Protokoll der Sitzung vom 16.12.2009

Folgendes kommt noch hinzu:

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

- Regen Sie sich nicht so auf.

In vielen Orten Bayerns fährt extra ein Schulbus. Fahren Sie einmal hin, und sehen Sie sich das an.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da wohne ich!)

- Dann machen Sie das mal.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Da muss ich nicht hinfahren, da wohne ich!)

- Hören Sie auf, herumzuschreien, ich bleibe sehr sachlich.

Zu den sachlichen Punkten gehört zum Beispiel auch, dass die Beförderungskosten zwischen Freistaat und Kommunen aufgeteilt werden, und zwar 60 : 40. 60 % zahlt der Freistaat, 40 % zahlen die Kommunen. Es gilt das Konnexitätsprinzip. Wenn die Kommunen sagen, sie zahlen das nicht, dann bleibt der Freistaat allein auf den Kosten sitzen. Im Moment zahlt der Freistaat 271,5 Millionen Euro, die Kommunen zahlen 180 Millionen Euro.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Insgesamt werden für die öffentlichen Schulen 460 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt. Bei privaten Schulen sind es zusätzlich 80 Millionen Euro. Ich meine, das ist eine ganze Menge. Ich halte allerdings die Empfehlung des Kommunalausschusses für sehr gut und berechtigt. Nur ist diese Empfehlung inzwischen obsolet. Ich habe mich heute bei Staatssekretär Dr. Huber erkundigt. Er hat bereits Gespräche mit Herrn Schaidinger geführt, wonach die Kommunen derzeit definitiv nicht bereit sind, die Beförderungskosten zu zahlen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Deshalb sind wir hier! - Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ich habe nicht gewusst, dass der Städtetag bei uns mitregiert! Gesetzgeber ist der Bayerische Landtag!)

- Offensichtlich beschäftigt sich Herr Schaidinger derzeit lieber mit größeren Summen. Das scheint definitiv so zu sein. In diesem Punkt stimme ich Ihnen voll zu. Hier sind wir ausnahmsweise einer Meinung. Sie können sich wieder beruhigen.

Es geht darum, dass der Freistaat auf den Kosten sitzen bleibt. Sollen wir das Thema ernsthaft angehen, können Sie nicht mit "Weihnachtsgeschenken" operieren und uns dauernd quälen - wie die GRÜNEN sagen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Der Freistaat muss es doch sowieso bis zur nächstgelegenen Schule zahlen!)

Wir müssen das Thema vernünftig angehen in einem Gesamtkonzept, das beispielsweise die offenen Ganztagsschulen und die selbstständigen Profilschulen berücksichtigt. Das ist im Moment und angesichts der Haushaltslage ad hoc und angesichts der komplizierten

Situation - Konnexitätsprinzip, Sachleistung etc. - derzeit in der Form nicht möglich. Deshalb müssen wir dem federführenden Ausschuss folgen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit. Ich hoffe, Sie kommen wieder runter. Frohe Weihnachten und ein besinnliches Fest.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Johanna Wer- ner-Muggendorfer (SPD): Sie haben das nicht verstanden!)

Vielen Dank, Frau Kollegin, für die guten Wünsche. Als letzten Redner darf ich für die Bayerische Staatsregierung Herrn Staatssekretär Dr. Marcel Huber an das Rednerpult bit ten. Bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Es ist besonders schön, zu einem Thema zu reden, bei dem Ihnen der gesunde Menschenverstand sofort recht gibt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist gut! - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

- Es macht so richtig Spaß, mit Ihnen zu sprechen und meine Gedanken rüberzubringen, wenn Sie mich schon nach dem dritten Wort unterbrechen. Probieren wir es noch einmal.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ich bin bloß dankbar!)

Der gesunde Menschenverstand gibt der Argumentation sehr leicht recht, den Schulweg wenigstens bis zur nächsten Schule zu bezahlen. Dabei haben Sie aber in Ihrer Argumentation das entscheidende Wort in diesem Zusammenhang falsch gewählt, nämlich "die Kosten ersetzt bekommen". Wir haben damit eine rechtssystematische Schwierigkeit, weil den Kindern im Gesetz über die Kostenfreiheit des Schulweges und in der Verordnung über die Schülerbeförderung kein Kostenersatz zusteht, sondern darin die Sicherstellung der notwendigen Schülerbeförderung als Sachleistung festgelegt ist.

Aus städtischer Betrachtung ist es meist egal. Wenn es einen ÖPNV wie in München gibt, ist es einfach. Die Kinder bekommen Karten im Wert bis zur nächsten Schule und es ist egal, wohin gefahren wird. Das ist relativ einfach umzusetzen. Bei derselben Situation auf dem flachen Land zeigt die Praxis, dass sich die Kommunen, sprich der Landkreis, bemühen müssen, den Transport zu den Schulen zu organisieren. Sie setzen Buslinien ein, um die Kinder von A oder von B zu der Schule zu bringen. Wir haben weniger das Problem,

dass die Schule nicht abschätzen könnte, wie viele Schüler zu ihr kommen. Die Kommune muss, um die Schülerbeförderung sicherzustellen, die Buslinien einrichten, egal ob sie benutzt werden oder nicht. Wenn jemand Geld ausbezahlt bekommt, um zumindest die Wegekosten ersetzt zu bekommen, kann es passieren, dass der Landkreis die Linie fahren lässt und dafür zahlen muss und trotzdem dem Schüler das Geld aushändigen muss. Derselbe Weg wird quasi doppelt bezahlt. Wenn wir das Problem lösen wollen und die Möglichkeit geben, zumindest die Kosten - wie Sie es fordern - bis zur nächsten Schule zu ersetzen, könnten wir das sofort machen, wenn ganz Bayern ein ÖPNV wäre, der wie in der Stadt funktioniert. Wir können das aber solange nicht machen, so lange der Transport auf dem Land so funktioniert, dass eigene Buslinien eingerichtet werden. Die andere Lösung, dass man den Leuten das Geld in die Hand gibt, kann eine Partei, die sich die ökologischen Gedanken besonders zu eigen macht, nicht verfolgen. Sie wissen, was dann passiert. Man wird das Geld einstecken und mit dem Auto zur nächsten Schule fahren. Das heißt, mit einer solchen Regelung würde der Individualtransport gesteigert werden. Das können wir alle nicht wollen.

Herr Staatssekretär, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Gote?

Ja, aber schnell! Ich habe nur noch eineinhalb Minuten!

Bitte schön.

Herr Staatssekretär, wäre es nicht Aufgabe der Staatsregierung, den Menschen in Bayern gleiche Lebensbedingungen zu gewährleisten? Müssten Sie nicht gerade aus diesem Grund für die Schüler und die Familien in den ländlichen Regionen einen Ausgleich schaffen?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Staatssekretär.

Wir können uns das gerne zum Ziel machen. Ich will das Thema gerne aufgreifen. Frau Sandt hat es bereits erwähnt. Ich war schon unterwegs in dieser Sache. Ich habe aber die Schwierigkeit, dass die Kommunen derzeit sagen, sie hätten momentan andere Sorgen und wenn der Freistaat dies wolle, solle er 100 % zahlen und nicht nur 60 %. Wir haben zwar keine belastbaren Zah len, rechnen aber mit einem erklecklichen zweistelligen Millionenbetrag. Ich setze das Geld derzeit lieber in Ganztagsschulen, für eine Verringerung der Klassen

größen und andere Maßnahmen ein, als dies zu finanzieren.

Sie sehen, wir sind bemüht eine Lösung zu suchen. Die Schwerpunktsetzung geht aber derzeit in eine andere Richtung. Wir verstehen Gerechtigkeit so, dass wir eine Regelung bevorzugen, die bayernweit für alle in Stadt und Land gilt. Das ist wichtiger, als dass es für jeden möglich wird, die Schule kostenfrei auszuwählen. Deshalb empfehlen wir, den Antrag zurzeit abzulehnen.

Herr Staatssekretär, bleiben Sie bitte kurz für eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer am Rednerpult. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Staatssekretär, ich bin froh, dass Sie mir wenigstens gesunden Menschenverstand bescheinigen. Man könnte manchmal verzweifeln, weil man nicht begreift, dass das Anliegen der Eltern nicht ernst genommen wird. Ich bin froh, dass Sie es ernst nehmen und es einsehen.

Die Eltern können nicht verstehen, dass Kosten, die sowieso anfallen, nicht ausbezahlt werden. Wir reden nicht darüber, dass mit dem Auto gefahren wird, wenn es zwei Schulbuslinien gibt, wo die eine zur nächstgelegenen und die andere zur weiter entfernt gelegenen Schule fährt. Letzteres gar nicht ersetzt zu bekommen, ist für die Menschen unverständlich, weil sie stets einen guten Grund haben, ihr Kind an eine bestimmte Schule zu schicken. Das ist für die Menschen nicht nachvollziehbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kosten nicht von der Steuer absetzbar sind.

Viel schlimmer ist, dass für diese Kinder psychiatrische Gutachten besorgt werden, damit die Schulwegkosten ersetzt werden. Ich habe mehrfach erlebt, dass den Leuten das als letzte Chance geraten wird. Damit wird das Ganze pervertiert und auf die Spitze getrieben. Wenn es eine Gerechtigkeit für alle gibt, kann es nicht sein, dass alle gleich behandelt werden, sondern dass das Land gesondert betrachtet werden muss, weil es in den Städten einen ÖPNV gibt.

Herr Staatssekretär, bitte.

Man kann jede Regel mit einem gekauften Gutachten umgehen, wenn es sich so verhält, wie Sie sagen - ich habe dazu keine Erkenntnisse. Wenn man sich mittels solcher Gutachten Schulwegkosten erschleichen kann, kann man sich woanders auch andere Leistungen erschleichen. Dann würde keine Regel mehr gelten. Ich meine, es ist ein unmögliches Verhalten.

Für Sie ist es leicht, den Leuten zu sagen, Sie werden sich darum kümmern, damit sie die Erstattung bekommen. Für mich ist es schwieriger, die rechtssystematische Argumentation den Bürgern nahezubringen. Dennoch muss ich sagen: Es ist nur administrierbar, wenn wir das bayernweit gleichermaßen regeln, auch wenn es schwer vermittelbar ist. Ich sage Ihnen, auch wir sind darum bemüht, eine Regelung zu finden, die den Menschen leichter eingängig ist. Derzeit ist es aber leider nicht möglich, von dem Verfahren abzuweichen, weil es unter den gegebenen Umständen - ich habe Sie Ihnen geschildert -, keinen Rechtsanspruch auf Kostenersatz geben kann. Wir werden deshalb nach wie vor Petitionen dieses Inhalts haben. Wenn es 70 in einer Legislaturperiode sind, Herr Gehring, dann ist das kein Grund, von der Regelung abzugehen. Schauen Sie doch einmal, wie viele Petitionen zum Strafvollzug in jeder einzelnen Sitzung des Petitionsausschusses behandelt werden. Die Zahl allein rechtfertigt also nichts.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das gilt erst recht, wenn Sie nicht so häufig sind!)

Im Moment ist das Problem leider nicht auszuräumen, jedenfalls nicht mit unseren derzeitigen finanziellen Möglichkeiten.

Herr Staatsekretär, uns liegt noch eine weitere Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Ackermann von den GRÜNEN vor. Bitte sehr.

Herr Staatsekretär, zunächst möchte ich Folgendes sagen: Eine Ungerechtigkeit wird nicht weniger ungerecht, wenn dazu nur 70 Petitionen eingehen. Außerdem frage ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass die Benachteiligung des ländlichen Raums mit dieser Regelung zementiert wird? - In einer Großstadt stehen immer vergleichbare Schulen zur Verfügung und sind auch zu erreichen, im ländlichen Raum geht das aber nicht. Herr Staatsekretär, stimmen Sie mir zu, dass die Schulbusse nicht weitestgehend leer fahren? Ist es nicht vielmehr so, dass sie ganz im Gegenteil komplett überfüllt sind? - Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob ein Kind mehr oder weniger in einem Schulbus sitzt. Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir schließlich zu, dass es in den allermeisten Fällen alternative Linien zu den Schulen gibt, die man den Kindern hätte anbieten können? - Es ist doch reine Paragraphenreiterei, dass man nur die Fahrt zum nächstgelegenen Schulort bezahlt. Viele Kinder werden dadurch in ihrer freien Schulwahl behindert!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsekretär, zur Antwort bitte.

Es ist sehr viel einfacher, Dinge zu fordern, als sie zu administrieren. Sie haben recht, wir wollen uns bemühen, auf dem Land die gleichen Möglichkeiten wie in der Großstadt zu schaffen. Das ist derzeit in der Praxis auf dem Land aber nicht möglich. Wir können auch nicht in einem Fall sagen, hier können wir es machen, denn da fährt sowieso ein Bus und im anderen Fall den Antrag nicht berücksichtigen. Ich habe versucht, Ihnen das zu erklären. So wie der Schülertransport derzeit als Sachleistung organisiert ist, ist es ein gerechtes Angebot: Jeder bekommt einen kostenlosen Schulweg zur nächstgelegenen Schule.

Den Luxus der freien Wahl einer Schule kann man auf dem Land nicht so einfach organisieren, auch das habe ich versucht, Ihnen nahezubringen. Das wäre wünschenswert, aber wenn wir das machen wollten, wäre es mit Kosten verbunden, die derzeit in keiner Relation zur zusätzlichen Bildungsgerechtigkeit stünden. Ich denke, wir setzen das Geld besser an einer anderen Stelle ein. Wir haben, was die Schulen anbelangt, viele Dinge, die Geld kosten und bei denen wir uns einig sind, das Geld dort zu investieren.