Danke schön, Herr Staatssekretär. Als nächster Fragesteller ist Herr Ländner benannt, dann Herr Kollege Schneider. Herr Kollege Ländner, bitte schön.
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Darstellung der Maßnahmen und der Hintergründe beim Einsatz der Polizei anlässlich terroristischer Bedrohung auf dem Oktoberfest. Ich denke, es steht dem Parlament gut an, im Rückblick herzlichen Dank zu sagen an all die Einsatzkräfte, die in großer Anzahl kurzfristig nachgeführt und verstärkt werden mussten. Das war eine enorme Anstrengung für die bayerische Polizei, die sie mit Bravour gemeistert hat. Ich möchte ein Dankeschön an die Einsatzkräfte ausbringen.
Herr Staatssekretär und sicherlich viele hier im Hohen Haus waren über die Bedrohungslage informiert. Wir haben alle diese Tage und das letzte Wochenende in einer latenten Angst verbracht: Wird es tatsächlich zu einem solchen Anschlag kommen? Müssen wir die letzte Maßnahme bei uns auf bayerischem Territorium sehen? Gott sei Dank ist nichts passiert.
Ich denke aber, bei aller Freude darüber, dass nichts geschehen ist, ist der Blick in die Zukunft wichtig. Daher meine Frage: Welche sicherheitspolitischen Konsequenzen zieht das bayerische Innenministerium bei der Bewältigung der jetzigen Gefährdungslage, und insbesondere: Wie will das Innenministerium mit Unterstützung des Parlaments in den nächsten Wochen und
Monaten auf die Gefährdungslage reagieren? Ich bitte Sie auch, Herr Staatssekretär, uns einen kleinen Ausblick zu geben als Anstoß für unsere Arbeit, auch im Innenausschuss, für die nächsten Monate. Was sind die Schwerpunkte? Wie sieht das das Ministerium?
Vielen Dank, Herr Kollege Ländner. Dem Dank an die bayerischen Polizistinnen und Polizisten kann ich mich seitens der Staatsregierung nur anschließen. Ich bedanke mich herzlich, dass Sie das angesprochen haben. Es sind zeitweise bis zu 1.200 Beamtinnen und Beamte auf der Wiesn im Einsatz gewesen, mindestens 400. Zeitweise haben die verfügbaren Kräfte der Bereitschaftspolizei gar nicht ausgereicht, sodass die Landespolizeipräsidien unterstützend Hilfe leisten mussten. Das sei angemerkt. Wir werden sehen, dass die angefallenen Überstunden in angemessener Zeit abgebaut werden können. Aber es hat wirklich gut geklappt. Es hat vor allem geklappt - und dafür auch ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten, die den Einsatz geplant haben -, ohne die Bevölkerung zu verunsichern, ohne dass auf die Wiesn ein größerer Schatten der Angst gefallen wäre.
Wie sieht der Ausblick aus? Die zwei Wochen nach der Bundestagswahl, die von al-Quaida im Harrach-Video angesprochen wurden, sind zeitlich noch nicht vorbei. Das heißt, wir sind weiterhin besonders wachsam, zumal uns die zuständigen Sicherheitsbehörden, die diese Videos und Botschaften auswerten, sagen: In der Diktion der islamistischen Gefährder sind zwei Wochen nicht unbedingt zwei Wochen, es kann letztlich auch der ganze Oktober sein. Wir haben jetzt so oder so eine Zeit, in der wir verstärkt wachsam sind.
Das spielt sich vor allem in einer sehr engen aktuellen Abstimmung zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder ab. Ich habe ihnen gesagt, wir haben momentan jede Woche eine besondere Schaltkonferenz der AK-II-Mitglieder, also des Arbeitskreises Polizei der Innenministerien und auf Bundesebene. Daneben haben die Staatssekretäre mehrere Telefonschaltkonferenzen, jetzt wieder am Donnerstag, um die Sicherheitslage ganz eng abzustimmen. Wir haben mit den verschiedenen Einrichtungen, die wir geschaffen haben, seien es die AKIS-Dienststellen, die wir zum Teil aus dem Bereich der OK ausgegliedert haben, sei es durch das Gemeinsame Terror-Abwehr-Zentrum GTAZ -, also das Lagezentrum das die Auswertungen macht, einen ganz effektiven Stab, der uns letztlich die Mittel an die Hand gibt, den großen Bereich zu überwachen.
Was die konkrete Gefährdungslage angeht - bei der Wiesn hatten wir ja noch keine konkrete, sondern lediglich eine erhöhte Gefährdungslage -, sind die Instrumente, die wir auf Bundesebene im Moment haben, durch diese verschiedenen Möglichkeiten, uns auszutauschen, im Prinzip so, dass man sagen kann, sie sind ausreichend, sie sind griffig. Das ist natürlich immer das vorrangige Recht der Staatsregierung bzw. des Innenministeriums. Wenn sich der Innenausschuss bereit erklärt, unterstützend tätig zu werden, dann sind wir natürlich immer dankbar dafür, besonders was den finanziellen Bereich betrifft, was die Ausstattung mit Stellen und die Sachausstattung angeht. Wir können für unsere Polizei und die Innere Sicherheit nichts Besseres tun.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir brauchen die Fragestunde nicht, um Dinge zu erörtern, die wir schon aus der Presse kennen,
die schon in Pressekonferenzen zum Besten gegeben wurden. Ich finde es auch bedauerlich, dass Herr Kollege Meißner noch immer nicht eingetroffen ist. Wenn wir schon so ein wichtiges Thema behandeln, dann wäre es, meine ich, notwendig, dass Kollege Meißner an dieser Fragestunde teilnimmt.
Beim zurückliegenden Oktoberfest waren bis zu 1.200 Polizeibeamte im Einsatz, um für die Sicherheit der Festbesucher zu sorgen. Seit 2000 wurden im Bundesgebiet mehr als 200 Ermittlungsverfahren mit terroristischem Hintergrund eingeleitet. Wie viele davon in Bayern, und wie viele entfallen davon auf terroristische Gruppen? Das sind Fragen, die nicht gestellt wurden. Ich verstehe mich hier nicht als Stichwortgeber wie vielleicht meine Kollegen.
Wie viele Personen stehen zurzeit in Bayern als potenzielle Gefährder unter Beobachtung von Verfassungsschutz und Polizei?
In Bayern und auf Bundesebene wurden in den letzten Jahren zahlreiche Sondereinheiten zur Bekämpfung des islamistischen Terrors geschaffen, so zum Beispiel AKIS zur Aufklärung krimineller islamistischer Strukturen, SIZ, das Strategische Informationszentrum, BIR
GiT, die Einheit zur beschleunigten Identifizierung und Rückführung von Gefährdern, GTAZ, die gemeinsame Terrorabwehrzentrale auf Bundesebene, und das GIZ, das Gemeinsame Internetzentrum zur gebündelten Internetanalyse auf Bundesebene.
Jetzt kommt die wichtige Frage: Wurde hierfür zusätzliches Personal eingestellt oder wurden Beamte aus den Dienststellen hierfür abgeordnet oder ganz abgezogen? Wir haben in der Vergangenheit die Beobachtung gemacht, dass die Leute dann an der Basis fehlen.
Ist es möglich, durch diese Maßnahmen auch die kleinzählig und selbstständig operierenden islamistischen Gruppen zu überwachen?
Zu guter Letzt: Trifft es zu, dass sich sogenannte Gefährder, die rund um die Uhr unter Beobachtung stehen, der polizeilichen Überwachung entziehen konnten und untergetaucht sind? War dies mit der Grund für die verstärkten Überwachungsmaßnahmen auf dem Oktoberfest?
Abschließend noch die Feststellung: Ich hoffe nicht, dass die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus in Bayern durch das Verhältnis zwischen Ministerpräsident und Staatssekretär getrübt wird.
Und nun zu Ihren Fragen, Herr Kollege Schneider. Die Zahlen der eingeleiteten Ermittlungs- und Überwachungsfälle muss ich Ihnen nachliefern. Von den von Ihnen genannten 200 liegen mir die bayerischen Zahlen im Moment nicht vor. Bundesweit stehen etwa 130 islamistische Gefährder unter Beobachtung. Davon befinden sich etwa 13, also ein gutes Zehntel, in Bayern. Über den Daumen gepeilt glaube ich, dass wir etwa ein Zehntel der von Ihnen angesprochenen Fällen in Bayern haben.
Was die besonderen Einheiten angeht - AKIS, BIRGiT, SIZ, GTAZ und GIZ; Sie haben das alles angesprochen -, so sind hierfür in Bayern keine neuen Stellen geschaffen worden, sondern es sind zum Teil Beamtinnen
und Beamte aus dem Bereich der OK-Dienststellen genommen worden. Da handelt es sich um Personen, die in Fragen der Ermittlungstätigkeit eine gewisse Fingerfertigkeit und ein entsprechendes Handwerkszeug haben, das man auch im terroristischen Bereich braucht.
Was die Verteilung der Stellen insgesamt angeht, so sind die Gruppen sehr stark aus den Effizienzgewinnen durch die Polizeireform aufgebaut worden. Damit hat sich zum einen das notwendige Personal ergeben und zum anderen stand dann auch - wie gesagt - Personal aus dem Bereich der OK-Dienststellen zur Verfügung, das die entsprechende Erfahrung hat, um hier aktiv tätig werden zu können.
Zur Überwachung kleinzelliger Einheiten Folgendes: Wir haben natürlich eine ganze Reihe sowohl rechtlicher Handhaben als auch technischer Möglichkeiten der Überwachung. Das hilft aber nichts, wenn ich nicht weiß - da geht Ihre Frage schon in die richtige Richtung -, gegen wen ich diese Möglichkeiten einsetzen muss. Wir haben die ganzen Stellen vor allen Dingen im Bereich der AKIS-Dienststellen deshalb geschaffen, um diese kleinzellige Szene zu beobachten und diese Gefährder kleinzellig im Blick zu behalten. Davon konnte ich mir neulich in Neu-Ulm selbst ein Bild machen, wo bekanntermaßen ein Schwerpunkt der Beobachtungen liegt. Es war zu sehen, wie trennscharf und detailgenau hier diese kleinzellige Überwachung der Gefährder, die Sie angesprochen haben, funktioniert.
Ihre Frage, ob untergetauchte Gefährder die Auslöser dafür waren, dass besondere Sicherheitsmaßnahmen auf der Wiesn getroffen wurden, kann man nur mit Nein beantworten. Die besonderen Sicherheitsmaßnahmen auf der Wiesn resultierten genau aus der erhöhten Gefährdungslage durch die beiden Video-Botschaften, in denen das Oktoberfest genannt wurde. Darauf haben wir reagiert; es handelte sich genau um den Zeitraum, der da genannt worden ist, nämlich um den Zeitraum nach der Bundestagswahl.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst vorausschicken, dass auch die FDP-Fraktion die Bedrohung durch den islamistischen Terror sehr ernst nimmt. Ich kann mich den Vorrednern anschließen, die gesagt haben, dass hierin wohl die größte Gefahr für unsere Demokratie liegt. Es ist mir deshalb ein großes Anliegen, mich auch namens der FDP-Fraktion noch einmal ausdrücklich dem Dank an unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten anzu
Ich sehe aber auch die Gefahr, dass Polizeikräfte durch Video-Botschaften gebunden werden und in Bereichen fehlen, in denen sie sonst zur Verfügung stehen könnten. Deswegen lautet meine erste Frage: Inwieweit sehen Sie die Gefahr, dass durch Video-Botschaften einfach nur Unsicherheit geschürt werden soll? Ich möchte das konkret an der Frage festmachen, ob es tatsächlich durchgeführte Anschläge gab, die vorher per Video-Botschaft durch islamistische Terroristen angekündigt wurden? Sehen Sie die Gefahr, dass solche Video-Botschaften nur zum Zwecke der Verunsicherung der Bevölkerung versandt werden und damit der Zweck der islamistischen Terroristen zumindest in Teilen erreicht wird, die Werteordnung unserer Gesellschaft zu erschüttern?
Ich frage auch, ob solche Maßnahmen nicht letztlich zu einer Destabilisierung einer Gesellschaft führen können.
Mein zweiter Fragenkomplex betrifft die Kennzeichenerfassung. Bei der Kennzeichenerfassung ist klar, dass sie auch der Abwehr terroristischer Gefahren dienen soll. Deswegen frage ich: Wurden im Rahmen der Abwehr von terroristischen Gefahren vor dem Oktoberfest Kennzeichenerfassungssysteme eingesetzt? Wie viele Fahrzeuge wurden dabei gescannt? Mit welchen Datenbanken wurde abgeglichen? Gab es dabei Treffer oder wurden sogar islamistische Terroristen entdeckt?
Schließlich ein dritter Fragenkomplex; dieser betrifft den Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit. Ich möchte dabei auf den Fall eingehen, dass zwei Islamisten für neun Tage in Gewahrsam genommen wurden. Nach dem Gesetz ist diese Ingewahrsamnahme nur zulässig, um eine unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung zu verhindern. Nach dem, was man jetzt so hört, war es wohl so, dass es hier keinen Bezug zu einer konkret geplanten Straftat gab. Deswegen meine Frage: War dem Innenministerium bekannt, dass ein solcher Antrag gestellt wurde? Meine ergänzende Frage: Hätte man hier nicht, wenn diese Sachlage tatsächlich so war, mit einer Observierung arbeiten können? Rechtsstaatlich könnte das nämlich zu erheblichen Konsequenzen führen, wenn man hier vom Erfordernis der konkreten Gefahr abgehen würde.
Zunächst zur Frage, ob Video-Botschaften nur verunsichern sollen bzw. inwieweit Terrordrohungen, die in Video-Botschaften angekündigt wurden, auch wirklich wahrgemacht wurden. Die Besonderheit in diesem Fall war - deswegen auch die besonderen Maßnahmen beim Oktoberfest -, dass sich al-Qaida noch nie zuvor - das war nicht nur die Einschätzung unserer Sicherheitsdienste, sondern eben auch der befreundeten Sicherheitsdienste wie beispielsweise in Amerika - so sehr selber unter Druck gesetzt hat. Al-Qaida war noch nie so konkret in einer Video-Botschaft geworden: Anschlagsort Deutschland; Anschlagszeitraum zwei Wochen nach der Bundestagswahl, wenn die Wahl eben nicht so ausgeht, wie dies in diesen Videos angekündigt worden war.
Deswegen haben Sie natürlich sicherlich recht, wenn Sie sagen, dass diese Video-Botschaften, diese Drohbotschaften letztlich auch Angst und Schrecken verbreiten sollten. Natürlich ist schon allein Das-in-dieWelt-Setzen einer solchen Botschaft ein Anschlag auf die freie Gesellschaft. Das ist klar. Das soll es ja auch sein; es soll uns letztlich treffen in unserer unbeschwerten Art und Weise, wie wir unser Leben gern gestalten wollen.
Aber wir hatten in diesem Fall auch allen Anlass - nämlich aus dem Grund, dass es noch nie so konkret genannt worden war - das ernst zu nehmen und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Ansonsten haben Sie recht. Destabilisierung ist natürlich ein Ziel solcher Drohbotschaften und es ist letztlich auch ein Ziel der Anschläge. Es ist das Ziel, das die Islamisten verfolgen.
Was das Kennzeichenscannen angeht, so kann ich Ihnen die Zahlen nennen, die Sie hören wollen. Wir haben im Zusammenhang mit dem Oktoberfest eine mobile Kennzeichenerfassungsanlage eingesetzt. Einmal am 27.09., 19.00 Uhr bis 23.30 Uhr in der Landsberger Straße stadteinwärts. Am 28.09., 16.00 bis 02.10.09 ebenfalls in der Landsberger Straße stadteinwärts. Am 02.10., 13.00 bis 05.10., 7.00 Uhr in der Dachauer Straße stadteinwärts.
Gescannt wurden dabei insgesamt 85.448 Fahrzeuge. Abgeglichen werden diese Daten mit den uns zur Verfügung stehenden Datenbanken wie beispielsweise INPOL und Schengener Informationssystem.