Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Ich möchte auf ein weiteres Problem hinweisen, das mir Eltern mitgeteilt haben. Wenn sich die Eltern dafür entscheiden, ihr Kind nicht auf die nächstgelegene Schule zu schicken, wie das im Gesetz vorgesehen ist, müssen sie die vollen Kosten für den Schulbus tragen. Sie bekommen diese Kosten nicht von der Gebietskörperschaft erstattet und können sie noch nicht einmal von der Steuer absetzen. Hier heißt es, dass diese Kosten mit dem Kindergeld abgegolten seien.

Ich halte das für nicht gerechtfertigt. Ich bin der Meinung, dass den Eltern zumindest die Kosten für die Beförderung bis zur nächstgelegenen Schule erstattet werden müssten. Das ist das Anliegen, das ich Ihnen heute vortragen möchte. Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Mir sind Fälle bekannt, bei denen Eltern ihre Kinder Psychiatern vorstellen und sich ein psychiatrisches Gutachten ausstellen lassen, wonach das betreffende Kind nicht die nächstgelegene Schule besuchen könnte, weil diese Schule zum Beispiel zu groß sei. Mit diesem Gutachten gehen die Eltern zum Landratsamt und bekommen dann die Kosten für den Schulweg zur anderen Schule erstattet. Das ist pervers. So ein Vorgehen wird den Kindern, den Eltern und dem Recht der freien Schulwahl nicht gerecht. Es ist nicht sinnvoll, wenn Eltern über solche Finten versuchen müssen, ihre Schulwegkosten erstattet zu bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, vor Weihnachten sollten Sie dafür sorgen, dass die Eltern eine Schulwegkostenerstattung für ihre Kinder wenigstens bis zur nächstgelegenen Schule bekommen.

(Beifall bei der SPD, den Freien Wählern und den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Hans Herold.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schulwegkostenerstattung ist ein Thema, mit dem wir uns daheim in den Stimmkreisen immer wieder beschäftigen. Als Bürgermeister habe ich immer wieder erlebt, dass Kinder, aus welchen Gründen auch immer, nicht die Schule vor Ort,

sondern eine andere Schule besuchen wollten. Natürlich sollten wir uns immer wieder Gedanken darüber machen, wie ein bestehendes System verbessert werden kann. Die Einführung eines geldmäßigen Erstattungsanspruchs wäre allerdings ein Systemwechsel, der mit massiven Folgewirkungen verbunden wäre.

Meine Damen und Herren, bei der Diskussion muss ich deutlich darauf hinweisen, dass Änderungen auch Konsequenzen für die Schulen vor Ort hätten, insbesondere im ländlichen Raum. Dies wird von den Landräten und Bürgermeistern immer wieder ausdrücklich betont. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns bei diesem Thema auf dem Terrain der Kommunen bewegen, da es sich bei der Schülerbeförderung um eine kommunale Angelegenheit handelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns stellt sich die Frage, ob wir demjenigen, der für seine Kinder einen speziellen Schulwunsch hat, die Beförderungskosten bezahlen, während diejenigen Eltern, die für ihre Kinder die nächstgelegene Schule akzeptieren, lediglich Anspruch auf eine Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel haben. Fakt ist: Die bayerischen Schüler haben derzeit einen Beförderungsanspruch, aber keinen Zahlungsanspruch. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Die Beschränkung auf die nächstgelegene Schule dient auch der Schulbedarfsplanung. Den Schulen werden dadurch Einzugsbereiche erschlossen und den Kommunen eine wirtschaftliche Beförderung der Schüler im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs ermöglicht. Der öffentliche Personennahverkehr könnte ohne den Schülerverkehr nicht wirtschaftlich betrieben werden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die Schüler gehen doch bereits in diese Schulen!)

Mit der Einführung eines Erstattungsanspruchs für diese fiktiven Beförderungskosten würden manche Eltern statt einer tatsächlichen Beförderung eine Erstattung in Geld verlangen, wenn ihr Kind nicht die nächstgelegene Schule besucht. Die für die Schülerbeförderung zuständigen Kommunen können nicht zu jeder beliebigen Schule eine öffentliche Verkehrslinie einrichten. Da stimmen Sie mir sicherlich zu. Diejenigen, die einen Zahlungsanspruch geltend machen, wären auch oftmals diejenigen, die ihr Kind mit dem Auto zur Schule fahren. In der Folge würden die Eltern verstärkt mit dem Auto fahren und die Busse und Züge wären halb leer unterwegs. Aus ökologischen und aus ökonomischen Gründen ist deshalb nach unserer Ansicht ein solches Vorgehen nicht sinnvoll.

Frau Kollegin Werner-Muggendorfer, Sie haben die Ermessensspielräume angesprochen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass in der jetzigen Schülerbeför

derungsverordnung bereits große Ermessensspielräume für Abweichungen vorhanden sind. So ist zum Beispiel der Besuch einer anderen als der nächstgelegenen Schule wegen pädagogischer oder weltanschaulicher Eigenheiten möglich. Er ist auch dann möglich, wenn der Beförderungsaufwand zur Wunschschule den Aufwand zur nächstgelegenen Schule nicht um mehr als 20 % übersteigt. Außerdem ist dies möglich, wenn die betroffenen Schulaufwandsträger zustimmen. Diese Ermessensspielräume gibt es bereits.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei einer Aufhebung der bisherigen Beschränkung des Beförderungsanspruchs auf die nächstgelegene Schule bei weiterführenden Schulen würde die Sprengelbildung für die Volksschulen infrage gestellt. Dies ist ein wichtiger Aspekt für die Kommunen. Auch bei Volksschulen besteht kein Beförderungsanspruch, wenn ein Schulbesuch außerhalb des Sprengels auf Antrag der Eltern genehmigt wird. Entsprechende Mehrkosten und negative Folgen für die Schulauslastung und den Schülerverkehr wären die Folge.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Staatsregierung derzeit an einem Gesetzentwurf arbeitet, wonach die offenen Ganztagsschulen in die Kostenfreiheit des Schulweges einbezogen werden sollen. Bei den gebundenen Ganztagsschulen wird die Schulwegkostenfreiheit bereits gewährt. Natürlich müssen wir auch weiterhin bei dieser Thematik im Dialog mit unseren Kommunen bleiben. Wir werden uns dem Votum des Haushaltsausschusses anschließen und diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich Sie für Ihre zeitlichen Dispositionen auf Folgendes hinweisen: Zum Tagesordnungspunkt 20 - das ist der letzte Tagesordnungs punkt, der heute behandelt wird - wurde von der Fraktion der Freien Wähler namentliche Abstimmung beantragt.

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Markus Reichhart.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, sind die Anträge der SPD und der GRÜNEN zur Schulwegkostenerstattung aufgrund zahlreicher Petitionen entstanden, die im Landtag eingereicht wurden. Dies beweist, dass die derzeitige Regelung von vielen Eltern als ungerecht und nicht hinnehmbar empfunden wird.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Bei der Frage, wie der Kostenersatz für die Beförderung von Schülern neu und sinnvoll zu regeln ist, müssen wir mehrere Aspekte berücksichtigen. Der erste Aspekt ist das Anliegen der Eltern, die sich ganz bewusst dafür entscheiden, ihr Kind nicht in die nächstgelegene Schule zu schicken. Diese Entwicklung ist, falls sie weiterhin zunimmt, sehr bedenklich. Die Gründe, die zu dieser Entscheidung führen, sind sicherlich verschieden. Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht über diese Gründe im Detail diskutieren. Allerdings sollte uns zu denken geben, dass sich Eltern und Schüler zunehmend nicht für den bequemeren, kürzeren und damit auch kostengünstigeren Schulweg entscheiden, sondern für eine Schule, von der sie für sich und ihr Kind die besten Zukunftschancen erwarten. Die Eltern wählen eine solche Schule auch dann, wenn sie weiter entfernt liegt.

Hier besteht zweifelsohne ein Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch der Eltern einerseits und den damit verbundenen Kosten andererseits. Genau dieser Herausforderung müssen wir uns aber stellen, wenn wir einen sozialverträglichen Wettbewerb in der Bildungslandschaft wollen, der nicht nur finanziell bessergestellten Eltern zugute kommt.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Uns ist vollkommen klar, dass dabei auch über die Kosten gesprochen werden muss. Eine gerechte Lösung für die Eltern zu finden und gleichzeitig den Kommunen keine oder nur geringe Kosten zuzumuten, das wird in der weiteren Abwägung wohl der Knackpunkt sein. Daher war und ist der Vorschlag, der im Kommunalausschuss formuliert wurde, die Thematik zunächst mit den kommunalen Spitzenverbänden zu erörtern, der richtige Weg. Leider wurde auch der abgeänderte Antrag mit der Stimmenmehrheit der CSU und der FDP abgelehnt. Es sollte uns aber allen klar sein, dass es für die betroffenen Eltern wichtig ist, möglichst schnell eine akzeptable - das heißt auch: gerechtere - Lösung zu finden. Es kann nicht sein, dass die betroffenen Eltern bei der Schulwegkostenerstattung völlig leer ausgehen.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Dabei steht meiner Meinung nach die Staatsregierung in der Pflicht, sowohl im Sinne der von ihr selbst propagierten offensiven Bildungspolitik zu handeln, als auch die derzeitigen Beförderungsrichtlinien den tatsächlichen Anforderungen anzupassen. Wir reden hier über eine Größenordnung von geschätzt 12,5 Millionen Euro, die direkt den betroffenen Eltern zugute kämen. Selbst bei dieser vergleichsweise geringen Summe gibt sich die CSU/FDP-Mehrheit einmal mehr kompromisslos. Hat sich die Staatsregierung in diesem Zusammenhang eigentlich schon einmal überlegt, welche immen

sen Beförderungskosten auf den Staatshaushalt durch die geplante Einführung der Mittelschule und den damit unweigerlich verbundenen Schultourismus zukommen?

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Wir fordern die Staatsregierung noch einmal auf, sich im Sinne der zahlreichen Petenten und der Anträge der SPD und der GRÜNEN für eine durchdachte und gerechte Finanzierung der Schulwegkosten bis zur nächstgelegenen Schule einzusetzen. Ich wiederhole: Die Staatsregierung steht hier Bayerns Bürgern gegenüber in der Pflicht.

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Thomas Gehring das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage der Bildung, der Gerechtigkeit von Bildung, der Teilhabe an Bildung und der Qualität von Bildung ist nicht nur eine Frage dessen, was in der Schule passiert, sondern auch eine Frage danach, wie man zu dieser Schule gelangt und ob man überhaupt zu dieser Schule gelangt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Schulweg, Schulbus und Bahnverbindung sind für viele Eltern gerade im ländlichen Raum ein Dauerthema und ein Ärgernis, das viele Probleme bringt. Es geht heute um Eltern, die eine andere als die nächstgelegene Schule für ihr Kind wählen und keine Erstattung bekommen. Wie sehr das Thema auf den Nägeln brennt, sieht man an der Zahl der Petitionen, die in diesem Hause eingegangen sind. In der letzten Legislaturperiode waren es etwa 70 Petitionen, und in dieser Legislaturperiode kann man sagen, in jeder Sitzung des Petitionsausschusses wird wenigstens eine Petition von Eltern zu diesem Thema behandelt. Das heißt, das Problem brennt auf den Nägeln und ist vor Ort ein wichtiges Thema.

Das Problem ist die "Alles-oder-gar-nichts-Regelung", die wir derzeit haben. Es gibt entweder Geld für den Weg zur nächstgelegenen Schule, oder es gibt gar nichts, wenn die Eltern ihr Kind an eine andere Schule schicken.

Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum Eltern ihr Kind an eine andere als die nächstgelegene Schule schicken. Grund ist zum Beispiel, dass Eltern einen Arbeitsplatz in der Gegend haben und die Lösung daher günstiger ist. Grund ist zum Beispiel, dass es an dieser Schule Ganztagsangebote oder einen Hort gibt. Grund

ist zum Beispiel, dass diese Schule ein besonderes Schulprofil hat. Wir reden immer von der Selbstständigkeit der Schulen und davon, dass sie eigene Profile entwickeln sollen. Dann müssen wir auch wahrnehmen, dass Eltern dementsprechend die Schule für ihr Kind auswählen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Grund kann auch sein, dass der Schüler den Zweig wechselt und damit nicht mehr an diese Schule gehen kann, weil er es nicht mehr bezahlt bekommt. Es geht auch um die Qualität von Schulen. Mit den neuen Mittelschulen wollen Sie die Sprengel in den Mittelschulbezirken aufheben. Da werden Sie mit dem Thema noch stärker befasst sein.

Es geht letztlich um nichts anderes als das, was für Großstädter selbstverständlich ist, die sich überlegen können, ob sie ihr Kind auf das Goethe- oder das Schillergymnasium schicken und was für das Kind besser ist. Das gleiche Recht sollte für die Eltern im ländlichen Raum gelten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen nichts Unmäßiges fordern, sondern nur erreichen, dass den Eltern das bezahlt wird, was sie auch bekommen würden, wenn sie ihr Kind an die nächstgelegene Schule des betreffenden Profils schicken würden. Natürlich geht es darum, die Kommunen mit ins Boot zu nehmen. Es geht darum, mit den Kommunen Gespräche zu führen. Der Druck kommt auch von den Kommunen. Ich darf auf eine Resolution des Kreistags in Günzburg hinweisen. Ich glaube, das ist einer der wenigen Kreistage, in dem es noch eine absolute CSUMehrheit gibt. Dieser Kreistag hat einstimmig diese Forderung erhoben. In der Resolution des Kreistags Günzburg heißt es, dass das Wahlrecht der Eltern durch die Regelung, dass die Kosten nur für den Weg zur nächstgelegenen Schule erstattet werden, eingeschränkt wird und dass der Antrag gestellt wird, eine neue Regelung zu schaffen. In dieser Resolution steht: "Es muss sichergestellt werden, dass die fiktiven Kosten der Beförderung zur nächstgelegenen Schule in jedem Fall erstattet werden, auch wenn die Schüler und Schülerinnen eine weiterführende Schule besuchen, die nicht die nächstgelegene Schule darstellt."

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gibt also vor Ort dieses Bedürfnis. Sie haben die Möglichkeit, dem Antrag zuzustimmen. Sie müssen etwas in dieser Richtung tun. Ich kann Ihnen versichern, wenn Sie heute nicht zustimmen, werden wir erneut entsprechende Anträge in diesem Haus einbringen und Sie weiter mit diesem Thema quälen; denn es geht um die Bildungsgerechtigkeit im ländlichen Raum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor die Staatsregierung spricht, hat in der Aussprache noch Frau Kollegin Sandt das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, im Petitionsausschuss gibt es viele Eingaben zu diesem Thema. Ich halte das Anliegen auch grundsätzlich für sehr wichtig und habe viel Verständnis für die Eltern.

Allerdings gibt es bereits viel Wahlfreiheit. Die Beförderungskosten zur Schule müssen zum Beispiel erstattet werden, wenn ein Schüler bestimmte erste Fremdsprachen wählt oder wenn er etwa ein wirtschaftswissenschaftliches oder ein sozialwissenschaftliches Profil haben möchte. Neu ist, dass dann, wenn der Schüler in die Mittelschule geht, die Beförderungskosten erstattet werden. Im Rahmen einer Sollvorschrift - und das sollten die Kommunen durchaus tun - sind die gebundenen Ganztagsschulen sowie Tagesheime und Schulen mit besonderem pädagogischem oder weltanschaulichem Hintergrund und Bekenntnisschulen bei der Erstattung der Beförderungskosten mit dabei. Es kann auch erstattet werden, wenn der Beförderungsaufwand - das ist von der Kommune abhängig - zur nächstgelegenen Schule nicht um mehr als 20 % überschritten wird.

(Zurufe von der SPD)

Es ist allerdings auch so, dass die Schülerbeförderung keine Kostenerstattung vorsieht, sondern eine Sachleistung ist. Der Staat stellt Schulbusse zur Verfügung und schafft entsprechende Netze. Dort, wo öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, werden öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Das heißt, niemand bekommt einen Geldbetrag in die Hand. Das ist Teil des Schülerbeförderungssystems, das nicht ohne Weiteres umzustellen ist. Die Schulbusse werden zur Verfügung gestellt. Es ist relativ schwierig, den Schulbus, der in die eine Richtung fährt, und den Zug, der in die andere Richtung fährt, gegeneinander abzuwägen.

Folgendes kommt noch hinzu: