Daß wir hatten sein können, wie wir einmal waren - sie hatten uns geformt nach ihrem bild Bis wir uns erblickten in verbotenen spiegeln
In diesen Text sind vier Zitate eingearbeitet: Ein Zitat von Johann Christoph Altnikol, einem Schüler und Schwiegersohn Johann Sebastian Bachs, der sich über die Naumburger Wenzelsorgel äußert, ein Zitat von Robert Schumann, der auf den Leipziger Kirchhof geht, die Ruhestätte eines Großen aufzusuchen, ein Zitat von Johann Gottfried Herder, der sich über die Begeisterung äußert, und eine Stelle aus einer Predigt über die Musik von Abraham a Santa Clara.
Die Schulbehörde in N. wies die Direktoren an zu verhindern, daß Fach- und Oberschüler die Mittwochabend-Orgelkonzerte besuchen. Lehrer fingen Schüler vor dem Kirchenportal ab und sagten den Eltern: Entweder-oder. Eltern sagten ihren Kindern: Entwederoder. Bald reichten die Sitzplätze im Schiff und auf den Emporen nicht mehr aus. (Meldung, die in keiner Zeitung stand)
Hier müssen sie nicht sagen, was sie nicht denken. Hier umfängt sie das Nichtalltägliche, und sie müssen mit keinem Kompromiß dafür zahlen; nicht einmal mit dem Ablegen ihrer Jeans. Hier ist der Ruhepunkt der Woche.
die namenlosen, von denen jede "unsere Orgel" heißt, die berühmten, die Silbermannschen, die Orgel im Dom zu Freiberg, die kleinen, die Orgel in der Wehrkirche zu Pomßen (zwölf Register, Cimbelton und Vogelgesang), die machtvollen, die Naumburger Wenzelsorgel ("Man muß aber auch ein angenehmes Schrecken fühlen, und mit der bewenden Kirche gleichsam zu zittern anfan- gen, wenn die etlich und fünfzig Register mit dem durchdringenden Pedal zusammen gezogen werden, die mit einem so gewaltigen Schalle ertönen, daß das Gehör gleichsam davon betäubet wird, und man fast denken sollte, als wenn es ein Krachen von einem rol- lenden Donner wäre"),
die im Westen: die Mühlhausener Orgel Johann Sebastian Bachs ("Eines Abends ging ich nach dem Leip- ziger Kirchhof, die Ruhestätte eines Großen aufzusu- chen: viele Stunden lang forschte ich kreuz und quer - ich fand kein ‚J. S. Bach’ … und als ich den Totengräber darum fragte, schüttelte er über die Obskurität des Man- nes den Kopf und meinte: Bachs gäb’s viele"),
die im Norden: die Güstrower Domorgel über Barlachs "Schwebendem", dem entarteten, eingeschmolzenen und wiederauferstandenen,
die im Süden: die Orgel zu Weimar, unter deren Empore der Sarg Johann Gottfried Herders steht ("Ohne Be- geisterung geschah nichts Großes und Gutes auf der Erde; die man für Schwärmer hielt, haben dem mensch- lichen Geschlecht die nützlichsten Dienste geleistet. Trotz allen Spottes, trotz jeder Verfolgung und Verach- tung drangen sie durch, und wenn sie nicht zum Ziele kamen, so kamen sie doch weiter und brachten wei- ter"),
die im Osten: die Orgel zu St. Peter und St. Paul in Görlitz, die über und über mit Sonnen bedeckte, flammende, die Licht-, die Sonnenorgel ("Salve! mein schö- ne Grammatica und Rhetorica; Servitor! meine schöne Logica und Arithmetica; Bassio le man! meine schöne Geometrica und Astronomia. Aber sey mir tausendmal willkommen! mein löbliche, liebliche, künstliche, köstli- che, vornehme und angenehme Musica! Andere seynd zwar freye Künsten, du aber bist eine freye und fröhli- che Kunst; du bist eine Portion vom Himmel, du bist ein Abriß der ewigen Freuden, du bist ein Pflaster für die Melancholey, du bist ein Versöhnung der Gemüter, du bist ein Sporn der Andacht, du bist ein Arbeit der Engel, du bist ein Aufenthaltung der Alten, du bist ein Ergötz- lichkeit der Jungen"),
unter wessen Dach auch immer - müßten mit einem Mal zu spielen beginnen, einsetzen mit vollem Werk, mit ihren tiefsten Pfeifen, den zehnmeterhohen, und mit ihren höchsten, den millimetergroßen, mit ihrem Holz und Metall, ihren Zungen und Lippen;
die im Osten, Süden, Norden, Westen, die sechstausendeinhundertundelf klingenden Pfeifen in der Kreuzkirche zu Dresden, das Betstubenpositiv der Grube Himmelsfürst zu Freiberg, die von Bach geprüfte Orgel zu Hohnstein, die zu Kirchdorf, die einfach "unsere Orgel" heißt
sie alle müssten plötzlich zu tönen beginnen und die Lügen, von denen die Luft schon so gesättigt ist, daß der um Ehrlichkeit Bemühte kaum noch atmen kann, hinwegfegen - unter wessen Dach hervor auch immer, hinwegdröhnen all den Terror im Geiste …
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns die Feierstunde mit dem Deutschlandlied "Einigkeit und Recht und Freiheit" beenden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die Sitzung für eine halbe Stunde. Ich würde bitten, für die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten pünktlich hier zu sein. - Danke schön.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte, die Plätze einzunehmen. Wir nehmen die Sitzung wieder auf. Lassen Sie mich zu Beginn der wieder aufgenommenen Sitzung noch eine Anmerkung machen, die mir heute wichtig erscheint. Der 9. November stand in diesem Jahr ganz im Zeichen des 20. Jahrestags des Mauerfalls. Dies ist verständlich und auch richtig. Gleichwohl bleibt dieses Datum in der deutschen Geschichte auch
immer mit der Reichspogromnacht des Jahres 1938 verbunden. Frau Landtagspräsidentin Stamm hat gestern bei der Eröffnung der Ausstellung "Shalom - gemeinsam gehen!" ganz bewusst auf diese schrecklichen Ereignisse hingewiesen und dabei betont, dass "wir Deutsche uns unserer besonderen historischen Verantwortung gegenüber Israel und den Menschen jüdischen Glaubens bewusst sind." Ich darf das auch hier im Plenum des Bayerischen Landtags für uns alle noch einmal bekräftigen, um der Ambivalenz dieses Datums gerecht zu werden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch drei Geburtstagsglückwünsche aussprechen: Jeweils einen halbrunden Geburtstag feierten am 2. November Frau Kollegin Susann Biedefeld