Protokoll der Sitzung vom 01.12.2009

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Im Gegensatz dazu, lieber Herr Finanzminister - der Ministerpräsident ist leider nicht da -, tragen Sie weiter Ihr Credo vor sich her: Steuersenkungen sind der wirksamste Impuls zur Überwindung der Wirtschaftskrise. Das ist doch lachhaft. "Tagträumereien" nennen das die Wirtschaftsweisen. Die sagen, dass sich Steuersenkungen niemals selbst finanzieren. Sie bewirken tendenziell sogar das Gegenteil: Der Konsolidierungsbedarf wird weiter zunehmen.

Noch vernichtender ist die Kritik, wenn man an die Einzelmaßnahmen geht. Kollege Huber hat sie genannt. Ich möchte mich auf eine der Einzelmaßnahmen des sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes beschränken, nämlich auf die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Übernachtungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deutlicher als an diesem Punkt ist der Einfluss von Lobbyisten wohl noch nie zutage getreten. Man fragt sich nur, warum der Gaststättenverband nicht auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf 7 % erreicht hat. Die Campingplatzbetreiber haben sich auch schon gemeldet. Was sagen die Steuerexperten dazu? Überflüssig, schädlich, zu teuer, Bedienung von Partikularinteressen, kein Schub für die Konjunktur - das ist das Interessante! -, und: Das Steuerrecht wird noch komplizierter.

Spätestens da, Herr Finanzminister, müsste doch Ihnen als Finanzminister und als Verantwortlicher für die Steuerbeamten der Hut hoch gehen, da müssten Sie sagen: Stopp! Denn noch mehr Bürokratie, eine noch schwierigere Steuerverwaltung kann nicht in Ihrem Interesse sein. Weiterer Arbeitsaufwand für die Steuerverwaltung ist nicht in unserem Interesse. Die Länder müssen hinsichtlich der Steuerverwaltung jetzt schon den Offenbarungseid leisten. Wir konnten das gestern nachlesen. In Niedersachsen und in anderen Bundesländern sagen die Steuerbehörden schon: Macht das selber, rechnet selber, wir haben nicht mehr die Möglichkeit, wir haben nicht mehr die Zeit dazu.

Sie aber wollen das noch schwieriger machen und weiter komplizieren.

Warum müssen die Steuersenkungen unbedingt kommen? Sie müssen deshalb kommen, damit der Ministerpräsident sein Gesicht nicht verliert, weil er sie in den Wahlkämpfen, die wir hinter uns haben, versprochen hat. Nur, es hat ihm schon damals keiner geglaubt. Wo wäre das Problem? Herr Oettinger, Ministerpräsident in Baden-Württemberg, war ehrlich und hat gesagt, man wolle den Start der Bundesregierung nicht gefährden. Ach, so ist das! Man will den Start der Bundesregierung nicht gefährden - und das auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger in der ganzen Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es geht also um die Performance, nicht um sichere Haushalte. Ich sage Ihnen deutlich: Es gibt für Sie, Herr Finanzminister, folgenden Ausweg: Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrags stehen unter dem Finanzierungsvorbehalt. Gehen Sie in sich. Nehmen Sie Ministerpräsident Seehofer mit, beziehen Sie sich auf diesen Finanzierungsvorbehalt und ziehen Sie Ihre Vorschläge zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion darf ich nun Karsten Klein ans Rednerpult bitten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, der Titel der heutigen Aktuellen Stunde auf Vorschlag der SPD "Berliner Steuerpläne - nein im Bundesrat! - Haushaltsrisiken für Bayern minimieren" hat mich etwas verwundert; denn eigentlich habe ich erwartet, dass Sie dieses Thema vor der Sommerpause zur Sprache bringen, da Sie nämlich in der Großen Koalition schon 14 Milliarden Euro statt der 24 Milliarden Euro beschlossen haben. Finden Sie es nicht etwas scheinheilig, hier eine solche Debatte vom Zaun zu brechen?

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU - Zuruf von der SPD: Augenmaß!)

Elf Jahre lange mussten Sie warten, bis Sie sich wieder einer vernünftigen, kritischen und soliden Haushaltspolitik auf Bundesebene zuwenden konnten. Elf Jahre lang hatten Sie keine solche Stunde. Diese Freude kann ich ein Stück weit nachvollziehen.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Jetzt wird’s hint’ höher als vorn!)

Es waren aber auch elf Jahre der Steuererhöhungen. Darauf, was Sie an Steuern alles erhoben haben, wird sicher Ihr Kollege Halbleib noch eingehen. Wir haben heute immer noch mit die höchsten Steuereinnahmen, die die Bundesrepublik je hatte.

(Zuruf von der SPD: Waren bei Genscher die Ein- nahmen etwa geringer?)

Unter diesem Gesichtspunkt zu behaupten, dass 24 Milliarden Euro Steuererleichterungen nicht möglich seien, kann ich nach wie vor nicht nachvollziehen. Ich glaube auch, dass Sie sich an dieser Stelle unserer Grundsatzdiskussion noch immer nicht stellen; denn wir sagen: Wir haben nicht zu wenig, sondern zu viel Staat. Deshalb fordern wir eine entsprechende Reduzierung, und zwar mit Augenmaß, lieber Herr Kollege.

Wir entlasten Familien, und das müsste im ureigensten Interesse der SPD sein. Wir geben mehr Kindergeld und erhöhen den Freibetrag. Dann wird natürlich argumentiert, man sei gegen den Hartz-IV-Satz und gegen die Anrechnung, die im Übrigen Sie in das Gesetz geschrieben haben - nicht die FDP. Da muss man in der Diskussion ehrlicherweise sagen, dass wir bei den Leistungsträgern Impulse setzen und ihnen etwas geben, ohne dass der Staat etwas zurücknimmt.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Der zweite Punkt betrifft den Mittelstand. Daran, dass wir die unsägliche Regelung ändern, dass Geschwister und Geschwisterkinder bei der Erbschaftsteuer wie Fremde behandelt werden, und dass wir die Zinsschranke anpacken, ist doch nichts zu kritisieren. Genauso ist es beim Thema "Mantelkauf". Das sind gebotene politische Standpunkte.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Mütze (GRÜ- NE) - Zurufe von der SPD)

- Herr Kollege Mütze, aber daraus setzen sich diese 24 Milliarden Euro zusammen.

Wenn man das Ganze kritisiert, muss man auch die Maßnahmen ansprechen. Wir stehen hinter diesen Maßnahmen.

(Beifall bei der FDP)

Wir möchten Entlastungen und sind überzeugt, dass es dadurch einen Wachstumsimpuls gibt. Daran haben die Kommunen ein Interesse. Denn die Gewerbesteuer ist extrem anfällig, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Deshalb haben die Kommunen ein immanentes Interesse daran, dass sich die Wirtschaft wieder erholt. Deshalb müssen wir für eine Entlastung sorgen und für

das Wachstum in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch für Bayern, einen Impuls setzen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CSU - Zurufe von der SPD)

Ich möchte hinzufügen: Es werden uns nach Berechnungen 360 Millionen Euro fehlen; das wurde schon gesagt. Diese Summe haben wir - CSU und FDP gemeinsam - in unserer Berechnung vorgesehen. Wir sind davon überzeugt, dass wir auch im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen und auch durchhalten werden. Deshalb wollen wir diesen Wachstumsimpuls setzen, und wir können ihn uns an der Stelle auch leisten.

(Zuruf von der SPD: Die Steuergeschenke werden von den Beamten bezahlt! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Ein weiterer Punkt ist: Schleswig-Holstein ist ein schönes Land. Wir sind überzeugt davon, dass die Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP auf der gesamten Bundesebene diesem Gesetz noch zustimmen werden; denn es ist ein wichtiger Impuls, den wir ab Januar geben wollen. Es ist ein gemeinsames und wichtiges Projekt dieser neuen Koalition. Deshalb werden wir die ganze Sache durchführen.

Herr Rinderspacher, ich habe bisher noch kein Argument von Ihnen gehört, denn alles das, was Sie gesagt haben, hätten Sie auch schon im Sommer sagen können.

(Beifall bei der FDP - Harald Güller (SPD): Das war eine schwache Leistung!)

Für die CSUFraktion darf ich nun dem Kollegen Graf von und zu Lerchenfeld das Wort erteilen, bitte schön.

Herr Präsident, Hohes Haus, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer der größten Wirtschaftskrisen, die Deutschland je erlebt hat. Das ist schon mehrfach angedeutet worden. Wir haben im Jahr 2009 gegenüber 2008 ein erhebliches Negativwachstum. 2010 und 2011 werden auch sehr, sehr schwere Jahre werden. Erfreulich ist dabei, dass inzwischen bekannt geworden ist: Der Bund wird in diesem Jahr 10 Milliarden Euro weniger Kredite aufnehmen, als er das noch im Mai geplant hat. Ich frage mich manchmal: Ist das der Lichtschein am Ende des Tunnels oder kommt da der Zug entgegen? Erfreulich ist auch, dass wir in diesem Jahr in Deutschland die Maastricht-Kriterien wahrscheinlich einhalten und unter 3 % Neuverschuldung bleiben werden. Der Sachverständigenrat hat ganz deutlich gesagt, dass es in den Jahren 2010

und 2011 dringend erforderlich ist, weitere konjunkturstützende Maßnahmen vorzunehmen. Hierzu zählt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Was kommt auf die Unternehmen zu? Es ist von den Kollegen schon richtig gesagt worden, dass die ganzen Maßnahmen im Wesentlichen schon von der Großen Koalition vor der Sommerpause und vor der Bundestagswahl beschlossen worden sind.

Die Zinsschranke wird ausgeweitet, und das ist für die Unternehmen dringend erforderlich, die heute keine so großen Gewinne mehr ausweisen und gleichzeitig höhere Zinsen zahlen müssen.

Auch die Verlustverrechnung wird vereinfacht. Auch das ist notwendig, wenn man an die Sanierung von Unternehmen denkt und daran, dass man nicht alle Unternehmen, die heute Probleme haben, in die Insolvenz treiben will. Nur mit einer Ausweitung der Verlustverrechnung und des Verlustvortrages ist es möglich, diese Unternehmen tatsächlich zu retten. Auch die Abschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern, die wieder auf den alten Stand zurückgeführt wird, ist eine richtige Maßnahme, weil sie eine wesentliche Entbürokratisierung für die Betriebe bedeutet.

Die Kollegen haben die SPD schon daran erinnert, dass ein Großteil dieser Maßnahmen bereits vor der Bundestagswahl beschlossen worden ist. Nur 1,1 Milliarden Euro, den Bereich der Unternehmenssteuer betrachtet, sind jetzt durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nochmals dazugekommen. Bayern wird mit nur insgesamt 360 Millionen Euro davon betroffen sein.

(Markus Rinderspacher (SPD): "Nur" ist gut!)

Was aber auch dringend erforderlich ist - der Kollege Mütze hat schon darauf hingewiesen -, ist eine weitere Vereinfachung des Steuerrechts; denn wenn man in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen nicht mehr in der Lage ist, Steuerbescheide zu erlassen, weil die Gesetzgebung inzwischen so kompliziert geworden ist, fragt man sich, ob in Deutschland das Steuerrecht mit der Verfassung überhaupt noch in Übereinstimmung steht.

Meine lieben Freunde von der SPD, Sie gefallen mir wirklich.

(Harald Güller (SPD): Danke!)

Sie gefallen mir wirklich sehr. Denn vor der Sommerpause stimmen wir alle diesen Gesetzen zu, und nach der Sommerpause berufen wir eine Aktuelle Stunde ein, in der man dann dagegen polemisiert. Wenn das glaubwürdige Politik ist, meine lieben Freunde, dann unterscheiden Sie sich dramatisch von der CSU.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie haben verloren, das ist ja das Problem!)

Wir haben vor der Sommerpause im Wahlkampf gesagt, wir wollen Steuersenkungen. Wir halten uns daran. Wir werden diese Steuersenkungen auch im Bundesrat durchsetzen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die SPDFraktion darf ich nun dem Kollegen Volkmar Halbleib das Wort erteilen, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist finanzpolitisch schon eine wunderbar verkehrte Welt, die hier an das Rednerpult tritt. Das muss ich feststellen, wenn ich an den Redebeitrag des Kollegen Huber, des Kollegen Klein und zuletzt des Kollegen Graf von und zu Lerchenfeld denke. Denn wo ist Ihr Problem? Ihr Problem liegt doch nicht darin, dass hier die SPD sozusagen auf kritische Punkte hinweist, sondern darin, dass Ihnen Ihre eigenen Leute in fast allen Bundesländern reihenweise von der Fahne gehen, weil sie sagen: Wir machen diese Form der Steuerpolitik nicht mehr mit.

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch Ihr Problem. Die Ansichten, die Sie hier vortragen, sind aus einer verkehrten Welt