbau. Das hat Innenminister Joachim Herrmann erst vor wenigen Tagen ausdrücklich bekräftigt. Allerdings müssen wir dieses hohe Niveau natürlich in der Zeit nach 2010 aufrechterhalten. Die Ingenieurbüros und Baufirmen brauchen Planungssicherheit.

Die Schiene hat - das bedaure ich ausdrücklich - leider von den Konjunkturprogrammen nicht im gleichen Umfang profitieren können. Minister Zeil hat darauf hingewiesen, dass wir hier dringend ein Planungsbudget für Schienenausbaumaßnahmen brauchen. Seitens des Bundes muss es der Bahn ermöglicht werden, vorauszuplanen, wie es uns die Straßenbaubehörden vormachen. Diese sind, wenn es kurzfristig mehr Geld gibt, in der Lage, dieses Geld auszugeben und zu verbauen. Das hilft denen, die dringend auf neue Straßen warten, insbesondere aber auch denen, die bei den Baufirmen arbeiten. Von daher ist das ein prima Konjunkturprogramm.

Die Benachteiligung der Schiene muss aufhören. Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft. Mobilität bedeutet zum einen Lebensqualität. Zum anderen ist sie nötig, damit die Menschen zu ihrer Arbeitsstelle gelangen.

Die Mobilität darf allerdings nicht weiter verteuert werden. Sie muss für die breite Masse bezahlbar bleiben. Daher dürfen wir die Steuer- und Abgabeschraube in diesem Bereich nicht überdrehen.

Die Mauteinnahmen, die es seit einigen Jahren gibt, müssen tatsächlich zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es darf nicht sein, dass der Stammhaushalt zurückgefahren wird, sodass das, was die Maut einbringt, im Verhältnis eins zu eins aufgeht, wenn man sie dazurechnet.

Mobilität muss auch umweltfreundlich gestaltet werden. Zu umweltgerechter Mobilität gehört unter anderem eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene und auf Wasserstraßen. Wir brauchen eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs durch Entwicklung sparsamerer Motoren. Wir brauchen verstärkt den Einbau geräuscharmer Fahrbahnbeläge. Wir brauchen die Umrüstung von Güterwaggons auf lärmreduzierte Bremsen. Wir brauchen den weiteren Ausbau des ÖPNV auch in der Fläche. Hierzu sind natürlich Verbünde, einheitliche Fahrkarten und ein verbessertes Informationswesen notwendig.

Warum zähle ich diese Dinge auf? Sie bringen alle auch Arbeitsplätze. Gerade bei der Entwicklung neuer Technologien im Fahrzeugbau haben bayerische Firmen oft die Nase vorn. Innovation im Fahrzeugbau gilt für Pkws genauso wie für Lkws und für Busse und Schienenfahrzeuge, aber auch für Hubschrauber aus Donauwörth, lieber Fraktionsvorsitzender, und für Flugzeuge. Diese Innovationen bedeuten eine Stärkung der Wirtschaft, bedeuten neue Arbeitsplätze und die Weiterentwicklung Bayerns als Hightech-Standort.

Gerade jetzt kommt es darauf an, die Fahrzeugindustrie sowie die mittelständisch geprägte Transport- und Logistikschiene wettbewerbsfähig zu erhalten. Ich erinnere an die konjunkturbedingten aktuellen Rückgänge: 50 % bei der Nutzfahrzeugproduktion, 30 % Ladungseinbußen beim Straßengüterverkehr. Da ist es völlig falsch, gerade jetzt die Lkw-Maut zu erhöhen und damit die Belastbarkeit des Speditionsgewerbes noch weiter zu testen. Dafür ist kein Raum mehr.

Abschließend weise ich nochmals darauf hin. Das Bahnnetz in Deutschland ist unterfinanziert. Die Hauptstrecken sind überlastet. Daher sind die Beseitigung von Engpässen im Netz und ein gezielter Ausbau gerade auch der Knoten in München und Nürnberg, auch zur Entmischung des Schienenpersonenfernverkehrs und des Schienengüterverkehrs, dringend notwendig.

Wir brauchen endlich ein schlüssiges Finanzierungskonzept für die Verkehrsinfrastruktur. Der Verkehrshaushalt des Bundes muss dringend und vor allem verlässlich angehoben werden. Die zusätzlichen Mittel, die die Lkw-Maut in die Bundeskasse spült, kommen leider nicht als Mehrwert - sprich: mehr Geld - beim Bundesverkehrsminister an. Das darf so nicht weitergehen.

Die aktuelle Krise lässt sich am besten durch Investitionen bekämpfen. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur dienen der Wirtschaft und dem privaten Nutzer. Diese Investitionen sorgen für Aufträge an unsere Tiefbauunternehmen. Die Bauindustrie hat sich stets als d i e Konjunkturlokomotive erwiesen. Stellen wir also seitens der Politik die Signale auf Grün, damit uns die Lokomotive kraftvoll aus der Krise ziehen kann!

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Kollege Rotter, ich darf Sie noch kurz zum Verweilen bitten. Herr Kollege Dr. Runge wird eine Zwischenbemerkung machen.

Herr Kollege Rotter, Sie wollen uns jetzt andichten, wir wollten unsere Wirtschaftsordnung revolutionieren. Das zeigt erstens, dass Sie den Unterschied zwischen Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsweise anscheinend nicht verstehen.

Punkt zwei: Wir sind an Ihrer Seite, was viele dringend notwendige Bahn-Infrastrukturmaßnahmen anbelangt; wir haben sie auch beide aufgezählt. Dann verabschieden Sie sich doch einmal - und machen Sie entsprechend Druck auf Berlin - von Wahnsinnsprojekten wie die Y-Trasse in Norddeutschland, wie "Stuttgart 21", wie die Rennstrecke durch den Thüringer Wald und den Gottesgarten, weil diese Projekte zweistellige Milliardenbeträge verschlingen würden. Sie wissen alle, wie unterfinanziert der Bundesverkehrswegeplan ist.

Geschätzter Kollege Rotter, jetzt aber zwei Fragen:

Erstens. Wie beurteilen Sie denn die Tatsache, dass bei der vorletzten Quelle-Debatte der heute anwesende Ministerpräsident Horst Seehofer gesagt hat, er hätte im Einvernehmen mit dem ebenfalls heute hier sitzenden Wirtschaftsminister Martin Zeil den Antrag auf Rettungsbeihilfe unterstützt - der Antrag war Anfang Juni, also vor Anmeldung der Insolvenz -, während Minister Zeil wiederum sagt, er war immer gegen jedes staatliche Engagement vor Anmeldung der Insolvenz? War jetzt ein Einvernehmen da, oder war es nicht da?

Meine zweite Frage: Minister Zeil hat gesagt, vereinbarungsgemäß darf der Ministerpräsident heute das Schlusswort haben, weil er morgen nicht kommen könne. Sehen Sie es nicht auch so wie wir, dass das Schlusswort zur Regierungserklärung zur Wirtschaftspolitik der Ministerpräsident hat, weil er der eigentliche Wirtschaftsminister ist?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von den GRÜ- NEN: Bravo!)

Herr Kollege Rotter, bitte.

Herr Kollege Dr. Runge, wollen Sie mich mit Ihren Fragen aufs Glatteis führen?

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Nein, nie- mals!)

Herr Staatsminister Zeil hat bereits erklärt, dass Sie ihn hier falsch zitiert haben und dass er sich so nicht geäußert hat. Außerdem haben Sie selbst darauf hingewiesen, dass der Herr Ministerpräsident das Schlusswort spricht. Er kann sich selbst am besten darstellen und interpretieren; denn er weiß am besten, was er selbst gesagt hat.

(Allgemeine Heiterkeit und Zurufe)

Sie werden nachher Antworten auf diese Frage bekommen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nun darf ich Frau Annette Karl für die SPD ans Mikrofon bitten. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Zeil, Sie haben in Ihrer Rede gesagt - ich zitiere -: "Wir halten am Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Bayerns fest." Herr Minister, ich kann Ihnen versichern, wir freuen uns darüber, dass Sie ein neuerliches Bekenntnis zu diesem Auftrag des Grundgesetzes ablegen. Angesichts der Tatsache aber, dass dies eine Selbstverständlichkeit ist - es gibt wohl keinen Abgeordneten im Hohen Hause, der dieser Aussage widersprechen würde -, frage ich mich schon, warum Sie das so ausdrücklich betonen. Kann es sein, dass es in Ihrer Fraktion bereits Diskussionen darüber gibt, sich von diesem Grundgesetzauftrag zu verabschieden? Ich erinnere zum Beispiel nur an die "vbw"-Studie mit ihrem Gerede vom passiven Sanieren und von Anbindungsstrategien und daran, dass die ländlichen Regionen nur noch als Urlaubsressorts für Golfer zu nutzen seien. Diese Frage hätte ich gerne von Ihnen deutlich beantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage stellt sich auch deshalb, weil Sie in Ihrem Redebeitrag die Antwort darauf schuldig geblieben sind, wie denn die gleichwertigen Lebensverhältnisse erreicht werden sollen.

(Beifall bei der SPD)

Wo ist Ihre Antwort auf die fortdauernde Abstimmung mit den Füßen, die innerhalb Bayerns stattfindet? Wo sind Ihre Antworten für die jungen Familien, die aus den ländlichen Räumen wegziehen müssen, weil es an Kinderbetreuung fehlt, an einem guten Bildungsangebot, an Ausbildungsplätzen und sogar an einem funktionierenden ÖPNV? Wo ist Ihre Vision für eine nachhaltige, stetige Fortentwicklung der ländlichen Räume, auch und gerade im Kontext der europäischen Entwicklung?

Herr Minister, in allen Presseerklärungen Ihres Ministeriums wird diesem Bereich ein hoher Stellenwert zugemessen. Ihre Staatssekretärin reist mit Ihren Kollegen von einem malerischen Ort in Bayern zum nächsten und hält dort schwerwiegende Sitzungen ab.

(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Das glaube ich nicht!)

Ich frage Sie: Was ist der Output? Das sind lediglich Kataloge mit kurzfristigen reaktiven Maßnahmen. Es reicht aber nicht immer, darauf zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, und dann mit großem Tamtam einen Rettungsring hinterherzuwerfen, sondern wir müssen vorher dafür sorgen, dass der Brunnen eine ordentliche Abdeckung hat.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich dazu einige Beispiele aufführen. Sie fordern von Berlin eine deutliche Erhöhung der Gelder für die Straßen- und Schieneninfrastruktur. Mein Kollege Paul Wengert hat schon darauf hingewiesen, dass heuer mit 1,8 Milliarden der größte Betrag, der jemals gegeben wurde, vom Verkehrsministerium nach Bayern überwiesen worden ist. Wo aber ist der entsprechende Beitrag des Freistaats? Sie haben im ersten Haushaltsentwurf massive Kürzungen beim Staatsstraßenunterhalt vorgenommen. Anschließend haben Sie mit Hilfe der Gelder aus dem Konjunkturpaket - auch das wieder Bundesgelder - wenigstens wieder das alte Niveau erreicht. Das ist keine Strukturpolitik, wie wir sie uns vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Bei allen, teilweise sicher auch gerechtfertigten Forderungen an Berlin gilt es, die Hausaufgaben in Bayern nicht zu vergessen. Lieber Kollege Huber, das gilt auch für das Thema Steuergesetze. Sie haben sehr länglich über die Gesetzgebung des Bundes geredet, aber dabei anscheinend vergessen, dass es heute nicht darum geht, Wahlkampfreden zu halten, sondern darum, den bayerischen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung darzustellen und diskutieren. Dazu habe ich von Ihnen wenig gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kollege Huber, ich habe allerdings mit Freude vernommen, dass Sie bei dem Thema Technologieneutralität langsam auf meine Linie einschwenken. Ich lade Sie dazu ein, dass wir gemeinsam für eine Aufweichung der Richtlinien in Europa kämpfen.

(Beifall bei der SPD)